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Werner Georg Haverbeck

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Werner Georg Haverbeck (* 28. Oktober 1909 in Bonn; † 18. Oktober 1999) war ein rechtsextremistischer [1] deutscher Publizist, Historiker, Volkskundler und Pfarrer der Christengemeinschaft.

Leben

Weimarer Republik

In den 1920er Jahren war Haverbeck im bündischen Teil der Evangelischen Jugend aktiv. Ab 1923 betätigte er sich als Aktivist in der NS-Bewegung. Von 1928 bis 1932 studierte er Geschichte, Germanistik und Volkskunde; das Studium brach er wegen einer Berufung in die Reichsleitung der NSDAP ab. Seit Frühjahr 1929 war er Mitglied der Reichsleitung des NSDStB, in dieser Zeit tat er aktiv Dienst in der SA. Ab August 1931 war er ununterbrochen in der Reichsleitung der NSDAP tätig. Im Auftrag von Rudolf Heß war er an der kulturellen Gestaltung des Reichsparteitags 1934 in Nürnberg beteiligt.[2]

Drittes Reich

Im Juni 1933 wurde er von Rudolf Heß mit der Volkstumsarbeit der nationalsozialistischen Bewegung für das ganze Reichsgebiet beauftragt. Er übernahm die Stelle als Leiter der Reichsmittelstelle für Volkstumsarbeit der NSDAP, des Reichsbundes Volkstum und Heimat sowie des Reichsamtes Volkstum und Heimat in der NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude [3]. Seine Promotion erfolgte 1937 beim Gründer des Ahnenerbes, Herman Wirth, anschließend habilitierte er sich. Bei NS-internen Auseinandersetzungen wurde Haverbeck von seinen Gegnern kaltgestellt. Heinrich Himmler, der sein Studium finanziert und mit dem er sich nun überworfen hatte, schloss ihn am 23. Mai 1938 mit folgenden Worten aus der SS aus: „Ich entlasse Sie mit sofortiger Wirksamkeit aus der SS, da Sie nicht die primitivsten Eigenschaften von Disziplin und menschlicher Anständigkeit besitzen, die von einem SS-Führer verlangt werden müssen.“

In den Jahren 1941 und 1942 baute Haverbeck zusammen mit dem späteren Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger in Südamerika deutsch-faschistische Propagandasender der Deutsche Auslands-Rundfunk-Gesellschaft Interradio AG zur Beeinflussung südamerikanischer Regierungen auf.

Nach 1945

Nach 1945 studierte er Theologie und wurde 1950 zum Pfarrer der anthroposophisch inspirierten Christengemeinschaft, in Marburg, ordiniert. Haverbeck betreute den NS-Verbrecher Otto Ohlendorf vor seiner Hinrichtung in Landsberg 1951 seelsorgerisch. 1959 wurde er von seiner Priestertätigkeit beurlaubt.

Nach der Beurlaubung durch die Christengemeinschaft war er als Publizist und Dozent tätig. Von 1960 bis 1962 hatte er einen Forschungsauftrag des Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft inne. Er arbeitete zeitweise als Berater des SPD-Ministers Egon Bahr und wurde damals eher dem linken politischen Spektrum zugeordnet.

1963 gründete er den Verein Collegium Humanum, der mit seiner Bildungsarbeit auch Angehörige der frühen Ökologiebewegung erreichte. Seit 1981 hatte sich dieser Verein zu einem Zentrum für Antisemitismus und Holocaustleugnung entwickelt. Er diente als Anlaufpunkt für Rechtsextremisten von der Neuen Rechten bis hin zu Freien Kameradschaften. [4] Der Verein „Collegium Humanum“ einschließlich des angeschlossenen Vereins „Bauernhilfe e.V.“ wurde am 7. Mai 2008 durch den Bundesminister des Innern nach §3 des Vereinsgesetzes verboten, da er „sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte und nach Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufe“. [5]

In der Öffentlichkeit wurde Haverbeck durch Vorträge zu verschiedenen Themen bekannt, so auch bei zahlreichen Veranstaltungen der Atomenergie-Gegner. Von 1973 bis 1979 hatte er eine Professur für angewandte Sozialwissenschaft an der Fachhochschule Bielefeld inne, was diese wegen der Nazi- und SS-Vergangenheit Haverbecks in die Kritik brachte [6] und war von 1974 bis 1982 Präsident des rechten, teils rechtsradikalen Weltbundes zum Schutze des Lebens BRD e.V., zeitweise auch Präsident des Weltbundes zum Schutze des Lebens International. 1981 unterzeichnete er das Heidelberger Manifest, in dem deutsche Hochschulprofessoren vor der „Unterwanderung des deutschen Volkes“ und der „Überfremdung“ der deutschen Sprache, der Kultur und des „Volkstums“ warnten.

1983 wurde er zur internen Synode der Christengemeinschaft unter der Bedingung wieder zugelassen, nicht für diese Kirche öffentlich aufzutreten; gleichzeitig wurde er in den Ruhestand versetzt.

Haverbeck trat auch mit Vorträgen bei der alten und neuen Rechten auf: 1984 bei der Gesellschaft für Freie Publizistik, 1985 beim Bund Heimattreuer Jugend (BHJ), 1986 beim Süddeutschen Forum und beim Deutschen Kulturwerk Europäischen Geistes, 1994 bei der Gesellschaft für europäische Urgemeinschaftskunde, die auf den Ahnenerbe-Gründer Herman Wirth zurückgeht. Am Ende seines Lebens war Haverbeck vor allem publizistisch tätig. 1989 schlug sein Buch Rudolf Steiner – Anwalt für Deutschland hohe Wellen. Die Mehrheit der Anthroposophen distanzierte sich davon, und einige machten sich an die Aufarbeitung der Frage nach dem Verhältnis der Anthroposophie zu Rassismus, Nationalismus und Faschismus.[7]

Familie

Haverbeck war verheiratet mit Ursula Haverbeck-Wetzel (* 1928).

Einzelnachweise

  1. http://www.info3.de/ycms/artikel_1170.shtml
  2. Arfst Wagner: Anthroposophen und Nationalsozialismus. Probleme der Vergangenheit und der Gegenwart. In: Flensburger Hefte, 3/91, Heft 32, Flensburg 1991, S. 42; http://www.info3.de/ycms/artikel_1170.shtml
  3. „(...) Haverbeck propagierte eine verquaste Mixtur aus Naturschutz und völkischer Rassemlehre, die etwa das ‚naturferne‘ Judentum dem ‚erdverbundenen‘ Wesen des deutschen Volkes gegenüberstellte. (...) der seine Aktivitäten und Kontakte am äußersten rechten Rand auch während seiner Lehrtätigkeit hegte und pflegte, unter anderem als Vorsitzender des grün-braunen ‚Weltbundes für den Schutz des Lebens‘ und Gründer des unlängst wegen nationalsozialistischen Bestrebungen verbotenen Collegium Humanum in Vlotho. (...)“; aus: Verschwiegen von Frank Lachmann, in: Jüdische Allgemeine, 63. Jg., Nr. 36 vom 04. September 2008, S. 2.
  4. http://www.nadir.org/nadir/periodika/aib/archiv/70/30.php
  5. http://www.bverwg.de/enid/313aab4fc2aefa495edfa22a626ef322,2e399b7365617263685f646973706c6179436f6e7461696e6572092d093130383639093a095f7472636964092d09353733/Entscheidungssuche/Entscheidungssuche_8o.html
  6. Göttinger Verschwörungstheorien. Über den Antisemitismus der klugen Kerle an deutschen Hochschulen „(...) dass der Elite-Nazi Werner Haverbeck von 1973 bis vermutlich 1979 Professor für Sozialwissenschaft an der FH Bielefeld war und seine Tätigkeit von der Hochschulverwaltung vermutlich gedeckt wurde (...)“ (aus dem Kommentar von Heinz Gess)
  7. „Kurzum: Für die Haverbecks scheint der Nationalsozialismus der »Dritte Weg« zu sein, und sie setzen sich bis heute für diesen ein.“, so Arfst Wagner: Werner Haverbeck – Anwalt für Deutschland?, 1991.

Werke

  • Das Menschenbild der Gegenwart. Abhandlungen von Werner Georg Haverbeck [u.a.], Humboldt-Gesellschaft für Wissenschaft, Kunst und Bildung (Abhandlungen 1), Mannheim 1964
  • Das Ziel der Technik. Die Menschwerdung der Erde, Walter, Olten/Freiburg 1965
    • Überarbeitet als Die andere Schöpfung. Technik – Ein Schicksal von Mensch und Erde, Urachhaus, Stuttgart 1978
  • Jugend in Industriegesellschaft und Betrieb, Collegium Humanum, Valdorf-Ost o. J. (um 1966)
  • Arbeiterbildung, betriebspädagogische Aspekte. Hrsg. vom Collegium Humanum. Beiträge von Werner Georg Haverbeck [u.a.], Carl-Backhaus-Stiftung, Ahrensburg 1973
  • Die Polarität von Mensch und Erde. Vom Widersinn der Naturfeindschaft. Als Vortrag gehalten auf dem 130. Kongreß des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte in Hannover am 4. Mai 1978, Collegium Humanum 1978
  • Technik und menschliche Existenz. Tagungsband (Mit-Herausgeber), Freie Akademie, Vlotho 1982, ISBN 3-923834-01-2
  • Entschluss zur Erde. Zerstörung und Leben in unserer Hand, Urachhaus, Stuttgart 1983
  • Wittekinds Sieg. Ein 1200-jähriges Vermächtnis, Vidar, Rotenburg/Wümme 1985
  • Die deutsche Bewegung – Zur Entwicklung des Freiheitsbewußtseins. In: Bernhard Willms (Hg.): Handbuch zur Deutschen Nation, Band I: Geistiger Bestand und politische Lage, Hohenrain-Verlag, Tübingen 1986
  • Rudolf Steiner – Anwalt für Deutschland, Langen Müller, München 1989
  • Komm, Heiliger Geist, du Schaffender. Denkanstöße zur geistigen Krise der Gegenwart, Aquilon, Edertal 1994
  • Der Weltkampf um den Menschen. Eine deutsche Selbstbesinnung (zus. mit Ursula Haverbeck), Grabert, Tübingen 1995, ISBN 3-87847-151-3
  • Der Weltkampf um die Gemeinschaft. Die Entwicklung der Demokratie zur Volksordnung (zus. mit Ursula Haverbeck), Grabert, Tübingen 1996, ISBN 3-87847-154-8 (im VLB unter falschem Titel aufgeführt!)

Literatur

  • Andreas Ferch: Viermal Deutschland in einem Menschenleben. Werner Georg Haverbeck – Genie der Freundschaft. Verlag Zeitenwende, Dresden 2000
  • Arfst Wagner: Zur Geschichte der Anthroposophischen Bewegung und Gesellschaft in der Zeit des Nationalsozialismus, Band IV. Lohengrin, Rendsburg 1992
  • Wolfgang Weirauch (Hg.): Anthroposophen in der Zeit des deutschen Faschismus. Zur Verschwörungsthese. Flensburger Hefte, Sonderheft Nr. 8, Flensburg 1991, ISBN 978-3-926841-27-8
  • Arfst Wagner: Anthroposophen und Nationalsozialismus. In: Flensburger Hefte Nr. 32, Flensburg 1991, ISBN 978-3-926841-32-2
  • Arfst Wagner: Zum 1. September 1989. In: Flensburger Hefte Nr. 26, S. 202–205, Flensburg 1989, ISBN 3-926841-22-2

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