Münchner Räterepublik
Die Münchner oder Bayerische Räterepublik war zwischen dem 7. November 1918 und dem 2. Mai 1919 der kurzlebige Versuch, zum Ende des Ersten Weltkriegs und danach einen sozialistischen Staat in Form einer Rätedemokratie im vormaligen Königreich Bayern zu schaffen. Sie gilt als relativ eigenständiger Teil der das ganze Deutsche Reich umfassenden Novemberrevolution.
Einleitender Überblick
Am Ende des Ersten Weltkriegs kam es angesichts der sich spätestens ab Ende September 1918 abzeichnenden deutschen Kriegsniederlage und vor dem Hintergrund der notleidenden Bevölkerung in Deutschland zur Novemberrevolution. Die Revolution breitete sich innerhalb weniger Tage ausgehend vom Matrosenaufstand in Kiel im ganzen Deutschen Reich aus und erfasste auch das Königreich Bayern und dessen Hauptstadt München - noch vor der Reichshauptstadt Berlin.
Als erster deutscher Monarch wurde am 7. November 1918 der bayerische König Ludwig III. abgesetzt. Kurt Eisner von der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei (USPD) rief den Freien Volksstaat Bayern aus und wurde vom schnell gebildeten Arbeiter-, Bauern- und Soldatenrat zum ersten Ministerpräsidenten der bayrischen Republik gewählt.
Am 12. Januar 1919 fand nach einem neuen allgemeinen Wahlrecht die Wahl zu einem verfassungsgebenden Landtag statt, bei der die USPD eine Niederlage hinnehmen musste.
Nachdem Eisner am 21. Februar 1919 kurz vor seiner geplanten Rücktrittserklärung von einem rechtsextremen Attentäter ermordet worden war, wurde die Landtagssitzung nach Tumulten mit zwei weiteren Todesopfern vertagt. Als provisorische Regierung konstituierte sich ein „Zentralrat der bayrischen Republik“ unter Ernst Niekisch (SPD, später USPD). In der Folgezeit spitzten sich die Machtkämpfe zwischen Anhängern des Rätesystems und des pluralistischen Parlamentarismus zu.
Am 17. März wurde Johannes Hoffmann (SPD) als Vertreter einer pluralistisch-parlamentarischen Demokratie vom Landtag zum Ministerpräsidenten Bayerns gewählt. Gegen dessen Regierung kam es ab 7. April in relativ kurzer Folge zur Bildung unterschiedlich geprägter Räterepubliken: In ihrer Führung zuerst dominiert von pazifistischen und anarchistischen Intellektuellen, danach von Anhängern und Mitgliedern der Kommunistischen Partei Deutschlands.
Ab Mitte/Ende April griffen vom inzwischen nach Bamberg ausgewichenen Kabinett Hoffmann zu Hilfe gerufene Freikorpseinheiten, vereinzelt auch als Weiße Truppen bezeichnet, die Verteidiger der Räterepublik an und eroberten zusammen mit aus Berlin entsandten Reichswehrverbänden München bis zum 2. Mai zurück. Im Laufe der Kämpfe kam es auf beiden Seiten zu Grausamkeiten, bei denen hunderte Menschen starben, in der Mehrzahl als Opfer der rechtsextremen Freikorps.
Der Verlauf der Revolution, dabei vor allem das Vorgehen der SPD-Spitze mit ihrem Rückgriff auf reaktionäre und republikfeindliche militärische und paramilitärischer Verbände zur Niederschlagung der Räterepublik, und die sich daran anschließenden von blutiger Vergeltung der Konterrevolutionäre geprägten Ereignisse begünstigten wenige Jahre später den Aufstieg des Nationalsozialismus. In den 1920er Jahren wurde Bayern zur „Ordnungszelle“ Deutschlands. Hier begann auch die politische Karriere Adolf Hitlers, der 1923 in München mit einigen Anhängern den zunächst erfolglosen „Hitlerputsch“ durchführte.
Chronik
- 29. Oktober - 3. November: Die Meuterei der Besatzung der Kriegsflotte in Wilhelmshaven und der sich daran anschließende Matrosenaufstand in Kiel löst innerhalb weniger Tage reichsweit die Novemberrevolution aus
- 7./8. November: Die Revolution erreicht München. König Ludwig III. wird abgesetzt. Kurt Eisner (USPD) ruft die Republik aus und verkündet den Freien Volksstaat Bayern. Der Arbeiter-, Bauern- und Soldatenrat wählt ihn zum Ministerpräsidenten Bayerns
- 9. November: In Berlin wird zuerst von Philipp Scheidemann eine (parlamentarische) „deutsche Republik“, kurz darauf von Karl Liebknecht eine „sozialistische Republik“ für ganz Deutschland ausgerufen
- 11. November: Waffenstillstand zwischen den Alliierten und dem Deutschen Reich
- 12. November: Der König von Bayern entbindet die Beamten vom Treueeid auf seine Person, was de facto seiner Abdankung gleichkommt
- Januar: Spartakusaufstand in Berlin, in dessen Verlauf die führenden Gründer der KPD, Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, am 15. Januar von Freikorpssoldaten ermordet werden
- 10. Januar bis 4. Februar: Bremer Räterepublik
Die Ereignisse in Bayern, v.a. in München:
- 12. Januar: Wahl zum verfassungsgebendem Landtag. Die eine Rätedemokratie vertretende USPD unterliegt deutlich gegenüber der SPD und anderen Parteien, die einen pluralistischen Parlamentarismus vertreten
- 21. Februar und Folgetage: Eisner wird, kurz vor seiner geplanten Rücktrittserklärung, auf dem Weg zum Landtag von Anton Graf von Arco auf Valley ermordet. Nach Tumulten mit Schusswechseln und zwei weiteren Todesopfern wird die Landtagssitzung vertagt. Konstituierung eines provisorisch regierenden Zentralrats der bayrischen Republik unter Ernst Niekisch (SPD). Der Generalstreik wird ausgerufen, über München der Belagerungszustand verhängt
- 4. März: Der Rätekongress lehnt die Bildung einer Koalitionsregierung zwischen SPD, USPD und dem damals als liberal geltenden Bayrischen Bauernbund sowie die Einberufung des Landtags und Neuwahlen der Räte zunächst noch ab
- 17. März: Johannes Hoffmann (SPD) wird vom bayrischen Landtag zum Ministerpräsidenten gewählt. Die Auseinandersetzungen um die Frage „Räterepublik oder Parlamentarismus“ verschärfen sich
- 21./22. März: Die Nachricht der Ausrufung einer sozialistischen Räterepublik in Ungarn unter Béla Kun gibt der Rätebewegung in Bayern neuen Auftrieb
- 7. April bis 13. April: „Erste Münchner Räterepublik“ unter Führung eines von linken Intellektuellen und Anarchisten dominierten "Zentralrats". Das Kabinett Hoffmann zieht sich aus München nach Bamberg zurück. Die USPD tritt aus der Koalition aus
- 13. April: Ein mit Billigung der Bamberger Regierung angezettelter Putschversuch von Militärs gegen die Räterepublik wird von Rotgardisten unter Rudolf Egelhofer (KPD) niedergeschlagen. Kommunisten setzen darauf den Zentralrat ab und übertragen die Regierung einem „Vollzugsrat“ unter Eugen Leviné und Max Levien. Gustav Landauer und Ernst Toller erkennen den Vollzugsrat an und beteiligen sich zunächst auch an der „zweiten Räterepublik“
- 14. April: Ankündigung des Einsatzes von Freikorpseinheiten gegen die Räterepublik durch die Regierung Hoffmann
- 15. April: Zunächst erfolgreiche Verteidigung der Räterepublik gegen den Versuch der Freikorps, München einzukesseln
- 16. April: Nach Ablehnung seines Kulturprogramms erklärt Gustav Landauer, resigniert über die Vorstellungen der KPD, seinen Rückzug aus der Politik für die kommunistische Räterepublik. - Einheiten der „Roten Armee“ unter dem Kommando Ernst Tollers gelingt es, die in Dachau stehenden Freikorpsverbände zu schlagen und sie zunächst in die Flucht zu treiben
- 17. April: Reichswehrminister Gustav Noske beschließt den Einsatz von Reichswehrverbänden gegen München
- 27. April: Nach Auseinandersetzungen zwischen Kommunisten um Eugen Leviné und anderen linken Revolutionären um Ernst Toller, u.a. über die Frage, angesichts der für die Räterepublik aussichtslos erscheinenden Lage Verhandlungen mit der Regierung Hoffmann aufzunehmen, tritt der Aktionsausschuss unter Leviné zurück und wird als Provisorium unter Toller neu gewählt. Verhandlungsversuche mit der Bamberger Regierung scheitern jedoch. Diese fordert die bedingungslose Kapitulation
- 28. April: Erneute Wahl eines Aktionsausschusses, dem weder Toller noch Kommunisten angehören.
- 30. April: Bei heftigen Kämpfen in den Vororten Münchens kommt es zu grausamen Massakern der Freikorps an Angehörigen der „Roten Armee“ der Räterepublik und unbeteiligten Zivilisten. Rotgardisten töten darauf 10 gefangen gehaltene Geiseln, v.a. Mitglieder der rechtsextremistischen Thule-Gesellschaft
- 1. Mai: Gustav Landauer wird von Freikorps verhaftet und am darauffolgenden Tag im Gefängnis von München-Stadelheim mißhandelt und ermordet
- 2./3. Mai: Reichswehr und Freikorps nehmen München ein und beenden gewaltsam die Räterepublik
Nachwirkungen:
- Mai/Juni: Die meisten führenden Mitglieder der Münchner Räterepublik werden von Standgerichten nach Hochverratsprozessen zu langen Haftstrafen (Ernst Toller: 5 Jahre; Erich Mühsam: 15 Jahre) - oder zum Tode verurteilt (Hinrichtung Eugen Levinés am 5. Juni). Einzig Max Levien gelingt die Flucht. Weit über 1000 (auch vermeintliche) Anhänger der Räterepublik werden erschossen oder zu Haftstrafen verurteilt. Dagegen wird Graf Arco, der zunächst zum Tode verurteilte Mörder Kurt Eisners zu einer Haftstrafe begnadigt und 1924 aus dem Gefängnis entlassen
- 31. Mai: Neubildung der Koalitionsregierung weiterhin unter der Ministerpräsidentschaft Johannes Hoffmanns (SPD) - nun unter Einbeziehung bürgerlich-konservativer Parteien, auch der BVP
- 11. August: Verkündigung der Weimarer Verfassung für das Deutsche Reich
- 14. August: Unterzeichnung der Bamberger Verfassung für Bayern, die am 15. September in Kraft tritt
- 1. Dezember: Der Kriegszustand über München wird aufgehoben
Vorgeschichte
Durch die Versorgungsengpässe und das Massensterben im Ersten Weltkrieg wuchs die Unzufriedenheit der deutschen Bevölkerung. Weder im Reich noch in Bayern kam es zu einer schon seit längerem geforderten Demokratisierung. Im September 1917 hatte die SPD einen entsprechenden Antrag im bayrischen Landtag gestellt, in dem die wesentlichen Forderungen der bayrischen SPD enthalten waren, z. B.: Abschaffung der privilegierten ersten Kammer des Landtags (in der nur der Adel vertreten war), mehr Mitbestimmungsrechte für den verbleibenden Landtag, ein neues Wahlrecht, sowie die Aufhebung des Adelsstandes insgesamt. Dieser Antrag war aber unter anderem am Zentrum und den Liberalen gescheitert.
Bei den reichsweiten Januarstreiks von 1918 wurden in Bayern ebenso wie in vielen anderen Orten des Deutschen Reiches ein Verständigungsfriede und weiterhin Demokratisierungen gefordert. Nach der Niederschlagung dieser Streikwelle wurde Kurt Eisner aufgrund seiner Beteiligung an ihrer Organisation in München verhaftet und blieb bis Oktober 1918 inhaftiert.
Zum Ende des Krieges wurde das deutsche Reich de facto nicht vom Kaiser oder seiner Regierung, sondern von der Obersten Heeresleitung (OHL) unter Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff in der Art einer Militärdiktatur regiert.
In weiten Kreisen der bayrischen Bevölkerung wurde die Politik des preußischen Obrigkeitsstaats als eine der Hauptursachen für den Krieg betrachtet. Dem bayerischen König Ludwig III. wurde vorgeworfen, nur ein Parteigänger des Kaisers zu sein. Dadurch verlor der schon zuvor unbeliebte König, der sich nach Ansicht der Bevölkerung 1913 zu Unrecht vom Prinzregenten zum König gemacht hatte, nach dem Eingeständnis der Kriegsniederlage durch die Oberste Heeresleitung (OHL) die letzte Autorität und Loyalität in Bayern.
Die OHL hatte erst Ende September 1918 die deutsche Niederlage im Weltkrieg eingestanden, obwohl sie die Lage schon im August als aussichtslos eingestuft hatte. Ende Oktober sollte die Hochseeflotte aber doch noch zu einer aussichtslosen Entscheidungsschlacht auslaufen. Die Matrosen weigerten sich, sich so kurz vor dem ersehnten Kriegsende auf eine Selbstmordmission zu begeben.
Am 29. Oktober meuterte im norddeutschen Wilhelmshaven die Besatzung der Kriegsflotte und wenig später kam es in Kiel zum offenen Aufstand der Matrosen, die die Stadt bis zum 3. November in ihre Gewalt brachten. Während des Aufstands wurden Soldaten- und Arbeiterräte gebildet. Der Erfolg der Matrosen breitete sich in kurzer Zeit in ganz Deutschland aus und entwickelte sich zur Novemberrevolution.
In Bayern kam es noch zu einem letzten Versuch, die Monarchie mit einer Verfassungsreform zu retten. Regierung und Parlament einigten sich am 2. November 1918 auf ein Abkommen zur Einführung des Verhältniswahlrechts, eine Reform der ersten Kammer des Landtags und die Überprüfung von Standesvorrechten. Am 7. November wurde die Regierung umgebildet und erstmals Zentrum, Demokraten und Sozialdemokraten daran beteiligt. Das Abkommen zur Parlamentarisierung wurde am 6. November von der 2. Kammer gebilligt und sollte am 8. November von der 1. Kammer verabschiedet werden. Aber diese Reformen kamen zu spät. Sie wurden durch die sich überstürzenden Ereignisse der Revolution überrollt
Die verschiedenen Interessengruppen
Die drei im Zusammenhang mit der Revolution wichtigsten politischen Parteien dieser Zeit sowohl im Reich als auch in Bayern waren die MSPD oder SPD, die USPD und die KPD. Speziell in Bayern gehörte noch der Bayerische Bauernbund und, relativ unabhängig von der Parteienlandschaft, eine Fraktion linksintellektueller Schriftsteller und anderer Kulturschaffender, die eher antiautoritäre und undogmatische Vorstellungen von Sozialismus vertraten, dazu.
Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD, damals auch unter dem Kürzel MSPD für Mehrheits-SPD firmierend) war eher gemäßigt; reichsweit hatte sie eine parlamentarische Demokratie zum Ziel. Sie wollte keine Revolution, sondern Reformen; im Rahmen der Burgfriedenspolitik hatte sie den Krieg unterstützt. An der Revolutionsregierung beteiligte sich die SPD vor allem mit der Absicht, die Kontrolle zu behalten und die Revolution in parlamentarische Bahnen zu lenken. Erhard Auer und Johannes Hoffmann waren zu dieser Zeit die führenden Köpfe der bayrischen SPD. Spätestens ab Mitte März 1919, als Hoffmann vom Landtag zum Ministerpräsidenten gewählt geworden war, wandte sich die Parteiführung zunehmend offen von der nach links abdriftenden Revolution in München und einigen anderen Städten Bayerns ab. Die SPD-Basis in München, von der viele in den Räten organisiert waren, reagierte gespalten auf diese Entwicklung. Die vom Hoffmann angeführte Regierung musste darauf nach Bamberg ausweichen und bekämpfte von dort aus die Räterepublik mit bewusst gewähltem Einsatz republikfeindlicher paramilitärischer Freikorps. Zu deren Verstärkung bat Hoffmann seinen Parteigenossen in Berlin, den Reichswehrminister Gustav Noske, um Unterstützung durch Reichswehrtruppen zur Niederschlagung der Räteherrschaft in München.
Die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD), in Bayern unter dem Vorsitz Kurt Eisners, - nach seiner Ermordung Ernst Tollers -war die wesentliche Urheberpartei des Umsturzes in München und befürwortete größtenteils, zumindest für eine Übergangsphase, das Rätesystem. Reichsweit hatte sich die USPD 1917 von der damaligen SPD aus Protest gegen die kriegsbilligende Haltung der Mutterpartei abgespalten und die Beendigung des Krieges gefordert. Als Pazifist und Organisator des Münchner Munitionsarbeiterstreiks im Rahmen der deutschlandweiten Streikwelle im Januar 1918 war Kurt Eisner von Februar bis Oktober 1918 inhaftiert. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis setzte er sich an führender Stelle für die Revolution in Bayern ein und wurde zum ersten Ministerpräsidenten der bayrischen Republik. Allerdings betrachtete ein Großteil der linken Wähler nach dem Krieg die Spaltung der Sozialdemokratie in MSPD und USPD für überholt, und die praktische Politik Eisners als zu unklar, wechselhaft und schwankend. Sie wählten bei der Wahl für den verfassungsgebenden Landtag mehrheitlich wieder die SPD (MSPD). Die USPD kam dabei nur auf 2,5 Prozent der Stimmen.
Die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) wurde erst im Verlauf der Revolution um den Jahreswechsel 1918/19 reichsweit aus dem linken Flügel der USPD, dem Spartakusbund, und anderen linksrevolutionären Gruppierungen in Berlin gegründet. Sie kämpfte für das Rätesystem, die Verstaatlichung von Betrieben und die Weltrevolution. Eines ihrer Gründungsmitglieder war Eugen Leviné; - geboren 1886 in Russland, im Alter von 3 Jahren mit seiner Mutter nach Deutschland immigriert, war er sowohl in seiner ehemaligen Heimat als auch im deutschen Reich seit Beginn des 20. Jahrhunderts an den linksrevolutionären Entwicklungen beteiligt -. Er wurde von der Berliner KPD-Zentrale als Redakteur der Parteizeitung "Die Rote Fahne" nach München entsandt, um den kommunistischen Einfluss auf die Räterepublik voranzutreiben. Nachdem sich die Kommunisten unter seiner Führung an die Spitze der Räterepublik gesetzt hatten, nahm er Kontakt zu Lenin in Moskau auf, um sich der Unterstützung durch die russischen Bolschewiki, die seit der Oktoberrevolution von 1917 den ersten kommunistisch regierten Staat der Welt anführten, zu versichern.
Zusätzlich zu den genannten Gruppierungen war der Bayerische Bauernbund eine zu jener Zeit mehrheitlich liberale und antiklerikale Partei, deren Mitglieder in einigen Räten vertreten waren. Die Partei, die bei der Wahl am 12. Januar 1919 neun Prozent der Stimmen erhalten hatte, war auch in der Regierung des Kabinetts Hoffmann vertreten. Einer ihrer revolutionären Protagonisten und Befürworter des Rätesystems war der Bauernführer Ludwig Gandörfer. Nach Niederschlagung der Räterepublik schlug die Partei zunehmend eine konservative Richtung ein.
Eine weitere wichtige beteiligte Gruppe waren einige linksintellektuelle, anarchistische und/oder pazifistische Schriftsteller und Philosophen, teilweise USPD-Mitglieder wie etwa Ernst Toller oder Parteilose wie z. B. die Anarchisten Erich Mühsam und Gustav Landauer. Sie riefen am 7. April 1919 die eigentliche Räterepublik aus und dominierten die erste Räteregierung, den so genannten "Zentralrat". Toller und Landauer beteiligten sich auch nach der Führungsübernahme durch die KPD, die die erste Räterepublik als Scheinräterepublik bezeichnet hatte, an der kommunistisch dominierten Räterepublik. Allerdings trat Landauer, enttäuscht von der Haltung und Politik der KPD-Führung, schon nach drei Tagen von seinen politischen Funtionen und Ämtern zurück.
Abgesehen von der SPD-Führung traten einige konservative und rechtsextreme Gruppierungen als strikte Gegner der linken Revolution auf, die jedoch als politische Parteien bis zur Niederschlagung der Räterepublik nur eine marginale Rolle inne hatten.
Am 12. November 1918 wurde die Bayerische Volkspartei (BVP) gegründet. Sie war ein Ableger der Zentrumspartei und schürte im Wahlkampf die Furcht vor den "Bolschewisten". Aus der Wahl zum verfassungsgebenden Landtag am 12. Januar 1919 ging die vor allem von der ländlichen Bevölkerung gewählte BVP mit 35 % zwar vor der SPD (33 %) als stärkste Fraktion hervor, war jedoch noch nicht stark genug, um in die erste - parlamentarische - Koalitionsregierung (zwischen SPD, USPD und Bayerischem Bauernbund) zu gelangen. Erst nach der Niederschlagung der Räterepublik wurde sie an der Regierung beteiligt. Später, 1921/22 und von 1924 bis 1933 stellte sie den bayrischen Ministerpräsidenten.
Ebenfalls während der Revolution, am 5. Januar 1919, wurde mit der Deutschen Arbeiterpartei eine völkisch-rechtsextreme und antisemitische Partei gegründet, die aber zunächst relativ bedeutungslos blieb. 1920 wurde sie in NSDAP umbenannt und gewann später, ab 1921 unter der Führung Adolf Hitlers, eine zunehmend verhängnisvolle Bedeutung in der deutschen Geschichte.
Ende der Monarchie (Erste Revolution)
Massenkundgebung auf der Theresienwiese
Am 7. November 1918, als sich die russische Oktoberrevolution zum ersten Mal jährte, veranstalteten die SPD, Gewerkschaften und die USPD eine gemeinsame Friedenskundgebung auf der Münchner Theresienwiese. Damit der von ihm eingeleitete Übergang zur parlamentarischen Monarchie in Bayern nicht gefährdet würde, forderte König Ludwig III. die Polizei zur Zurückhaltung auf, obwohl Hinweise auf einen Umsturzversuch durch die USPD vorlagen.
Um 15 Uhr begann die Kundgebung auf der Theresienwiese mit etwa 60.000 Teilnehmern. An verschiedenen Stellen des Platzes sprachen zwölf Redner, unter anderem Erhard Auer, der Vorsitzende der bayerischen SPD, Ludwig Gandorfer, ein radikaler Vertreter des Bayerischen Bauernbundes, sowie Kurt Eisner. Einige Redner wollten die Leute beruhigen und wiesen auf die kommenden Reformen hin, andere forderten ein sozialistisches Rätesystem. Eisner, der Vorsitzende der USPD, hatte sich mit sinen Anhängern bereits zu Beginn der Kundgebung im Norden der Theresienwiese aufgestellt, um anschließend schnell und möglichst, ohne aufgehalten zu werden, zu den Kasernen zu kommen. Nach den Reden wurde eine Resolution angenommen, in der ein sofortiger Friedensschluss, der Rücktritt des deutschen Kaisers, der Achtstundentag und eine Arbeitslosenversicherung gefordert wurde.
Im Anschluss an diese Kundgebung setzte sich der Hauptzug der Demonstration zum Friedensengel in Marsch. Dort löste sich der Zug nach einer Rede von Franz Schmitt, einem Abgeordneten der SPD, auf.
Die meisten Betriebe, Geschäfte und Ämter hatten an diesem Tag geschlossen, um ihren Angestellten die Möglichkeit zu geben, an der Kundgebung teilzunehmen.
Marsch zu den Kasernen; Flucht des Königs
Ohne dass es zunächst weiter beachtet wurde, entfernten sich etwa 2000 Demonstranten unter Führung von Kurt Eisner und Ludwig Gandorfer zuerst zur Kraftwagenkolonne der Kraftfahr-Ersatzabteilung in der Kazmairstraße. Die Behörden vertrauten auf die Münchner Garnisonstruppen und maßen der Aktion keine große Bedeutung bei. Die Kraftfahrer schlossen sich dem Demonstrationszug an, der nacheinander zur Ersatzkompanie des Münchner Landsturmbataillons, zur Marsfeldkaserne, Türkenkaserne und zu den Kasernen auf dem Oberwiesenfeld und an der Dachauer Straße marschierte. Auch dort schlossen sich jeweils viele Soldaten an. Kriegsmüdigkeit, die Überzeugungskraft der Revolutionäre oder die Teilnahme befreundeter Kameraden bildeten für die meist den unteren Mannschaftsgraden angehörenden Soldaten die Motivation, sich von der revolutionären Aufbruchstimmung mitreißen zu lassen.
Gegen 19 Uhr erschienen die ersten Demonstranten vor der königlichen Residenz. Philipp von Hellingrath, der bayrische Kriegsminister, musste eingestehen, dass in München keine Truppen mehr zur Verfügung standen, um die Monarchie zu verteidigen. Mit auswärtiger Hilfe konnte nicht gerechnet werden, da Meldungen von Unruhen auch andernorts vorlagen. Angesichts der für den König prekären Situation wurde Ludwig III. von Otto Ritter von Dandl die Flucht empfohlen. Zusammen mit seiner schwerkranken Frau, drei Töchtern, dem Erbprinzen Albrecht und einem kleinen Hofstaat verließ der König München in Zivilkleidung. Die drei Mietautos mit den Flüchtenden hatten Schloss Wildenwart am Chiemsee zum Ziel.
Übernahme der Regierung
Nachdem die Revolutionäre Einrichtungen wie den Hauptbahnhof, Gebäude der Regierung oder militärische Einrichtungen ohne Widerstand besetzt hatten, hielt Kurt Eisner eine Versammlung im Franziskaner-Bierkeller ab und nahm danach im Mathäserbräu an einer Massenveranstaltung teil. Dort wurde ein Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrat gebildet. Zum Vorsitzenden wurde Franz Schmitt, ein SPD-Abgeordneter, gewählt.
Eisner verkündete in der ersten Stunde des 8. November den Freien Volksstaat Bayern als Freistaat.
Einen Tag später, am 9. November proklamierte in Berlin zuerst Philipp Scheidemann (SPD) eine (parlamentarisch-pluralistisch gedachte) "deutsche Republik", und nur wenige Stunden nach ihm Karl Liebknecht vom Spartakusbund die "Freie Sozialistische Republik Deutschland". Diese kurz nacheinander erfolgten Ausrufungen unterschiedlicher Rebubliksysteme für das deutsche Reich deuteten schon die neue innenpolitische Frontlinie zwischen den Anhängern der Rätedemokratie und denen des Parlamentarismus an.
Den meisten revolutionären Arbeitern und Soldaten war jedoch die Tragweite dieses Richtungskonfliktes zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich bewusst. Ihnen ging es zunächst primär um das Ende des Krieges und der Militärdiktatur. Auch die Unterschiede zwischen SPD, USPD und Spartakusbund erschienen vielen angesichts der neuen Situation und dem greifbar nahen Ende des Weltkriegs als überholt. Die meisten Aufständischen, ob in Berlin, München oder anderswo, erwarteten eine baldige neue Einigkeit der verschiedenen Flügel der im Prinzip noch (bzw. wieder) als Einheit begriffenen Sozialdemokratie. Dass im Hintergrund jedoch die Fäden zur engültigen Spaltung der ursprünglichen Sozialdemokratie schon gezogen waren, ahnten bis zum 9. November nur wenige. Die Spitze der Reichs-SPD (namentlich Friedrich Ebert) schuf durch einen geheimen Pakt zwischen dem neuen Chef der Obersten Heeresleitung Wilhelm Groener und der SPD-Reichsregierung am 10. November 1918 die Voraussetzungen für die spätere militärisch-gewaltsame Niederschlagung einer sozialistisch motivierten Revolution. Ebert machte Groener für die Unterstützung seiner Regierung durch die Reichswehr weitreichende Zugeständnisse in Bezug auf den Erhalt der alten Strukturen in Militär und Verwaltung.
Zu diesem Zeitpunkt hatte die Novemberrevolution in ganz Deutschland mit politischen Aufständen, beispielsweise in Kiel (Matrosenaufstand), Berlin, Bremen und Hamburg um sich gegriffen. Fast überall bildeten sich Arbeiter- und Soldatenräte. Ein bedeutendes Zentrum der Rätebewegung war München.
Der Untergang der Monarchie war spätestens seit dem 9. November nicht mehr aufzuhalten. Bis zum 23. November mussten alle regierenden Fürsten der deutschen Länder einschließlich Kaiser Wilhelm II. dem Bayerischen König folgen und abdanken.
Auf Grund der Ereignisse in München kam es auch in anderen bayerischen Städten, zum Beispiel in Kaiserslautern (damals war die Pfalz bayrisch), Ingolstadt und Kempten, zur Bildung von Arbeiter- und Soldatenräten, die vornehmlich von Mitgliedern der SPD und USPD besetzt wurden.
Der bayrische Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrat wählte eine Revolutionsregierung aus USPD und SPD mit Kurt Eisner (USPD) als Ministerpräsident und Außenminister, Erhard Auer (SPD) als Innenminister, Johannes Hoffmann (SPD) als Kultusminister, Edgar Jaffé (USPD) als Finanzminister und Albert Roßhaupter (SPD) als Militärminister.
Ein provisorischer Nationalrat, der sich aus Vertretern des Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrates, der Gewerkschaften, der Berufs- und Frauenverbände und den Fraktionen der SPD und des Bauernbundes im bayerischen Landtag zusammensetzte, trat an die Stelle des ehemaligen Landtags der Monarchie.
Am 11. November kam es zum Waffenstillstand zwischen den Alliierten und dem Deutschen Reich. Damit endete der erste Weltkrieg.
Am 12. November entband Ludwig III. die bayerischen Beamten vom Treueeid auf seine Person, was im Grunde seiner Abdankung gleich kam, auch wenn er sich zu einer formellen Abdankungserklärung nicht bereit erklärte. Die Revolutionsregierung erlaubte dem ehemaligen König, sich in Bayern aufzuhalten. Als "Unterstützung" erhielt er 600.000 Mark.
Haltung der Öffentlichkeit
Die Stimmung der bayrischen Bevölkerung schwankte zwischen Hoffnung auf Demokratie und Mitbestimmung, vor allem bei den Arbeitern, und Abneigung gegen die Revolution, insbesondere auf dem Land und im Bürgertum. Die Mehrheit verhielt sich abwartend, und hatte weder eine euphorische noch eine ablehnende Haltung.
Die katholische und die evangelische Kirche standen auf der Seite der Monarchie und sahen in der Linken eine größere Gefahr für Deutschland als in der Rechten. Die Kirchen spielten allerdings für das Schicksal der Räterepublik kaum eine Rolle.
Die gesellschaftliche Struktur blieb trotz der Änderung der Staatsform erhalten. Die Beamten, zum Beispiel Gustav Ritter von Kahr, der Regierungspräsident von Oberbayern und spätere Diktator, behielten ihre Posten und Ämter.
Künstler, Intellektuelle und die Revolution
Bei den Revolutionen spielten auch Vertreter des kulturellen Lebens eine wichtige Rolle. Einige Intellektuelle wie der Nationalökonom Lujo Brentano, der Dirigent Bruno Walter, die Schriftsteller Gustav Landauer, Heinrich Mann und Rainer Maria Rilke bildeten den Rat der geistigen Arbeit. Weitere Vereinigungen waren der Allgemeine Studentenausschuss, der Rat der bildenden Künstler Münchens und der Aktionsausschuss revolutionärer Künstler. Es gab unter den Künstlern auch Gegner der Revolution, beispielsweise Thomas Mann, aber auch er sah die Revolution als durch den fehlenden Widerstand legitimiert an.
Die erste Räterepublik war von Literaten wie Ernst Toller, Gustav Landauer oder Erich Mühsam geprägt. Auch der Finanztheoretiker und Begründer der Freiwirtschaftslehre Silvio Gesell, dem Ernst Niekisch zuvor einen Sitz in der Sozialisierungskommission angeboten hatte, wurde als Finanzminister Mitglied in der Regierung der ersten Räterepublik.
Politik der Revolutionsregierung unter Eisner
Da sich die Revolutionsregierung nur als Übergangsregierung betrachtete, kam es zu keinen tiefgreifenden Reformen. Ein weiterer Grund für die Zurückhaltung waren die inhaltlichen Gegensätze zwischen der revolutionäreren USPD und der SPD, die die Revolution eindämmen wollte.
Mitte November 1918 wurde der Anarchist Gustav Landauer von Kurt Eisner nach München gerufen. Er sollte als Redner an der "Umbildung der Seelen" mitarbeiten.
Nachdem Eisner nicht durchsetzen konnte, dass die Weimarer Verfassung der Zustimmung der Länder bedurfte, sprach er sich im Regierungsprogramm vom 15. November für einen gemeinsamen deutsch-österreichischen Staat aus. Des Weiteren nahm er Kontakt zum tschechischen Staatspräsidenten bezüglich der Gründung einer Donauföderation auf. Die Föderation sollte vor allem von den Ländern gelenkt werden; der Plan scheiterte am Eingreifen der Reichsregierung. Die Verstaatlichung der Industrie wurde zurückgestellt, lediglich einige Forderungen der Gewerkschaften wie den Achtstundentag und eine bessere Unterstützung der Arbeitslosen setzte man um. Die monarchischen Beamten blieben wie im übrigen Deutschland im Amt.
Die Strukturen des kaiserlichen und königlichen Verwaltungsapparats und der Justiz blieben in ihrem Wesen ebenso unangetastet wie die kapitalträchtigen und wirtschaftlich mächtigen Banken, Versicherungsgesellschaften und Industrieunternehmen.
Eisner ernannte entsprechend den Reservatrechten Gesandte für Bern, Berlin, Wien und Prag. Um einen besseren Friedensvertrag für Bayern zu erreichen, veröffentlichte er Berichte, die die Kriegsschuld Deutschlands belegen sollten und löste damit in weiten Kreisen eine Welle der Empörung aus.
Unter Kultusminister Johannes Hoffmann wurde eine Schulreform zur Aufhebung der geistlichen Schulaufsicht durchgeführt. Diese Reform ging mit in das vorläufige Staatsgrundgesetz ein und behielt auch später Bestand.
Der Heraldiker Otto Hupp wurde beauftragt, ein neues Staatswappen zu gestalten.
Wahlen, Mord an Eisner und Zweite Revolution
Im Januar 1919 begann in ganz Deutschland mit Aufständen in Berlin (vgl. Spartakusaufstand) die zweite Phase der Revolution. Nachdem die Novemberrevolution bis dahin fast ohne Blutvergießen verlaufen war, eskalierte diese Phase vor allem durch das verstärkte Auftreten der von der SPD-Führung, namentlich von Gustav Noske rekrutierten republikfeindlichen, antirevolutionären Freikorps in einigen Regionen des deutschen Reichs zu bürgerkriegsähnlichen Situationen mit Tausenden von Todesopfern - vor allem unter den Arbeitern und revolutionären Soldaten.
In der bayrischen Regierung kam es zunehmend zur einer Kontroverse zwischen den Befürwortern des Rätesystems (USPD) und den Befürwortern einer starken Stellung des Parlaments (SPD). Die Vertreter des Parlamentarismus setzten sich durch, und der Einfluss der Räte sank zunächst im ganzen Land.
Am 4. Januar wurde ein vorläufiges Staatsgrundgesetz beschlossen. Es basierte auf der parlamentarischen Demokratie und enthielt keine Elemente des Rätesystems.
Auf Druck der SPD fanden am 12. Januar 1919 Wahlen zu einem verfassungsgebenden Landtag statt, die von der KPD und ihren Anhängern boykottiert wurden. Bei diesen Wahlen galt erstmals das Verhältniswahlrecht und das Wahlrecht für Frauen.
Die Verlierer der Wahl waren mit dem Bayerischen Bauernbund (Stimmenanteil von 9 Prozent = 16 Mandate/Landtagsssitze) und der USPD (2,5 Prozent = 3 Mandate) die Parteien der Revolution. - Gewinner waren die Bayerische Volkspartei, die Nachfolgepartei des Bayerischen Zentrums (35 Prozent = 66 Mandate) und die SPD (33 Prozent = 61 Mandate). Die Deutsche Demokratische Partei (DDP) erhielt 14 Prozent (= 25 Mandate), die Deutschnationale Volkspartei (DNVP) zusammen mit der pfälzischen Mittelpartei 6 Prozent (= 9 Mandate).
Eisner wurde am 21. Februar auf dem Weg zur konstituierenden Sitzung des Landtags, wo er den Rücktritt seines Kabinetts anbieten wollte, vom rechtsradikalen Anton Graf von Arco auf Valley ermordet. Eisner hatte sich die politische Rechte nicht nur aufgrund seiner politisch-ideologischen Grundhaltung, seiner Anerkennung der deutschen Kriegsschuld und seines Versuchs, die Sozialistische Internationale wiederzubeleben, zum Feind gemacht, sondern auch vor dem Hintergrund seiner jüdischen Herkunft oder als "Preuße", was die vom verbreiteten Antisemitismus und nationalistischen Chauvinimus der (nicht nur) bayrischen Rechten genährten Vorurteile besonders angeheizt hatte.
Ein Mitglied des Revolutionären Arbeiterrats (RAR), der Metzger Alois Lindner, erschoss zwei Stunden nach dem Attentat auf Eisner in einem spontanen Akt der Rache zwei konservative Abgeordnete und verletzte Erhard Auer schwer. Als Reaktion vertagte sich der Landtag. Auer und der niedergeschossene Graf von Arco auf Valley wurden vom berühmten Arzt Ferdinand Sauerbruch behandelt.
Nach einem Aufruf der USPD kam es zum Generalstreik. Die Macht übernahm nun der "Zentralrat der Bayerischen Republik" unter Ernst Niekisch (SPD, später USPD). Über München wurde der Belagerungszustand verhängt. Am 25. Februar lehnte der elfköpfige Bayerische Rätekongress aus Mitgliedern von USPD, SPD und KPD den Antrag von Erich Mühsam, die Räterepublik auszurufen, zunächst noch ab. Die bürgerliche Presse wurde zensiert, es kam zu einer Radikalisierung der bisher eher unblutigen Revolution und zu einer zunehmenden Verschärfung der Auseinandersetzung zwischen Vertretern des Rätesystems einerseits und des Parlamentarismus andererseits.
Verschiedene Regierungsbildungen - Rätekongress contra Parlament
Der Rätekongress bildete am 1. März eine neue Regierung unter Martin Segitz, die aber von der Mehrheit des Landtags nicht anerkannt wurde.
Am 4. März lehnte der Rätekongress seinerseits noch eine Regierungsbildung durch den Landtag ab, wobei er allerdings in seiner Mehrheit die grundsätzliche Legitimität des Landtags anerkannte.
Am 17. März wählten die Landtagsabgeordneten gegen das Votum der radikalen Linken des Rätekongresses Johannes Hoffmann (SPD) zum neuen Ministerpräsidenten und bestätigten das vorläufige Staatsgrundgesetz.
Im neuen Kabinett, einer Koalitionsregierung zwischen SPD, USPD und Bayerischem Bauernbund, war Hoffmann zusätzlich Außenminister und Kultusminister, Martin Segitz (SPD) Innenminister, Ernst Schneppenhorst (SPD) Militärminister und Karl Neumaier (parteilos) Finanzminister. Der Regierung gehörten auch ein Mitglied des Bauernbundes und Mitglieder der USPD an. Es war eine Minderheitsregierung, die jedoch angesichts der unsicheren revolutionären Umstände von den meisten anderen bürgerlichen und konservativen Parteien des Landtags toleriert wurde. Es gelang dieser parlametarischen Regierung aber nicht, die Spannungen zwischen Anhängern des Rätesystems und des Parlamentarismus abzubauen. Im Gegenteil wurde sie ihrerseits von der Basis der Rätebewegung zumindest in München nicht anerkannt und hatte dort im Grunde keinen Handlungsspielraum.
Am 22. März traf in München die Nachricht von der Ausrufung einer sozialistischen Räterepublik in Ungarn unter Béla Kun ein. Dies gab der Rätebewegung in Bayern neuen Auftrieb. Viele träumten von einer sozialistischen Achse Österreich - Bayern - Ungarn - Russland. Damit waren auch Hoffnungen verbunden, sich gegen die Berliner Reichsregierung, in der sich ein pluralistisches System durchgesetzt hatte, zu behaupten.
Nach einer neuerlichen Revolution floh das Kabinett Hoffmann und der Landtag nach Bamberg, wo sie ihre Arbeit fortsetzten. Diese Arbeit - ab 7./8. April ohne die Mitglieder der USPD, die nach offizieller Ausrufung der Räterepublik aus der Regierung austraten - war im folgenden Monat wesentlich geprägt von der Organisation des Kampfes gegen die nun folgende Räterepublik. Davon abgesehen, erließ sie am 24. April eine neue Gemeindeverfassung für Bayern.
Drei Wochen nach der Niederschlagung der Räterepublik legte die Regierung Hoffmann am 24. Mai dem Landtag einen Verfassungsentwurf (Bamberger Verfassung) vor. Bevor dieser Entwurf verabschiedet werden konnte, leitete ihn die Mehrheit der Abgeordneten zunächst an einen Ausschuss weiter.
Räterepublik der Schwabinger Literaten (Dritte Revolution)
Am 7. April riefen der Literat Ernst Toller (seit Eisners Tod Vorsitzender der USPD), der parteilose anarchistische Poet und Schriftsteller Erich Mühsam, sowie der ebenfalls parteilose Philosoph und Theoretiker des Anarchismus Gustav Landauer die "Räterepublik Baiern" aus. Den Vorsitz des neu gebildeten "Zentralrats" übernahm zunächst Ernst Niekisch, den noch am ersten Tag Toller ablöste.
Unter anderem kündigte die Räteregierung an, die Presse zu sozialisieren, eine Rote Armee und ein Revolutionsgericht zu bilden. Sie wollte eine "brüderliche Verbindung" mit dem russischen und ungarischen Volk aufnehmen (nachdem sich auch in in Ungarn eine - kommunistische - Räterepublik unter Béla Kun zu der Zeit durchgesetzt hatte) und lehnte "jede Zusammenarbeit mit der verächtlichen (...Reichs-)Regierung Ebert-Scheidemann-Noske-Erzberger" ab.
Aus der formell amtierenden Regierung Hoffmann traten die USPD-Minister und Karl Neumaier aus. Die restliche (parlamentarische) Regierung, die sich in München nicht mehr durchsetzen konnte, floh nach Bamberg.
Auch einige andere bayerische Städte wie beispielsweise Rosenheim, Kempten, Lindau, Regensburg, Fürth, Würzburg, Schweinfurt, Aschaffenburg oder Hof schlossen sich offiziell der Räterepublik an.
Trotz ihrer im späteren Rückblick betrachteten Popularität aufgrund der ungewöhnlichen Ansammlung prominenter Kulturgrößen im Münchner Zentralrat hatte diese Räterepublik faktisch nur eine geringe Bedeutung, weil ihre Regierung in der Praxis fast keines der vielen sehr radikal klingenden Dekrete umsetzen konnte. Diese Regierung vertraute idealististisch auf die freie Entfaltung der Individuen und der Gesellschaft im neuen Bayern.
Ohne Instanzen zur Durchsetzung ihrer "Macht" - eine "Macht", die aus einem oft anarchistisch geprägten Selbstverständnis ihrer Protagonisten heraus als "Herrschaft" im Grunde abgelehnt wurde - verpufften ihre Entscheidungen, die auch für viele Anhänger der Räterepublik nicht nachvollziehbar waren. Außerdem lähmten Probleme mit der Lebensmittelversorgung und ein erneuter Generalstreik zusätzlich den Handlungsspielraum der neuen Räteregierung. Vor allem aufgrund ihrer Ineffektivität wurde sie bald abgelöst.
Die Anführer der noch relativ jungen KPD, die eine proletarische Revolution im Sinne der Oktoberrevolution der russischen Sowjets unter Führung der Kommunistischen Partei anstrebten, betrachteten den Zentralrat als eine Ansammlung kleinbürgerlicher Idealisten und bezeichneten deren Räterepublik als "Scheinräterepublik".
Am 13. April (Palmsonntag) kam es unter der Führung von Heinrich Aschenbrenner, einem Kommandanten der gegenüber der Bamberger Regierung loyalen "Republikanischen Schutzwehr", zu einem Putschversuch gegen die Räterepublik, bei dem einige Mitglieder des Zentralrats kurzfristig verhaftet wurden. Die Aktion wurde von der sich im Aufbau befindenden "Roten Armee" unter Soldatenrat Rudolf Egelhofer (KPD) (in eingen Quellen auch Rudolf Eglhofer), der als Matrose Ende Oktober 1918 schon am Kieler Aufstand beteiligt gewesen war, am selben Tag niedergeschlagen, wobei 17 Personen starben.
Kommunistische Räterepublik (Vierte Revolution)
Als Reaktion riefen im Hofbräuhaus die Betriebs- und Soldatenräte noch während der Kämpfe die Kommunistische Räterepublik aus. Die gesetzgebende und die vollziehende Gewalt wurden in dieser zweiten Räterepublik an einen "Aktionsausschuss" aus 15 Personen unter Führung von Eugen Leviné übertragen. Von diesem Aktionsausschuss wurde ein aus vier Personen bestehender Vollzugsrat gewählt, dem neben der von der KPD-Zentrale in Berlin nach München entsandte Eugen Leviné auch Max Levien angehörte.
Ebenso wie Leviné stammte Levien ursprünglich aus Russland, wo beide an revolutionären Entwicklungen beteiligt gewesen waren. Obwohl sowohl Leviné als auch Levien schon lange vor dem 1. Weltkrieg die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten hatten, bildete ihre Herkunft für nationalkonservative und rechtsextreme Kreise einen willkommenen Anlass, die Angst vor einer "russischen Bolschewisierung" Bayerns zu schüren, wobei ihre zusätzlich jüdische Herkunft eine von rassistischen und antisemitischen Vorurteilen geprägte Grundstimmung im entsprechenden Umfeld noch verstärkte.
Tatsächlich bildeten die bayrischen Räte in ihrer Gesamtheit jedoch eine äußerst heterogene Mischung, bei der sehr unterschiedliche Sozialismus-Vorstellungen vertreten wurden. Im Überblick betrachtet waren die Anhänger eines Rätemodells nach sowjetrussischem Vorbild an der Basis der von der KPD dominierten Räteregierung nur eine Minderheit.
Bei alledem war die kommunistische Räterepublik konsequenter in der praktischen Umsetzung ihrer Ziele als ihre unmittelbaren Vorgänger. Doch auch ihr war unter den denkbar ungünstigen Bedingungen der militärischen Bedrohung nur sehr wenig Zeit und Gelegenheit beschieden, ihre Vorstellungen umzusetzen.
Ernst Toller und Gustav Landauer erkannten den Aktionsausschuss an und beteiligten sich zunächst auch an der kommunistischen Räterepublik. Allerdings trat Landauer, nachdem sein Kulturprogramm von Leviné abgelehnt worden war, schon drei Tage später, enttäuscht und resigniert von Haltung und Politik der KPD-Führung, von allen seinen Posten und Ämtern in der Räterepublik zurück.
Die kommunistische Räteregierung verbot die gegen sie agitierende bürgerliche Presse. Lebensmittel und dringend benötigter Wohnraum, vor allem in Hotels, wurden beschlagnahmt, ein zehntägiger Generalstreik ausgerufen und anderes mehr.
Um die Räterepublik zu schützen, wurde die "Rote Armee" unter Rudolf Eglhofer zu einer Stärke von mehreren tausend Mann ausgebaut. Ihm wurde Ernst Toller als stellvertretender Inhaber des militärischen Oberkommandos zur Seite gestellt. Die "Rote Armee" war militärisch - sowohl quantitativ als auch qualitativ -, nicht zuletzt aufgrund des Mangels an Erfahrung in deren Mannschaft und Führung, den anrückenden Freikorps und Reichswehreinheiten deutlich unterlegen.
Dennoch gelang es am 16. April einigen Einheiten der Rotgardisten unter dem Kommando Tollers, bis Dachau vorgedrungene Freikorpsverbände zu besiegen und zunächst zurückzudrängen.
Ernst Toller war im Grunde ein überzeugter, bedingt durch seine Kriegserfahrungen, gewaltablehnender Pazifist. Er übernahm die Befehlsgewalt über die "Rote Armee" nur ungern, jedoch mit der Einsicht der aus der Situation geborenen Notwendigkeit. Seine Erfahrungen und den gewissensbelastenden Zwiespalt zwischen pazifistischer Überzeugung und der Notwendigkeit der Verteidigung einer sozialen Revolution verarbeitete er später im expressionistischen Theaterstück "Masse Mensch", das nach seiner späteren Verurteilung im Gefängnis entstand.
Die Räteregierung beabsichtigte, keinen eigenen Weg zu gehen, sondern die Revolution in Bayern zu einem Teil der internationalen Revolution unter Moskauer Führung zu machen - im Verbund mit der ungarischen Räterepublik und einer sich in Österreich zu dem Zeitpunkt scheinbar ebenfalls ankündigenden revolutionären Umgestaltung.
Leviné nahm Kontakt zu Russland auf, um sich der Unterstützung Lenins zu versichern. Der schickte ein knapp gehaltenes Telegramm, in dem er seine grundsätzliche inhaltliche Solidarität bekundete und konkrete Fragen bzw. Vorschläge bezüglich der Umsetzung der proletarischen Machtergreifung unterbreitete. Da Russland selbst zwischen 1918 und 1922 in der schwierigen Situation eines Bürgerkriegs (vgl. Russischer Bürgerkrieg) steckte, war die Erwartung einer praktischen Unterstützung der Münchner Räterepublik, etwa im Sinn von militärischer Hilfe, allerdings illussorisch.
Ende der Räterepublik
Inzwischen verbreiteten die Revolutionsgegner Gerüchte über angebliche Greueltaten der Revolutionäre in München, die zu einer massiven Gegenbewegung führten. Die Regierung Hoffmann in Bamberg hetzte die Landbevölkerung gegen die "Diktatur der Russen und Juden" in der Stadt auf, die angeblich die Frauen zu Gemeineigentum erklärt hätten. Eine Hungerblockade gegen die Münchner Räterepublik war die Folge.
Hoffmann und die Mehrheit des "Bamberger Landtags" unterstützte die Bildung von rechtsextremen Freikorps zur gewaltsamen Niederschlagung der Räterepublik. Es gelang den "Bambergern" aber nicht, ausreichend bayerische Truppen zu rekrutieren, die bereit waren, gegen ihre Landsleute in München zu kämpfen. So forderte Ministerpräsident Hoffmann (SPD) von Reichswehrminister Gustav Noske (SPD) zusätzlich zu den Freikorps Reichswehrverbände aus Berlin an, die er nach der Niederlage der Freikorps in Dachau zugesagt bekam.
In der zweiten Aprilhälfte rückten etwa 35.000 Soldaten unter General Burghard von Oven gegen München vor. Mit dabei waren Offiziere wie Franz Ritter von Epp, der bereits bei der Niederschlagung des Boxeraufstandes in China und an dem berüchtigten Massaker an den Hereros in Deutsch Süd-West-Afrika in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts beteiligt gewesen war. Viele Soldaten trugen schon das Hakenkreuz am Helm, das Symbol des völkisch-nationalistischen Geheimbunds der Thule-Gesellschaft, deren etwa 250 Münchner Mitglieder in verdeckten Aktionen gegen die Revolution aufgetreten waren.
Die „Rote Armee“ konnte zwar anfängliche Gefechte gewinnen, doch die gegenrevolutionäre "weiße" Armee aus preußischen und württembergischen Truppen sowie Freikorps besetzte am 20. April Augsburg, wo es daraufhin zu einem Generalstreik kam. Die Bamberger Regierung verhängte am 25. April über München das Standrecht. Den Revolutionären gelang es nicht, ausländische Hilfe zu gewinnen oder den Erzbischof als Geisel zu nehmen.
In der Folge entstanden Spannungen im Aktionsausschuss zwischen Mitgliedern der USPD (Toller) und der KPD (Leviné). Beide Fraktionen erkannten, dass die Chancen einer erfolgreichen Verteidigung der Räterepublik nahezu ausichtslos waren. Wo die Leute um Toller aber auf Verhandlungen mit der Regierung Hoffmann drängten, um sinnlose Opfer zu vermeiden, bestand die kommunistische Führung auf die Fortführung des Kampfes - sozusagen als historisches Signal und Hoffnungsträger für spätere revolutionäre Möglichkeiten. Eine Einigung war nicht möglich, jedoch konnte sich Toller zunächst durchsetzen. Am 27. April trat der Aktionsausschuss zurück, und wurde neu, diesmal ohne Kommunisten, gewählt. Die gesuchten Verhandlungen mit der Regierung Hoffmann scheiterten. Sie war zu keinen Kompromissen bereit und bestand auf bedingungsloser Kapitulation der Räterepublik.
Nachdem es beim Vormarsch der Freikorps auf München zu willkürlichen Erschießungen von auch vermeintlichen Anhängern der Räterepublik gekommen war, wurden am 30. April zehn im Münchner Luitpold-Gymnasium festgehaltene Geiseln, die meisten von ihnen Mitglieder der rechtsextremistischen Thule-Gesellschaft, von Mitgliedern der "Roten Armee" erschossen.
Am 1. Mai 1919 schloss die "weiße" Armee München ein und eroberte die Stadt bis zum darauffolgenden Tag vollständig. Damit endete die letzte Räteregierung sowohl in Bayern als auch in ganz Deutschland. Der Widerstand der übrig gebliebenen etwa 2000 Kämpfer der "Roten Armee" war insgesamt schwach und blieb auf einige wenige Stellen beschränkt.
Der "Geiselmord" vom 30. April im Luitpold-Gymnasium galt den Freikorps als zusätzliche Rechtfertigung für ihre nun folgende Terrorherrschaft in München, die weitaus mehr Menschenleben fordern sollte als die Kämpfe bis zum 2./3. Mai.
Die Regierung Hoffmann kehrte einige Wochen später nach München zurück. Das Standrecht wurde am 1. August aufgehoben. Am 14. August wurde die "Bamberger Verfassung" unterzeichnet, die am 15. September in Kraft trat. Der Kriegszustand endete am 1. Dezember 1919.
Folgen der Revolution
Während der Kämpfe bis zur Niederschlagung der Revolution wurden 606 Tote registriert, davon 38 Angehörige der konterrevolutionären Regierungstruppen und 335 Zivilisten, die meisten davon als vermeintliche Revolutionäre ermordet durch die Freikorps. Die restlichen 233 Todesopfer waren Kämpfer der Roten Armee. Die Dunkelziffer weiterer Todesopfer bis 3. Mai reicht bis zur Schätzung von nochmal 400 Toten, die wesentlich den Erschießungskommandos der Freikorps zum Opfer gefallen sein dürften. Unter anderem wurden 52 russische Kriegsgefangene von einem Freikorps in einer Kiesgrube bei Gräfelfing erschossen.
Gustav Landauer wurde am 2. Mai von Soldaten und Freikorps-Mitgliedern im Gefängnis Stadelheim durch Pistolenschüsse schwer verletzt und schließlich zu Tode getreten. Auch Rudolf Egelhofer wurde ohne Gerichtsurteil ermordet.
Nach der Niederlage der Räterepublik wurden Hunderte auch aufgrund falscher und willkürlicher Denunziationen verhaftet und hingerichtet. Beispielsweise denunzierte ein Pfarrer aus München-Perlach zwölf Arbeiter, die dann von Freikorps-Soldaten ausgeplündert und ermordet wurden. Auch Adolf Hitler, zu jener Zeit kasernierter Soldat, der sich während der Revolutionszeit in München aufgehalten hatte, denunzierte mehrere mit der Räterepublik sympathisierende Kameraden seines ehemaligen Regiments.
In den folgenden Wochen wurden über 2200 Unterstützer der Räterepublik von Standgerichten zum Tode oder zu Haftstrafen verurteilt. Max Levien war einer der wenigen revolutionären Anführer, denen die Flucht gelang. Eugen Leviné wurde des Hochverrats angeklagt und zum Tode verurteilt. Nach seiner Hinrichtung am 5. Juni 1919 kam es unter anderem in Berlin zu einem Generalstreik. Erich Mühsam wurde zu 15 Jahren Haft verurteilt, Toller zu fünf Jahren.
Der auf beiden Seiten entstandene Hass vergiftete lange die politischen Verhältnisse. Die Tatsache, dass einige der führenden Personen der Räterepublik jüdischer Herkunft waren (Kurt Eisner, Ernst Toller, Gustav Landauer, Erich Mühsam, Max Levien und Eugen Leviné), wurde als Grund für den sich verschärfenden, in breiten Bevölkerungsschichten schon lange latent vorhandenen Antisemitismus missbraucht. Das Trauma, die Wunden und die Folgen der Revolutionszeit, Hunger, Angst, viele Tote, Hass und die Dolchstoßlegende - sowie die Versäumnisse der Revolution wie etwa eine (ausgebliebene) Demokratisierung der monarchistischen Justiz und Verwaltung waren ein schweres Erbe für die Demokratie in der Zeit der Weimarer Republik und begünstigten den Aufstieg der Nationalsozialisten.
Die juristische Aufarbeitung der Münchner Räterepublik nach ihrer Niederschlagung zeigte zum ersten Mal in großem Stil die politische Einseitigkeit der Justiz in der Weimarer Republik: Während politisch rechts motivierte Verbrechen gar nicht oder sehr milde bestraft wurden, wurden links motivierte Straftaten mit der vollen Härte des Gesetzes verfolgt.
Nach der Niederschlagung der Revolution wurde Bayern zur "Ordnungszelle" in Deutschland. Der Freistaat galt zugleich als wichtiger Zufluchtsort für viele andernorts straffällig gewordene Rechtsextremisten. Am 9. November 1923 fand in München der Hitlerputsch statt. Der wurde zwar sehr schnell von regulärem Militär niedergeschlagen, aber später von der nationalsozialistischen Propaganda zum Heldenmythos verklärt. Hitler erkor darauf München zur "Hauptstadt der (...nationalsozialistischen...) Bewegung"
Siehe auch: Geschichte Bayerns, Novemberrevolution
Literatur
- Peter Jakob Kock, Franz Menges, Manfred Tremel, Wolf Volker Weigand: Geschichte des modernen Bayern, München: Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, 2000.
- Ernst Toller: Eine Jugend in Deutschland, Amsterdam 1933, Querido-Verlag, Nachdruck Rowohlt Verlag 1963 (Autobiographie Ernst Tollers)
- Tankred Dorst (Herausgeber): Die Münchner Räterepublik - Zeugnisse und Kommentar. Edition Suhrkamp, 1966 (mit Zeitzeugenberichten und Originalzitaten u.a. von Rainer Maria Rilke, Gustav Landauer, Kurt Eisner, Erich Mühsam, Oskar Maria Graf, Ernst Toller, Lenin, Eugen Leviné).
- Allan Mitchell: Revolution in Bayern 1918/1919. Beck, 1967.
- Karl-Ludwig Ay: Die Entstehung einer Revolution. Die Volksstimmung in Bayern während des ersten Weltkrieges. Berlin, 1968.
- Karl Bosl: Bayern im Umbruch. Die Revolution von 1918, ihre Voraussetzungen, ihr Verlauf und ihre Folgen. München/Wien, 1969.
- Rudolf Herz, Dirk Halfbrodt: Revolution und Fotografie - München 1918/19. Berlin, 1988. - ISBN 3-88940-027-2
Weblinks
- LEMO - Deutsches Historisches Museum: Die Münchner Räterepublik
- Die Entstehung der Räterepublik in München 1919
- Rede des standrechtlich erschossenen Eugen Leviné
- Nikolaus Brauns, Die Revolution in Bayern 1918/19 (Zusammenfassung einer Artikelserie der Tageszeitung "Junge Welt", erschienen von November 1998 bis Juni 1999)
- Nikolaus Brauns, Das Rätesystem im Spiegel der revolutionären Presse
- Raimund Dehmlow und Rolf Mader, Ein Brief kommt nicht an - die Botschaft bleibt erhalten. Otto Gross und die Münchener Räterepublik