Dux (Titel)
Der Dux (lateinisch Anführer von ducere, führen, eigentlich ziehen; Plural Duces) entstand im Römischen Reich und war der Amtstitel für die Befehlshaber der Grenztruppen (Limitanei).
Römisches Reich
Entwicklung
Die Duces stiegen im Regelfall aus den Rängen der Comitatenses auf (Tribunat). Wenn sie ihren Abschied nahmen wurden Tribunen auch sehr oft mit der Würde eines Dux aus der Armee entlassen. Ursprünglich bezeichnete dieser Titel aber einen Offizier, der in außergewöhnlichen Krisenzeiten eine Kommandobefugnis erhielt, die über seinen eigentlichen Rang hinausging. Oft hört man vom Primi pili [2] als „duces legionis“, oder auch von Offizieren im Senatsrang die als Duces für Land- und Marineeinheiten einer Provinz, einer Armee oder einzelner Vexillationen genannt werden. Ein Präfekt der Flotte in Misenum wurde z.B. zum „dux per Africam, Numidiam und Mauretaniam“ ernannt. Er erhielt dadurch ein weitgehend selbstständiges Kommando um Piraten im westlichen Mittelmeer zu bekämpfen. Diese Heerführer bildeten den Übergang zu den Duces des 4. Jahrhundert.
Seit den Reichsreformen Diokletians und Konstantins I., bei der die militärische und die zivile Verwaltung voneinander getrennt wurden (vgl. Spätantike), wird der Dux ganz klar als Militärkommandeur einer Provinz, vor allem einer Grenzprovinz, definiert. Eine Ursache dafür war vermutlich auch die zunehmende Weigerung römischer Bürger in die Armee einzutreten und die in weiterer Folge damit verbundene Barbarisierung des Offizierskorps. Es wurde immer schwieriger geeignete Militärs zu finden, die den Grenzschutz aufrechterhalten und gleichzeitig noch die nötigen juristischen Kenntnisse für die Bewältigung der manigfaltigen Aufgaben in der Zivilverwaltung mitbringen sollten. Hauptgrund war aber wohl die Furcht der Kaiser vor weiteren Ursurpationen. Der zivile Statthalter (Praeses) und der Dux mussten sich nun die Macht über die Provinz teilen, wurden dadurch voneinander abhängig und kontrollierten sich gegenseitig voller Argwohn. Infolgedessen herrschte zwischen ihnen oft ein gespanntes Verhältnis. In besonders unruhigen Regionen wie z. B. Isaurien, Mauretanien und Arabien wurde die Teilung zwischen ziviler und militärischer Verwaltung von Diokletian hingegen nicht so radikal durchgeführt. Bedingt durch die stetige Bedrohung von Räuberbanden und Nomadenstämmen vereinigte der Dux hier z.T. militärische und zivile Kompetenzen in seinem Amt. Die Beibehaltung des alten Systems erschien dem Herrscher wohl praktischer. Die Statthalter dieser unwirtlichen und wenig ertragreichen Provinzen wären wohl auch kaum in der Lage gewesen eine Revolte gegen die Zentralregierung anzuzetteln. Generell war ein dux limitis allerdings nicht für die Belange der Zivilverwaltung zuständig. Besonders im Osten, zur Zeit von Justinian I., gab es aber zunehmend Machtbündelungen in den Händen der Duces da der Kaiser das Trennungsprinzip mehrfach aufgehoben und den Dux in einigen Fällen sogar über den Statthalter gestellt hatte. Eine fundamentale Änderung dieses Systems trat im Ostreich aber erst ab dem 7. Jahrhundert unter Kaiser Herakleios, im Zuge der Expansion des Islam und der Umwandlung der Provinzen in Themen, in Kraft.
Funktionen

Wichtigste Aufgabe des Dux war die Sicherung einer oder - seltener - mehrerer Provinzen nach außen (siehe Dux Raetiae) und innen, z.B. militärisches Vorgehen gegen christliche Häretiker oder Heiden. Neben seinen standortgebundenen Verbänden (Limitanei/Ripenses) und Marineeinheiten konnte seit dem Ende des 5. Jahrhunderts ein Dux, ausgestattet mit den Befugnissen eines Comes, auch über mobile Einheiten des Feldheeres (Comitatenses) verfügen. Vielleicht eine Erklärung dafür, dass in der westlichen Notitia eine ganze Reihe von Einheiten aufscheinen die gleichzeitig in den Listen der Duces und der Heermeister angegeben werden. 492 n.Chr. unterstellte Ostkaiser Anastasios I. die mobilen Truppen dann endgültig den Duces.
Zu seinen Aufgaben zählten weiters Neubau, Instandhaltung und Reparatur der örtlichen Befestigungsanlagen. Gelegentlich mussten seine Männer sogar ausrücken um Tiere für die aufwendigen Zirkusspiele in Rom einzufangen. Das Recht, Urlaub (commeatus) zu gewähren, stand nur den Duces zu, rangniederen Offizieren blühte eine Geldstrafe, wenn sie hier eigenmächtig handelten. Der Dux hatte auch das Recht direkt mit dem Kaiser Kontakt aufzunehmen da es keinen geregelten Instanzenweg gab. Auch die Militärgerichtsbarkeit lag in seinen Händen, bis 413 waren allerdings in Zivilrechssachen noch der Statthalter oder der Vikar für die Soldaten zuständig.
Rekrutierung und Zuteilung der Verpflegung war Aufgabe der Zivilverwaltung, da die Stellung von Rekruten als Steuerlast für die Grundbesitzer angesehen wurde. Der Dux hatte sie nur entgegenzunehmen und dann ihren jeweiligen Einheiten zuzuteilen. Konstantin der Große ordnete an, dass die Duces zuerst alle neu angeworbenen Rekruten persönlich in Augenschein nahmen um die Untauglichen sofort aussortierten zu können. Ob dies in der Praxis auch tatsächlich umgesetzt wurde, ist unklar.
An die Zivilverwaltung musste der Dux regelmäßig Aufstellungen über seinen Materialverbrauch übermitteln. Sein officium musste aber auch alle vier Monate dem Praefectus Praetorio Rechenschaft über den Verbrauch an Geld und Nachschubgütern ablegen. Dies ermöglichte wenigstens eine rudimentäre Kontrolle und machte das Militär von den Zivilbehörden abhängig. Der Dux hatte faktisch also zwei Vorgesetzte: dem Praefectus Praetorio und den magister militum. Alle Gelder die er zur Aufrechterhaltung von Wehrfähigkeit und Infrastruktur seiner Armee benötigte mussten vorher von der zuständigen Präfektur genehmigt werden. Dazu kam noch, dass die anfallenden Gebühren für Ausstellung seiner Ernennungsurkunde jeweils an die Kanzleien des Präfekten und des Heermeisters abgeführt werden mussten. Diplomatische Aufgaben hatte er nicht, aber die Pflicht die Gesandschaften zu empfangen und für ihre reibungslose und sichere Weiterreise in die kaiserliche Residenz zu sorgen für die er u.a. auch den kaiserlichen Kurierdienst (Cursus publicus) in Anspruch nehmen durfte. Sonst hatte er für letzteren nur eingeschränkte Nutzungsrechte, im Ostreich erhielt er pro Jahr dafür eine genau festgelegte Anzahl von Berechtigungsscheinen die für ein Jahr reichen mussten.
Amtsbezeichnungen und Rangordnung
Befehligte ein Dux die Truppen einer Grenzprovinz so lautete seine vollständige Titulatur „dux limitis provinciae illius“, hatte er ein anderes Kommando inne so wurde er einfach als „dux provinciae illius„ bezeichnet. Die Benennung des Amtssprengels eines spätrömischen Dux ist mit der eines Comes vergleichbar. Die meisten Amtsbezeichnungen gehen auf die Provinzen zurück, in denen ein Dukat eingerichtet wurde, wie etwa der dux Belgicae secundae oder der dux Mesopotamiae. Der dux Britanniarum bildete hier eine Ausnahme, er war nach einer ganzen Diözese benannt.
In der Militärhierarchie war er im Rang dem Comes untergeordnet. Mehrfach wurde aber an Duces zusätzlich der Comes-Titel verliehen, was zwar einen Zuwachs an Ansehen und Macht bedeutete, aber seine ursprünglichen Aufgaben im Wesentlichen nicht veränderte. Hatte er sich durch besondere Leistungen ausgezeichnet führte er zusätzlich auch den Titel eines Comes primi ordinis und durfte sich „comes et dux“ nennen was ihn über den zivilen Statthalter (Praeses) hinaushob. Mit dem Kommando über einige besonders wichtige Provinzen war automatisch die „comitiva primi ordinis“ verbunden. In diesem Fall nannte sich der jeweilige Amtsinhaber „comes limitis“ oder "comes rei militaris“.
Im 4. Jahrhundert galt der Dux in der römischen Aristokratie zunächst als perfectissimus [3], ab 369 ist ein Dux als vir clarissimus in einer Inschrift bezeugt[4] Seit Valentinian I. zählte er zu der neu geschaffenen Rangklasse der viri spectabiles. Dieser Rang war ein nicht erbliches Zusatzprädikat der erblichen Senatorenwürde (des sog. Clarissimats) und machte ihm mit dem Vicarius ranggleich. Der vir spectabilis stand allerdings in der Würde noch unter einem vir illustris. Durch kaiserlichen Erlaß konnte er aber auch zum illustris erhoben werden. Gegen Ende des 6.Jahrhunderts wird er manchmal auch als „magnificus“ und „gloriosus“ erwähnt.
Reich der Ostgoten
Im ostgotischen Reich Theoderichs fungierte der Dux als weitgehend eigenverantwortlicher Kommandeur eines Heeresaufgebotes. Die ostgotischen Duces waren als Statthalter auch für die Gerichtsbarkeit zuständig, allerdings in der Regel nur über den gotischen Teil der Bevölkerung (und bei Streitigkeiten zwischen Goten und Römern). Sie hatten jedoch, anders als etwa bei ihren westgotischen Verwandten, nur ein zeitlich begrenztes Kommando inne. Damit unterschieden sie sich von einem Limeskommandeur in spätantiker Tradition, wie er auch unter Theoderich noch etwa vom Dux Raetiae repräsentiert wurde.
Byzanz
Mit dem Ende der spätantiken Strukturen verschwand im 7. Jahrhundert in Ostrom/Byzanz auch das Amt des dux in seiner bisherigen Form. In der mittelbyzantinischen Themenverfassung war der dux nun der Statthalter eines Dukats, eines nachrangigen Militärbezirks des Themas, später, nachdem im 10. und 11. Jahrhundert die großen Themen in kleinere Einheiten aufgeteilt worden waren, eine dem Strategen gleichbedeutende Rangbezeichnung. Das Amt des megas dux (in etwa "Großherzog") wurde um 1090 eingeführt und bezeichnete den Oberkommandierenden der byzantinischen Flotte. Es existierte bis zum Fall Konstantinopels im Jahre 1453. Von der Bezeichnung dux leitete die byzantinische Herrscherfamilie der Dukas wohl auch ihren Namen her.
Frankenreich
Die fränkischen Merowinger übernahmen viele spätrömische Verwaltungsstrukturen und Ämter und modifizierten diese im Verlauf des 6. Jahrhunderts. Im Frankenreich war dux ein Titel für den herausgehobenen comes (Grafen) eines größeren oder wichtigen Landesteils, und dabei anfangs nicht erblich und nicht mit der Provinz selbst verknüpft. Die Verknüpfung und die Erblichkeit kristallisierte sich erst im Lauf der Jahrhunderte, ähnlich wie bei den comites, heraus. Anders als in römischer Zeit galten die duces (Herzöge) dabei schließlich als den comites (Grafen) im Rang überlegen.
Weitere Bedeutungen
Während sich in der deutschen Sprache für den Titel die Bezeichnung Herzog durchsetzte (und in anderen germanischen Sprachen ähnliches), wurde in den von der lateinischen Sprache geprägten Ländern der Begriff sprachlich weiterentwickelt:
- Duc (Herzog) und Duché (Herzogtum) im Französischen
- Duke (Herzog) und Duchy oder (selten) Dukedom (Herzogtum) im Englischen
- Duque im Spanischen
- Duca im Italienischen einschließlich der Dogen von Genua und Venedig – bis hin zur Bezeichnung Duce del Fascimo (Führer des Faschismus) für den Diktator Benito Mussolini.
Auch die Bezeichnung Dukat für erstmals Ende des 13. Jahrhunderts in Venedig geprägte Münzen hängt mit dem Titel dux zusammen, wobei hier die Umschrift auf der Rückseite namensgebend war:
Sit tibi Christe datus quem tu regis iste ducatus – Dir, Christus, sei dieses Herzogtum, welches du regierst, gegeben.
Anmerkungen
- ↑ Herodian, 7.8.5
- ↑ Lagerführer eines Legionskastells. Im röm. Heer der erste Centurio der Triarier; seit Marius der erste Centurio der ersten Kohorte und oberster Centurio der Legion. Er hatte den Adler in seiner Obhut, verwaltete das Vermögen der Legion und wurde bei Versammlungen des Kriegsrats im Heer hinzugezogen. Nach vollendete Dienstzeit genoß er unter den Kaisern besondere Privilegien.
- ↑ Ammianus Marcellinus XXI 16,2
- ↑ CIL 6159
Literatur
- Alexander Demandt: Die Spätantike. Handbuch der Altertumswissenschaft III.6. München 2007, ISBN 978-3-406-55993-8,
- Arnold Hugh Martin Jones:The Later Roman Empire 284–602. A Social, Economic and Administrative Survey. Oxford 1964,.
- Gideon Maier: Amtsträger und Herrscher in der Romania Gothica. Stuttgart 2005, ISBN 3-515-08505-X
- Richard Heuberger: Das ostgotische Rätien. In: Klio 30, 1937, S. 77–109,
- Ralf Scharf: Der Dux Mogontiacensis und die Notitia Dignitatum: Eine Studie zur spätantiken Grenzverteidigung. Berlin/New York 2005, ISBN 978-3-11-018835-6,
- Michael Whitby: Rome at War. A.D. 293–696. Oxford 2002, ISBN 1-84176-359-4,
- Robert Grosse: Römische Militärgeschichte von Gallienus bis zum Beginn der byzantinischen Themenverfassung, Neuauflage, Ayer Publishing, 1975, ISBN 0405070837, S. 152-161,
- Ross Covan, Angus Mc Bride: Imperial Roman Legionary AD 161-284, Osprey Publishing, Warrior 72, 2003, ISBN 1841766011, S.61.