Spätantike

Spätantike ist eine moderne Bezeichnung für die Epoche der Mittelmeerwelt im Übergang von der Antike zum Mittelalter. Auch wenn die zeitliche Abgrenzung in der Forschung umstritten ist, gilt als Beginn dieser Übergangsepoche der Regierungsantritt des römischen Kaisers Diokletian 284 n. Chr. Das Ende ist Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion. Als grober Rahmen kann gelten: Im Westen des römischen Reiches dauert die Spätantike mindestens bis zur Ablösung des letzten Kaisers Romulus Augustulus im Jahre 476, eher aber bis zum Einfall der Langobarden in Italien (568). Im Osten reicht die Epoche bis etwa zum Tod des oströmischen Kaisers Justinian I. 565 n. Chr. bzw. bis zur arabischen Expansion (ab 632).
Die Spätantike bildet einen relativ eigenständigen Zeitraum des Altertums, der zwar nicht mehr der klassischen Antike angehört, aber auch noch nicht dem Mittelalter zugerechnet werden kann. Sie ist durch ein Nebeneinander von antiken Traditionen und christlich-germanischer Überformung gekennzeichnet. Statt wie früher von einem Niedergang, sollte für die Jahre von ca. 300 bis 600 eher von einer Transformation des antiken Erbes gesprochen werden. Ein herausragendes Ereignis dieser Epoche stellt der Siegeszug des Christentums und damit verbunden der langsame Niedergang heidnischer Traditionen dar. Auch in der Kunst und der Literatur entsteht durch die Ablösung klassisch römischer durch christlich geprägte Formen und Themen ein eigener, charakteristischer Stil.
Die Spätantike steht außerdem unter den Zeichen der Reformierung von Heer und Verwaltung durch Diokletian und Konstantin den Großen, der Zementierung der sakralen Stellung des Kaisers, der Völkerwanderung und in deren Folge schließlich der Transformation des westlichen Teils des römischen Reiches in jene germanisch-romanische Welt, die das Mittelalter prägen sollte.
Zeitliche Abgrenzung
Allgemeines
Die zeitliche Abgrenzung der Spätantike ist – wie Epocheneinschnitte allgemein – Gegenstand der geschichtswissenschaftlichen Diskussion und bis zu einem gewissen Grad willkürlich gesetzt. Die Jahrhunderte zwischen Diokletian und Mohammed stellen eine Übergangsepoche dar, bei der es schwerfällt, eindeutige Schnitte zu setzen. Nicht alle Forschungsrichtungen gewichten die verschiedenen politik-, kunst-, kultur- und religionshistorischen Faktoren des allmählichen Wandels gleich. Zudem gibt es erhebliche regionale Unterschiede, im östlichen Mittelmeerraum hielten sich antike Strukturen fraglos länger als etwa am Rhein oder in Britannien. Für den Beginn wird meist das Jahr 284 n. Chr. (Herrschaftsantritt Diokletians) angegeben, aber auch die Zeit Konstantins mit ihrer religiösen Neuorientierung kann als entscheidender Einschnitt gelten. Hingegen ist das Ende der Spätantike weitgehend offen, da je nach Lehrmeinung und Forschungsinteresse verschiedene Ansätze möglich sind.
Die Frage nach dem „Ende der Antike“
Früher wurde für das Ende der Spätantike oft ein Einschnitt mit dem Ende des römischen Reiches im Westen 476 n. Chr. gesetzt (so vor allem die ältere Lehrmeinung, beispielsweise Otto Seeck, anders dagegen bereits Ernst Kornemann). Diese Vorstellung lässt sich in den Quellen, etwa bei Marcellinus Comes, aber erst gut 40 Jahre später fassen. Es erscheint heute als mehr als fraglich, ob die damaligen Menschen dieses Jahr ebenfalls als Zäsur begriffen haben: Es gab zwar in Ravenna keinen Kaiser mehr, aber dies bedeutete nur, dass die Herrschaftsrechte im Westen nun auf den oströmischen Kaiser übergingen - und noch Justinian I. hat diese Ansprüche dann auch tatsächlich verwirklichen wollen. In der neueren Forschung wird dem Jahr 476 daher nicht mehr so viel Gewicht beigemessen wie früher.

Sehr vereinzelt wird heute schon die Reichsteilung nach dem Tod des römischen Kaisers Theodosius I. im Jahre 395, meist aber erst das Ende der Regierung Justinians I. im Jahre 565 als entscheidende Zäsur gewählt. Justinian stand noch klar in der Tradition der antiken römischen Kaiser, was unter anderem in seiner universalen Herrschaftsauffassung deutlich wird; er betrieb gar eine Politik, die auf die Wiederherstellung des Reiches in seinen alten Grenzen abzielte (Restauratio imperii), was in Teilen sogar kurzfristig gelang. Der letzte große Zug der spätantiken Völkerwanderung, der Einfall der Langobarden in Italien, erfolgte 568, nur drei Jahre nach Justinians Tod, so dass die 560er Jahre für den ganzen Mittelmeerraum einen deutlichen Einschnitt markieren. Damit ergeben sich als die derzeit gängigste Begrenzung der Epoche also die Jahre 284 bis 565.
Nicht wenige Historiker setzen das Ende der Epoche aber deutlich später an, und zwar mit dem Einbruch der Araber in den Mittelmeerraum (siehe auch so genannte Pirenne-These). Dass die Kontakte zwischen Ostrom und dem Westen noch zu Beginn des siebenten Jahrhunderts recht eng waren, wird heute nicht mehr bestritten. Das letzte antike Monument auf dem Forum Romanum ist die Säule des oströmischen Kaisers Phokas (602-610).
Unabhängig davon, dass Pirennes Annahme, erst islamische Seeräuber hätten die antike "Einheit der Mittelmeerwelt" zerstört, heute als widerlegt gilt, stellt die arabische Expansion zumindest für das Oströmische Reich einen massiven Einschnitt dar, da das Imperium nun im wesentlichen auf Kleinasien und den Balkan beschränkt war und sich unter dem äußeren Druck auch im Innern vieler antiker Traditionen entledigte. Erst unter Kaiser Herakleios (610-641) endete damit die spätrömische Phase des Oströmischen Reiches, dessen Reste sich dann in das mittelalterliche Byzanz verwandelten.
Insgesamt herrscht im anglo-amerikanischen Raum die Tendenz vor, das Ende der Antike frühestens mit dem Ende der Herrschaft Justinians anzusetzen, so etwa Averil Cameron und John B. Bury (etwas eigenwillig Arnold Hugh Martin Jones 602 mit dem Tod des Kaisers Maurikios). Der letzte Band der Cambridge Ancient History behandelt die Jahre 425 bis 600. Aber auch im deutschsprachigen Raum hat man sich in großen Teilen von der Idee verabschiedet, am künstlichen Epochenjahr 476 festzuhalten (siehe Alexander Demandt, Heinz Bellen, Jochen Martin oder Hartwin Brandt) und bevorzugt nun zumeist 565. Doch eine Ausweitung der Epoche bis 632 erscheint sinnvoll und setzt sich zunehmend durch, da zumindest für Ostrom erst der Einfall der Araber (siehe dazu Islamische Expansion) den entscheidenden Einschnitt markierte. Die arabischen Truppen eroberten nicht nur den römischen Orient, sondern vernichteten auch das Neupersische Reich der Sassaniden, das die gesamte Spätantike hindurch als zweite Großmacht neben Rom ein bedeutender Machtfaktor gewesen war und von manchen Althistorikern (so etwa Josef Wiesehöfer, Erich Kettenhofen, Zeev Rubin oder Michael Whitby) in die Erforschung der Epoche miteinbezogen wird.
Auch im Westen muss man die Zeit Theoderichs des Großen viel eher zur Antike als zum Mittelalter zählen, so dass es fast unmöglich ist, ein exaktes Datum festzulegen. Bis zum Langobardeneinfall läßt sich antike Kultur in Italien nachweisen; der weströmische Senat verschwindet erst gegen Ende des sechsten Jahrhunderts aus den Quellen. In ähnlicher Weise knüpften auch die frühen Merowinger an das antike Erbe an; bereits Chlodwig legte Wert auf römische Ehrentitel. Man muss so von einer Übergangsphase sprechen, die je nach Region unterschiedlich lange andauerte.
Die Problematik liegt letztlich darin begründet, dass die Spätantike eine Epoche des Um- und Aufbruchs war, wobei einerseits noch eine Kontinuität zur Antike gegeben war und andererseits sich bereits die Welt des Mittelalters abzeichnete, die mit der Spätantike vor allem eines verband: die Verklammerung der Gesellschaft durch die christliche Kirche. Kulturell kann als wichtiger Unterschied zur späteren Zeit der in der Spätantike noch vorhandene Zugriff auf die klassischen Traditionen gelten. Noch im sechsten Jahrhundert blühte die spätantike, an klassischen Vorbildern orientierte Literatur (Boëthius, Cassiodor, Corippus, Prokopios von Caesarea, Agathias). Die mittelalterliche Welt mit ihrer weitaus geringeren Arbeitsteilung verfügte dann nicht mehr über die Kapazität, die klassische Bildung zu bewahren - der größte Teil der antiken Literatur ging im Westen nach etwa 600 verloren.
Die Existenz von Byzanz in einer „intakten Spätantike“
Das oströmische bzw. Byzantinische Reich existierte in einer relativ intakten 'Spätantike' bis zum Fall Konstantinopels 1453, da es im Osten zu keinem derart radikalen Bruch der antiken Tradition gekommen war wie im Westen. Die Byzantinistik bezeichnet daher etwa den gleichen Zeitraum, der auf dem Boden des weströmischen Reichs als Spätantike gilt, in Ostrom als "frühbyzantinisch". Für den Osten des Imperiums sind beide Begriffe mithin praktisch gleichbedeutend.
Allerdings sind auch in Ostrom die Unterschiede zwischen den Zuständen im vierten bis sechsten Jahrhundert und der folgenden mittel- und spätbyzantinischen Zeit erheblich. Im Ostreich ist dabei neben der arabischen Expansion auch die endgültige Verdrängung der lateinischen Amtssprache durch das Griechische unter Kaiser Herakleios als signifikanter Einschnitt zu betrachten.
Die Angriffe der Araber führten in Ostrom zudem zum Untergang der spätantiken senatorialen Aristokratie und zu einem erheblichen Rückgang an antiker Bildung; überdies brachte der weitgehende militärische und ökonomische Zusammenbruch des Reiches nach 636 auch das endgültige Ende der klassischen Städte (Poleis), die seit der Archaik den Mittelmeerraum geprägt hatten, mit sich. Die Entwicklung der byzantinischen Themenordnung schließlich bedeutete auch im administrativen Bereich einen deutlichen Bruch mit der spätantiken Tradition.
Quellensituation und Forschungsstand
Quellen
Die Quellenlage der Spätantike ist wohl die beste des gesamten Altertums, vor allem aufgrund der recht reichhaltigen "monumentalen" Quellen. Allerdings verfügen wir über keine durchgehende Historiographie. Vor allem für das 5. Jahrhundert lassen uns die Quellen oft im Stich. Die wichtigste lateinische erzählende Quelle ist Ammianus Marcellinus (4. Jahrhundert), und auch die Werke des Prokopios von Caesarea (6. Jahrhundert) sind eine hervorragende Quelle für die ausgehende Antike. Dem folgen mit weitem Abstand der sehr subjektiv berichtende Heide Zosimos und mehrere Kirchengeschichten (wie die des Eusebius oder des Evagrius) sowie die Werke des Ambrosius und des Augustinus. Hinzu kommen unter anderem Jordanes, Agathias, Gregor von Tours und die Werke und Fragmente anderer Historiker, unter denen Priscus der wichtigste ist; daneben sind auch die (wenigen) Fragmente aus den Werken des Eunapios von Sardes und des Olympiodoros von Theben zu beachten.
In der Spätantike entstanden auch mehrere Chroniken, die zum Teil wichtige Informationen liefern. Des Weiteren sind Reden wie die des Libanios, des Synesios von Kyrene und des Themistios sowie eine Fülle von Urkunden (der beste Bestand aus der Antike) von Bedeutung. Die Notitia dignitatum (eine Art Staatshandbuch) bietet zahlreiche Informationen über die spätantike (zivile wie militärische) Administration. Dazu kommen das berühmte Corpus iuris civilis (der Name ist allerdings nicht zeitgenössisch) aus dem sechsten Jahrhundert, Inschriften (die allerdings längst nicht mehr so zahlreich sind wie in der hohen Kaiserzeit), Münzfunde und Papyri, wie auch die Befunde der Archäologie.
Forschungsstand
Als problematisch galt die Erforschung der Spätantike lange, wie bereits angesprochen, schon aufgrund der relativ fließenden Grenze zum Mittelalter hin. In der älteren Forschung wurde die Auffassung vertreten, dass die Spätantike ein Zeitalter des moralischen und kulturellen Verfalls gewesen sei (Dekadenztheorie nach Edward Gibbon: Decline and Fall of the Roman Empire; auch Voltaire: Essai sur les moeurs et l'esprit des nations; Assoziation von spät mit Dahinwelken, Verfall). Diese Lehrmeinung war auch noch im 19. Jahrhundert vorherrschend, und noch Otto Seeck vertrat diesen Standpunkt in seinem berühmten Hauptwerk Geschichte des Untergangs der antiken Welt.
Diese negative Bewertung der Spätantike ist jedoch nach allgemeiner Ansicht inzwischen obsolet geworden und wird in neueren Darstellungen nicht mehr angeführt; sie ist in populären Darstellungen und im Film aber leider immer noch verbreitet. Die Studien von John B. Bury und anderen sorgten vielmehr für eine Neubewertung dieser Epoche, die nun nicht mehr als reine Verfallszeit begriffen wurde. Inwieweit der spätantike Staat ein "Zwangsstaat" gewesen ist, bleibt zwar weiter umstritten, auch wenn die "harte" Meinung der älteren Forschung so nicht mehr akzeptiert werden kann. In neuerer Zeit hat etwa Peter Brown in seinen Arbeiten auf die Metamorphose der antiken Welt in dieser Zeit aufmerksam gemacht, wobei er sich vor allem den kulturellen und religiösen Veränderungen widmete; bald folgten diesem Ansatz auch Averil Cameron und andere. Insgesamt hat das Interesse der althistorischen Forschung an der Spätantike in den letzten Jahren stark zugenommen; vor allem im angelsächsischen Raum sind dabei viele früher selbstverständliche Annahmen und Urteile in Frage gestellt worden: Das Bild der Epoche, das sich noch immer in den meisten Schulbüchern findet, hat nur noch wenig mit dem gemein, was derzeit an den Hochschulen vertreten wird. Die Forschungsliteratur hat dabei einen kaum noch zu bewältigenden Umfang erreicht, aber in vielen Punkten konnte bislang dennoch keine Einigkeit erzielt werden. Zu den besonders heftig diskutierten Fragen zählt unter anderem die nach den Prozessen, die im Westen zum Erlöschen des Kaisertums führten; und auch die Pirenne-These findet inzwischen wieder Anhänger - allerdings mit neuen Argumenten. Viele der alten Erklärungen sind inzwischen unhaltbar geworden, doch ist es oft noch nicht gelungen, sie durch überzeugende Alternativen zu ersetzen: Je näher man sich mit der Spätantike befasst, desto offensichtlicher wird die Unmöglichkeit von einfachen Antworten und allgemeingültigen Aussagen.
Geschichtlicher Grundriss
Diokletian - Stabilisierung und Reform
Mit dem Regierungsantritt des Kaisers Diokletian trat das Römische Reich in seine Spätphase ein. Die vorangegangene Krisenzeit der Soldatenkaiser (235-285) hatte das Reich destabilisiert. Von außen sah sich das Imperium mit der ständigen Bedrohung durch das Perserreich der Sassaniden, dem großen Gegner des Römischen Reiches im Osten, und die Germanen an Rhein und Donau konfrontiert. Im Inneren war es teilweise zu einer Handlungsunfähigkeit der Verwaltung gekommen sowie zur zeitweiligen Loslösung von Teilgebieten des Imperiums (siehe Gallisches Sonderreich und Palmyra), allerdings war es den Kaisern seit Aurelian langsam gelungen, der Krise Herr zu werden. Diokletian bemühte sich nun, den römischen Staat weiter zu stabilisieren und zu reformieren. Dabei griff er zahlreiche Ansätze auf, die bereits von seinen Vorgängern als Antwort auf die Krise entwickelt worden waren, und bemühte sich um eine Systematisierung.
So kam es zu einer grundlegenden Reform der Verwaltung, wie etwa zu einer stärkeren Zentralisierung und Bürokratisierung, was sich auch in einem restriktiveren Steuersystem bemerkbar machte. Der zivile Sektor wurde nun grundsätzlich vom militärischen getrennt; an diesem Prinzip wurde dann bis zum Ende der Epoche festgehalten. Auch wurde das Reich in Diözesen eingeteilt, um so eine bessere Verwaltung zu garantieren. Um dem Staat stetig fließende Steuereinnahmen zu sichern, wurde das Capitatio-Iugatio-System (im wesentlichen handelt es sich um eine Kombination von Kopf- und Grundsteuer, die regelmäßig geschätzt wurde) geschaffen, das die Berechnung der Abgaben erleichterte, und gleichzeitig eine Währungsreform in Angriff genommen, der jedoch wohl kein durchschlagender Erfolg beschieden war.
Zentrales Element der Heeresreform war die Aufteilung in ein Feldheer (Comitatenses) und ein Grenzheer (Limitanei), so dass Durchbrüche an der Grenze leichter mit dem Bewegungsheer abgefangen werden konnten. Diese Reformen sollten sich insgesamt bewähren und dem Chaos, das teils noch in der Zeit der Soldatenkaiser geherrscht hatte, ein Ende bereiten sowie die Grenzverteidigung an Rhein und Donau stärken. Im Osten behauptete sich Rom nun auch gegen die Sassaniden, die 297/298 von Diokletians Caesar Galerius geschlagen wurden.
Weniger Erfolg hatte Diokletian allerdings mit dem von ihm erdachten Regierungssystem der Tetrarchie (Viererherrschaft), welches je zwei Seniorkaiser (Augusti) und zwei Juniorkaiser (Caesares) vorsah und zudem religiös durch die künstliche "Adoption" der Götter zementiert wurde. So nahm etwa Diokletian, der auch in diesem System weiterhin die bestimmende Figur war, den Beinamen Iovius an (etwa = Schützling und Abkömmling des Gottes Jupiter). Das System konnte sich gegen die dynastische Idee jedoch nicht durchsetzen, wie es die Ereignisse in den Jahren nach Diokletians freiwilligen Rücktritt 305 zeigen sollten.
Konstantin der Große und der Durchbruch des Christentums
Konstantin der Große, der Sohn des Tetrarchen Constantius Chlorus, setzte sich in dem Machtkampf durch, der kurz nach dem Rücktritt Diokletians 305 entbrannt war. 306 war er nach dem Tod seines Vaters von dessen Soldaten in York zum Kaiser ausgerufen worden, wurde von den anderen Tetrarchen aber nicht akzeptiert. Zuerst bekämpfte Konstantin Maxentius, den Sohn des Tetrarchen Maximian, der sich ebenfalls gegen die diokletianische Ordnung gestellt hatte. Im Zusammenhang des Machkampfes zwischen Konstantin und Maxentius kam es 312 zur Schlacht bei der Milvischen Brücke und zur rätselhaften "Bekehrung" Konstantins zum Christentum, da ihm angeblich vor der Schlacht das Zeichen des Kreuzes erschienen war und er anschließend im Zeichen des Kreuzes auch den Sieg errang. Damit hatte Konstantin den Westen des Imperiums für sich gewonnen.
Nach 324 war Konstantin Alleinherrscher des Reiches, nachdem er auch seinen letzten Konkurrenten Licinius, mit dem er sich 313 noch verständigt hatte, im Osten ausgeschaltet hatte. Konstantin baute anschließend die Reformen des Diokletian weiter aus, so in der Verwaltung (Schaffung neuer Hofämter, Umwandlung des Praefectus praetorio in den höchsten Zivilbeamten, Einführung zusätzliche Steuern) und im Militär (Schaffung des Amtes des Magister militum). Unter seiner Herrschaft erfolgte auch der weitreichendste Schritt eines römischen Kaisers seit der Begründung des Prinzipats durch Augustus: die Förderung des nur Jahre zuvor noch verfolgten Christentums als eine staatlich anerkannte und privilegierte Religion, auch wenn Konstantins eigenes Verhältnis zum Christentum, welches keineswegs zur Staatsreligion erhoben wurde, weiterhin in der Forschung umstritten ist. Am ehesten kann man ihn wohl als "Anhänger des Christengottes" bezeichnen, ohne dass dies etwas über seine Beziehung zu den anderen Kulten aussagen muss; zumal Heiden weiterhin ihre Kulte ausüben durften und ebenso Zugang zu hohen Staatsämtern hatten, wobei die Christen jedoch ebenfalls favorisiert wurden. Konstantin ließ seine Söhne im christlichen Glauben erziehen, machte der Kirche reiche Geschenke und stärkte die Macht der Bischöfe.
Ein weiteres wichtiges Ereignis in seiner Regierungszeit war die Errichtung einer neuen Hauptstadt: Konstantinopel, die "Stadt des Konstantin", das Neue Rom. Damit verlagerte sich der Schwerpunkt des Reiches nach Osten, in die ökonomisch stärkere Hälfte des Imperiums. Kurz vor dem Beginn eines geplanten Feldzugs gegen den Sassanidenkönig Schapur II. verstarb Konstantin in der Nähe von Nikomedia, nachdem er sich, wie zur damaligen Zeit keineswegs unüblich, erst kurz vor seinem Tod hatte taufen lassen.
Das Ende der konstantinischen Dynastie

Nach dem Tod Konstantins 337 entbrannte ein blutiger Machtkampf, der die konstantinische Dynastie dezimierte. Konstantins Sohn Constantius II. setzte sich schließlich 351 als Alleinherrscher durch. Er förderte den Arianismus und war bei der Stabilisierung der Grenzen recht erfolgreich. Für die Zeit ab 353 bis 378 steht uns das letzte große in Latein abgefasste Geschichtswerk der Antike zur Verfügung, die Kaisergeschichte des römischen Offiziers Ammianus Marcellinus, wenn sein Werk auch nicht völlig frei ist von Parteinahme, vor allem für den Vetter des Constantius, Julian. Dieser war auch bei dem von ihm geführten gallischen Heer sehr beliebt, so dass es bald zu Spannungen zwischen ihm und dem Kaiser kam. Julian wurde von den Truppen in Paris zum Kaiser ausgerufen und nur der bald darauf folgende Tod des Constantius bewahrte das Reich vor einem neuen Bürgerkrieg.
Den neuen Kaiser kennt die Nachwelt unter dem Namen Julian Apostata ("Julian der Abtrünnige"), da er kurz nach seinem Regierungsantritt im Jahre 361 eine Renaissance des Heidentums einleitete. Diese hatte jedoch keinen nachhaltigen Erfolg, zumal Julians Versuch, aus den vielen Kulten eine vereinheitlichte heidnische Staatskirche zu schaffen, um so das Christentum zurückdrängen zu können, misslang. Nach dem Tod Kaiser Julians auf einem Feldzug gegen die Sassaniden im Jahr 363, welcher gleichzeitig eine der größten Militäroperationen der Spätantike darstellte, blieb das Christentum die beherrschende Religion.
Alle nachfolgenden Kaiser waren Christen, wie bereits der Julian nachfolgende und nur kurze Zeit regierende Jovian, der mit den Persern nach dem missglückten Feldzug Julians Frieden schließen musste, wobei die unter Galerius eroberten Gebiete um Nisibis wieder an die Sassaniden fielen. Der Osten wurde nun immer stärker christianisiert, aber auch der Westen, vor Konstantin weitgehend heidnisch, öffnete sich mehr und mehr dem Christentum, auch wenn es in der Folgezeit zu einer ganzen Reihe von schweren innerkirchlichen Krisen kam (Donatisten, Arianer, später im Osten die Monophysiten). Allerdings hielt sich das Heidentum noch lange Zeit, vor allem im Westen, und zwar besonders bei der Landbevölkerung (daher der Ausdruck paganus = Landbewohner), sowie in Teilen der Senatsaristokratie und in verschiedenen philosophischen Kreisen.
Außenpolitisch kam das Reich nicht mehr zur Ruhe. Am Rhein und entlang der Donau wurde es von Germanen und später von den Hunnen bedrängt, während im Osten die Gefahr durch die Sassaniden weiter bestand.
Von Valentinian I. bis zum Tod Theodosius des Großen - Völkerwanderung und die Behauptung des Imperium Romanum

Das Reich wurde seit Kaiser Valentinian I., der Jovian 364 nachfolgte, wieder von je zwei Kaisern regiert, da man sich ansonsten nicht in der Lage sah, der äußeren Bedrohung Herr werden zu können.
Valentinian setzte seinen Bruder Valens im Osten ein und widmete sich selbst intensiv der Grenzverteidigung. Es gelang ihm denn auch, die Rheingrenze nachhaltig zu stabilisieren. Währenddessen ereigneten sich im Osten umwälzende Veränderungen. In den 70er Jahren des 4. Jahrhunderts setzte die Völkerwanderung in Europa ein. Die vor den Hunnen über die Donau geflüchteten Goten, die zunächst vom Imperium aufgenommen wurden, dann aber aufgrund unzureichender Versorgung revoltierten, fügten dem Ostkaiser Valens 378 in der Schlacht von Adrianopel eine vernichtende Niederlage zu, in der auch Valens fiel.
Gratian, der älteste Sohn Valentinians I. und seit 375 Kaiser im Westen, setzte daher 379 den aus Hispanien stammenden Theodosius als Kaiser im Ostteil des Imperiums ein. Theodosius übernahm denn die schwierige Aufgabe, den Osten des Reiches wenigstens vorläufig wieder zu stabilisieren. 382 schloss er einen Vertrag mit den Goten, wonach sie im Reich bleiben konnten und als Soldaten (Foederati) dienen sollten, aber autonom blieben. Dieser Gotenvertrag ebnete den Weg für die Reichsbildungen der Germanen innerhalb des Imperiums, stabilisierte aber vorläufig die Lage, da Theodosius nun wieder über ausreichend Truppen verfügen konnte.
387 folgte ein Vertrag mit Persien in Bezug auf den alten Zankapfel Armenien, welches seit Jahrhunderten zwischen den beiden Großmächten umstritten war: Rom erhielt etwa ein Fünftel, Persien den Rest des Landes (das so genannte Persarmenien). Mit dieser Lösung waren beide Seiten offensichtlich zufrieden, denn abgesehen von zwei kurzen Konflikten herrschte bis 502 Frieden zwischen Römern und Sassaniden - die Ruhe an der Euphratfront sollte dann ein wesentlicher Grund dafür sein, dass die östliche Reichshälfte das fünfte Jahrhundert überstehen konnte. Darüber hinaus betrieb Theodosius eine antiheidnische Kirchenpolitik, für die ihm von den Christen später der Beiname der Große gegeben wurde.

Im Westen hatten sich währenddessen die Ereignisse überschlagen: Gratian, der einige erfolgreiche Feldzüge, wie gegen die Alamannen, geführt hatte, wurde 383 infolge eines Soldatenaufstandes in Britannien, der sich rasch auf das Festland ausgebreitet hatten, in Lyon ermordet. Theodosius hatte sich mit dem Usurpator Magnus Maximus zunächst noch einigen können, ihn schließlich 388 aber besiegt und hingerichtet. Daraufhin übergab er dem 17jährigen Valentinian II., dem jüngeren Bruder Gratians, die Herrschaft im Westen. Der faktischen Macht des Heermeisters des Westens, des Franken Arbogast, hatte der junge Kaiser aber nichts entgegenzusetzen. Er fand schon 392 ein gewaltsames Ende durch Mord oder Selbstmord. Anschließend ließ Arbogast den heidnisch gesinnten Rhetor Eugenius zum Kaiser erheben und betrieb mit ihm eine ausgeprägte Restauration der heidnischen Tradition. Diese Situation konnte Theodosius nicht akzeptieren, so dass er wieder nach Westen marschierte, wo er das Heer des Eugenius 394 in der Schlacht am Frigidus vernichtend schlagen konnte. Eugenius wurde hingerichtet, woraufhin Arbogast sich das Leben nahm. Das Heidentum, welches Theodosius bereits 380/81 in mehreren Gesetzen empfindlich beeinträchtigt und durch weitergehende Gesetz in Jahren 391 und 392 verboten hatte, erhielt damit den endgültigen politischen Todesstoß - auch wenn es faktisch noch mindestens 200 Jahre lang eine beachtliche (allerdings abnehmende) Zahl von Heiden im Reich geben sollte.
Theodosius einte das Reich noch einmal für eine kurze Zeit, bevor es nach seinem Tod unter seinen Söhnen Honorius (im Westen) und Arcadius (im Osten) 395 zur endgültigen Reichsteilung kam. Die Zeitgenossen nahmen diese Teilung, die nur "zufällig" die letzte in einer ganzen Reihe war, allerdings nicht als besondere Zäsur wahr. Und tatsächlich wurde die prinzipielle Reichseinheit auch weiterhin betont - so galten die Gesetze der Kaiser jeweils im ganzen Reich, und der Westkonsul wurde ebenso in Ostrom anerkannt wie umgekehrt der östliche im Westreich (dies sollte sich übrigens bis zum Erlöschen des Konsulats unter Justinian nicht ändern). Dennoch kam es seit 395 faktisch zu einer immer rascheren Auseinanderentwicklung der beiden Hälften, wobei der Westen offenbar bereits um 400 ökonomisch schlechter dastand als der Osten.
Von der Reichsteilung 395 bis zur Eroberung Roms 410
Im Osten begann eine Periode relativen Friedens, der nur von gelegentlichen Kämpfen an der Donaufront (Hunnen und Germanen) sowie 420-422 und 441 durch zwei kurze Kriege gegen die Sassaniden gestört wurde. Erst in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts musste sich auch das Ostreich wieder verstärkt der Verteidigung seiner Grenzen zuwenden. Der Osten war wirtschaftlich weiterhin der stärkere Reichsteil und konnte noch immer große Summen Geldes mobilisieren; zudem gelang es der oströmischen Diplomatie offenbar, mehrere Angriffswellen nach Westen "umzuleiten". Vor allem konnte der Einfluss der Heermeister, die oft barbarischer Abstammung waren, teils eingedämmt und schließlich zurückgedrängt werden. Arcadius und sein Sohn Theodosius II. waren zwar keine fähigen Herrscher, doch funktionierte die Verwaltung des Reiches weiterhin relativ reibungslos, auch wenn es zu Beginn der Regierungszeit des Arcadius zu einem Konflikt mit dem Westreich um den Besitz des Illyricum gekommen war.
Der erste Kaiser im Westen, Honorius, hatte eine Zeitlang, vom mächtigen Heermeister Stilicho gedrängt, vielleicht sogar erwogen, gegen das Ostreich militärisch vorzugehen, was aber unterblieben war, zumal die Reichsgrenze am Rhein 406 endgültig kollabierte und sich eine wahre Flut von Germanen über das Westreich ergoss. 408 wurde auch Stilicho mit dem Wissen seines Schwiegersohnes Honorius umgebracht. Es zeigte sich wieder einmal, dass die Kaiser allzu mächtigen Militärs misstrauten - und dies nicht immer zu Unrecht.
Der Westen kam nicht mehr zur Ruhe. Von Germanen und Hunnen bedroht, zudem immer der Gefahr eines Putsches durch einen Heermeister ausgesetzt und teils von unfähigen Kindkaisern regiert, verlor das Weströmische Reich nach und nach seine wichtigsten Provinzen an die Germanen. Britannien ging zu Beginn des 5. Jahrhunderts verloren, während sich die weströmische Armee, die immer mehr durch die Aufnahme von Germanen barbarisiert worden war, nach dem Tod des Aetius um die Mitte des 5. Jahrhunderts de facto selbst auflöste. Im Westen formierten sich ab der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts auf dem Boden des Imperium Romanum germanische Reiche (Vandalen, Westgoten, Franken, Angelsachsen, Ostgoten u.a.), und 410 wurde gar Rom, zwar längst nicht mehr Hauptstadt des Westreiches, aber immer noch ein Prestigeobjekt, von den Westgoten unter Alarich geplündert. Dieser war schon zuvor im Ostreich aktiv gewesen, teils als Verbündeter des Stilicho und Westroms, teils auf eigene Faust, und wollte nun im Westreich für sein Volk neues Siedlungsland erkämpfen. Der Fall Roms war ein Fanal - für die Heiden war dies ein untrügliches Zeichen der Götter, die das Reich für die Abkehr vom alten Glauben bestrafen wollten. Augustinus von Hippo schrieb daraufhin sein großes Werk De Civitate Dei (Über den Gottesstaat), als direkte Antwort auf diese Unterstellung.
Stabilisierung im Osten und der Zusammenbruch des Westens
Die militärische Katastrophe war für den Westen mit dem Zusammenbruch der Rheingrenze 406 vollkommen, auch wenn die germanischen Heere in der Regel einer entschlossen geführten römischen Armee weiterhin nicht widerstehen konnten. Die wichtigsten Provinzen des Reiches gingen den weströmischen Kaisern (die seit Honorius in Ravenna residierten) verloren, indem die germanischen Foederaten angesichts der Schwäche der römischen Zentralregierung langsam eine faktische Unabhängigkeit von Ravenna erlangten. Die Westgoten wurden 418 in Aquitanien angesiedelt, wo sie dann spätestens um 460 einen Staat im Staate errichteten, was jedoch weitgehend im Einvernehmen mit der einheimischen Aristokratie geschah - die Germanen traten schrittweise an die Stelle der römischen Zentralgewalt, ohne dass dies zunächst spürbare Folgen für die Bevölkerung der Gebiete gehabt zu haben scheint. Es existierte seit etwa 455 ohnehin kein schlagkräftiges römisches Heer im Westen mehr. Die Westgoten nahmen in den folgenden Jahrzehnten mit den Sueben Hispanien in Besitz, während sich die Franken in der Belgica, im Norden Galliens einrichteten.
Die Vandalen setzten 429 von Spanien nach Africa über, eroberten 439 Karthago und entrissen so die reichste Provinz des Westreiches dem Zugriff des weströmischen Kaisers, der danach effektiv nur noch über Italien und Teile Süd-Galliens herrschte. Die Gefahr der Hunnen unter Attila konnte jedoch durch den römischen Heermeister Aetius, der seit den 30er Jahren der mächtigste Mann des Westreiches war, 451 abgewendet werden. Aetius hatte dabei aber bezeichnenderweise auch auf germanische Foederati zurückgreifen müssen - die weströmische Armee war bereits im Verschwinden begriffen und löste sich nach seinem Tod faktisch auf: 454 ließ Kaiser Valentinian III., der letzte Kaiser des Westens aus der theodosianischen Dynastie, den General aus Furcht vor dessen Einfluss umbringen - was der Kaiser bald darauf mit seinem Leben bezahlen musste: Er wurde 455 von früheren Gefolgsleuten des Heermeisters ermordet.
Die nachfolgenden Kaiser im Westen waren zumeist unfähig, zumal nach dem Ende des Aetius bis 472 der Magister militum Ricimer de facto alleine die Reichsgeschäfte im Westen führte. Ricimer konnte durchaus einige kleinere Erfolge im Abwehrkampf Westroms verbuchen, dennoch wurde Rom 455 von den Vandalen geplündert. Eine gemeinsame Operation des West- und des Ostreiches gegen die Vandalen scheiterte dann 468, was zur Anerkennung des Vandalenreiches durch Ostrom führte.
Mit der Absetzung von Romulus Augustulus 476 durch Odoaker erlosch das weströmische Kaisertum (letzter legitimer Kaiser war allerdings Julius Nepos, der 480 in Dalmatien verstarb), welches jedoch bereits seit der Reichsteilung, spätestens aber nach dem Zusammenbruch der Rheingrenze wohl kaum noch lebensfähig gewesen ist. Die Könige der germanischen Foederatenreiche sahen nun den Oströmischen Kaiser als ihren nominellen Oberherren an.
Denn der Osten des Imperiums erwehrte sich weitaus erfolgreicher der äußeren Bedrohung. Kaiser Markian, der 450 die Nachfolge von Theodosius II. angetreten hatte, verweigerte gar den Hunnen den Tribut und schaffte es, dass sie ihre Angriffe gegen das Westreich richteten - nicht zuletzt wohl deshalb, weil Attila wusste, dass die oströmischen Balkanprovinzen bereits verwüstet und ausgeblutet waren. Die übrigen Provinzen des Ostens befanden sich aber nicht in Reichweite der Hunnen. An der Ostgrenze konnte mit den Sassaniden, die selbst von hunnischen Völkern bedroht wurden, bis 502 Frieden gehalten werden, was eine große Entlastung darstellte, da die Regierung in Konstantinopel daher ungestört auf die Einkünfte der reichen Orientprovinzen zurückgreifen konnte.
Das daher ökonomisch leistungsfähigere und dichter bevölkerte Oströmische Reich konnte sich im Gegensatz zum weströmischen Reich behaupten; offenbar gelang es dem Staat hier bereits früh, weitaus besser auf seine Ressourcen zurückzugreifen: Im fünften Jahrhundert betrugen die östlichen Staatseinnahmen ein Vielfaches der westlichen. Kaiser Leo I. schaltete zudem mit Hilfe des späteren Kaisers Zenon den gotischen Heermeister Aspar aus; viele germanische Soldaten in römischen Diensten wurden in der Folge erschlagen, und die Kaiser griffen bei der Rekrutierung fortan wieder weitaus stärker auf Reichsangehörige zurück - auch wenn diese meist aus jenen Gebieten stammten, die am wenigsten romanisiert waren. Zenon konnte dann nicht zuletzt mit Hilfe eines dieser halbbarbarischen Völker, der Isaurier, zu denen er selbst gehörte, die militärische Lage des Oströmischen Reiches weiter verbessern und damit den Grundstein für die Vormachtstellung legen, die die Kaiser des folgenden Jahrhunderts im Mittelmeerraum einnehmen sollten.
Zenon schloß 488 einen Vertrag mit dem Ostgotenkönig Theoderich und schickte ihn im Jahre 489 nach Italien, wobei die Hintergründe umstritten sind. Der Kaiser profitierte jedenfalls insofern, als er eine potentielle Gefahr umleitete, während sich für Theoderich die Möglickeit auf neues und reiches Siedlungsland anbot. Theoderich, den man später aufgrund seiner Leistungen „den Großen“ nannte, gelang es bald, das gesamt Land unter seine Kontrolle zu bringen. 493 ermordete er Odoaker und regierte formal als Statthalter des Kaisers in Italien, wobei er jedoch eine sehr eigenständige Politik betrieb. Im Ostgotenkönigreich hielt man an der römischer Verwaltungspraxis fest, während das Land kulturell eine späte Blütezeit erlebte (siehe auch Anicius Manlius Severinus Boëthius).
Das sechste Jahrhundert: Oströmische Hegemonie

Im Osten dauerte die Antike bis ins siebte Jahrhundert, und der Einfluss des noch immer römisch-antik geprägten Reiches auf die Geschicke im Westen war im ganzen sechsten Jahrhundert erheblich. Kaiser Anastasios I. befreite den oströmischen Staat kurz vor 500 vom Einfluss der Isaurier und hinterließ aufgrund einer klugen Wirtschaftspolitik seinen Nachfolgern den gewaltigsten Staatsschatz in der römischen Geschichte. Allerdings hatte er sich auch mit Usurpationsversuchen auseinanderzusetzen, und seine Religionspolitik betonte die Unterschiede zur päpstlichen Position. Doch sein Nachfolger Justin I. beendete 519 das Akakianische Schisma, das die Kirchen von Konstantinopel und Rom etwa 30 Jahre lang getrennt hatte; er verschärfte durch diese Wiederannäherung an den Westen aber den Konflikt mit den Monophysiten.
Kaiser Justinian I., eine der großen Herrschergestalten der Spätantike, konnte dann seit 534 eine offenbar großangelegte Restaurationspolitik betreiben, wobei diesem Versuch der Wiederherstellung des Imperiums allerdings nur beschränkter Erfolg beschieden war: Nordafrika, Italien und Südspanien wurden zwar wieder der römischen Herrschaft unterworfen, allerdings gingen wichtige Gebiete Italiens in den Jahren nach Justinians Tod wieder verloren. Zudem wurde das Reich seit 542 von einer verheerenden Pest heimgesucht, was zu einer demographischen und - daraus folgend - ökonomischen wie militärischen Krise führte. Dennoch erlebte die spätantike Kultur unter Justinian einen letzten Höhepunkt; die auf seinen Befehl hin vorgenommene Kodifikation des römischen Rechts erwies sich als dauerhafte Errungenschaft, und der kaiserliche Machtanspruch wurde auch von den meisten verbliebenen Germanenreichen (mit der Ausnahme des Frankenkönigs Theudebert I.) akzeptiert.
Im Oströmischen Reich bestand das Imperium Romanum staatsrechtlich fort - ebenso lebte dort die Zivilisation der Antike weiter, wobei das kulturelle Leben im Osten in den nachfolgenden Jahrhunderten einen Wandel erfuhr und das Reich schon recht bald nach Justinian, der als letzter Kaiser Latein zur Muttersprache hatte, eigene Wege ging. Seit 540 befand sich Ostrom die meiste Zeit in einem immer verbissener geführten Krieg mit den Sassaniden, und unter Kaiser Maurikios gingen die Balkanprovinzen weitgehend an die Slawen verloren. Der letzte Kaiser, der noch aktiv und wirksam in die Geschicke des Westens eingreifen konnte, war der (vielleicht zu Unrecht) übel beleumundete Phokas. In den ersten Jahren des siebten Jahrhunderts eroberten die Sassaniden dann zeitweilig Ägypten, Syrien und Kleinasien, und nur unter größten Anstrengungen gelang unter Herakleios eine erfolgreiche Gegenwehr.
Das militärisch überforderte Reich konnte den Arabern dann wenig entgegensetzen; die Oströmer unterlagen 636 in der Schlacht am Jarmuk und verloren ihre Ost- und Südprovinzen nun endgültig. Die Reste des jetzt gänzlich gräzisierten Reiches befanden sich in den folgenden Jahrzehnten in einem verzweifelten Abwehrkampf, so dass die Kaiser den Westen weitgehend sich selbst überlassen mussten. Die kurzzeitige Verlegung der kaiserlichen Residenz nach Italien unter Konstans II. blieb Episode. Als sich die Lage im späten achten Jahrhundert wieder stabilisiert hatte, war aus dem spätantiken Ostrom endgültig das mittelalterliche, griechische Byzanz geworden.
Von der antiken Welt ins Mittelalter
Im Verlauf des sechsten Jahrhunderts kam es im Westen zu einer langsamen Transformation hin zu einer germanisch-romanischen Welt: In Britannien ging die römische Kultur allerdings wohl schon bald nach der Eroberung durch die Angeln, Sachsen und Jüten, die ursprünglich nach dem Abzug der kaiserlichen Truppen (410) von der römischen Bevölkerung als Föderaten ins Land gerufen worden waren, unter. Das Westgotenreich, welches sich im 6. Jahrhundert auf ganz Spanien ausbreitete, ist hingegen in vielerlei Hinsicht ein Beispiel für die Symbiose von spätrömischer Gesellschaft und germanischer Herrschaft. Es wurde indes im frühen 8. Jahrhundert von den nach Norden drängenden Muslimen überrannt und ausgelöscht. Das von Geiserich begründete nordafrikanische Reich der Vandalen erlebte im 5. Jahrhundert eine Blüte, geriet dann aber unter immer stärkeren Druck durch maurische Stämme und fiel 533 dem Angriff einer oströmischen Armee zum Opfer.
In Italien hatte der Ostgote Theoderich der Große sein Reich weiterhin nach römischen Muster führen lassen, doch verschwand das Ostgotenreich um die Mitte des 6. Jahrhunderts durch die von Justinian I. eingeleitete Restauratio imperii. Als die Langobarden dann 568 große Teile Italiens eroberten, war dies die letzte germanische Reichsgründung auf weströmischem Boden und damit zugleich das Ende der großen Völkerwanderung. Der weströmische Senat verschwand am Ende des Jahrhunderts aus den Quellen.
Nur eine einzige der germanischen Reichsgründungen "der ersten Stunde" hatte letztendlich dauerhaften Bestand: das Frankenreich der Merowinger. Wohl im Jahre 498 hatte sich der Frankenkönig Chlodwig I. taufen lassen und damit das römische Erbe in Gallien angetreten. Die Geschichte des Frankenreiches gehört noch bis in die Mitte des 6. Jahrhunderts zur Spätantike und geht dann ins Mittelalter über.
Noch lange akzeptierten die Germanenreiche in der Regel die oströmische Oberhoheit; ihre Herrscher bemühten sich um kaiserliche Anerkennung und die Verleihung römischer Titel. Ein Symbol dafür, dass nur der Kaiser und der sassanidische Großkönig wahrhaft souveräne Monarchen waren, war unter anderem das Privileg, das Herrscherbild auf Goldmünzen zu prägen: Im sechsten Jahrhundert wurde dies auch noch von den meisten Germanenkönigen akzeptiert - sie setzten ihr eigenes Porträt nur auf die Silbermünzen. All dies änderte sich erst, als die Kaiser seit etwa 600 durch die Angriffe der Perser und Araber zu sehr geschwächt waren, um weiter im Westen aktiv zu werden. Die arabische Invasion zerstörte zudem endgültig die (freilich nur noch bedingt gegebene) Einheit der Mittelmeerwelt (siehe auch Islamische Expansion und vgl. Pirenne-These), und auch die Kontakte zwischen Konstantinopel und dem Westen lockerten sich nun zusehends.
Das Frühmittelalter nahm in den folgenden Jahrzehnten langsam Gestalt an, wobei es jedoch im Westen parallel zu einem schleichenden kulturellen Niedergang kam (wie unter anderem am Rückgang der Schriftlichkeit oder dem Verfall der Städte ersichtlich, wobei oft Schriftgut nur in Klöstern gerettet wurde, wie beispielsweise Cassiodors Vivarium). Viele Regionen des ehemaligen Reichs fielen in völlige Überlieferungslosigkeit zurück, so dass die Rede von den "dunklen Jahrhunderten" nicht unberechtigt ist. Meist ist nicht einmal das Fortbestehen der wichtigen Bistümer gesichert; Köln weist etwa eine Lücke in seiner Bischofsliste zwischen etwa 400 bis in die Mitte des 6. Jhs. auf. Dennoch scheint die materielle und wirtschaftliche antike Kultur manchenorts auch im Norden (z.B. Trier) länger weitergelebt zu haben, als dieses Dunkel der Geschichte erwarten läßt. Das Mittelalter 'erhebt' sich aus diesem Dunkel nicht überall zur gleichen Zeit; so setzt das fränkische Mittelalter mit der merowingischen Reichsgründung und dynastischen Konsolidierung auf den Fundamenten der römischen Verwaltungsstrukturen bereits sehr früh ein. Römische Städte weiter im Norden und Nordosten haben ein anderes Schicksal; so wird Wien (spätantik Vindomina oder Vindomana) zuletzt bei Jordanes in seiner Gotengeschichte genannt, und erst 881 ist von der Stadt (nun Wenia) wieder die Rede.
Soziokultureller Grundriss
Kulturelles Leben

Die spätantike Literatur zeigte lange Zeit kaum Anzeichen des Niedergangs; anders als im Mittelalter konnte man noch im 6. Jahrhundert auf die gesamte literarische Produktion der Antike zurückgreifen, die erst danach zum größten Teil verloren ging. Gerade die syrische Literatur brachte nun einige bedeutende Werke hervor, und in der lateinischen Literatur ragen das letzte große in Latein verfasste Geschichtswerk des Ammianus Marcellinus und die Dichtungen Claudians, des letzten bedeutenden Dichters des heidnischen Rom († nach 404), heraus. Der letzte lateinische Epiker von Rang war dann Corippus, der im 6. Jahrhundert das stilistisch an Vergil orientierte Werk Johannis verfasste.
Auch in Gallien und Spanien blühte noch lange eine stark rhetorisch geprägte Dichtkunst (Ausonius). Um 600 sammelte Isidor von Sevilla, der letzte große lateinische Gelehrte der Spätantike, das ihm noch erreichbare Wissen des Altertums und vermittelte es damit in Grundzügen der mittelalterlichen Welt. Die christliche Philosophie brachte mit dem Trost der Philosophie des Boëthius und den Schriften des Kirchenvaters Augustinus Werke von weltliterarischem Rang hervor. Die Literatur setzte sich vielfach zum Ziel, die klassischen römischen Texte durch gleichwertige christliche Gegenentwürfe zu ersetzen (Prudentius), schuf aber auch neue Formen (Hymnen des Ambrosius). Im Gegenzug versuchten Vertreter der 'alten' Bildung, diese in philologischer Arbeit zu bewahren (Quintus Aurelius Symmachus und sein Kreis, Donat, Servius, Macrobius) und zu sammeln. Der Nordafrikaner Martianus Capella unternahm nach 470 einen letzten Versuch, das pagan-römische Wissen in einer großen Götterallegorie zusammenzufassen. Insgesamt kann das langsame Erlöschen der antiken Philosophie unter anderem gewiß auch durch den absoluten Wahrheitsanspruch des Christentums erklärt werden, der schließlich keinen Raum mehr ließ für Gedankenspiele und alternative Konzepte.
Der bedeutendste griechische Historiker der Spätantike war fraglos Prokopios von Caesarea. In Ostrom blühte die antike Geschichtsschreibung noch bis ins frühe 7. Jh. (Theophylakt Simokattes). Im Osten des Reiches ist daneben besonders der Redner Libanios hervorzuheben, während hier im Bereich des Neuplatonismus bis ins sechste Jahrhundert hinein eine Fülle von philosophischen Werken entstanden. Der große Aristoteleskommentar des Simplikios (um 550) gilt als die letzte bedeutende Leistung der antiken Philosophie. Unter Justinian war es auch noch in kleineren Städten möglich, eine fundierte rhetorische und literarische Ausbildung zu genießen - das spätantike Bildungsideal war dabei stark konservativ geprägt.
Gleichzeitig setzte sich das Buch (Codex) langsam gegenüber der Schreibrolle durch, und es entstanden neue Bautypen (Basilika). Während die Zahl der öffentlichen Neubauten insgesamt langsam zurückging (auch aufgrund des Verschwindens der lokalen Eliten, die sich früher durch Stiftungen verewigt hatten), stieg die Zahl der Kirchenbauten seit der Christianisierung des Reiches naturgemäß an. Höhepunkt war dabei die Hagia Sophia, deren von Justinian I. veranlasster Neubau die letzte große Leistung der antiken Architektur war. Von Bedeutung war auch in der Spätantike die Mosaikkunst, auch wenn in der Kunst insgesamt (im Vergleich zur "klassischen Antike") einfachere Formen dominierten; der in der bildenden Kunst seit etwa 300 dominierende entindividualisierte, frontale Darstellungsstil (man vergleiche etwa die Kaiserporträts eines Caracalla mit denen von Konstantin oder Valentinian II.) wird dabei oft mit orientalischem Einfluss erklärt.
Sprachen in Ost und West
Im Westen hatte sich Latein fast völlig durchgesetzt. Die griechischsprachigen Gebiete in Italien und auf Sizilien verschwanden, die Kenntnisse des Griechischen ließen auch in der Oberschicht ab etwa 400 spürbar nach. Erst nach den Eroberungen Justinians I. kam es zu einer erneuten (zeitweiligen) Gräzisierung einiger Regionen. Doch als der hochgebildete spätere Papst Gregor der Große im späten 6. Jahrhundert als Gesandter in Konstantinopel weilte, hatte er bereits mit Verständigungsproblemen zu kämpfen. In einigen Gebieten des Westens hatten auch andere Sprachen überlebt - ob aber der Kirchenvater Augustinus um 400 wirklich die alte semitische Sprache der Karthager meinte, wenn er davon sprach, dass in Nordafrika noch immer Punisch gesprochen werde, ist umstritten.
Die lateinische Sprache des Westens begann sich während der Spätantike zu verändern; während in der Literatur noch im sechsten Jahrhundert hochsprachliche Werke in klassischem Latein entstanden, entwickelte das einfache Volk Dialekte, die zur Grundlage der späteren romanischen Sprachen werden sollten.
Im Osten (wo daneben in weiten Gebieten Syrisch gesprochen wurde) war Griechisch seit langem die vorherrschende lingua franca; aber im Heer, am Hof, in der Verwaltung sowie in Teilen Thrakiens und Illyriens sprach man auch hier noch lange Latein. Durch die Eroberungen Justinians wurden mit Italien, Nordafrika und Südspanien weitere lateinischsprachige Gebiete ins Imperium integriert. Allgemein ging allerdings die Verbreitung der zweiten Bildungssprache in den Oberschichten (im Westen Griechisch, im Osten Latein) zurück, wenngleich man im Osten nachweislich noch unter Justinian eine fundierte Ausbildung in lateinischer Literatur und Sprache erfahren konnte. Damals entstanden in Ostrom auch noch wichtige lateinische Werke (Corippus, Jordanes).
Erst unter Herakleios wurde Griechisch hier zur alleinigen Amtssprache erhoben; seit dieser Zeit vertiefte sich aufgrund der Sprachbarriere auch die Kluft zwischen Byzanz und dem lateinischen Westen. Dabei unterschied sich das Griechisch der mittelbyzantinischen Zeit bereits in vielem (Aussprache wie Grammatik) stark vom Altgriechischen.
Gesellschaftsstruktur
Seitdem Caracalla im Jahr 212 allen freien Reichsbewohnern das römische Bürgerrecht verliehen hatte, fiel diese einstmals wichtige Unterscheidung zwischen Bürgern und Nicht-Bürgern weg; die spätantike Gesellschaft war nun grundsätzlich unterteilt in die kleine Gruppe der potentes (der "Mächtigen") und den Rest der Bevölkerung, die humiliores. Insbesondere juristisch war diese Unterscheidung von Bedeutung, da die potentes weitaus mildere Strafen zu erwarten hatten. Im frühen 4. Jahrhundert verschwand der Ritterstand; die lokale Aristokratie, die curiales, erlebte seit dem 3. Jahrhundert, vielleicht aufgrund steigender fiskalischer Belastungen, offenbar einen langsamen Niedergang; man versuchte daher, sich seinen Verpflichtungen dadurch zu entziehen, dass man Kleriker wurde oder in kaiserliche Dienste trat. Dies gelang aber nur einer Minderheit, so dass die Unterschiede innerhalb der Reichsaristokratie stark zunahmen. Der kleine Kreis der wirklich Mächtigen und Reichen dominierte nun auch die Politik der jeweiligen Heimatstädte, während die curiales immer mehr an Bedeutung verloren.
Jüngst wird in der Forschung übrigens auch eine andere Erklärung für die sog. "Curialenflucht" erwogen: Es sei gerade der Aufstieg der wohlhabendsten curiales in die Reichsaristokratie gewesen, der andere, ärmere Grundbesitzer an ihre Stelle treten ließ - die zunehmende Schwäche der lokalen Curien wäre dann weniger eine Folge der Steuerlast gewesen als ein Nebeneffekt des sozialen Aufstiegs ihrer reichsten Mitglieder.
Das Ausmaß des in der Hand weniger Aristokraten vereinigten Privatvermögens scheint jedenfalls im Westen sehr viel größer gewesen zu sein als im Osten, was ein Grund für die höheren Steuereinnahmen im Ostreich gewesen sein mag: Die Mächtigen konnten sich ihren finanziellen Verpflichtungen recht leicht entziehen; während das westliche Kaisertum nicht zuletzt aus Geldmangel unterging, arrangierte sich der reiche italische Senatsadel auch mit den Goten und verlor erst um die Mitte des sechsten Jahrhunderts seine ökonomische Grundlage.
Unter den potentes stellten die Senatoren eine besonders privilegierte Gruppe dar - seit Constantius II. genoss der Senat Konstantinopels dabei dieselben Vorrechte wie der Roms. Ging man dabei früher oft davon aus, dass sich die Aristokraten auf ihre Landsitze zurückgezogen hätten, so konnte inzwischen die Existenz palastartiger Stadthäuser nachgewiesen werden. Die Senatoren unterteilten sich wiederum in verschiedene Rangstufen (clarissimi, spectabiles und illustres), die noch unter Justinian von Bedeutung waren. Die Oberschicht war stolz auf ihren Status und ihre klassische Bildung (paideia), die weiterhin als Zeichen der Standeszugehörigkeit galt und zuletzt zusammen mit ihr verschwand (im Westen im sechsten, im Osten erst im siebenten Jahrhundert).
Wie die Rolle der Sklaven einzustufen ist, bleibt in der Forschung umstritten, allerdings ist davon auszugehen, dass es keinen wirklichen Bruch gegenüber der vorherigen Praxis gegeben hat und die Sklaverei auch weiterhin wenigstens eine nicht unbedeutende Rolle gespielt hat.
Wirtschaft
Im Westen des Imperiums war zwar ein gewisser Bevölkerungsrückgang festzustellen, aber dieser setzte erst im 5. und 6. Jahrhundert in voller Stärke ein, während die Verhältnisse im 4. Jahrhundert vermutlich sogar günstiger waren als in der Soldatenkaiserzeit. Die großen Städte, vor allem Rom, Karthago, Trier, Konstantinopel, Antiochia und Alexandria, standen noch lange in Blüte und verfielen (im Westen) erst nach den Eroberungen durch die Germanen. Westrom erlebte, auch bedingt durch die Einfälle der Germanen, im 5. Jahrhundert einen wirtschaftlichen Niedergang; vor allem aber waren die reichsten Gebiete (v.a. Nordafrika) nun dem Zugriff der Westkaiser entzogen. Von kaum zu überschätzender Bedeutung für die ökonomische und demographische Entwicklung war dann schließlich die sog. Justinianische Pest, die seit 542 den gesamten Mittelmeerraum heimsuchte und zahllose Opfer forderte.
Dem Osten erging es lange Zeit wesentlich besser, auch aufgrund der Tatsache, dass die wichtigen Industrien und Handelszentren im Osten lagen, wo auch die Seidenstraße endete und es einen regen Handelsaustausch mit Persien gab. Noch für die Zeit Justinians geht die Forschung von etwa 900 größeren und kleineren poleis im Gebiet des Oströmischen Reiches aus, wobei man sich im Klaren sein sollte, dass die griechisch-römische Ökumene zivilisiertes Leben mit dem Leben in der Stadt gleichsetzte. Einige Gebiete des Reiches erlebten noch im 6. Jahrhundert eine ökonomische Blüte. Der offensichtliche Niedergang der curiales (s.o.) darf überdies nicht einfach mit einer allgemeinen Krise der Städte gleichgesetzt werden.
Die in der älteren Forschung teils vertretende Ansicht, die spätantike Wirtschaft habe zu wenig Produzenten und zu viele Konsumenten gehabt, ist inzwischen in Frage gestellt worden. Auch die Annahme, dass die Menschen unter einer stetig zunehmenden fiskalischen Belastung gelitten hätten (wie vor allem die Klagen in den Quellen nahelegen), scheint durch Papyrusfunde und archäologische Grabungen widerlegt zu werden. Von einer allgemeinen Wirtschaftskrise während der gesamten Spätantike kann jedenfalls nicht ausgegangen werden, die Verhältnisse waren je nach Zeit und Ort zum Teil grundverschieden.
Das private Vermögen verteilte sich auf eine relativ kleine und wohlhabende Oberschicht, die sich häufig auf prächtige Landgüter zurückzog (was früher wie gesagt teils als ein Indiz für eine beginnende Feudalisierung gedeutet wurde). Dem gegenüber galt der Großteil der Bevölkerung als "arm", was aber nur bedeutete, dass man nicht von seinen Pfründen oder seinem Grundbesitz leben konnte, sondern für seinen Broterwerb selbst arbeiten musste. Daher wird diese Vorstellung von einer simplen Unterteilung in "Arm" und "Reich" der komplexen Realität kaum gerecht.
Zahlreiche kaiserliche Gesetze bestimmten, dass die Söhne an den Beruf des Vaters gebunden sein sollten; doch scheinen diese Maßnahmen, die offenbar das Rad der Zeit zurück drehen sollten (denn im Prinzipat war es noch fast selbstverständlich gewesen, den Beruf der Vorfahren zu erben), die in Wahrheit gesteigerte soziale Mobilität nicht wesentlich verringert zu haben: Kaiser Justin I. war ein einfacher Bauernsohn, der es bis an die Spitze des Staates schaffte.
Auf dem Land galt für die Pächter der Großgrundbesitzer in der Regel die Bindung an das zu bearbeitende Stück Land (Schollenbindung, siehe Colonen). Diese Maßnahme sollte dem Staat sichere Einnahmen garantieren. Eine generelle, reichsweite Verarmung der Kleinbauern und ihre grundsätzliche Verdrängung durch die Colonen läßt sich dabei nicht konstatieren. Auf dem Land (vor allem in Gallien) kam es jedoch vereinzelt zu Aufständen der so genannten Bagauden, deren Ursachen allerdings umstritten sind - vielleicht handelte es sich dabei um Reaktionen auf germanische Plünderungszüge. Insgesamt kennen wir für die Spätantike (auch unter Einrechnung von städtischen Revolten) weniger Fälle von sozialen Unruhen als für die früheren Phasen der römischen Geschichte.
Der spätrömische Staat und der Bedeutungsgewinn der Kirche
Der Kaiser, sein Hof und die Verwaltung
Der Kaiser nahm im spätrömischen Reich seit Diokletian eine sakrale Stellung ein, nicht unähnlich der eines "Vizekönigs Gottes auf Erden" (näheres dazu im Artikel Kaiser). Das zunehmend übersteigerte Hofzeremoniell erreichte seine Vollendung dann unter Justinian, wobei der Herrscher allerdings immer noch an das altrömische Prinzip der Fürsorgepflicht gebunden war und neue Kaiser durch Akklamation erhoben wurden. Das Kaisertum war weiterhin nicht erblich; um die Nachfolge von Verwandten zu sichern, wurde meist versucht, diese im Vorfeld bereits als Mitkaiser an der Macht zu beteiligen (z.B. Justinian durch Justin I.).
Zudem war die Gesetzesherrschaft keineswegs suspendiert (wie oft mit dem Begriff des Dominats in der älteren Forschung suggeriert wurde); vielmehr zeigen zahlreiche Erlasse in den Codizes, dass die Kaiser sich weiterhin an das Recht als solches gebunden fühlten (siehe beispielsweise die Äußerung im Codex Justinianus, 1,14,4).
Eine übliche Praxis in der Spätantike war die Ernennung eines Mitkaisers (Caesar) neben dem Hauptkaiser (Augustus), oder die Trennung des Herrschaftsbereiches zwischen zwei Augusti, wie etwa zwischen Valentinian I. und Valens. Die Einheit des Reiches blieb davon jedoch unberührt, da die Gesetze eines Kaisers auch für die andere Reichshälfte Gültigkeit besassen. Erst nach dem Tode Theodosius I. wurde aus der verwaltungstechnischen Teilung auch eine faktische - allerdings blieb die Vorstellung von einer Reichseinheit bis weit über das Ende des westlichen Kaisertums hinaus lebendig und wirksam.
Im Inneren zeichnete sich ein Trend zur stärkeren Zentralisierung der Verwaltung ab, wobei vor allem Konstantin zahlreiche neue Hofämter schuf. Das altehrwürdige Konsulat, das schon seit Augustus kaum noch wirkliche Macht beinhaltet hatte, blieb dabei zwar bis 542 erhalten, hatte aber keinerlei politischen Einfluss mehr.
Die Teilung von ziviler und militärischer Gewalt, die in Rom zuvor unbekannt gewesen war, war ein typisches Phänomen der Spätantike. Dabei war die zivile Hierarchie seit Diokletian und Konstantin im wesentlichen die folgende: Direkt dem Kaiser unterstellt waren die Prätorianerpräfekten (Praefectus praetorio); die von diesen verwalteten Präfekturen zerfielen in Diözesen, denen Vikare vorstanden und die ihrerseits aus Provinzen bestanden. Die Basiseinheit blieb bis ins sechste Jahrhundert die Stadt (polis bzw. civitas), wobei die traditionellen urbanen Ämter seit dem 4. Jahrhundert an Bedeutung verloren. Dennoch blieb die städtische Selbstverwaltung weitgehend erhalten.
Der spätrömische Hof (comitatus) umfasste eine Vielzahl von Beamten, von denen die wichtigsten zum Hofrat (consistorium) gehörten. Zu den wichtigsten Hofbeamten zählten neben dem Magister officiorum, dem Leiter der Verwaltung, der comes sacrarum largitionum, der für die Reichsfinanzen zuständig war, und der praepositus sacri cubiculi, der meist ein Eunuch war und den kaiserlichen Haushalt leitete, womit er oftmals den Zugang zum Kaiser kontrollieren konnte. Der quaestor sacri palatii war der Leiter der kaiserlichen Kanzlei und in der Regel ein Jurist, da er auch mit der Abfassung kaiserlicher Gesetze beauftragt war; außerdem publizierte er kaiserliche Edikte und bewahrte die Kopien auf.
Die "Bürokratie" gewann in der Spätantike insgesamt an Umfang, ebenso wie der Steuerdruck - auch wenn dieser Faktor von der älteren Forschung vielleicht überschätzt worden ist, denn verglichen mit modernen Vorstellungen kann auch der spätrömische Staat als eindeutig unteradministriert gelten: Die Probleme entstanden öfter aus einem Zuwenig als aus einem Zuviel an Verwaltung.
Im Westen verlor Rom um 300 endgültig seine zentrale Stellung als Hauptstadt, nicht jedoch den Wert als Symbol. Aber schon längst residierten die Kaiser näher an den gefährdeten Grenzen (Trier, Sirmium). Im Westen wurde zunächst Mailand, schließlich das aufgrund seiner geographischen Lage als uneinnehmbar angesehene Ravenna Hauptstadt des Westreiches. Im Ostreich hingegen residierten die Kaiser seit Theodosius I. nunmehr dauerhaft in Konstantinopel.
Die spätrömische Armee
Auch die spätrömische Armee wandelte sich. Das Heer wurde in ein Marsch- (Comitatenses) und ein Grenzheer (Limitanei) unterteilt, wobei die ältere Auffassung, derzufolge es sich bei letzteren um militärisch fast wertlose Milizionäre gehandelt habe, mittlerweile zunehmend in Frage gestellt wird. Vor allem im Westen wurde das römische Heer dann (zumindest ist dies die traditionelle Sichtweise) durch die stetige Aufnahme von Germanen zunehmend "barbarisiert". Allerdings geben die Quellen praktisch keine Hinweise darauf, dass die Barbaren im regulären Heer illoyal gewesen wären - insgesamt kam es nun sogar viel seltener zu Rebellionen als während des Prinzipats. Eine entschlossen geführte römische Armee konnte noch im 6. Jahrhundert auch zahlenmäßig überlegene barbarische Heere schlagen.
Ein größeres Problem stellten die unter eigenen Anführern kämpfenden Foederati dar, die vor allem im Westen immer mehr an Bedeutung gewannen und vom Kaiser immer schlechter kontrolliert werden konnten. Vermutlich wurde schon den Westgoten bei ihrer Ansiedlung in Aquitanien zugestanden, "ihren" Anteil am Steueraufkommen selbst einzutreiben. In Westrom mündete dieser Prozeß schließlich im 5. Jahrhundert in die faktischen Selbstauflösung des regulären Heeres, da im Westen bald die finanziellen Mittel zum Unterhalt fehlten: Die germanischen Truppen traten nun an die Stelle des weströmischen Heeres, und ihre Anführer übernahmen schließlich die Rolle des Staates, der aus ihrer Sicht überflüssig geworden war.
Während die Besoldung der Truppen den zivilen Beamten oblag, sah die militärische Hierarchie des spätantiken Reiches (grob) aus wie folgt: Nur dem Kaiser (bzw. den Kaisern) unterstellt war der Magister militum (bzw. die magistri militum, denn es gab zumindest in Ostrom meist mehrere). Dann folgten die comites (Einzahl: comes) und die lokalen Kommandeure in den Provinzen, die duces (Einzahl: dux).
Die strikte Teilung des militärischen und zivilen Bereiches wurde erst um 600 wieder aufgegeben: In den Exarchaten, die die oströmischen Kaiser im späten sechsten Jahrhundert in Karthago und Italien einrichteten, waren beide Bereiche wieder vereint.
Die Truppenstärke der spätrömischen Armee ist in der Forschung umstritten, da die Quellen auch nicht eindeutig sind (vgl. dazu unter anderem: Jones, Later Roman Empire, S. 679ff. und Demandt, Geschichte der Spätantike, S. 223ff.). Insgesamt wurde jedoch die Anzahl der Legionen unter Diokletian erhöht (auf etwa 60), wobei jedoch gleichzeitig ihre Truppenstärke abnahm. Statt der alten Sollstärke von 6.000 Mann dienten nun nur noch 1.000 in einer Legion, und auch diese Zahl wurde faktisch selten erreicht. In der Folge verlor die Legion immer weiter an Größe und verschwand zuletzt wohl ganz (trotz vereinzelter Erwähnungen von derart bezeichneten Einheiten noch unter Kaiser Maurikios).
Laktanz schreibt, Diokletian habe die Stärke der Armee vervierfacht (De mortibus persecutorum, 7,2), wobei diese Darstellung jedoch nicht sehr glaubhaft ist, da Laktanz wohl einfach das Schema der Tetrarchie auf die Armee überträgt. Im 4. Jahrhundert dürfte die Heeresstärke jedenfalls in etwa bei 400.000 Mann gelegen haben, womit sie etwas höher lag als in der frühen und hohen Kaiserzeit. Nach den Angaben der Notitia dignitatum lag die Sollstärke um 400 bei etwa 600.000 Mann. Agathias errechnete dann um 570 eine Sollstärke von 645.000 (5,13,7). Wie er zu dieser Schätzung kam, ist unklar, doch dürfte er das nicht mehr existierende Westheer miteingerechnet haben. Zur Zeit Justinians dienten seinen Angaben nach jedenfalls nur noch 150.000 Mann (5,15) in der oströmischen Armee, wobei diese Zahl jedoch vermutlich deutlich zu niedrig angesetzt ist.
Insgesamt wurde die Heeresstärke der spätrömischen Armee zwar erhöht, sie war jedoch angesichts der vielfältigen Aufgaben kaum ausreichend, zumal sie oft an den Grenzen gebunden war. Daher mutet es auch wenig verwunderlich an, wenn die meisten spätantiken Militäroperationen mit vergleichsweise wenig Männern durchgeführt wurden: Kaiser Julian Apostatas Feldzug gegen die Sassaniden war mit ca. 65.000 Mann (die teils deutlich höheren Zahlenangaben in den Quellen sind weniger wahrscheinlich) eine der größten Militäroperationen der Spätantike. Insgesamt wurden die größten römischen Armeen meist an der Ostgrenze eingesetzt. Stilicho hingegen operierte 40 Jahre nach Julian im Westen mit nur etwa 20.000 Mann, während Belisar 533 mit wohl etwas mehr als 15.000 Mann gegen die Vandalen zog, nachdem er drei Jahre zuvor noch deutlich über 30.000 Soldaten gegen die Sassaniden ins Feld geführt hatte. In Notsituationen konnten noch weitaus größere Verbände aufgestellt werden, deren Schlagkraft dann allerdings meist sehr begrenzt war - so dürfte das kaiserliche Heer, das sich 636 den Arabern stellte und vernichtet wurde, mehrere zehntausend Mann umfasst haben.
Die Kirche
Die Kirche trat vor allem im Westen zunehmend an die Stelle des dort nicht mehr funktionsfähigen Staates (im 5./6. Jahrhundert). Im Inneren festigte sich ihre Stellung, wobei bereits Konstantin der Große die Kirche gefördert hatte, so dass diese nun auch über wirtschaftliche Macht verfügte (welche sie unter anderem auch für die Armenversorgung nutzte) und durch die staatlichen Privilegien auch für die Oberschicht des Reiches interessant wurde. Es kam jedoch zu mehreren Kontroversen: sowohl das Heidentum (welches noch im 5. und 6. Jahrhundert durchaus aktiv war) als auch theologischen Differenzen innerhalb der Kirche erschwerten die innere Festigung (siehe Konzil von Nicäa; Arianismus; Nestorianismus; Monophysitismus). Auch die fünf ökumenischen Konzile der Spätantike konnten hier keine Einigung erreichen.
Dabei muss beachtet werden, dass in jener Zeit Religionsfragen nicht nur von einem kleinen Zirkel von Theologen besprochen wurden, sondern dass diese Diskussion mit Leidenschaft auch in den unteren Bevölkerungsschichten debattiert wurde. Schließlich ging es um das persönliche Heil des Einzelnen: Wer einer falschen Lehre anhing, dessen Seele war verloren; die Feststellung des "orthodoxen" Standpunktes war also von entscheidender Bedeutung für die Gläubigen. Hinzu kamen verunsichernde Ereignisse wie die kurzfristige heidnische Renaissance unter Kaiser Julian oder der Schock von 410 (Plünderung Roms), auf den Augustinus von Hippo, Orosius und andere literarisch reagierten. Bis zum Ende der Epoche (und vor allem im Osten darüber hinaus) bestimmten theologische Auseinandersetzungen, die meist untrennbar mit Machtfragen verknüpft waren, die Geschichte in entscheidendem Maße mit.
Daneben ist es falsch zu glauben, dass das Heidentum mit der konstantinischen Wende verschwand. Es hielt sich, trotz der antiheidnischen Gesetzgebung der Kaiser Gratian und Theodosius I., noch lange Zeit auf dem flachen Land, vor allem im Westen, und erfreute sich auch bei Teilen der gebildeten Aristokratie noch großer Beliebtheit. Um 400 dürften es noch ungefähr genau so viele Christen wie Heiden gegeben haben, wobei die Christianisierung regional unterschiedlich verlief: Die Städte waren stärker christianisiert, während auf dem offenen Land (vor allem im Westen) die Entwicklung langsamer voran schritt. Noch im frühen 6. Jh. konnte der Heide Zosimos ein Geschichtswerk schreiben, in dem den Christen die Schuld am Niedergang Roms gegeben wurde. In Ostrom trafen noch die arabischen Eroberer auf einige Regionen und Städte, die noch immer vom alten Polytheismus geprägt waren. Dennoch stellten die "Heiden" spätestens seit etwa 400 eine immer bedeutungsloser werdende Minderheit dar. In der Spätantike entwickelte sich auch das Amt des Bischofs von Rom hin zum Papsttum. Den entscheidenden Schritt in diese Richtung tat Gregor der Große, der zugleich als der letzte spätantike Kirchenlehrer und der erste mittelalterliche Papst gelten kann.
Im Osten, genauer gesagt in Ägypten, nahm gegen Ende des 3. Jahrhunderts das Mönchtum seinen Anfang, welches sich gegen Ende des 4. Jahrhunderts langsam im Reich ausbreitete. Die erstarkte Stellung der Kirche kam auch dadurch zum Ausdruck, dass sich verstärkt befähigte Personen gegen den Staatsdienst und für den Dienst in der Kirche entschieden, wie beispielsweise der ehrgeizige und energisch Ambrosius, dem es gelang auf die Kaiser Gratian und Theodosius I. Einfluss zu nehmen.
Kultureller Wandel
Im Westen setzte bereits im 5. Jahrhundert ein Transformationsprozess ein, der langsam, eben bedingt durch die Entstehung germanischer Reiche auf dem Boden des Imperiums, zum Übergang ins Frühmittelalter führte, wobei die Germanen keineswegs versuchten, die römische Kultur zu beseitigen, wie die römische Verwaltungspraxis von Theoderich dem Großen oder die Rechtspraxis der Westgoten zeigt.
Dennoch waren die Grenzen fließend: im Osten kam es zu keinem Ereignis wie im Westen 476 - wobei die moderne Forschung allerdings den Untergang Westroms nicht mehr so sehr als Zäsur begreift, wie es noch die ältere Forschung tat. Für Italien waren eher der zweite Gotenkrieg (seit 541) und der Einfall der Langobarden von Bedeutung. Spätestens der Einbruch der Araber zu Beginn des 7. Jahrhunderts zerstörte dann die kulturelle Einheit der Mittelmeerwelt (siehe Islamische Expansion), die das Altertum mindestens 500 Jahre lang - seit der Errichtung des römischen Weltreichs - geprägt hatte, und die Antike wurde endgültig vom Mittelalter abgelöst.
Zeitleiste
- 284: Regierungsantritt Diokletians. Reichsreform und erfolgreiche Stabilisierung der Grenzen.
- 285: Ernennung von Maximian zum Caesar.
- 286: Maximian wird zum Augustus im Westen ernannt.
- 293: Constantius Chlorus wird im Westen, Galerius im Osten zum Caesar erhoben (Tetrarchie).
- 298: Galerius gelingt ein wichtiger Sieg über die Sassaniden, der zu erheblichen Gebietsgewinnen für die Römer führt.
- 1. Mai 305: Rücktritt Diokletians, der auch Maximian zu diesem Schritt zwingt.
- 306: Tod des Constantius Chlorus. Konstantin der Große wird in York zum Kaiser ausgerufen. Zusammenbruch der tetrarchischen Ordnung.
- 308: "Kaiserkonferenz von Carnuntum", die jedoch keine dauerhafte Lösung bringt.
- 311: Galerius toleriert im Osten des Reiches offiziell die Christen.
- 28. Oktober 312: Schlacht bei der Milvischen Brücke; Sieg Konstantins über Maxentius und "Bekehrungserlebnis".
- 313: Mailänder Konvention: Die Christen werden durch Licinius und Konstantin offiziell toleriert (Toleranzedikt von Mailand).
- 324: Alleinherrschaft Konstantins nach dem Sieg über Licinius bei Chrysopolis.
- 325: Konzil von Nicäa
- 337: Taufe und Tod Konstantins in Achyrona, einer Vorstadt von Nikomedia. Im Anschluss daran kommt es zu einer Reihe von Morden, die die konstantinische Dynastie dezimieren. Constantius II. erhält 338 den Ostteil des Reiches, seine beiden anderen Brüder (Konstans und Konstantin II.) den Westen.
- 340: Konstans ist im Westen Alleinherrscher, wird aber 350 von Magnentius umgebracht.
- 351: Sieg Constantius II. bei Mursa über den Usurpator Magnentius. Nach dem Selbstmord des Magnentius 353 ist Constantius II. Alleinherrscher.
- 361: Kaiser Julianus, später Julian Apostata genannt, zieht gegen Constantius, der jedoch vor dem Zusammenstoß stirbt und Julian angeblich zu seinem Nachfolger ernannt hat. Letzte Renaissance des Heidentums.
- 363: Tod Julians während seines Persienfeldzugs. Jovian folgt ihm nach und schließt einen Frieden mit den Sassaniden, durch den die unter Galerius eroberten Gebiete wieder an Persien fallen.
- 364: Valentinian I. wird Kaiser. Er führt erfolgreich Feldzüge gegen die Germanen am Rhein und setzt seinen Bruder Valens als Kaiser im Osten ein.
- Ab 375: Beginn der Völkerwanderung im engeren Sinne. Die Hunnen vernichten des Reich der Ostgoten in Südrussland. Gratian wird Kaiser im Westen.
- 376: Donauübergang der Goten und Aufnahme ins Römische Reich.
- 378: Schlacht von Adrianopel. Strategische Fehler führen zur Vernichtung des Großteils des römischen Heeres im Osten und zum Tod des Valens.
- 379: Gratian setzt Theodosius als Kaiser im Osten ein.
- 382: Gotenvertrag. Theodosius siedelt die Donaugoten als Foederati auf römischen Boden an.
- 383: Ermordung des Gratian. 388 läßt Theodosius den Usurpator Maximus hinrichten und überträgt Valentinian II. den Westen.
- 392: Tod Valentinans II.
- 394 marschiert Theodosius in den Westen und wirft die dortige Erhebung in der blutigen Schlacht am Frigidus nieder. Ein letztes Mal wird die Reichseinheit verwirklicht.
- 17. Januar 395: Tod Theodosius des Großen und anschließende Reichsteilung. Sein Sohn Arcadius erhält den Osten, sein anderer Sohn Honorius den Westen. Es kommt in der Folgezeit zu latenten Spannungen zwischen den beiden Reichen. Raubzüge der Goten unter Alarich I. auf dem Balkan.
- Neujahrsnacht 406/407: Zusammenbruch der Rheingrenze. Germanische Gruppen "überfluten" Gallien und Spanien.
- 24. August 410: Plünderung Roms durch die Goten unter Alarich. "Endzeitstimmung" im Westreich.
- 418: Ansiedlung der Westgoten als römische Foederaten in Aquitanien.
- 439: Einnahme Karthagos durch die Vandalen unter Geiserich und damit für fast 100 Jahre Verlust der Provinz Africa.
- 451: Einbruch der Hunnen in den Westen des Römischen Reiches. Der Heermeister des Westens, Aetius, stoppt Attila in Gallien.
- 455: Plünderung Roms durch die Vandalen.
- 468: Eine gemeinsame Aktion west- und oströmischer Truppen gegen das Vandalenreich scheitert katastrophal.
- 476: Absetzung des Romulus Augustulus durch den Germanen Odoaker: Ende des weströmischen Kaisertums.
- 482-511: Chlodwig I. begründet das merowingische Frankenreich
- 493-526: Theoderich der Große herrscht über das ostgotische Italien.
- 527-565: Justinian I. herrscht über Ostrom.
- 529: Schließung der athenischen Akademie.
- 533: Rückeroberung Nordafrikas durch oströmische Truppen
- 535-552: Rückeroberung Italiens durch kaiserliche Armeen
- 542: Ausbruch der Pest im Mittelmeerraum
- 552: Rückeroberung Südspaniens durch oströmische Truppen
- 568: Einfall der Langobarden in Italien. Ende der Völkerwanderung.
- Um 580: Beginn der slawischen Landnahme auf dem Balkan.
- 602-630: Letzter Krieg zwischen Ostrom und den Sassaniden (siehe Herakleios).
- Um 625: In Ostrom löst Griechisch endgültig Latein als Amtssprache ab.
- 632: Tod Mohammeds und Beginn der islamischen Expansion.
- 636: Die Schlacht am Jarmuk führt in der Folge zum Verlust des römischen Orients (Syrien und Ägypten) an die Araber.
- 651: Ermordung des letzten sassanidischen Großkönigs: Ende des Perserreiches
- 699: In den für den Islam eroberten Gebieten wird Griechisch als Amtssprache offiziell durch Arabisch ersetzt.
Literatur
Quellen in Auswahl
- Ammianus Marcellinus, Res Gestae
- Augustinus von Hippo, De Civitate Dei
- André Chastagnol (Hrsg.): Le Bas-Empire, Paris 1969.
- Libanios, Reden
- Michael Maas (Hrsg.): Readings in Late Antiquity. A Sourcebook, London/New York 2000. Eine gute Auswahl von spätantiken Quellenauszügen in englischer Übersetzung.
- Themistios, Reden
- Prokopios von Caesarea, Historien
- Zosimos, Historia Nea
Sekundärliteratur in Auswahl
Darstellungen älteren Datums
Die umfassendste Darstellung stammt aus der Feder des Historikers Otto Seeck.
- Otto Seeck: Geschichte des Untergangs der antiken Welt, 6 Bde., verbesserte Aufl., Stuttgart 1921, Nachdrucke Darmstadt 1966 und 2000. Die Darstellung ist jedoch stark von dessen sozialdarwinistischer Grundanschauung geprägt und ist auch in Teilen veraltet.
Eine weiteres, auch heute noch sehr nützliches Werk älteren Datums, welches ebenfalls ganz aus den Quellen gearbeitet wurde und immer noch als Standardwerk betrachtet wird (wenn auch freilich in Teilen überholt):
- Ernst Stein: Geschichte des spätrömischen Reiches, Bd. 1, Wien 1928.
Stein, der nach den Nürnberger Gesetzen als Jude galt, weigerte sich, dass sein Werk nochmals in deutscher Sprache erschien. Es existiert jedoch eine französische Übersetzung, einschließlich des zweiten, posthum erschienen Teils: - Ernest Stein: Histoire du Bas-Empire, bearbeitet von J.-R. Palanque, 2 Bde., Paris/Brüssel/Amsterdam 1949 (Bd. 2) und 1959 (Bd. 1), Nachdruck 1968.
Moderne Darstellungen:
- Averil Cameron u.a. (Hrsg.): The Cambridge Ancient History, Bd. 13 und 14, 2. neugestaltete Aufl., Cambridge 1997 ff. Beste moderne Übersichtsdarstellung. Dort findet sich auch weiterführende Literatur, größtenteils jüngeren Datums.
- Averil Cameron: The Mediterranean World in Late Antiquity AD 395-600. Routledge, London und New York 1993. ISBN 0-415-01421-2 Verständlicher und informativer thematischer Überblick.
- Hartwin Brandt: Das Ende der Antike. Geschichte des spätrömischen Reiches. 2. Aufl. Beck, München 2004. ISBN 3406519180 Knapper und konservativer, aber dennoch hochinformativer und preislich günstiger Überblick.
- Peter Brown: Die letzten Heiden. Wagenbach, Berlin 1986; Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1995 (orig. Harvard 1978) ISBN 3-596-12287-2
- Ders.: Die Entstehung des christlichen Europa. Beck, München 1999 ISBN 3406440231 (orig. Oxford 1995, 2. verbesserte und erweiterte Aufl. Oxford 2003 - ein gut lesbares Standardwerk)
- Alexander Demandt: Geschichte der Spätantike. Sonderausgabe Beck, München 1998. ISBN 3406441076 Solide und relativ umfangreiche Übersichtsdarstellung. Entspricht der Ausgabe "Handbuch der Altertumswissenschaft", allerdings ohne wissenschaftlichen Apparat und leicht gekürzt.
- Glen Bowersock u.a.: Late Antiquity. A guide to the postclassical World, Cambridge 1999. ISBN 0674511735. Ausgezeichneter, gut lesbarer Überblick über den aktuellen Forschungsstand zur Spätantike mit einem nützlichen Lexikonteil.
- Manfred Fuhrmann: Rom in der Spätantike. Artemis & Winkler, Zürich 1994. ISBN 3760810888
- Arnold H. M. Jones:The Later Roman Empire 284-602. A Social, Economic and Administrative Survey, 3 Bde. durchgehend nummeriert, Oxford 1964 (ND in 2 Bde., Baltimore 1986). Die beste moderne, aus den Quellen gearbeitete Darstellung. Ein moderner Klassiker.
- A.H.M. Jones, J.R. Martindale, J. Morris: The Prosopography of the Later Roman Empire, 3 Bde. (Bd. 3 in zwei Teilbände), Cambridge 1971-1992. Wichtiges, die Zeit von ca. 260 bis 641 n.Chr. abdeckendes prosopographisches Nachschlagewerk.
- Jens-Uwe Krause: Die Spätantike (284 bis 565 n. Chr.), in: H.-J. Gehrke/H. Schneider (Hgg.), Geschichte der Antike. Ein Studienbuch, Stuttgart/Weimar 2000, S.377-447. ISBN 347601455X Knappe, ausgezeichnete Zusammenfassung der jüngeren Forschung. Dringend zur ersten Orientierung empfohlen.
- Jochen Martin: Spätantike und Völkerwanderung. 4. Aufl. Oldenbourg, München 2001. (Oldenbourg Grundriss der Geschichte, 4) ISBN 3486496840 Knappe Darstellung mit Forschungsteil und umfassender Bibliographie.
- Michael Whitby: Rome at War. A.D. 293-696., Osprey, Oxford 2002. ISBN 1841763594. Eine kurze, reich illustrierte Darstellung zum spätrömischen Kriegswesen.
Siehe auch
- Portal Rom
- Themenliste Rom
- Dominat
- Untergang des Römischen Reiches
- Liste der römischen Kaiser
- Sassaniden
- Gesellschaft für antike Philosophie