Hanns Eisler

Hanns Eisler (* 6. Juli 1898 in Leipzig; † 6. September 1962 in Ost-Berlin) war ein österreichischer Komponist[1], der neben seinen musikalischen Werken eine Reihe bedeutender musiktheoretischer, politischer und poetischer Schriften hinterlassen hat. Eisler gilt neben Alban Berg und Anton Webern als einer der bedeutendsten Schüler von Arnold Schönberg und wird trotz zeitweiliger inhaltlicher Differenzen zu seinem Lehrer mit Recht der Zweiten Wiener Schule zugerechnet. Zugleich war Eisler – neben Kurt Weill und Paul Dessau – der wichtigste künstlerische Weggefährte von Bertolt Brecht, mit dem er von Ende der zwanziger Jahre bis zu dessen Tod persönlich und musikalisch eng verbunden war und mit dem er einige seiner bekanntesten Werke gemeinsam geschaffen hat. Eisler hinterließ bedeutende Klavier- und Orchesterwerke, eine Reihe kammermusikalischer Kompositionen, zahlreiche Bühnen- und Filmmusiken sowie über 500 Lieder, die vom Arbeiterlied bis zum zwölftönig komponierten Kunstlied reichen. Er schrieb gemeinsam mit Theodor Adorno 1947 ein Standardwerk über Filmmusik (Komposition für den Film).
Eisler war bis zu seinem Lebensende österreichischer Staatsbürger - wie auch Brecht, lebte aber bis zu seinem Tod in Ostberlin, wo er die Meisterklasse für Komposition an der Deutschen Akademie der Künste bis zu seinem Tod leitete. Eisler hatte zuvor während des Exils bereits Professuren in New York und Los Angeles. Nach dem Krieg hielt er sich auch sehr häufig in Wien aber auch Paris auf, um dort zu arbeiten. Er ist der Komponist der DDR-Hymne, wofür er den Nationalpreis erster Klasse erhielt. Das Verhältnis der DDR-Staatsführung zu Eisler verlief trotz seines hohen Ansehens wechselhaft.
Gemeinsam mit vielen anderen dieser Zeit war Eisler in Mexiko und in den USA im Exil. Gegen ihn und seinen Bruder Gerhart Eisler wurden 1947 die ersten beiden Verfahren vor dem Komitee für unamerikanische Aktivitäten nach dem Krieg durchgeführt. Dies führte zur Ausweisung Hanns Eislers und der Rückkehr über Prag zuerst nach Wien und weiter nach Berlin.
Geburt und Kindheit
Geboren in Leipzig als Sohn des Wiener Philosophen Rudolf Eisler, 1873–1926, und der Ida Maria Eisler, geb. Fuchs (1876–1929) wuchs er in bildungsbürgerlichen, jedoch, wie er selbst schreibt, in sehr dürftigen Verhältnissen auf. Im Geburtenregister ist sein Vorname als Johannes eingetragen. Eisler selbst nannte sich später Hanns. Sein Vater stammte aus einer alteingessenen tschechisch-jüdischen Bürgerfamilie, seine Mutter aus einer schwäbischen Bauernfamilie und war Fleischerstochter. Ihr Vater war Sozialist und ein begeisterter Verehrer von August Bebel. Es war weder Geld für Musikunterricht noch ein eigenes Klavier vorhanden. Eisler musste sich die musikalischen Kenntnisse selbst beibringen und dachte sich seine ersten Kompositionen im Kopf aus.[2]
Seine beiden älteren Geschwister waren Elfriede, die sich später Ruth Fischer nannte (geb. 1895) und in den 1920er Jahren kurze Zeit Vorsitzende der KPD war, und Gerhart Eisler, (geb. 1887), der später führende Funktionen beim Rundfunk der DDR innehatte. Ungeachtet dessen, dass Eisler in Leipzig geboren wurde und dort die ersten drei Jahre seines Lebens verbrachte und auch später viele Jahre in Deutschland und in den USA lebte, fühlte und bezeichnete sich Eisler durch seine Entwicklung in den folgenden Jahren in Wien als Österreicher und Wiener.
Die Wiener Kinder- und Jugendjahre (1901–1916)
Im Jahre 1901 zog die Familie nach Wien. Als bekennender Atheist konnte Rudolf Eisler keine Stelle an der Wiener Universität erhalten und ernährte seine Familie als Privatgelehrter und mit Unterstützung seines Bruders, der Rechtsanwalt war. Hanns Eisler besuchte von 1904 bis 1908 die Volksschule im dritten Wiener Gemeindebezirk, zuhause wurden die Kinder schon sehr früh mit Musik vertraut gemacht. Der Vater sang und spielte Klavier. Am Rasumovsky-Gymnasium begann sich Hanns Eisler intensiver mit Musik zu beschäftigen, seine ersten Kompositionen schrieb er mit 10, 11 Jahren.
[..]Mein Studium begann eigentlich, als ich mir mit 10 Jahren aus Reclams Universalbibliothek eine allgemeine Musiklehre von Herrmann Wolff kaufte [..]. All dies geschah ohne Klavier oder bei Freunden, da sich sein Vater das Leihklavier aus finanziellen Gründen nicht mehr leisten konnte. Diese frühen Kompositionen sind verloren gegangen, erste Werke kennt man erst aus dem Jahre 1917. Mit 14 begann Eisler auch mit dem Besuch von Konzerten und Opern. Trotz aller Ernsthaftigkeit war Eisler trotz seiner etwas dicklichen und kleinen Statur begeisterter Fußballspieler auf der Jesuitenwiese im Wiener Prater, nahe der elterlichen Wohnung.
Das Gymnasium absolvierte Eisler eher mit Unlust, seine Zeugnisse waren gerade genügend. Darin wurde auch seine Religionszugehörigkeit als konfessionslos, ausgetreten aus dem Judentum 1914 beschrieben. Einzig die Note in Turnen war gut.
Mit 14 Jahren trat Eisler der Organisation der sozialistischen Mittelschüler bei, Albrecht Betz beschrieb ihn später folgendermaßen: [..]Eislers später berühmte Schlagfertigkeit und sein Witz, die ungewöhnliche Rasanz seiner Denk- und Sprechweise, die Lust an Divergenzen und Widersprüchen, dürfte er bereits im Sprechclub der sozialistischen Mittelschüler trainiert und ausgebildet haben. [..]
Die Kriegsjahre (1916–1918)
1916 endete Eislers Schulzeit mit dem Abschluss der Obersekunda, den Achtzehnjährigen erreichte der Einberufungsbefehl. Da sein Bruder Gerhart 1914 eine Antikriegszeitschrift herausgab, galt die ganze Familie als politisch verdächtig und wurde von der Geheimpolizei observiert. Eisler wurde in ein ungarisches Infanterieregiment berufen, nachdem er in der Reserveoffiziersschule Wrschowitz bei Prag zweimal wegen Befehlsverweigerung bestraft worden war.
Eisler empfand diese Zeit als körperlich äußerst anstrengend, da er von kleiner Statur war. Außerdem wurde ihm immer wieder seine aktenkundige „politische Unzuverlässigkeit“ als Sozialist vorgeworfen. Dass er in einem ungarischen Regiment dienen musste, hatte damit zu tun, dass durch die dort herrschenden Sprachunterschiede eine mögliche politische Agitation von Eisler unterbunden werden sollte.
Während dieser zwei Jahre widmete sich Eisler in seiner freien Zeit dem Komponieren. Das Oratorium „Gegen den Krieg“, welches er später in die Zwölftontechnik umschrieb, hatte er bereits vor seiner Kriegszeit begonnen. Die weitere Arbeit fiel aber dann einem Angriff zum Opfer. Hier zeigte sich auch erstmals sein Interesse an fernöstlicher Lyrik.
Im Oktober 1917 kam es zur Revolution in Russland. Eisler schreibt, dass dies von den Soldaten mit Begeisterung aufgenommen wurde, wohl auch, da der Kriegsdruck durch den Ausstieg der Russen als Kriegsgegner eine Entlastung verhieß. Es dauerte jedoch noch fast ein weiteres Jahr, bis Eisler nach Hause zurückkehren konnte. Aus dem Jahr 1917 stammt auch das früheste, noch vorhandene Fragment einer Arbeit von ihm, Dumpfe Trommel und berauschtes Gong sowie von 1918 Die Mausefalle und Von der Armut und vom Tode.
Nach dem Krieg (1918–1919)
Die Rückkehr nach Wien im Herbst 1919 war für Eisler sehr zwiespältig. Seine Bindung zum Elternhaus war gelöst. In der Löwenstraße, in der Wohnung seiner Eltern, fühlte er sich als Gast, er musste - wie tausende andere auch - vorerst in ungeheizten Barracken leben und hatte kaum Geld, sich Zivilbekleidung zu besorgen. Die Republik Österreich wurde am 12. November ausgerufen, jedoch strahlte die Russische Revolution stark nach Wien hinein. Die Sozialdemokratie entsprach jedoch nicht der Vorstellung vieler Heimkehrer von nachhaltiger Veränderung.
Die Novemberereignisse in Deutschland, die Räterepublik in Bayern und Ungarn, all das führte dazu, dass in Wien am 3. November 1918 die erste und älteste Kommunistische Partei Westeuropas gegründet wurde, die KPÖ. Eislers Schwester Elfriede war dort Mitglied der Roten Garden, sie musste nach der Besetzung einer Zeitungsredaktion für mehrere Wochen ins Gefängnis. Eislers Bruder Gerhart trat ebenso wie sie der Kommunistischen Partei bei.
Elfriede war seit 1915 mit dem Journalisten Paul Friedländer verheiratet und hatte mit diesem ein Kind, Friedrich Gerhart. Sie sah keine Möglichkeit, ihre politische Vorstellung einer radikalen Umwälzung in Wien zu verwirklichen und ging nach Berlin. In Berlin nannte sie sich dann Ruth Fischer, und nahm damit den Geburtsnamen ihrer Mutter an. Gerhart Eisler folgte ihr kurz darauf.
Hanns Eisler zog mit seiner Freundin, der Lehrerin Irma Friedmann in die Militärbaracken nach Grinzing, dort befand sich auch, wie es einmal beschrieben wurde „das halbe ZK der kommunistischen Partei Ungarns“. Eisler lebte mit dem Schriftsteller Bela Illés und dem Germanisten Georg Lukács zusammen.
Irma Friedmann mietete ein Klavier, Eisler trug Lieder vor und sie begleitete ihn. Anfang 1919 schrieb sich Eisler, der bisher Autodidakt war, am neuen Wiener Konservatorium für das Studium der Komposition ein. Zusätzlich nahm er Klavierunterricht. Sein Talent und seine Kenntnisse in Harmonielehre waren ausreichend, um in die Kontrapunktklasse von Professor Karl Weigl aufgenommen zu werden.
Eisler fühlte sich aber nach kurzer Zeit unterfordert und bewarb sich im Herbst 1919 bei Arnold Schönberg. Dieser erkannte das Talent und nahm ihn honorarlos als Privatschüler an.
Lehrjahre bei Arnold Schönberg (1919–1924)
Bei einem Heimaturlaub hatte Hanns Eisler das erste Mal ein Konzert von Schönberg gehört. Es war die Kammersinfonie, die Schönberg selbst dirigierte. Eisler schrieb später, dass diese Musik großen Eindruck auf ihn gemacht hatte.
1919 war Eisler auf Vermittlung von Joseph Trauneck ein Privatschüler von Schönberg geworden und fuhr zweimal wöchentlich mit der Badner Bahn nach Mödling. Oftmals gab es keinen Strom und so mussten die Schüler in der Nacht 15 Kilometer entlang der Gleise zu Fuß nach Wien zurückgehen. Seine Mitschüler in dieser Zeit waren Max Deutsch, Joseph Trauneck, Karl Rankl, Erwin Ratz und Jascha Horenstein.
Der Unterricht bei Schönberg gestaltete sich sehr streng nach klassischen Regeln und nach den Vorgaben der Werke Bachs, Brahms´ und Beethovens. Es war für Schönberg selbstverständlich, dass die Schüler ihn mit Meister anredeten. Schönberg war zu diesem Zeitpunkt 45 und Eisler 21 Jahre alt. Nach kurzer Zeit wurde Eisler Schönbergs Lieblingsschüler.
Schönberg verschaffte Eisler eine Halbtagsstelle beim renommierten Musikverlag Universal Edition als Notenkorrektor.
In diese Zeit fiel auch eine andere wichtige Arbeit Eislers, nämlich die Leitung von zwei Wiener Arbeiterchören. Schönberg selbst hatte ehemals einen solchen geleitet. Eisler übernahm zuerst einen Chor der Wiener Siemens-Schuckert-Werke (Stahlklang), und nach deren Auflösung den Karl-Liebknecht-Chor in Wien-Floridsdorf. In diesem Chor wurden erstmals auch revolutionäre Lieder aus dem Osten gesungen wie der Rotgardistenmarsch. Insgesamt erkannte Eisler, dass das Repertoire der Arbeiterchöre sehr erneuerungsbedürftig war.
Neben all diesen Tätigkeiten und dem Studium traf sich Eisler im noch heute existierenden Café Museum am Wiener Karlsplatz im sogenannten Schönbergkreis. Dort lernte Eisler die Sängerin und Kommunistin Charlotte Demant kennen, die Gesang und Musiktheorie bei Anton Webern studiert hatte. Am 31. August 1920 heirateten die beiden. Kurz darauf wurde Schönberg für drei Monate nach Amsterdam für Kompositionskurse eingeladen, als Ausdruck seiner Wertschätzung gegenüber Eisler durfte dieser mitreisen.
Im Herbst 1921 begann Eisler seine Lehrtätigkeit im Wiener Verein für volkstümliche Musikpflege, es war dies hauptsächlich musikalischer Grundunterricht für Arbeiter. Diese Zeit war für Eisler sehr bestimmend, da er sich entgegen dem elitären Anspruch von Schönberg die Frage stellte, für wen er wohl Musik mache. Dies betrachtete Eisler als den Beginn seines Konflikts mit Schönberg. Es war nicht eine musikalische Frage, sondern eine weltanschauliche. Es trafen die, wie Eisler meinte, kleinbürgerlichen Ansichten Schönbergs auf die von Schönberg belächelten revolutionären Ansichten Eislers.
Eisler sah in der Musik auch eine soziale Funktion wohingegen Schönberg sich seiner Meinung nach auf die L'art pour l'art-Position zurückzog.
1920 begann Schönberg mit der Dodekaphonie oder der Zwölftontechnik. Das nahm ihn sehr in Anspruch und deshalb überwies er einige Schüler – so auch Eisler – für einige Monate an Anton Webern. Eisler bat Schönberg aber brieflich alsbald um die Möglichkeit einer Rückkehr. In einem Empfehlungsbrief an Dr. Emil Hertzka, dem Direktor der Universal-Edition vom 6. April 1923 bezeichnete Schönberg Eisler bereits als ehemaligen Schüler. Vorangegangen waren einige Kompositionen, die Eisler Schönberg im März 1923 vortrug. Diese gefielen so sehr, dass Schönberg diese noch im April in Prag aufführen wollte.
Der internationale Musik- und Bühnenverlag für klassische, romantische und zeitgenössische Musik Universal Edition in Wien hatte Schönberg bereits seit zehn Jahren unter Vertrag, ebenso wie Webern, zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht Alban Berg. Nach der erfolgreichen Aufführung seiner Klaviersonate in Prag wurde Eisler ebenfalls im Verlag aufgenommen, zur gleichen Zeit wie Kurt Weill, den er zu diesem Zeitpunkt noch nicht persönlich kannte. 1924 erschien das erste Werk Eislers in Zwölftontechnik, Opus 5 Palmström.
Am 10. Oktober 1924 wurde erstmals ein Werk von ihm in Wien aufgeführt. In einem Artikel von Erwin Ratz wird Eisler als „dritte kompositorische Begabung aus dem Schönbergkreis neben Berg und Webern“ bezeichnet.
Trotzdem war Eisler eine Anstellung als Musiker, Komponist oder Dirigent in Wien verwehrt und es war für ihn sehr schwierig, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Für eine Aufführung seiner Werke in Berlin fuhr er dorthin, auch in der Hoffnung, dort Kontakte knüpfen zu können. Eisler war dort jedoch nur in einem sehr kleinen Kreis bekannt, die Berliner Musikkritik nahm seine dort aufgeführte Sonate aber positiv auf.
Die ersten Jahre in Berlin (1925–1927)
Noch in Wien schrieb Eisler drei Männerchöre nach Worten von Heinrich Heine für den von Anton Webern geleiteten Wiener Arbeiter-Singverein. Er widmete sich intensiv dem Genre Männerchor, insbesondere dem Arbeitermännerchor, da er der Meinung war, dass Musik die Massen erreichen muss und nicht nur elitäre Zirkel. In diese Zeit fiel – eher unerwartet – die Verleihung des Künstlerpreises der Gemeinde Wien 1925. Trotzdem war die wirtschaftliche Grundlage für Eisler in Wien nicht gegeben. Eisler zog im Winter 1926 alleine nach Berlin, seine Frau blieb in Wien. Sie behielten die Wohnung im 2. Wiener Gemeindebezirk und er pendelte zwischen Berlin und Wien.
In einer Auseinandersetzung mit Schönberg um den Begriff Moderne Musik, die sich sehr heftig bis ins Jahr 1926 hinzog, als beide in Berlin lebten, kam die unterschiedliche Auffassung über den eigentlichen Zweck der Musik zum Tragen. Eisler kritisierte Schönberg sehr heftig ob seiner elitären Einstellung, Schönberg wiederum konnte Eislers Position der Abwendung von der elitären Rolle der Neuen Musik nicht akzeptieren und damit auch nicht die politische Haltung Eislers, welche sozialistisch war und der Musik eine Funktion zuwies. Dieser Konflikt zog sich noch sehr lange hin, wie auch in Briefen Schönbergs noch 1928 zu lesen war.
In Berlin begannen 1925/1926 die sogenannten Goldenen Jahre in einer Stadt, die zugleich auch das Zentrum der deutschen Arbeiterbewegung war. Eislers Geschwister waren zu dieser Zeit bereits einflussreiche Funktionäre der KPD. Ruth Fischer war 1921 von Friedländer geschieden worden. Seit 1924 war sie Reichstagsabgeordnete der KPD, wurde aber 1925 von der Partei auf Anordnung der Moskauer Parteispitze politisch kaltgestellt. Sie überwarf sich mit ihrem Bruder Gerhart, der zeitgleich, wenn auch nur kurz, eine höhere Position als sie selbst in der KPD einnahm.
Hanns Eisler beantragte Anfang 1926 die Mitgliedschaft in der KPD, erhielt sie jedoch nicht und betrieb, wie er dann vor dem Untersuchungsausschus für unamerikanische Umtriebe aussagte, diese „Angelegenheit“ nicht weiter, wodurch er auch in seinem Verständnis nie Mitglied der kommunistischen Partei wurde.
1927 begann Eisler dann ernsthaft mit dem Gegenentwurf zum herkömmlichen bürgerlichen Konzertbetrieb. In einem Zyklus von acht Liedern arbeitete er mit Kinderreimen, Heiratsannouncen, Liebeslied eines Grundbesitzers usw.
Theodor Adorno urteilt in den Musikblättern des Anbruch:"Die Lieder sind nach Frage und Antwort so außerordentlich, ihr Furor hat solche Kraft, ihre Prägung solche Schärfe, ihr Ton solche existente Substanz, dass nachdrücklich auf sie verwiesen werden muß. [..]Die zentrale Gewalt der Lieder ist gesammelt in einem Willen, der Kunst durchbricht: die Welt zu verändern.[..]"
Eislers Arbeiten schockierten. Es waren Volkslieder im großstädtischen Sinne. Eisler betrachtete diese Lieder [..]als Abschied von der bürgerlichen Konzertlyrik[..].
Dieser Schock war allerdings ein von den Angesprochenen durchaus gewollter. Ein Jahr später schrieben Brecht und Weill die Dreigroschenoper, wiederum gerade von den Kritisierten bejubelt.
Beim Musikfest in Baden-Baden 1927 traf Eisler das erste Mal auf Brecht, der dort Mahagonny zur Uraufführung brachte. Allerdings sollte es noch drei Jahre dauern, bis es zu einer Zusammenarbeit von Eisler und Brecht kam.
Kampfmusik – eine neue Musik (1928–1929)
Eisler beschäftigte sich in dieser Zeit nicht nur mit Komposition, es erschien auch ein außerordentlich umfangreiches Textwerk. 1927 veröffentlichte das KPD-Zentralorgan Die Rote Fahne seinen ersten Artikel zum 100. Todestag von Beethoven. Mehr als 30 weitere Texte folgten bis 1929. In diesen Texten greift er die Borniertheit der bürgerlichen Kunst an und beschreibt deren schon begonnene Zersetzung. Noch wurde Eisler aber als Vertreter der Schönbergschule gefeiert. Er selbst begab sich aber bereits auf die Suche nach der neuen, lebendigen Kultur in der Agitpropbewegung, beim Theater und in der Sängerbewegung. Er arbeitete ab November 1927 mit Agitpropgruppe Das Rote Sprachrohr und war Musikkritiker für die KPD-Zeitung Rote Fahne, sein erster Artikel erschien am 22. März 1927. An der Marxistischen Arbeiterschule (MASCH) hielt er Vorlesungen.
Vorbild waren ihm dabei die fahrenden Laienspiel- und Sprechchorgruppen, die sowjetische Agitkas. Dieser Aufgabe widmet sich Eisler nun als Komponist. Erwin Piscator lud ihn ein, für die Eröffnungsinszenierung seines Theaters am Nollendorfplatz die Bühnenmusik zu schreiben (Franz Jung, "Heimweh", mit der Bühnenausstattung von John Heartfield). Auch für das Feuchtwangerstück Kalkutta, 4. Mai (Premiere 2. Juni 1928) wurde er um die Bühnenmusik gebeten. Mit der Ballade vom Soldaten kam es zur ersten Brechtvertonung (1928).
Die Arbeitersängerbewegung
In dieser Zeit waren im Deutschen Arbeitersängerbund mehr als 450.000 Mitglieder vereint. Überall, in der Stadt und auch am Land, existierten Chöre mit zum Teil sehr hohem Niveau. Gleichzeitig gab es nur sehr wenige politische Lieder. Das übliche Repertoire unterschied sich nicht besonders von dem bürgerlicher Gesangvereine.
Der Beginn seiner Kampfmusikperiode begann mit den Vier Stücken für gemischten Chor op. 13 mit eigenen Texten. Diese Stücke waren parodistisch zum Thema Religion, Natur und Liebe und endeten mit einem Zitat aus der "Internationale". Für die Aufführung seiner Stücke gibt Eisler, wie auch typisch für Brecht, genaue Vorgaben, wie z. B. in den Vier Stücken für gemischten Chor: „Dieses Lied sing man eigentlich am besten so: Zigarette im Mundwinkel, Hände in den Hosentaschen,m leicht gröhlend, damit es nicht zu schön klingt und niemand erschüttert wird.“
Eislers Werke waren nun nicht mehr konzertsaalkompatibel. In weiterer Folge entstanden Lieder, welche als Auf den Straßen zu singen aufgeführt wurden. Dieses Werk wurde allerdings 1929 im Konzertsaal der Hochschule für Musik in Berlin uraufgeführt.
Unter anderem schrieb Eisler ein Werk nach dem Text des legendären amerikanischen Protestsängers Joe Hill, der 1916 nach zweifelhaftem Verfahren des Mordes angeklagt und hingerichtet wurde.
Der Erfolg war überwältigend. Die Lieder wurden von den Arbeiterchören übernommen, obwohl es sich um Laienchöre handelte, Eisler nicht unbedingt leicht einzustudieren ist und für jeden Chor eine große Herausforderung darstellt.
Eislers Verständnis eine Chormeisters und des Arbeiterchores
Eisler beschrieb 1933 in einem Typoskript seine Vorstellung von der Beziehung des Chores zu seinem Chormeister ganz genau. Er schilderte damit auch seine Erfahrung mit der bisherigen Chorbewegung, in welcher der Chormeister fast ausschließlich die Richtung und vor allem das Repertoire bestimmte.
„[..]2. Der Chormeister ist im Arbeitergesangsverein nicht nur ein Angestellter und künstlerischer Diktator, sondern auch ein Funktionär. Es ist die Aufgabe im Chor, den Chormeister politisch zu erziehen und von den politischen Aufgaben der Arbeiterklasse aus die künstlerischen Intentionen des Chormeisters zu kritisieren. Wir wissen, welch ungeheuren miserablen Einfluß ein spießbürgerlicher Chormeister auf die Arbeitersänger haben kann.
3. Ein Arbeiterchor soll nicht in seinen Konzerten die Haltung eines „Kollektivcarusos“ einnehmen, der seinen Bekannten und Verwandten ein schönes Liedlein vorsingt, um sie in süße Träume zu versetzen. Ein Arbeiterchor muss sich über die Verantwortung, die er mit jeder seiner Veranstaltungen vor dem proletarischen Publikum übernimmt, mindestens so Rechenschaft geben wie ein Referent in einer politischen Versammlung[..]“
Eisler und Ernst Busch
1929 kam es zur ersten Begegnung von Ernst Busch und Eisler im Stück Der Kaufmann von Berlin. Dies war der Beginn einer sehr langen und fruchtbaren Zusammenarbeit, auch zusammen mit Brecht, bis kurz vor dem Tod Eislers. Unzählige Lieder wurden Busch von Eisler sozusagen auf den Leib komponiert. Diese Zusammenarbeit bewirkte eine weitere Verstärkung der Wirkung der Kampflieder.
In dieser Zeit entstanden auch die ersten Schellack-Platten mit Eisler-Musik, gesungen von Ernst Busch. Vor allem das Lied Roter Wedding wurde weit über die Grenzen Berlins hinaus populär. 1931 wurde diese Platte Gegenstand des sogenannten Schallplattenprozesses, die Anklage lautete auf „Aufreizung zum Klassenhass“ sowie „Aufreizung zu Gewalt und Verächtlichmachung der republikanischen Staatsform“. Neben der Verhängung Geldstrafen wurde die Platte selbst verboten, Restbestände mussten vernichtet werden.
Die populärsten Stücke von Eisler für Busch waren Kominternlied, Roter Wedding, Stempellied, Seifenlied und Solidaritätslied. Die Gründe für die hohe Popularität dieser Musikform ist aus der Situation des Jahres 1929 zu erklären. Die Weltwirtschaftskrise traf zuallererst die Arbeiter und deren Familien. Hunger und Obdachlosigkeit nahmen in beängstigendem Ausmaß zu. Eine Alternative zur konservativen und ultrarechten Politik gab es nur bedingt, da sich die beiden Arbeiterparteien SPD und KPD gegenseitig bekämpften. Die Sozialisten misstrauten der KPD wegen einiger tatsächlich stattgefundenen taktischen Wahlkoalitionen mit den Nationalsozialisten. Für die KPD wiederum waren die Sozialdemokraten mit den Faschisten gleichzusetzen.
Eislers Anspruch an die Kampflieder war, dass sie eine klare Aussage haben müssen und jederzeit und überall gesungen werden können, im Chor, aber auch einstimmig.
Trotz der Erfolge blieb Eislers finanzielle Situation angespannt. Sie besserte sich erst durch die Einnahmen von der Filmmusik und vor allem dadurch, dass die bürgerlichen Schallplattenunternehmen die Arbeitermusik als Einkommensquelle entdeckten. Als Delegierter der kommunistischen Interessensgemeinschaft für Arbeiterkultur reiste Eisler 1930 das erste Mal nach Moskau.
Eisler und Brecht (1930–1932)
Ab dem Jahre 1927 bist 1930 arbeitete Bert Brecht unter anderem mit Kurt Weill zusammen. In dieser Zeit entstanden die Stücke Mahagonny (1927), die Dreigroschenoper (1928), der Lindberghflug (1929), die epische Oper „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ (1929/30) und die Oper " der Jasager (1930). Sie verstanden ihre Arbeit als Gegenstück zum "verbrauchten" musikalischen Theater. Während dieser Zeit beschäftigte sich Brecht auch intensiv mit den Werken von Marx und Lenin. Kurt Weill sah sich aber nicht als politischen Menschen, eher nur als Komponisten. Brecht und Weill fanden danach nur noch einmal zusammen, als sie in Paris 1933 gemeinsam Die Sieben Todsünden schafften.
Eisler und Brecht trafen sich beim jährlichen Kammermusikfestival "Neue Musik Berlin 1930". Beides Männer gleichen Alters, von ihren Fähigkeiten überzeugt und beide gewillt, ihre Vorstellungen von Ästhetik und Politik durchzusetzen.
Die Maßnahme
Das gemeinsame Lehrstück „Die Maßnahme“, eine Neuaufbereitung des Stückes „Der Jasager“ welches Brecht für dieses Festival als Auftragswerk schrieb, wurde von der Festspielleitung wegen politischer Bedenken abgelehnt. Weill zog daraufhin aus Solidarität sein Stück „Die Jasager“ ebenfalls zurück. Eisler begann im Juli 1930 die kompositorische Arbeit im Hinblick darauf, ein Stück zu schreiben „für diejenigen, für welche es bestimmt ist, und die alleine eine Verwendung dafür haben: von Arbeiterchören, Laienspielgruppen, Schülerchören und schülerorchestern, also von solchen, die weder für Kunst bezahlen, noch für Kunst bezahlt werden, sondern Kunst machen wollen“.
„Die Maßnahme“ war das erste große Werk für die Arbeitersängerbewegung, bisher gab es nur einzelne Lieder. Für die Uraufführung haben 3 Berliner Großchöre das Werk einstudiert (zum grössten Teil ungeschulte Stimmen und ohne Kenntnisse der Notenschrift), dazu noch die Solisten Anton Maria Topitz, Ernst Busch, Helene Weigel und Alexander Granach. Die Chöre waren bis spät in die Nacht beschäftigt, da die Mitglieder unter Tags zum Teil arbeiteten. Die Uraufführung fand in der Philharmonie am 13. Dezember 1930 statt, die Beginnzeit war um 23.30(!). Hanns Eisler sang selbst im Chor mit. Das Werk wurde von den Arbeitern begeistert aufgenommen, jedoch von Rechts wegen Aufreizung zum Klassenkampf, aber auch von der KPD wegen „seiner idealistischen Grundeinstellung“ kritisiert. Dem Programmheft war ein Fragezettel beigefügt, den das Publikum einsenden sollte und wovon auch reger Gebrauch gemacht wurde. Eine Woche später fand in einer Schule eine Diskussionsveranstaltung statt, davon ausgehend kam es dann zu Änderungen am Text und insgesamt drei weiteren Fassungen. Ebenso erweiterte und änderte Eisler die Partitur.
Es kam bis 1932 zu mehreren Aufführungen in Deutschland, in Leipzig waren 300 Chorsänger auf der Bühne.
Durchwegs positiv, sogar teilweise euphorisch war allerdings die Musikkritik von beiden Seiten, der proletarischen und der bürgerlichen. „Die Maßnahme“ wird hier deshalb so ausführlich beschrieben, weil es mit Sicherheit eines der bedeutendsten Kompositionen Eislers darstellt - vielleicht sogar sein Opus magnum - aber auch deshalb, weil es bis heute, aufgrund eines Aufführungsverbots durch Bert Brecht nach 1945, und später durch die Brecht-Erben nur ganz wenigen Menschen bekannt ist. Brecht befürchtete zu Recht, dass dieses Werk im gerade beginnenden "Kalten Krieg“ missverstanden und als Beweis für Grausamkeit der kommunistischen Sache eingesetzt wird. Ruth Fischer hatte gerade in ihrem Buch „Stalin and the German communism“ Brecht als Minnesänger des Kommunismus verunglimpft, und gleichzeitig darin mit Ihren Brüdern Gerhart und Hanns - in völligem Mißverständnis des Stückes - abgerechnet. Dieses Buch trug wesentlich zu den Aufführungsverboten von Brecht/Eisler in den 50er und 60er-Jahren bei.
Die letzte Aufführung in Deutschland gab es am 23. Jänner 1932 im Reichshallen-Theater in Erfurt. Im Stück selbst gibt ein chinesischer Arbeiterführer die Weisung, die Fabrik zu stürmen. Das nahm die anwesende Polizei zum Anlass, die Aufführung wegen „Aufreizung gegen den Staat“ zu unterbrechen. Bei der gewaltsamen Räumung des Saales kam es zu Tumulten und einigen Verhaftungen. Damit endete die Aufführungsgeschichte der Maßnahme in Deutschland.
Die erste Wiederaufführung gab es 1987 in London, die erste deutsche Wiederaufführung 1997 im Berliner Ensemble. Anfang 2002 kam es in Wien zu zwei Aufführungen im Jugendstiltheater am Steinhof, welches aber, trotz einer wirklich guten Leistung und Inszenierung, wegen seinen heutigen Nichtbekanntheit weitgehend unbeachtet blieb. Es existieren auch keine Plattenaufnahmen. Der Text selbst erschien allerdings 1955 bei Suhrkamp. Das Aufführungsverbot betraf vor allem die Musik Eislers, da der Text selbst in den Brecht-Ausgaben ständig verfügbar war.
Merkmale geistlicher Musik
Text und Musik der Maßnahme weisen Merkmale geistlicher Musik auf. Die Verwendung von Eingangschor, Arien, Rezitativen, kanonischen und homophonen Chorsätzen sowie kirchentonartlichen Wendungen sind im Vergleich zu den anderen Lehrstücken Brechts einmalig. Mehrere deutliche Zitatbezüge auf bedeutende Werke geistlicher Musik verdeutlichen die Parallelen: Während sich der Brechtsche Eingangstext an Johann Sebastian Bachs Johannes-Passion orientiert, kopiert Eisler in seiner Eingangsmusik die der Matthäus-Passion. Der Chor Ändere die Welt, sie braucht es bezieht sich auf den Schlusschor des ersten Teils von Georg Friedrich Händels Israel in Ägypten.
Der politische und künstlerische Alltag
In diesen Jahren war der Brecht-Kreis sehr aktiv. Eisler lernte bereits 1929 Hedi Gutmann kennen, eine engagierte junge Kommunistin. Eisler:„Es war keine Kneipe zu klein, wo Ernst Busch, Helene Weigel, Brecht und ich nicht auftraten, und es gab keinen Saal zu groß und kein Theater zu vornehm, wo wir nicht ebenfalls auftraten.“. Immer wieder gab es, wie Brecht es ausdrückte, rasch etwas zu machen. So unter anderem die Rote Revue: Wir sind ja soo zufrieden… der jungen Volksbühne, als Gemeinschaftsarbeit von Brecht, Ernst Ottwalt, Erich Weinert, Eisler und Friedrich Hollaender. Aus dieser Revue kam das Bankenlied, Das Lied vom SA-Mann, Die Ballade zu § 218 und Das Lied des SA-Proleten.
Im Jahr 1931 bekam Eisler auch die ersten beiden Aufträge für Tonfilmmusiken (Das Lied vom Leben und Niemandsland). In der zweiten Hälfte des Jahres 1931 begann Eisler dann die Arbeit an zwei anderen Projekten mit Brecht, dem Bühnenstück Die Mutter und dem Film Kuhle Wampe.
Mit der Dramatisierung von Die Mutter (Gorki), Maxim Gorkis Roman über die vorrevolutionäre Maidemonstration in Nischni Nowgorod im Jahr 1902, zielten Brecht und Eisler direkt auf die Situation der Arbeiterbewegung in Deutschland. Eisler schrieb dafür neun Musiknummern. Die bekannteste daraus, Lob der dritten Sache, beschreibt den Kommunismus als Ausweg aus der bestehenden politischen Stagnation und der von den beiden starken Kräften, dem bürgerlichen Lager und der reformorientierten Sozialdemokratie, nicht lösbaren wirtschaftlichen Dramatik, Hunger, Arbeitslosigkeit und Erstarkung einer vierten Kraft, des Nationalsozialismus.
Die Uraufführung fand am 17. Januar in Berlin im Theater am Schiffbauerdamm mit Helene Weigel, Ernst Busch und Theo Lingen als Polizeikommissar statt. Dem Premierenabend folgten 30 weitere ausverkaufte Aufführungen, damit wurde die Mutter neben Die Mausefalle von Gustav von Wangenheim das erfolgreichste Stück des proletarischen Theaters vor 1933. Die letzte Aufführung fand mit ständigen Unterbrechungen durch die Polizei statt, trotzdem spielte das Ensemble um Helene Weigel und Ernst Busch das Stück ohne Requisite und Kostüme bis zum Ende durch.
Das zentrale Thema des Films Kuhle Wampe oder wem gehört die Welt ist Solidarität. Das bekannteste von Eislers Kampfliedern, das Solidaritätslied, erklingt im dritten Teil des Films. Brecht schrieb dazu den Text: Vorwärts, und nicht vergessen…. Hauptdarsteller in diesem Film war Ernst Busch. Der Film wurde zu einem Massenerfolg in deutschen Kinos. Der Kinostart selbst wurde aber durch die deutsche Zensur behindert, deshalb fand die Uraufführung in Moskau statt.
Eisler in Moskau
Eisler war in dieser Zeit in Moskau, um mit dem Moskauer Staatsverlag für Musik über den Abdruck seiner Lieder zu verhandeln. Berichtet wurde von Änderungswünschen, welche Eisler strikt ablehnte und womit er sich, als der Druck 1934 erschien, auch durchsetzte. Eisler bekam auch den Auftrag, die Musik zu Pesn o gerojach (Heldenlied) zu schreiben. Er war offensichtlich zu diesem Zeitpunkt in der UDSSR kein Unbekannter mehr. Das Buch für diesen Film stammte von Sergej Tretjakow, den Stalin 1939 hinrichten liess. Eislers Freundin, Hedi Gutmann, bekam eine Stelle in Moskau beim Rundfunk. Sie wurde im Zuge der stalinschen Säuberungen 1938 zu 18 Jahren Straflager verurteilt und kam erst 1957 wieder nach Berlin zurück.
Ende 1932 war Eisler wieder in Berlin und schuf gemeinsam mit Brecht und Weigel die Vier Wiegenlieder für Arbeitermütter. Das eindrucksvolle Lied: O Fallada, da du hangest (Ein Pferd klagt an) prangert die soziale und seelische Verkrüppelung des Menschen infolge der immer schlimmer werdenden wirtschaftlichen Not an.
Nur Wochen vor der Machtergreifung Hitlers entstand das Lied Der Marsch ins Dritte Reich mit den Zeilen „…Es ist ein langer Weg zum Dritten Reiche, man sollt nicht glauben, wie lange sich das zieht“. Der Text zeigt die Fehleinschätzung der tatsächlichen Umstände in dramatischer Weise auf.
Exiljahre in Europa (1933–1937)
Das Wesentlichste der darauffolgenden Exiljahre lässt sich wohl am besten mit den Zeilen aus dem Gedicht von Brecht An die Nachgeborenen II beschreiben:
„Gingen wir doch öfter als die Schuhe
die Länder wechselnd.
Durch die Kriege der Klassen, verzweifelt
wenn da nur Unrecht war
und keine Empörung“
Aus den Kampfliedern wurden Nazilieder und umgekehrt
In der Zwischenzeit hatten die Nazis erkannt, welch große Agitationskraft die Kampflieder der Linken hatten, der Musikbolschewisten, wie sie nun von den gesäuberten Arbeiterchorgruppen genannt wurden. Die meisten Arbeiter gaben aber den Chorgesang auf. Arbeiterliedgut wurde übernommen. Alfred Roth hat Dutzende dieser Adaptionen im Liedgut von NSDAP, SA, SS und HJ nachgewiesen[3]. Es erfolgte meistens eine Neuadaptierung, in die Musik wurde nicht eingegriffen. Diese Lieder waren so bekannt, dass vielfach auf den Notenabdruck verzichtet wurde, mit dem neuen Text wurde einfach auf die entsprechende Melodie hingewiesen.
Aus der Internationale wurde die Hitlernationale, zur Melodie von Brüder, zur Freiheit zur Sonne wurde der Text zu Brüder, formiert die Kolonnen gesungen, aus dem Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg gewidmeten Lied Auf, auf zum Kampf wurde Dem Adolf Hitler haben wir´s geschworen. Aus Roter Wedding wurde H.J. marschiert im Hitler-Jugend-Liederbuch Unsere Fahne flattert uns voran..
Eisler selbst äußerte sich dazu 1935 aus Paris, Verbot und Beschlagnahmung von Eisler-Noten und Schallplatten waren der nächste Schritt. In der Ausstellung Entartete Kunst 1938 in Düsseldorf war auch Eisler vertreten, mit einem als abschreckendes Beispiel angeprangerten Abdruck des Solidaritätsliedes.
Brecht emigrierte einen Tag nach dem Reichstagsbrand, Kurt Weill einen Monat später, Ernst Busch ging am 9. März nach Holland.

Der Kälbermarsch zeigt die eigentliche Position der Soldaten im Zweiten Weltkrieg, die freiwillig in die Schlacht zogen. Dieses politische Lied, Teil von Schweyk im Zweiten Weltkrieg aus dem Jahre 1943, war Brechts Text als bittere Parodie auf das Horst-Wessel-Lied, das zu der damaligen Zeit den Rang einer zweiten Nationalhymne hatte und dessen Melodie Eisler für diese Adaption nutzte.
Wien
Mitte Jänner 1933 fuhr Eisler nach Wien, um mit Anton Webern eine Aufführung von Die Maßnahme und Die Mutter vorzubereiten. Dort erreichte ihn die Nachricht von der Machtergreifung Hitlers. Er fuhr im Februar noch einmal nach Berlin zurück, offensichtlich um seine Wohnung aufzulösen und das dort befindliche Material nach Wien zu überführen.
Da er sich aufgrund der langen Trennung und wegen seiner Beziehung zu Hedi Gutmann mit seiner Frau auseinandergelebt hatte, suchte er sich eine eigene Unterkunft. Zwei Jahre später wurde die Ehe geschieden. Aus ihr ging 1928 ein Sohn hervor, der Künstler Georg Eisler.
Das Konzert selbst fand zu einem Zeitpunkt höchster politischer Spannungen statt. Der österreichische Bundeskanzler Engelbert Dollfuß bereitete gerade die Ausschaltung des Parlaments vor, ein halbes Jahr später wurden alle politischen Parteien verboten (Austrofaschismus). Im Anschluss an das Konzert, bei dem auch Brecht und Helene Weigel anwesend waren, kam es zu einem spontanen Demonstrationszug, bei dem Kampflieder gesungen wurden. Der anschließende Zusammenstoß mit der Polizei war wohl unvermeidlich.
Unmittelbar danach reiste Eisler in die Tschechoslowakei, wo ein neuer Filmauftrag auf ihn wartete. Es war ein Film über das Leben in der Karpato-Ukraine. Bei einem Besuch in der Hohen Tatra lernte Eisler eine junge Frau kennen: Louise (Lou) Jolesch geb. Gosztony, die Gattin eines Industriellen aus Iglau. Sie war wohl die einzige Kommunistin in ihrem Wohnort Wiese, da es dort nur eine Stimme für die Kommunisten gab. Ende 1933 besuchte sie Hanns Eisler in Paris. Von 1934 an begleitete sie Eisler ständig, 1937 heirateten sie in Prag.
Die Länder wechselnd
Eisler erreichte Ende März 1933 Paris. Er hatte viel zu tun (Filmmusiken, Einladung nach Antwerpen von Ernst Busch). Eisler setzte in dieser Zeit bei verschiedenen Projekten immer wieder eigene Musiken von früher ein, so auch im holländischen Film Nieuwe Gronden, der die Geschichte des Deichbaus der Zuiderzee beschrieb. So wie viele andere auch war Eisler gezwungen, schon allein des Broterwerbs wegen, auch Musik für Projekte zu komponieren die ihn selbst nicht wirklich zufrieden stellten. So schrieb er im April 1934 über die Arbeit an dem Film Le grand jeu an Brecht:"Er ist ein riesiger Erfolg geworden obwohl es ein Scheißdreck ist, und sogar ich habe endlich hier auch eine glänzende Presse."
Brecht lebte zu dieser Zeit in Dänemark und schickte Eisler immer wieder Texte zum Bearbeiten. Mitte Jänner reiste Eisler zusammen mit Lou zum ersten Mal von Paris nach Skovsbostrand zu Brecht. Dort trafen sie am 12. Februar ein. Die Stimmung war gedrückt, gerade wurde im Radio über das Aufflammen der Februarkämpfe in Österreich berichtet. Damit war auch für Brecht und Eisler keine Aufführung in Österreich mehr möglich. Am 11. Februar, einen Tag vor Ausbruch der Kämpfe, fand in Wien das letzte Arbeiter-Sinfonie-Konzert nach 29 Jahren statt, es schloss mit Eislers Orchestersuite Nr. 3, Kuhle Wampe.
In den folgenden zwei Monaten, noch bevor Eisler wieder für drei Monate nach Paris zurück musste, arbeiteten Brecht und Eisler intensiv an der Umarbeitung des Stücks: Die Spitzköpfe und die Rundköpfe oder Reich und reich gesellt sich gern.
Eisler traf dann wieder im Juli in Dänemark ein, gemeinsam arbeiteten sie weiter. Es entstanden u. a. die Ballade vom Wasserrad, Das Lied von der belebenden Wirkung des Geldes und Das Lied von der Tünche. Vor allem die ersten beiden waren sicher die besten gemeinsamen Arbeiten. Die Aufführung des Werks gestaltete sich allerdings sehr schwierig, die Uraufführung fand erst 1936 in Dänemark in dänischer Sprache statt. Erst in den sechziger Jahren hörte man dieses Werk zum ersten Mal in Deutschland. Die Lieder und Balladen gehörten damals aber bereits zum festen Repertoire der meisten Brechtinterpretinnen.
Von Ende August an lebte Eisler mit Lou in London, wo er zusammen mit Ernst Busch die Kalifornische Ballade aufnahm; für die Produktion fuhren sie im Jänner 1935 kurz nach Holland. Grund dieses Aufenthalts war auch der Auftrag für einen Historienfilm mit Fritz Kortner in der Hauptrolle.
Die KPD und die Komintern arbeiteten, zurückblickend auf die Fehler vor 1933, verstärkt auf eine antifaschistische Einheitsfront von Kommunisten und Sozialdemokraten hin und baten Brecht um einen Liedtext sowie Eisler um die Musik. Ende 1934 hatten Brecht und Eisler das Einheitsfrontlied in ein paar Tagen geschrieben, es wurde schnell bekannt und ist es auch bis heute.
Im Frühjahr 1935 unternahm Eisler eine Konzert- und Vortragstournee durch die USA zugunsten der notleidenden Kinder der Saarflüchtlinge. Viele Kommunisten und Sozialdemokraten mussten 1935 nach der Abstimmung im Saarland das Land verlassen. Im Zuge dieser Veranstaltungen kam es zur Gründung einiger Hilfskomitees in den USA. Diesen gehörten verschiedene Intellektuelle und Künstler wie Hemingway, Chaplin, Aaron Copland, Charles Seeger und andere an.
Das Eröffnungskonzert in New York mit einem Chor mit 1000 Sängern musste wegen der großen Nachfrage zehn Tage später wiederholt werden. Insgesamt dirigierte Eisler in den USA über 30 Konzerte mit unterschiedlichen Sängern. Bei diesen Konzerten referierte Eisler auch über den deutschen Faschismus, die Krise der modernen bürgerlichen Musik und die neuen Aufgaben der Arbeitermusikbewegung. Danach folgte immer der musikalische Teil. Die Texte wurden ins Englische übersetzt. Auf dieser Tournee gab es etwa 60.000 Zuhörer, dazu kamen noch die ca. 8.000 beteiligten Sänger. Eisler lernte bei dieser Reise auch den Direktor der New York New School for Social Research kennen; dieser lud ihn als Gastdozent für Komposition und für eine Vorlesungsreihe im Wintersemester 1935/36 ein. Gespräche über die Aufführung von Die Mutter und Die Maßnahme führte er mit Lee Strasberg vom Group Theatre. Während dieser Zeit schmiedete er einen Plan für eine umfangreiche Konzentrationslagersinfonie, die später als Deutsche Sinfonie verwirklicht wurde. Eisler und Lou fuhren im Mai 1935 wieder zurück nach Paris.
Lion Feuchtwanger: Exil
Lion Feuchtwanger begann in Frankreich im Exil seinen Roman Exil, in dem der nach Paris emigrierte Komponist Sepp Trautmann die zentrale Figur ist. Dieser hatte einige Zeit seine kompositorische Arbeit niedergelegt und war mit politisch-publizistischer Arbeit im antifaschistischem Kampf tätig gewesen. Es ist anzunehmen, dass Feuchtwanger Eisler als Vorbild für diese Figur nahm, so erhielt Trautmanns Sohn im Roman den Vornamen Hanns.
Eisler selbst hielt es jedoch nicht lange in Paris, er reiste kurz nach London und dann im Juni 1935 zur 1. Arbeiter- und Gesangsolympiade, an der 70 Chöre und über 3000 Mitwirkende teilnahmen, nach Strasbourg. Bei der Eröffnung erklang zum ersten Mal in Europa das Einheitsfrontlied, vorgetragen von Ernst Busch. Wie so oft endete auch dieses Fest mit einem Festumzug und einem Handgemenge mit der Polizei, Eisler wurde kurzfristig inhaftiert. Eine Woche später fand das Nordböhmische Arbeitermusikfest in Liberec (Reichenberg) mit 15.000 Teilnehmern statt, an dem Eisler ebenfalls teilnahm.
So großartig dies auch klingen mag, so darf nicht unerwähnt bleiben, dass diese Arbeitermusikfeste zu einem großen Teil nicht von Arbeiterliedern und Kampfmusik geprägt waren. Darüber äußerte sich Eisler später gegenüber Brecht in großer Sorge. Von Reichenberg aus reiste Eisler nach Moskau zum VII. Weltkongress der Komintern.
Eisler bei den Interbrigaden
Nach einigen Vorträgen und Radioauftritten in Belgien, Frankreich und den Niederlanden Ende 1937 traf Eisler am 10. Jänner 1938 im belagerten Madrid ein[4]. Aufgrund seiner großen internationalen Bekanntheit wurde er dort herzlich begrüßt, man versprach sich von ihm und dem gleichzeitig anwesenden Ernst Busch große Unterstützung der bedrängten republikanischen Truppen und der Interbrigaden. Nach wenigen Tagen fuhr Eisler nach Murcia zur XI. Brigade, die auch das vornehmlich aus Österreichern und deutschen Brigadisten bestehende Thälmann-Bataillon enthielt.
Die Musikalität und Gesangsfähigkeit der Brigadisten war so groß, dass Eisler in der Lage war, in kürzester Zeit einige neue Lieder zu komponieren und diese in angemieteten Sälen aufzuführen. Ein Teil der Sänger waren Verwundete und standen oder saßen mit ihren Verbänden auf der Bühne. „[..] Schön wurde nicht gesungen, die Stimmen waren heiser durch die große Kälten in den Stellungen. Aber es wurde begeistert gesungen. So müssen die Bauern in den Bauernkriegen ihre Bundschuhlieder , so die Taboriten gesungen haben, so muss die Marseillaise das erste Mal geklungen haben“[5].
Zwei Wochen später verließ Eisler Spanien, ohne den ebenfalls dort anwesenden Ernst Busch getroffen zu haben, um sich in Svendborg in Dänemark bei Brecht der bereits begonnenen Deutschen Symphonie weiter zu widmen, dies für insgesamt acht Monate, eine lange Zeit an einem einzigen Ort, gemessen an Eislers sonstigem Reisepensum.
Eisler in den USA (1938–1948)
Bereits zum dritten Mal betraten Eisler und seine Frau Lou am 20. Jänner 1938 amerikanischen Boden. Sie hatten nur ein für sechs Monate befristetes, nicht verlängerbares Besuchervisum, ausgestellt von der amerikanischen Botschaft in Prag. An sich hätten die Eislers aufgrund der Einladung als Visiting Professor ein Non-quota Visum beanspruchen können. Dies hätte ihnen viele bürokratische Hürden erspart, denen sie in den folgenden Jahren ausgesetzt waren.
Situation der Musikwissenschaft in den USA
Bis 1933 gab es in den USA keine der europäischen vergleichbare Musikwissenschaft. Mit den Einwanderungswellen der 30er-Jahre hatte sich die Situation dramatisch geändert[6]. In der Zeit von 1933 bis 1944 wanderten insgesamt 275 Musikwissenschaftler und -pädagogen, 69 Komponisten, 107 Dirigenten, 215 Sänger sowie 330 Instrumentalisten in die USA ein. Dies hatte einen großen Einfluss auf das kulturelle Geschehen.
Lehrjahre als Immigrant
Obwohl Eisler bereits Tage nach seiner Ankunft seine Lehrtätigkeit an der New School for Social Research antreten konnte, war er aufgrund des niedrigen Salärs und der Tatsache, dass er keine größeren Mittel aus Europa mitbringen konnte, auf Hilfe durch Freunde und Hilfsorganisationen angewiesen. Dieses Schicksal teilte er mit vielen Emigranten, viele von ihnen begingen in der Immigration Selbstmord, wie z. B. 1939 Ernst Toller. Dieser verschaffte Eisler noch ein Arbeitsstipendium der American Guild for Cultural Freedom, das seine dringlichsten Ausgaben decken konnte, so auch die Miete für ein kleines Appartement in der 57 West 11 Street in Greenwich Village, das sie bis 1939 bewohnten. In dieser Zeit nutzte Eisler jede Gelegenheit, um Englisch zu lernen, auch wenn ihm dies nur sehr unzulänglich gelang. Sie selbst waren sehr gastfreundlich und luden immer wieder Freunde ein, alte, aus Europa, aber auch neue. Immer wieder setzte sich Eisler ans Klavier und spielte.
Ende Februar 1938 organisierten Freunde von der American Music League ein „Welcome Concert for Hanns Eisler“ an der New School for Social Research. Ebenso gab es bereits in den nächsten Monaten verschiedene Konzerte, die sogar von der New York Times zur Kenntnis genommen wurden. Seine Kontakte zur amerikanischen Arbeitermusikbewegung aus den Jahren 1935 setzte Eisler fort. Allerdings musste Eisler sehr vorsichtig sein, da jeglicher Kontakt von Immigranten zur Kommunistischen Partei Amerikas streng untersagt und mit Ausweisung bedroht war.
Aus diesem Grund legte sich Eisler das Pseudonym John Garden zu, als er im Herbst 1938 zur Mitarbeit an einem künstlerischen Programm für eine geplante Lenin-Gedächtnisfeier zum 20. Jahrestag der Oktoberrevolution eingeladen wurde. Mit Hoffmann R. Hays entstand das Stück A Song about America, das im November 1938 im Madison Square Garden seine bejubelte Uraufführung hatte. Mit seinem Lied Sweet Liberty Land gelang Eisler das Gegenstück zum Einheitsfrontlied, es wurde zur Nationalhymne der kommunistischen Partei Amerikas (H. R. Hays). Diese Euphorie der amerikanischen Arbeiterbewegung bekam aber 1939 einen empfindlichen Rückschlag.
Ende 1938 schrieb Eisler streng zwölftonig die Filmmusik für Joris Ivens und Joseph Loseys Film The 400 Million, der den chinesisch-japanischen Krieg von 1937 zum Thema hatte. Es war das erste Mal, dass Eisler diese Technik für einen Film anwandte. Premiere war im März 1939 in New York. Wie später auch, verwendete Eisler Teile der Filmmusik, um diese in allgemein aufführbare Kammermusikstücke weiterzuentwickeln. So entstanden daraus unter anderem die häufig aufgeführten Fünf Orchesterstücke.
Im Sommer traf man sich dazu auf dem Anwesen des Kunst- und Musikhistorikers Joachim Schumacher in Valley Cottage unweit von New York City[7]. Dort traf Eisler wieder auf Ernst Bloch, seine Frau Karola und deren einjährigen Sohn. Dies inspirierte Eisler zu seiner Kantate zu Herrn Meyers erstem Geburtstag.
Auch über die Mitwirkung von Eisler in einem politischen Kabarett im Theatre Arts Committee wurde berichtet, wovon allerdings nichts weiter bekannt ist, auch keine Kompositionen. Joseph Losey erhielt anlässlich der bevorstehenden New Yorker Weltausstellung von der amerikanischen Ölindustrie den Auftrag, einen Puppentrickfilm zu schaffen. Der Name war Pete Roleum and his Cousins. Eisler machte dazu die Musik und zwar so erfolgreich, dass sein Ruf gefestigt und er noch weiter bekannt wurde. Zur gleichen Zeit schrieb Kurt Weill die Musik für eine Attraktion der amerikanischen Eisenbahngesellschaften auf dieser Weltausstellung, Weill bezeichnete diese Musik als Zirkusoper.
Beide Musiker hätten es sich nicht träumen lassen, einmal im Auftrag des amerikanischen Großkapitals bzw -monopols zu arbeiten, aber die Umstände des Exils zwangen sie dazu, und es waren für damalige Verhältnisse üppige Honorare. Eisler konnte allerdings der Uraufführung nicht beiwohnen, da er sich bereits in Mexiko Stadt aufhielt. Da das Besuchervisum auslief, versuchte er, über einen Anwalt bei der US-Botschaft in Havanna ein Non-Quota-Visum zu bekommen, dessen Bearbeitung aber blockiert wurde, dies deshalb, da Eisler bereits als Kommunist vorgemerkt, auf die Hilfe und Fürbitte einflussnehmender Freunde angewiesen war und sein Besuchervisum bereits einmal im Juni 1938 mit Mühe verlängert worden war. Das Hin- und Her um das Immigrant Visa ging sogar soweit, dass die damalige Präsidentengattin Eleanor Roosevelt beim Außenminister intervenierte (Memorandum for Hon. Sumner Welles:"Dear Sumner - This Eisler case seems a hard nut to crack. What do you suggest? Sincerely E.R.). Die Situation für die Eislers war präkär, Havanna antwortete nicht und verzögerte die Bearbeitung und die Besuchervisa liefen endgültig am 21. Jänner 1939 ab. Die Ausweisung aus den USA wurde ihnen am 2. März offiziell verkündet. Mexiko, das zu dieser Zeit von dem progressiven Präsidenten Lázaro Cardenas regiert wurde und eine offen antifaschistische Außenpolitik betrieb, bot Eisler ein zwischenzeitliches Asyl und eine zeitweilige mexikanische Aufenthaltserlaubnis an, dies auch erst nach direkter Intervention durch Freunde Eislers beim Präsidenten selbst.
Eisler gab im Mai 1939 ein Konzert im Bellas Artes Theater in Mexiko Stadt und wohnte im gerade freigewordenen Haus der türkischen Gesandtschaft. Dort verfasste er einige Kammermusiken und begann wieder einige Gedichte von Brecht zu vertonen, darunter die Elegie und den Spruch.
Im August erreichte Eisler die Nachricht vom Hitler-Stalin-Pakt, Anfang September kam es zum Einmarsch Deutschlands in Polen. Die Erteilung eines Immigrantenvisums für die USA wurde weiterhin verschleppt. Mit einem auf zwei Monate begrenzten Besuchervisums fuhren Eisler dann im September nach New York zurück. Ungeachtet der Aufenthaltsbefristung blieb Eisler auch darüber hinaus in den USA. Am 17. Juli 1940 erließ die amerikanische Einwanderungsbehörde offiziell Haftbefehl gegen Eisler, dieser hielt sich damals für ein Filmprojekt in Hollywood auf und entkam diesem, indem er sofort mit seiner mexikanischen Aufenthaltserlaubnis nach Mexiko zurückfuhr. Direkt hinter der Grenze, in Mexicali trug Eisler sein Ansuchen um einen Daueraufenthalt dem dortigen US-Konsul Willis Meyer vor, der die Umstände und den Akt in Mexiko nicht kannte. Dieser stellte Eisler dann - mit Sicherheit in Unkenntnis der Situation und ohne anderen Ortes nachzufragen - nach drei Tagen ein Non-Quota-Visum aus, wofür dieser Jahre später vom Komitee für unamerikanische Aktivitäten als schlafender Konsularbeamter beschimpft wurde. Trotzdem gestaltete sich die Rückkehr in die USA schwierig, da die Eislers trotz des nun gültigen Non-Quota-Visums nicht einreisen durften. Erst nach einer Beschwerde an den Berufungsausschuss der Obersten Einwanderungsbehörde am 22. Oktober 1940 und nach einem weiteren Monat unfreiwilligem Aufenthalt in der Grenzstadt durften Lou und Hanns Eisler endlich einreisen und kehrten sofort nach New York zurück.
Ein neuer Anfang
Obwohl Eisler einen gewissen Bekanntheitsgrad als Komponist ungewöhnlicher Filmmusiken hatte, war es für ihn sehr schwierig, ausreichend Geld zu verdienen. Seine Lehrtätigkeit an der New School deckte höchstens die Miete für sein Appartement, einige Gelegenheiten, Bühnenmusiken zu schreiben linderte die Not gerade etwas (Night Music von Clifford Odets und Medicine Show von Hoffmann Hays, beide uraufgeführt in New York 1940). Eisler hatte damals die Idee, das Thema Filmmusik als Buch zu veröffentlichen. Zur Finanzierung dieses Projekts, welches im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit angelegt war, wurde die Rockefeller-Stiftung herangezogen, die tatsächlich der New School of Sozial Research diesen Auftrag unter der Leitung von (Dr.) Hanns Eisler erteilte. Dotiert war dieses wissenschaftliche Stipendium für: „experimentelle Demonstrationen der Musik in der Filmproduktion“ (so das offizielle Schreiben der Rockefeller-Stiftung) für einen Zeitraum von zwei Jahren mit 20.160 Dollar und sah in der Konzeption unter anderem auch die Einrichtung eines Tonfilmarchivs vor. Eisler selbst fand mit jährlich 3.000 Dollar eine gute Lebensgrundlage und war vorerst seiner finanziellen Probleme entledigt. Während der Stipendiumszeit entstanden Bearbeitungen zu verschiedenen Filmen, so unter anderem die Bearbeitung von amerikanischen Kinderliedern für einen Film von Joseph Losey über Kindergärten sowie Sequenzen zu John Fords Grapes of Wrath. Für einen Naturfilm White Flood komponierte Eisler die zwölftönige, fünfsätzige Kammersinfonie und bezeichnete diese als: „fortgeschrittenstes musikalisches Material (strenge Zwölftontechnik), angewandt auf die große musikalische Form“[8][..]. Dieses Werk widmete Eisler Theodor W. Adorno.
Die Widmung zeigte, dass Eisler schon damals, am Anfang des Projekts mit Adorno in Verbindung stand, und nicht erst anlässlich der Arbeit am gemeinsamen Buch über dieses Projekt, wie mehrfach verlautet wurde. Tatsächlich kannten sich Eisler und Adorno bereits seit dem Jahre 1925.[9]
Unterbrochen wurden diese Arbeiten, als Eisler vom Regisseur Herbert Kline zu einem Filmprojekt nach Mexiko gerufen wurde. Der Dokumentarfilm The Forgotten Village nach einer Erzählung von John Steinbeck beschrieb die furchtbaren Zustände in einem indianischen Bergdorf in Mexiko. Eisler übernahm die Filmkomposition unter sehr schwierigen Bedingungen, da der dafür vorgesehene mexikanische Komponist verstorben war. Dazu sah er es für notwendig an, sich mit der dortigen Kultur und Musik und all ihren Einflüssen auseinanderzusetzen. Die Komposition stellte er in New York fertig, Teile davon verwendete er für sein Nonett Nr. 2, das Originalmaterial gilt jedoch als nicht rekonstruierbar und als verloren gegangen. Den Sommer 1941 verbrachten die Eislers in Woodbury, Connecticut als Gast von Joachim Schumacher; das dort entstandene, als Woodbury-Liederbüchlein bekannte Werk, betrachtete Eisler als Dank für die Gastfreundschaft, nicht ohne Bangen, denn Hitler hatte im Juni 1941 die Sowjetunion überfallen.
Wieder in New York zurück, setzte Eisler seine Arbeit am Filmusikprojekt fort. Der Dokumentarfilm Regen aus dem Jahre 1929 von Joris Ivens, eine filmische Studie über die unterschiedlchen Effekte, die Regen erzeugen kann, führte zu dem bedeutendsten, streng in Zwölftontechnik geschriebenen Werk Eislers in dieser musikalischen Sparte Vierzehn Arten Regen zu beschreiben. Eisler erklärte später, dass es auch Vierzehn Arten, traurig zu sein bedeuten kann. Eisler sah dieses Werk als Hommage an seinen Lehrer Arnold Schönberg, der seit 1934 in Kalifornien unterrichtete und dem er es 1944 zu dessen 70. Geburtstag übereignete.
Mit dieser Arbeit war Anfang 1942 auch der praktische Teil des Projekts fertiggestellt. Um den theoretischen Teil, das Buch, fertigzustellen, bat Eisler um eine Verlängerung des Stipendiums, das ihm von der Rockefeller Foundation auch für weitere neun Monate bewilligt wurde.
Hollywood
Die Arbeitsbedingungen waren für Eisler in New York zum Teil sehr schwierig, für die musikalischen Experimente mussten Studios stundenweise angemietet werde, und das Ende des Stipendiums und damit sein finanzielles Auskommen waren in absehbarer Zeit wieder unklar. Die Möglichkeit, eine besser bezahlte Lehrtätigkeit an der University of California anzunehmen aber auch bessere Arbeitsbedingungen vorzufinden, stand im Raum.
Ausschlaggebend war aber die Ankunft von Bert Brecht in Los Angeles, den Eisler seit nunmehr vier Jahren nicht mehr gesehen hatte, und mit dem er in ständigem brieflichen Kontakt stand. Eisler selbst verschaffte Brecht das Non-Quota-Visum für die USA, aufgrund einer Einladung als Lecturer auf der New School of Research. Brecht war nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Dänemark nach Schweden und danach Finnland geflüchtet und weiter über Moskau mit der Transsibirischen Eisenbahn nach Wladiwostok gefahren. Danach ging es per Schiff über Manila nach Los Angeles, wo er am 21. Juli 1941 eintraf und ein kleines Haus in Santa Monica bezog.
Eisler und Lou trafen am 20. April 1942 in Los Angeles ein. Sie bezogen ein einfaches Hotelzimmer und besuchten sofort die dort bereits wohnenden Freunde. Theodor Adorno, Fritz Kortner, Brecht und Schönberg. Gemeinsam mit Brecht, von dem Eisler nur ein paar Minuten mit dem Auto entfernt wohnte, entstanden einige der bleibenden Kompositionen des 20. Jahrhunderts, die Deutsche Sinfonie und das Hollywooder Liederbuch als Dokument der Exilsituation 1942/43. Wesentlichster Teil der Arbeit von Eisler und Brecht war, jetzt, nachdem die USA in den Krieg getreten waren, auch die Überlegung der Funktion ihrer Musik in einem Europa nach Hitler.
Filmmusik in Hollywood
Zwischen 1942 und 1945 entstanden in Hollywood über 300 Filme, welche in höchst unterschiedlicher Weise und auch in unterschiedlicher Qualität dem Genre Anti-Nazifilm zugeordnet werden konnten. Es war Teil der Bemühung, die Bevölkerung für den Krieg zu mobilisieren. Das Attentat auf Reinhard Heydrich am 27. Mai 1942 inspirierte Brecht dazu, ein Drehbuch für einen Film zu machen, Fritz Lang, der schon seit 1936 in Hollywood als Regisseur sehr erfolgreich arbeitete, war begeistert und gemeinsam mit Eisler stellten sie innerhalb von nur zehn Monaten den Film: Also Hangman Die fertig. Dieser Film, mangels genauer Informationen über den tatsächlichen Hergang in einer kriminaltechnischen Form gedreht, blieb Brechts einzige Arbeit für die Filmstudios von Hollywood. Eisler verwendete in diesem Film das als No surrender anders genannte Kominternlied als Abspannmusik. Die nicht sehr umfangreiche Filmmusik wurde begeistert aufgenommen, die Partitur wurde in der Kategorie: Beste Filmmusik des Jahres 1943 für den Oscar nominiert.
Die Einnahmen aus dem Film erlaubten es Eisler und Lou, sich ein Haus in der Nähe von Arnold Schönberg, in Brentwood zu mieten, dort stellte Eisler dann den Abschlussbericht des Filmprojekts fertig und übersendete ihn an die Rockefeller Foundation. Darin hieß es, dass die Aufführung der Werke in der Hollywood Academy of Motion Pictures für den Jänner 1943 geplant sei. Daran erkennt man, dass Eislers Position in Hollywood gefestigt war. Im März 1943 kauften sie sich dann ein eigenes Haus in Pacific Palisades, in unmittelbarer Nachbarschaft von Thomas Mann, Theodor W. Adorno und Vicky Baum. Hier führte Eisler auch seine Arbeit am Hollywooder Liederbuch weiter, den vierten Liedkomplex der die humanistischen deutschen Traditionen von Hölderlin, Goethe, Schubert, Mörike, Eichendorff und Schumann zum Thema hat. Besonders ist die Vertonung des Hölderlin Gedichts: Gesang des Deutschen hervorzuheben, welches zusammen mit weiteren Texten zu den Hölderlin Fragmenten zusammengefasst wurde[10].
Am 28. Dezember 1943 schloss Eisler die Arbeit am Hollywooder Liederbuch mit dem Rimbaud-Gedicht ab. Trotz seiner musikalischen Bedeutung ist das Hollywooder Liederbuch als Gesamtes erst in den 1980er-Jahren in größerem Rahmen aufgeführt worden, so zum ersten Mal von Roswitha Trexler in Leipzig 1982 und von Dietrich Fischer-Dieskau 1988.
Die aktuellen Ereignisse in Europa fanden jedoch weiterhin ihren Niederschlag in Eislers Kompositionen, so entstand nach der Schlacht von Stalingrad Anfang 1943 das Lied Deutsches Miserere[11] und In Sturmesnacht nach Texten von Brecht.
Die Leichtigkeit von Hollywood
Für die Eislers war die Zeit in Pacific Palisades auch eine gute Gelegenheit, sich als gastfreundliches Künstlerpaar zu präsentieren. Ihr Haus am Amalfi-Drive, unweit des Hauses von Thomas Mann wurde zu einem beliebten Treffpunkt der Emigrantenkolonie, zu ihren Freunden zählten neben Theodor Adorno auch die Schauspieler Fritz Kortner, Peter Lorre, Oskar Homolka sowie auch Brecht, Helene Weigel, Lion Feuchtwanger und vor allem auch Charles Chaplin, mit dem Eisler – ihrer ähnlichen expressiven Natur entsprechend – eine intensive Freundschaft verband. Eisler brachte Chaplin mit Mann zusammen und hatte 1946 einen Anteil an der Filmmusik von Chaplins Monsieur Verdoux welches sich sehr schwierig gestalten sollte, wie Eisler schrieb, da Chaplin ja alles selbst komponierte. Dafür bekam Chaplin dann seinen einzigen Oscar, abgesehen derer für sein Lebenswerk. Die Filmmusik der Nachbearbeitung zu Chaplins Film The Circus war bereits vertraglich festgelegt, wegen der Vorladung zum „Unamerican Commitee“ kam es für Eisler jedoch nicht zustande.
Während dieser ganzen Zeit, nämlich seit 1943, wurde Eisler - wie der gesamte restliche Kreis - bereits vom FBI fast lückenlos überwacht, wie der über 600 Seiten lange Bericht beweist [12]. Telefone wurden überwacht, die Post geöffnet, Personen wurden beschattet und Einbrüche begangen.
Die Arbeitssituation von Eisler war – im Gegensatz zu vielen anderen Emigranten – durchaus zufriedenstellend. Er zeichnete für verschiedene Filmmusiken verantwortlich und wurde 1944 wieder für den Oskar für die beste Filmmusik nominiert, den aber auch diesmal wieder ein andere bekam, nämlich Max Steiner für die Musik zu Since You Went Away.
Mit der Unterstützung von Arnold Schönberg bekam Eisler ab 1944 eine Gastprofessur an der University of California (UCLA), Schönberg unterrichtete dort bereits seit 1936. Die Vorlesungen waren ein großer Erfolg, oftmals war auch Brecht anwesend. Vor allem aber Eislers Art, mit den Mängeln seiner Sprache umzugehen, fand viel Aufsehen. So war es seine Angewohnheit, Wörter, die er nicht im Englischen kannte, einfach in Deutsch, aber mit amerikanischer Aussprache zu verwenden. So präsentierte Eisler auch das fertiggestellte Filmmusikprojekt aus der New Yorker Zeit vor 1.500 Zuschauern. Gemeinsam mit Adorno verfasste Eisler zu dieser Zeit auch die Niederschrift des Buches Komposition für den Film, welches dann 1947 in Druck ging. Thema dieses Buches war die dramaturgische Funktion und die Verwendung verschiedener neuer musikalischer Materialien im Film, entstanden aus beider Kritik der „abgestandenen Erfahrungsregeln“ in bestehenden Produktionen.
Paul Dessau in Hollywood
Im Oktober 1943 war auch Paul Dessau in Hollywood eingetroffen, der schon aus vergangenen erfolgreichen Arbeiten mit Brecht für Eisler einen „Konkurrenten“ darstellte. Brecht empfand den Umgang Dessaus mit seinen Texten als sehr angenehm, da dieser niemals – im Gegensatz zu Eisler – sich in die Textierung einmischte und direkt die Vertonungen durchführte. Dessaus Hauptarbeit in dieser Zeit war über mehrere Jahre die Fertigstellung des „deutschen Miserere“.
Ungeliebte Brotarbeit
Eisler und Brecht arbeiteten intensiv an Die Gesichte der Simone Machard welches sie zu einer nie fertiggestellten Oper ausbauen wollten, sogar das Stück selbst wurde erst 1955 fertig. Um den nun so begonnenen amerikanischen Lebensstil aufrechtzuerhalten, musste sich Eisler in die – wie es Brecht einmal ausdrückte – Kloake begeben. Eisler nahm aus rein finanziellen Gründen den Auftrag für drei Filme an, die er seinem Sohn Georg, der in England lebte und mit dem er in regelmäßigen Briefkontakt stand, so beschrieb: „Jetzt habe ich gerade einen idiotischen Schinken fertiggemacht, er heßt Spanisch Main. Das ist reiner Unsinn, Schwachsinn etc. ich musste es des Geldes wegen machen. [13].
Genau in diese Zeit fiel auch die Kapitulation Nazideutschlands, die Eisler in große Euphorie versetzte. Da Brecht in Hollywood keine Aufführungsmöglichkeiten für seine Stücke vorfand, flogen er und Eisler nach New York, um dort das Stück Furcht und Elend des dritten Reiches unter der Regie von Erwin Piscator in einem kleinen Theater Off-Broadway vorzubereiten. Schon die Vorarbeit gestaltete sich problematisch, Piscator geriet in Streit mit Brecht, Berthold Viertel führte dann die Regiearbeit weiter, jedoch war der Zeitpunkt für ein Stück über das Dritte Reich schlecht gewählt und so fiel das Stück, bei dessen Uraufführung Eisler nicht mehr anwesend sein konnte, bei Publikum und Kritik durch.
Im Oktober 1945 übersiedelten die Eislers dann in ein kleineres, wesentlich bescheideneres Haus direkt am Strand von Malibu gelegen, einige Monate später, im Februar 1946, bekam Eisler dann eine ordentliche Professur an der University of Southern California (USC) im Fach Kontrapunkt und Komposition. Kurz davor begann Eisler ein, seit langem wieder ernsthaftes Filmprojekt: Deadline at Dawn (Entscheidung im Morgengrauen), Regie führte Harold Clurman vom New Yorker Group Theatre, den Eisler noch aus der Arbeit an der Maßnahme im Jahre 1936 kannte. Ebenso ein Projekt mit Jean Renoir an einem Film über die Resistance. Parallel stand Eisler immer noch in der Fertigstellung der Deutschen Sinfonie, die dann im Februar 1947 endgültig abgeschlossen wurde.
Der Feldzug gegen die „kommunistische Gefahr“
Der 13. Oktober 1946 war der Wendepunkt der amerikanischen Innenpolitik, der sich hauptsächlich als Feldzug gegen den Kommunismus darstellte. An diesem Tag verkündete Louis Budenz, ein im Jahre 1943 aus der Amerikanischen Kommunistischen Partei ausgetretener und dann zum Katholizismus konvertierter ehemaliger Redakteur des Daily Worker, in einer Radioansprache, dass der: „Hauptspion Moskaus in den USA, Agent der (schon 1943 aufgelösten) Komintern, Gerhart Eisler sei, und unter dem Decknamen Hans Berger eine Verschwörung gegen die amerikanische Regierung angezettelt hat“ [14]. Der scharfe antikommunistische Feldzug von Präsident Harry Truman brauchte seinen Sündenbock und glaubte, ihn in Gerhart Eisler gefunden zu haben. Der von Premierminister Winston Churchill in seiner berühmten Fultonrede markierte Beginn des Kalten Krieges begünstigte diesen Rechtsruck der amerikanischen Außenpolitik.
Der bereits im Jahre 1938 einberufene Untersuchungsausschuß des Repräsentantenhauses „House on Un-American Activities Committee“ (HUAC) wurde zu Ende des Jahres 1946 neu aktiviert und einen Tag nach der Budenz-„Enthüllung“ forderte der damalige FBI-Chef John Edgar Hoover eine entsprechende Reaktion. Eine Schlüsselrolle in dieser Affäire nahm Ruth Fischer, die Schwester von Hanns und Gerhart Eisler. Sie gab seit 1944 ein Nachrichtenbulletin, The Network Information Bulletin about Stalinist Organizations and Organizational Forms" heraus. Im Zuge ihrer Journalistischen Aktivitäten gab sie, über das ganze Land verstreut, ganzseitige Zeitungsanzeigen auf, wo sie ihren Bruder Gerhart als Terroristen beschimpfte und ihn unter anderem als verantwortlich für die Hinrichtung Bucharins sowie als Atomspion bezeichnete. Hintergrund ihrer unhaltbaren Anschuldigungen war der im Hintergrund immer noch aktive Kampf zwischen Stalin und Trotzki sowie seinen Anhängern. Übereinstimmende Dokumente belegen aber, dass bei Ruth Fischer allgemein und speziell in ihrem Verhältnis zu Hanns in hohem Maß von krankhafter Paranoia auszugehen ist. Ein Brief, der im Nachlass von Ruth Fischer war und im HUAC-Verhörprotokoll von Eisler in teilweiser Übersetzung abgedruckt ist[15], verdeutlicht dies. Ihr Verhältnis zu Gerhart war bereits seit 1926 aus der Berliner Zeit sehr gespannt, zu Hanns aber hatte sie ein gutes Verhältnis, über die ganzen Jahre hatte er sie finanziell unterstützt und sie war mehrfach Gast von den Eislers in Kalifornien.
So absurd die daraufhin erfolgten Anschuldigungen waren, so einschneidend waren aber die Umstände und Ereignisse, welche letztendlich zur erzwungenen Ausreise beider Brüder führte.
Ende Oktober 1946 gab es im Hollywood Reporter den ersten diffamierenden Artikel gegen Eisler, der die darauf folgende Pressekampagne gegen Hans Eisler eröffnete. Beklagt wurde darin vordergründig, dass Eisler im Gegensatz zu anderen, vor allem amerikanischen Musikern, ausreichend Arbeit hätte und diese dadurch amerikanischen Komponisten vorenthalten werde. Ein im Artikel nichtgenannter Komponist kam hier zu Wort. Zitat aus dem Artikel: "Wir sprachen gestern mit einem Komponisten über Eisler und bekamen zur Antwort: Er hat nicht viel von einem Komponisten, aber wegen seiner Anschauungen scheint er Jobs zu bekommen, während andere, von uns, die größere Fähigkeiten besitzen, keine Anstellungen finden[16].
Argumente, welche vielfach Immigranten von einer sich fomierenden Neidgenossenschaft in Hollywood geäußert wurden, ohne Berücksichtigung der Aufbauarbeit, die gerade im künstlerischen Bereich für die amerikanische kulturelle Entwicklung dieser Zeit von Immigranten geleistet wurde. So gesehen, unterschieden sich die Argumente wenig von jenen, denen sich dieselben Personen nur zehn bis fünfzehn Jahre zuvor in Deutschland oder Österreich ausgesetzt waren. Auch waren immer wieder mehr oder weniger offene antisemitische Ressentiments in dieser Zeit auch in Amerika zu hören. So kam es bei Wilhelm Reich nach seiner Verurteilung zu Verbrennungen all seiner verfügbaren Werke, wobei diese per Gerichtsurteil aus allen Bibliotheken verbannt werden mussten.
Ab April 1947 bereitete sich das HUAC auf die Verhöre von Hanns Eisler vor, nachdem bereits im Februar Gerhart Eisler verhaftet und verhört wurde. Da es ihm nicht gestattet wurde, eine eigene Erklärung vorzulesen, verweigerte Gerhart Eisler die weitere Zusammenarbeit und wurde zu einer Haftstrafe von einem Jahr verurteilt die er nicht antreten musste, da eine Zeitung und eine Bürgerrechtsorganisation, der Civil Rights Congress die Kaution für Eisler aufbrachte.
Die Verhöre vor dem Ausschuss
Das erste Vorverhör von Hanns Eisler, ein Nichtöffentliches, fand am 11. Mai 1947 im Biltmore Hotel in Los Angeles statt. Die wichtigsten Ausschussmitglieder unter Vorsitz von John Parnell Thomas waren anwesend, auch der spätere US-Präsident Richard Nixon. Dieser schrieb zuvor in den Vorbereitungen, dass der "Fall Eisler vielleicht der wichtigste Fall wäre, der je vor den Ausschuss gekommen wäre".
In einem Interview für den Daily Worker, New York vom 19. Mai 1947 sagte Eisler: "Ich denke, die Kampagne gegen Gerhart und mich ist der Beginn einer Kampagne gegen alle liberalen und progressiven Kräfte in diesem Land".
Im Sommer 1947 fand dann der zweite Gerichtsprozess gegen Gerhart in Washington statt, Ruth Fischer war die Zeugin der Anklage, Hanns Zeuge der Verteidigung. Gerhart Eisler wurde wegen eines Passvergehens zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, da er bei der Einreise in die Vereinigten Staaten seine KPD-Mitgliedschaft nicht angegeben hatte. Charles Chaplin schrieb darüber, dass es in dieser Familie zuginge wie in den Königsdramen von Shakespeare.
In dieser Zeit wurde das Leben der Eislers immer unangenehmer, die Presse- und Radiojournalisten berichteten ständig über diesen Fall in Form von unhaltbaren Lügen und Denunziationen, wie Lou Eisler einmal in einem Brief an Alan Bush in London schrieb[17]. Eisler selbst wurde nicht müde, seinen Bruder zu verteidigen, dazu flog er auch nach New York um in einem Meeting zu sprechen und musste nach Washington um als Zeuge für die Verteidigung aufzutreten.
Trotzdem ging die künstlerische Arbeit weiter, Brecht hatte zuvor in langer Zusammenarbeit mit Charles Laughton das Stück "Leben des Galilei" übersetzt und - auch unter dem Eindruck der Atombombenabwürfe in Japan fast völlig umgeschrieben. Die Premiere des Stücks, Galileo, mit Laughton in der Hauptrolle, der Regie von Joseph Losey und der Musik von Hanns Eisler fand vielbeachtet am 30. Juli 1947 im Coronet Theatre in Hollywood statt. In den zwei Jahren, in denen Eisler an der Musik, welche eine seiner besten Werke werden sollte, arbeitete, mietete er sich ein Appartement ausserhalb von Malibu an, um in Ruhe arbeiten zu können, da er ständig vom FBI beschattet wurde. Die Premiere wurde von James K. Lyon als das Ereignis der Saison beschrieben und die darauffolgenden siebzehn ausverkauften Aufführungen waren ein großer Erfolg. Igor Strawinsky war bei der Premiere anwesend und gratulierte Eisler zu dessen hervorragender Musik. Joseph Losey wollte das Stück danach verfilmen, fand aber keinen Produzenten dazu in Hollywood, erst Jahre später, 1974 wurde es in England mit Chaim Topol in der Hauptrolle verfilmt, fand aber keinen Verleih in Deutschland und Österreich und blieb deshalb hier fast völlig unbekannt.
Eislers letzte Spielfilmmusik stammt auch aus dieser Zeit, es war für den Film So Well Remembered, ein sozialkritisches Werk unter der Regie von Edward Dmytryk, welcher zum größten Teil in England gedreht wurde. Dmytryk selbst war einer der unter Anklage gestellten, sogenannten „Hollywood Ten“ im Jahre 1950. Premiere war am 27. Oktober in New York.
Einen Monat davor, vom 24. bis zum 26. September kam es in Washington unter dem Vorsitz von Thomas (der selbst ein Jahr darauf zu einer Gefängnisstrafe wegen Unterschlagung verurteilt wurde) zum dreitägigen Verhör von Eisler[18]. Ziel war es, ihm genauso wie Gerhart nachzuweisen, dass er Mitglied der kommunistischen Partei gewesen war und damit gegen die Einreisebestimmungen verstoßen habe. Es ging schlechthin um die oft publizierte, berühmte Frage: „Are you now or have you ever been a member of the Communist Party”. Da dies Eisler nicht nachzuweisen war – sein ehemaliger Aufnahmeantrag führte ja, wie schon erwähnt, zu keiner Mitgliedschaft, wandte man sich seinen ehemaligen Beziehungen zur Sowjetunion zu, um auf diese Weise – anhand eines umfangreichen FBI-Dossiers – auch über seine Kampflieder Eisler desavouieren zu können. Stripling, der hauptsächlich die Fragen stellte, äußerte sich einmal auf die Frage des Vorsitzenden, warum er all diese Presseartikel vorlese, dass Eisler der:“Karl Marx des Kommunismus auf musikalischem Gebiet sei“. Wie immer bei diesen Verhören, wurde auch Eisler das Verlesen einer eigenen Erklärung verweigert. Trotzdem keine der Anschuldigungen bewiesen werden konnte, wurde der Fall Eisler dem Justizministerium mit der Aufforderung übertragen, ein Deportationsverfahren einzuleiten.
Im September 1947 erschien als alleiniger Verfasser in New York im Verlag Oxford University Press das 1944 fertiggestellte Buch Composing for the Films welches Eisler zusammen mit Adorno verfasst hatte. Allerdings hat Adorno – wie Bloch spöttisch schrieb:„bis 1932 noch ganz prokommunistisch“ - seine Autorenschaft kurz vor der Drucklegung zurückgezogen nachdem Adorno schrieb, dass er mit den Eisler-Brüdern und deren Aktivitäten nichts zu tun haben wolle. Erst 1969 ist dieses Buch wieder unter beider Namen erschienen [19]
Im Oktober 1947 formierte sich unter der Leitung von Aaron Copland und Leonard Bernstein ein National Committee for Justice for Hanns Eisler. Dieses organisiert Meetings und Protestaktionen gegen die nun drohende Deportation Eislers. Kurz darauf kam es zum Verhör von Brecht (30. Oktober) als Beginn der Verfolgung der Hollywood Ten, den prominenten linken Regisseuren und Drehbuchautoren. Brechts Verhör dauerte gerade eine Stunde. Tags darauf verlässt Brecht die USA und fliegt nach Zürich.
Trotz aller Solidaritätsbekundungen – so auch von Albert Einstein und Thomas Mann sowie einer Gruppe französischer Intellektueller um Picasso − ordnete am 12. Februar 1948 das Justizministerium die formelle Ausweisung von Hanns und Lou Eisler an. Nach einem letzten Konzert in der New York Town Hall welches Bernstein leitete, flogen sie am 26. März 1948 mit einem tschechoslowakischen Visum über London und Prag nach Wien zurück. Eine Kopie der FBI-Akte wurden mit einem Begleitschreiben von John Edgar Hoover für alle Fälle zur weiteren Beobachtung dem CIA übergeben.
Fünfzehn Jahre des Exils, davon 10 Jahre in den USA, waren damit zu Ende.
Am 7. Mai 1949 versteckte sich Gerhart Eisler auf dem polnischen Frachter Batory und flüchtete als blinder Passagier über Soauthhampton und Prag nach Ostberlin. Seine Frau, Hilde Eisler wurde verhaftet und nach fünf Wochen Haft in Ellis Island zwangsdeportiert. Auch sie ging nach Ostberlin.
Zurück in Wien (1948–1949)
Am 1. April 1948 erreichte Hanns und Lou Eisler nach einem Umweg über Prag mit dem Flugzeug den Flughafen Tulln unweit von Wien. Im Gepäck eine Unmenge an Autografen, seine amerikanische Arbeit, allerdings ohne die Filmpartituren, welche zum großen Teil heute ausschließlich in den Archiven der Filmgesellschaften zu finden wären. Kurz nach seiner Ankunft im noch immer zertrümmerten, nun viergeteilten Wien, traf er seine erste Frau Charlotte und seinen nunmehr 20-jährigen Sohn Georg, den er das letzte Mal 15 Jahre zuvor gesehen hatte, aber mit ihm in Briefkontakt stand.
Darüber hinaus erlebte Eisler auch ein Wien, welches sich vor allem auch von seiner Zeit in der Emigration drastisch unterschied. Dort ein Leben unter Emigranten, politische Denker und Künstler, hier in Wien traf ihn allerdings eine andere Realität, da auch er als politisch denkender und handelnder Künstler zum Feindbild erkoren wurde, in zunehmender politischer Isolation lebend. [20]
In einem Brief vom 27. April an Lion Feuchtwanger schrieb Eisler, er fühle sich aber sehr motiviert, auch wenn die Lebensumstände sehr kümmerlich wären. Mit dem Österreichischen Rundfunk hatte er gleich ein paar Kammermusiken aus den USA aufgenommen, mit – wie er auch schrieb – schlechtgenährten Künstlern. Im Mai gab es wieder die nächste Auslandsreise, nach Prag zum Musikfestival „Prager Frühling“ und zum Internationalen Kongress der Komponisten und Musikkritiker. Mit der staatlichen Filmproduktion vereinbarte Eisler die Komposition für den Spielfilm Krizowska trojka (Kreuz drei).
Zurück in Wien traf Eisler auf den Philosophen, Politiker und Vorsitzenden der KPÖ Ernst Fischer, auf den Eisler offenbar einen großen Eindruck machte. Gemeinsam mit ihm fuhren die Eislers als österreichische Delegation zum Weltkongress für den Frieden nach Polen. Dieser Aufenthalt war der Beginn einer Liaison von Fischer mit Lou Eisler, welche 1957 zur Heirat führte.
Eisler wiederum lernte in dieser Zeit Stephanie Wolf, geborene Peschl kennen, eine sehr talentierte Musikerin aus einem klassischen, sozialdemokratischen Elternhaus aus dem Wiener Arbeiterbezirk Brigittenau, einer Absolventin der Staatsakademie für Musik und darstellende Kunst in Wien. Während der Kriegsjahre war Stephanie gemeinsam mit ihrem damaligen jüdischen Lebensgefährten Otto Wolf – mit dem sie 1940 auf der Flucht vor den Nazis in Frankreich ein Kind bekam - als Mitglied der Résistance im Widerstand. Nach der Rückkehr aus Frankreich heirateten beide 1946 in Wien. Stefanie war die Arbeit und die Person Eislers schon sehr lange bekannt.
In Wien selbst war die Situation sehr schwierig, die Bühnenmusik für Nestroys Stück „Höllenangst“ mit der Erstaufführung in dieser Fassung im neuen Theater Scala im russischen Sektor der Stadt wurde sehr kontrovers diskutiert. Dies vor allem deshalb, weil die Situation der geteilten und besetzten Stadt wenig objektive Kritik zuließ. Eislers Musik wurde zwar viel diskutiert, aber es war kein wirklicher Erfolg. Um in dieser Stadt überleben zu können, benötigte Eisler eine Festanstellung, die ihm aber verwehrt wurde. So hat Eisler in der ersten Zeit für etwas Geld sogar einige Male als Begleitmusiker des damals üblichen Vorprogramms in einem Wiener Kino gespielt.
Für das damalige musikalische Wien war Eisler einfach nicht existent, der Begriff Schönbergschüler überstieg die Vorstellungen der damaligen Musikmachthaber, die noch dazu teilweise noch die gleichen Funktionen wie in der unmittelbaren Vergangenheit ausübten. Für ihn war es die gleiche Situation wie 1925, auch damals gab es für ihn keine Arbeitsmöglichkeit. Eine Einladung des Berliner Rundfunks nahm er zögerlich an, gemeinsam mit Brecht nahm er dann am 25. Oktober an einer Friedenskundgebung in der Deutschen Staatsoper teil, wo er auch das erste Mal nach elf Jahren Ernst Busch wiedertraf, der nach langer Flucht und anschließender Haft als teilweise gelähmter Mann seit 1946 eine eigene Schallplattenfirma mit einem angeschlossenen Noten- und Buchverlag betrieb.
Eisler selbst fuhr sogleich wieder nach Wien zurück, wohingegen Brecht noch bis Februar 1949 in Berlin blieb, um am Deutschen Theater Mutter Courage und ihre Kinder unter der Intendanz von Wolfgang Langhoff zu inszenieren und um sein eigenes Projekt, das Berliner Ensemble weiterzutreiben. Dann fuhr Brecht wieder zurück nach Zürich, um danach mit Helene Weigel im Juni 1949 endgültig – wie auch Hanns Eisler – nach Ostberlin zu übersiedeln. Eisler selbst hatte zu dieser Zeit bereits Gespräche mit der DEFA für die zukünftige Filmarbeit und ebenso mit Vertretern aus dem Hochschulbereich über eine mögliche Professur an der Humbold-Universität. Diese Arbeitsmöglichkeiten, Buschs Verlag und Plattenfirma sowie die Aussicht auf die Etablierung des Berliner Ensembles gaben den endgültigen Ausschlag für die Entscheidung, nach Berlin zu übersiedeln. Außerhalb den Kreisen der KPÖ, die ihm eine Wohnung in der Wiener Gusshausstrasse zur Verfügung gestellt hatte, und deren nahestehenden Organisationen, schlug Eisler in Wien kalte Ablehnung entgegen. Beide, Lou und Hanns Eisler behielten jedoch bis zu Ihrem Lebensende ihre österreichische Staatsbürgerschaft.
Eisler in der DDR
1949 - 1957 (bis Brechts Tod)
Der erste, den Eisler am 22. Juni 1949 nach seiner Ankunft traf, war Johannes R. Becher, der bald darauf der erste Kulturminister der DDR werden sollte. Als Vorsitzender des Kulturbunds ist es ihm zu verdanken, dass viele zurückgekehrte Künstler großzügige Unterstützung für den Neubeginn in Form von Wohnungen und dem Erlangen vieler notwendiger Papiere bekamen. Es war die Elite des Geistes der Zeit vor 1933. Was sie alle einte, ob sie nun Kommunisten waren oder nicht, war die Identifikation mit einem neuen Gesellschaftsprojekt welches vorerst in der sowjetischen Besatzungszone und dann später in der DDR in Angriff genommen wurde: Der Aufbau eines anderen, eines zum Sozialismus strebenden Deutschlands [21] Es waren aber auch die Möglichkeisten, welche sich unter anderem durch den Berliner Verlag des Kulturbunds, dem Aufbau-Verlag ergaben, der viele Werke der Rückkehrer in hohen Auflagen neu auflegte. Man wollte und man brauchte diese Anti-Hitler-Emigranten.
Ganz anders sah es in Westdeutschland aus. Der hektische Wiederaufbaueifer in den Westzonen und in der späteren BRD versuchte eine Vergangenheitsbewältigung zu unterbinden, vor allem auch deshalb, weil viele der ehemaligen Nazis sich noch immer in bestimmenden Positionen befanden. Emigranten mussten sich dafür rechtfertigen, ins Exil gegangen zu sein, die daheimgebliebenen Schriftsteller wurden den zurückgekehrten Emigranten vorgezogen. Heinrich Böll sprach später von einer verschenkten Chance.[22] Viele von ihnen gingen aus Enttäuschung noch einmal ins Exil.
Das galt auch für Hanns Eisler, auch aus dieser Perspektive muss man seine Zeit in der DDR betrachten. Der Kalte Krieg, die Kanzlerschaft Adenauers und die rigorose Bekämpfung der DDR durch die Bonner Politik. Die erste Zeit in Berlin wohnten sie in einem stehengebliebenen Seitenflügel des Hotel Adlon, bevor sie im März 1950 ein Haus in Pankow-Niederschönhausen bezogen. Dieses Domizil bot mit seiner schönen Terrasse und einem großen Garten einen idealen Platz für kreatives Arbeiten. Ganz in der Nähe wohnte Arnold Zweig und Ernst Busch. Eisler nutzte diese Situation sofort, er konnte sich über fehlende Arbeit nicht beklagen. In rascher Folge entstand die Filmmusik für den DEFA-Film: Unser täglich Brot unter der Regie von Slátan Dudow, mit dem er schon 1932 gemeinsam mit Brecht für den Film Kuhle Wampe gearbeitet hat.
Für den 200ten Geburtstag von Goethe entstand die Rhapsodie für großes Orchester, welches 1996 auf CD wieder erschienen ist. Die Uraufführung dieses Werks fand am 26. August im Deutschen Nationaltheater in Weimar statt, bei der Eisler auch wieder einen alten Bekannten aus seiner Zeit in Pacific Palisades wiedertraf, nämlich Thomas Mann. Dieser musste auf Grund dessen, dass er nicht nur in Frankfurt in der Paulskirche aufgetreten war sondern auch in Weimar den Goethe-Preis entgegen nahm, große Kritik aus dem Westen einstecken.
Zwei Deutschland - zwei Hymnen
Zwei Monate später, nachdem Eisler nach Pankow-Niederschönhausen gezogen war, war auch die Teilung Deutschlands perfekt. Die Bundesrepublik konstituierte sich am 7. September 1950, am 7. Oktober die Deutsche Demokratische Republik. Ende Oktober lud Johannes R. Becher Eisler zu einer Goethe-Feier in Warschau ein. Dort übergab er Eisler ein von ihm selbst verfasstes Gedicht mit der Bitte, dazu eine Melodie zu komponieren. Am selben Tag am Nachmittag fuhren sie gemeinsam nach Żelazowa Wola zum Geburtshaus von Chopin, wo ihm Eisler auf dem alten Flügel von Chopin die Melodie vorspielte. Das war die Geburtsstunde von Auferstanden aus Ruinen, der Nationalhymne der DDR. Zuerst a cappella für eine Singstimme, später eine Fassung für gemischten Chor und Orchester. Die Uraufführung war am 32. Jahrestag der Oktoberrevolution am 7. November in der Deutschen Staatsoper, im Februar 1950 wurde sie von der Volkskammer zur offiziellen Hymne erklärt. Becher und Eisler bekamen dafür den erstmals in diesem Jahr am 7. Oktober 1950 vergebenen Nationalpreis erster Klasse. Albrecht Betz schrieb darüber, dass dies für Eisler bedeutete, in der BRD für zwei Jahrzehnte mit einem Tabu belegt zu sein, welches in der deutschen Musikgeschichte ohne Beispiel dasteht.
Nach dem Mauerfall 1989 machten Teile der damaligen DDR-Bürgerrechtsbewegung aber auch verschiedene Künstler und Intellektuelle der Bundesrepublik den Vorschlag, das von Brecht als Kinderhymne bezeichnete Lied „Anmut sparet nicht noch Mühe“ als neue gemeinsame Nationalhymne zu verwenden. Wie man aber weiß, war dieser Vorschlag aber der damaligen deutschen Bundesregierung nicht die Diskussion wert.
Lieder für die „neuen“ Massen - ein neuer Stil
Nicht kämpferische Marschlieder sondern Lieder, welche den sozialistischen Aufbau begleiten sollten waren nun im neuen Staat gefragt. Nicht der Kampf gegen bestehende Verhältnisse war das Thema, sondern zur Beteiligung am Aufbau neuer Verhältnisse sollte gerufen werden. Freundliche Töne waren gefragt, nicht der jetzt alt erscheinende Trott der alten Marschlieder. Um dies zu zeigen, erarbeitete Eisler sinfonische Fassungen seiner beiden berühmtesten Lieder, dem Solidaritätslied und dem Einheitsfrontlied. Dies geschah dahingehend, dass das Thema dieser Lieder innerhalb strenger musikalischer Stücke verwendet wurde. Brecht versuchte Eisler, seinen Text des Zukunftsliedes zu vertonen, Eisler weigertes sich jedoch, deshalb wurde es von Paul Dessau vertont. Gemeinsam mit Johannes R. Becher entstand anfangs das Lied von der blauen Fahne und darauf innerhalb kurzer Zeit vierzehn weitere, welche dann den Zyklus Neue deutsche Volkslieder bildeten, ergänzend dazu noch vier weitere im Herbst 1950. Wie Jürgen Schebera schrieb, waren diese Lieder musikalisch höchst eingehend, allerdings war die Lyrik zu pathetisch und von einem fiktiven gesellschaftlichen Anspruch durchzogen um wirklich populär zu werden.[23] Es stellte sich dann heraus, dass die ästhetischen Positionen von Eisler und Becher immer mehr auseinanderklafften, die gemeinsame Arbeit wurde zunehmend lustloser. Brecht trat an Eisler mit einem Kinderliederbuch heran[24] und es entstanden sechs Lieder, wovon Die Pappel vom Karlsplatz und das Friedenslied der Kinder, dessen Text auf Pablo Neruda zurückgeht, wohl die bekanntesten sind. Dazu noch die Kinderhymne.
Eisler und die DDR-Kulturpolitik
Seit Ende 1949 war Eisler im Vorbereitenden Ausschuß der Deutschen Akademie der Künste tätig, diese verstand sich als Nachfolgerin der 1696 gegründeten Preußischen Akademie der Künste . Am 24. Mai 1950 konstitutierte sich diese dann mit einem Festakt in der Deutschen Oper, Eisler wurde zum Ordentlichen Mitglied gewählt und war gleichzeitig auch Mitbegründer der Sektion Musik. Heinrich Mann, zu diesem Zeitpunkt noch in Kalifornien aufhältig, wurde als Akademiepräsident angefragt und sagte auch zu. Während der Vorbereitungen für den Umzug nach Berlin starb Mann 14 Tage vor der Akademiegründung. Somit übernahm Arnold Zweig das Präsidentenamt. 1973 erfolgte die Umbenennung in Deutsche Akademie der Künster der DDR. Die Akademie der Künste (West) wurde erst 1954 gegründet.
Mit erstem Oktober 1949 wurde auch eine Meisterklasse für Komposition eingerichtet, welche von Eisler geleitet wurde. Der Gruppenunterricht für seine Schüler fand immer am Samstagnachmittag in seinem Haus in der Pfeilstraße statt. Dies ähnelte sehr dem Unterricht, den Eisler bei Schönberg in dessen Wohnung in Mödling genossen hatte. Einen Monat nach der Eröffnung der Akademie begann auch der Unterricht im staatlichen Konservatorium Berlin, dem Vorläufer der heutigen Hochschule für Musik, welche ab 1964 bis heute den Zusatz Hanns Eisler trägt. Eisler erhielt auch dort eine Professur für Komposition.
Für eine gemeinsame Theaterarbeit mit Brecht, ein Stück von Erwin Strittmatter schrieb Eisler die Bühnenmusik, welche aus acht Gesängen und vier instrumentalen Bauernmusiken bestand. Die Premiere des Stücks fand am 23. Mai 1953 im Berliner Ensemble statt, gerade in einer Zeit, als eine politischen Kampagne wegen seines in den Jahren 1951 und 1952 komponierten, aber nicht fertiggestellten Opernprojektes Johann Faustus seinen Höhepunkt erreichte.
Die Faustus-Debatte und der „Formalismus-Beschluß“ der SED
„Die Künste werden geehrt/und, wenn nötig,/mit aller Strenge/in unseren Landen.“
Der Hintergrund der Debatte war der ideologische Kulturkampf um die deutsche Identität, den Standpunkt des offiziellen DDR-Selbstverständnisses über der "Pflege der Nationalkultur". Der Vorwurf im "Neuen Deutschland" lautete, sein Entwurf schlage "dem deutschen Nationalgefühl ins Gesicht"[25]. Der Komponist habe "die Einflüsse des heimatlosen Kosmopolitismus noch nicht überwunden". (1) Walter Ulbricht wetterte, die SED werde es nicht zulassen, daß eines der bedeutendsten Werke unseres großen Dichters Goethe zur Karikatur verunstaltet wird.“ sowie weiter:Wir führen den Kampf gegen diese Verfälschung und Entstellung der deutschen Kultur, gegen diese Mißachtung des deutschen Kulturerbes, für die Verteidigung der großen Leistungen unserer Klassiker auf allen Gebieten.[26]
Die erste Anregung, sich auch diesem Stoff zu nähern, reichten bereits in seine Exiljahre nach Kalifornien zurück. Thomas Mann arbeitete seit 1943 ans seinem Roman: „Doktor Faustus“, er stellte dieses Manuskript mehrfach zwischendurch auch Eisler und anderen Diskussion vor. Mann beschreibt dies auch in: „Die Entstehung von Doktor Faustus“, so auch über die gemeinsamen, heiteren Gespräche darüber im Hause Arnold Schönbergs. Als das Buch dann 1947 erschien, war Eisler einer der ersten, der es las.
Am 13. Juli 1951 beendete Eisler den ersten Entwurf zu seinem Faust-Libretto, ob Zufall oder nicht, es war gleichzeitig auch der Todestag seines Lehrers Arnold Schönberg, von dem er allerdings erst zwei Tage später erfuhr.[27] Bereits zu dieser Zeit mehrten sich bei ihm tiefe Zweifel über seine Arbeitsweise, er fühlte sich aus der bisherigen Spontaneität und Experementierfreude herausgedrängt und bemühte sich, eine - wie er schrieb - reife, runde, gültige Leistung zu erbringen. Gleichzeitig hatte er den Anspruch, dieses Libretto so zu verfassen, dass es auch von allen wirklich verstanden werde, eine Oper, die mit dem Volk auf Du und Du steht indem die Element es Volksschauspiels wieder eingeführt werden.[28] Eisler greift in seinem Anspruch auch auf das frühe Puppenspiel als wichtigste Überlieferungsform des populären Stoffs, erneuert durch eine Aufführung eines erzgebirgischen Puppentheaters und auf die Wiener Figur des Hanswurst, dem Kasperl zurück, welches ihm aus seiner Zeit in Wien 1921 sehr vertraut war, wie man in seinen Tagebuchaufzeichnungen nachlesen kann.[29]
Für den Inhalt siehe: Johann Faustus
Trotz seiner Zweifel nach dem ersten Entwurf sendete er das Manuskript an Thomas Mann und Lion Feuchtwanger welche sich noch in den Vereinigten Staaten befanden und ihm in ihrer Reaktion auf den Entwurf beide ein „Werk von hohem dichterischen Rang“ bescheinigten. Ebenso diskutierte Eisler das Stück mit Brecht, schon während der Niederschrift. Mann bemerkte in seinem Brief, „dass das Ganze hübsch provokant sei“. Nach der Fertigstellung im August 1952 übergab Eisler das Manuskript an den Aufbau-Verlag, die Buchausgabe erschien im Oktober 1952.
Die darauf folgende äußerst heftige Reaktion war für Ihn völlig überraschend und davon geprägt, dass das Erscheinen gerade in eine Zeit fiel, als heftigst gegen den sogenannten „Formalismus“ gewettert wurde und ein bedingungsloses Einfordern von „sozialistischem Realismus“ und „optimistischen Kunstwerken“ erwartet wurde. Diese Forderung gipfelte im sogenannten „Formalismus-Beschluß“ des ZK der SED vom März 1951. Zu dieser Zeit fand auch die Uraufführung von Brecht/Dessaus Oper: „Das Verhör des Lukullus“ statt, welches mit der Forderung nach Änderungen abgesetzt werden musste und im darauffolgenden Herbst inhaltlich abgeändert als: „Die Verurteilung des Lukullus“ neu gespielt werden durfte. Ebenso wurde eine Ausstellung von Ernst Barlach in der Akademie der Künste attackiert, Aufführungen von Eislers atonalem und zwölftonigen Früh- aber auch Exilwerks waren nicht denkbar. Lieder für Ernst Busch, welche den Koreakrieg attackierten (Ami go home sowie No, Susanna) hatten, weil formalistisch, Aufführungsverbot. Es ging soweit, dass Ernst Busch für längere Zeit allgemeines Auftrittsverbot bekam und seine Lieder im DDR-Rundfunk Sendeverbot bekamen.
Es war aber auch genau die Zeit, in der es zu neuerlichen Schauprozessen und Säuberungen in verschiedenen Ostblockländern kam. Im Dezember 1952 wurden in Prag zwölf Angeklagte des Slánský-Prozesses hingerichtet, darunter auch ein alter Freund Eislers, Otto Katz (André Simone). Gerhart Eisler, von Ende 1949 bis 1952 Leiter des Amtes für Information der DDR-Regierung und Albert Norden verloren für mehrere Jahre ihre Anstellungen. Paul Merker, ein Mexiko-Emigrant mußte für mehrere Jahre ins Gefängnis. Viele andere Künstler und Intellektuelle entzogen sich jedoch durch besondere Linientreue der Debatte um ihre Person. Grundlage dieser Aktivitäten war der Beschluss des SED vom 29. Juli 1948 über die „organisatorische Festigung der Partei und ihre Säuberung von entarteten und feindlichen Elementen“.
Die Reaktionen waren aber - wenn man sich die letzten Zeilen der Confessio (Bekenntnis, Geständnis) des Faust, kurz vor seinem Tod betrachtet. Es geht hier nicht um Religion, Gott, Teufel, Sünde und Seelenheil sondern um Klassenkampf und Verrat:
„Der eignen Kraft mißtrauend,
hab den Herren ich die Hand gegeben.
Gesunken bin ich tiefer als tief,
verspielt hab ich mein Leben.
Denn wer den Herren die Hand gibt,
dem wird sie verdorren.
Dem ersten Schritt folgte der zweite;
beim dritten war ich verloren.
Nun geh ich elend zugrund,
und so soll jeder gehn,
der nicht den Mut hat,
zu seiner Sach zu stehn.“
Wie Knut Mellentin schreibt, „scheint Eisler der erste Autor überhaupt gewesen sein, der die Figur des Faust konsequent in die Klassenkämpfe seiner Zeit hineingestellt hat“.[30]
Zeitgleich mit dem Erscheinen von Johann Faustus erschien ein Essay von Ernst Fischer in der Zeitschrift Sinn und Form mit dem Titel: „Doktor Faustus und der deutsche Bauernkrieg“, in dem Fischer die Qualitäten des Textes hervorhub und die Forderung erhob, Dr. Faustus zur deutschen Nationaloper zu erklären, ohne einschätzen zu können, welche Folgen diese Formulierung nach sich ziehen würde. Für seine Formulierung: Eisler hat eine Zentralgestalt der deutschen Misere reproduziert, und den deutschen Humanisten als Renegaten erklärt, wurde Fischer aufs heftigste angegriffen.

An drei Abenden anlässlich der so genannten Mittwochsgesellschaft bei der Akademie der Künste fand eine Debatte um das Werk statt, an dem unter anderem Johannes R. Becher, Bertolt Brecht, Arnold Zweig, Helene Weigel und andere teilnahmen, welche sich dann aber zur Debatte um Goethe entwickelte. Darüber hinaus wurde von Alexander Abusch, dem Wortführer der Attacke und damaliger Bundessekretär des Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung (sic!) und Vorstandsmitglied im DDR- Schriftstellerverband, verhindert, Eislers Werk qualitativ zu diskutieren, es wurde versucht die ideologische Schwäche des Textes in den Vordergrund zu rücken. In dieser Debatte wurde Eisler nur von Brecht, Felsenstein und Zweig unterstützt, viele andere nahmen opportunistisch die Position des „Anklägers“ Abusch ein. Der Moskau-Emigrant Hans Rodenberg (Direktor der DEFA) verstieg sich sogar in der Formulierung, die Figur des hier dargestellten Faustus sei im Grunde ein „titoistischer Mensch“.
Eisler war von der Heftigkeit des ersten Abend auf äußerste überrascht, und bereitete sich deshalb gemeinsam mit seinem Bruder Gerhart gewissenhaft auf den zweiten Abend der Diskussions vor. Seiner Frau Lou, welche gerade in Wien war schrieb er: .. wenn man so gegen das Stück tobt, wachsen einem Kräfte und man bekommt Appetit, sich zu halten.[31]
Am darauf folgenden Mittwoch, welcher durch einen am gleichen Tag in Neues Deutschland erschienenen Artikel: Das „Faust“-Problem und die deutsche Geschichte von einem Wortführer der abendlichen Debatte Girnus versteckt hinter dem Redaktionskollektiv medial vorbereitet wurde, konnte sich Eisler gut verteidigen, indem er seinen Kritikern vorwarf, den Text gar nicht genau gelesen zu haben, Brecht trug seine bekannt gewordenen Zwölf Thesen zur Faustus-Diskussion als Musterbeispiel für dialektisches Debattieren vor. Das Ergebnis war, dass man sich für zwei Wochen vertagte. Am 2. Juni erschienen im ND vier - wie man annehmen kann von der SED bestellten - Leserbriefe von Werktätigen, welche Ihrer Empörung gegen „eine so frivole Verhöhnung des vielleicht genialsten und dem deutschen Volke teuer gewordenen Meisterwerks “ und erhoben schärfsten Protest.
Bei der dritten Diskussionsrunde am 10. Juni 1953 antwortete Eisler nur mehr knapp, zu den Prostimmen Brechts, Felsensteins und Zweigs gesellte sich eine dritte, die des Funktionärs der Arbeiterbewegung, Herrmann Duncker. Doch es half nichts[32], der inzwischen im Nebel der Geschichte entschwundene Kulturfunktionär Besenbruch verstieg sich sogar zu der Behauptung, dieses Werk sein der Genuss am Wühlen im Dreck, welches zu einem kurzzeitigen Eklat mit Brecht führte. Die Debatten endeten ohne jedwelche Beschlüsse und Festlegungen. Den Schlusspunkt setzte dann Walter Ulbricht, als er Tage danach in einer Ansprache vor Kunst- und Kulturschaffenden folgendes sagte:
„„Unseren Kampf führen wir […] auch um die Pflege unseres großen deutschen Kulturerbes […], indem wir es nicht zulassen, daß eines der bedeutendsten Werke unseres großen deutschen Dichters Goethe formalistisch verunstaltet wird, dass man die großen Idee in Goethes Faust zu einer Karikatur macht, wei das in einigen Werken auch in der DDR geschehen ist, zum Beispiel in dem sogenannten Faustus von Eisler und in der Inszenierung des Urfaust““
Die DDR-Erstaufführung des Textes fand 1982 im Berliner Ensemble statt.
Der 17. Juni
Einige Tage nach der Rede Ulbrichts kam es zu den Ereignissen des 17. Juni. Eisler schickte am Tag darauf der Nachrichtenagentur ADN den folgenden Text, von dem nicht gesichert ist, ob er verbreitet wurde und der eine Loyalitätserklärung gegenüber dem Staat DDR darstellt:
„Ich bin in meinem ganzen Leben immer für die Sache der Arbeiter eingetreten und werde das bis zum Ende meines Lebens tun. Was aber gestern in Berlin geschah, hat nicht der Sache der deutschen Arbeiterklasse genützt, weder (in) ihren berechtigten wirtschaftlichen Forderungen, noch (in) ihren nationalen Interessen, noch (in) ihrem berechtigten Bestreben der Korrektur schwerer Fehler. Aus dem, was gestern geschah, haben die Feinde der Arbeiter ihren Nutzen gezogen und wir müssen jetzt alles tun, damit alle Schichten der Bevölkerung − Arbeiter, Bauern, Mittelstand, Intelligenz und die Regierung – zusammen eine rücksichtslose Selbstkritik halten, damit unser Aufbau und unser Aufstieg durch (solche) ernste(n) Fehler (wie in der Vergangenheit) nicht gefährdet wird. (Diese schwierigen Tage stellen auch uns Künster vor neue große Verantwortung)“
Die Akademie der Künste unterbreitete am 18. Juni Vorschläge zur Veränderung der kulturpolitischen Situation, welche maßgeblich von Eisler und Brecht formuliert wurden. Diese wurden sofort im ND in einem Artikel mit dem Titel: Über berechtigte Kritik und über Erscheinungen des Opportunismus in Fragen der Kunst abgelehnt. Brecht zog sich daraufhin für Monate in sein Sommerhaus zurück und verfasste seine Buckower Elegien, in dem es unter anderem am Ende des Gedichts: „die Lösung“ hieß: Wäre es da/Nicht doch einfacher, die Regierung/Löste das Volk auf und/Wählte ein anderes?
Für Eisler war es eine mehrfach schwierige Zeit. Einerseits belasteten ihn die Ereignisse, dazu kam die Verdammung seiner Faustus-Oper und seine Frau Lou eröffnete ihm, in Wien mit Ernst Fischer bleiben zu wollen. Ein Restaurant- und Barbesuch in Westberlin führte dazu, dass er das Taxi nach Ostberlin nicht mehr bezahlen konnte und von der Polizei aufgegriffen wurde. Dies war ein willkommener Anlaß für Hämeartikel in der Westpresse. Dieser Vorfall tauchte auch später in den freigegebenen FBI-Akten wieder auf womit bewiesen war, dass Eisler über seine Zeit in den USA hinaus von verschiedenen Geheimdiensten observiert wurde.
Intermezzo in Wien
Um etwas Distanz zu gewinnen, reist Eisler Mitte Juli 1953 nach Wien, auch um die Komposition für "seinen" Dr. Faustus wieder aufzunehmen. In seinem Tagebuch - welches er erstmalig seit 1921 wieder schreib - ist zu lesen: Mit Zögern und Zagen gehe ich an die Komposition zu meinem Dr. Faustus, voller Mutlosigkeit vor all den Schwierigkeiten.[35] Allerdings beschränkten sich die Versuche auf eine Szene aus dem zweiten Akt.
Einige Bühnenmusiken für Freunde und eine Auftragsarbeit zu einem Film brachten ihn auf andere Gedanken, noch dazu, da Brecht Mitte Oktober nach Wien kam, um den Vorbereitungen der Mutter in der Wiener Scala beizuwohnen. Helene Weigel und Ernst Busch spielten die Hauptrollen. Eisler war an der Einstudierung der Musik beteiligt. Genau in diese Zeit fiel auch der Beginn des Brecht-Boykotts in Österreich, Brecht war allerdings wieder nach Berlin zurückgekehrt.
Ende Oktober verfasste Eisler einen Brief an das Zentralkomittee der SED in Berlin in dem er über sich und seine Situation schrieb und auch anmerkte, dass er ein riesiges Werk an nicht veröffentlichten Kammer- und Orchestermusiken, sowie Liedern und Kantaten habe, und dieses einer weiteren Bearbeitung bedarf. Er schrieb aber auch:
- Musiker, die Werke von mir aufführten oder rezensierten, wurden als Vertreter einer unerwünschten Kunstrichtung behandelt und nach der Faustus-Attacke merkte ich, daß mir jeder Impuls, Musik zu schreiben abhanden gekommen war, so kam ich in einen Zustand tiefster Depression, wie ich sie kaum jemals erfahren habe.
In der Einleitung des Briefes entschuldigte sich Eisler für die die „Berliner Angelegenheit“ und übte damit die immer geforderte vorsorgliche Selbstkritik. Er schloss den Brief damit, dass er betonte, sein Werk an keinem anderen Ort als in Demokratischen Republik Deutschland fortsetzen zu wollen und zu können:
- „Ich kann mir meinen Platz als Künstler nur in dem Teil Deutschlands vorstellen, wo die Grundlagen des Sozialismus neu aufgebaut werden.“[36]
Die Auseinandersetzung mit dem ZK und das „Filmjahr 1955“
Bereits einen Monat später, am 30. November 1953 erreichte Eisler ein Schreiben der Akademie der Künste, es war die Erlaubnis für die geplante Eisler-Ausgabe als mehrbändige Edition. Er blieb noch einige Zeit in Wien, da das Fidelio-Filmprojekt noch fertiggestellt werden musste. Im Februar 1954 kehrte er zurück und begann unverzüglich und unter Zeitdruck mit den Arbeiten am ersten Band seines Vokalwerks, Lieder und Kantaten. Dies erfolgte gemeinsam mit den Lektoren des Verlags Breitkopf & Härtel aus Leipzig. Der erste Band, Lieder und Kantaten erschien im Frühjahr 1955, das gesamte Werk in zehn Bänden wurde erst 1966 fertiggestellt.
Trotzdem musst er wieder beruflich nach Wien zurück. Fidelio musste fertiggestellt werden und innerhalb dreier Tage erstellte er noch eine Hamlet-Bühnenmusik für das Neue Theater in der Scala. Gemeinsam mit Karl Paryla schrieb er im Sommer 1954 das Drehbuch und die Musik zur Verfilmung von Millöcker´s Operette Gasparone.
Brecht hatte seit März 1954 inzwischen das eigene Haus und bat Eisler brieflich mit den Worten: „hoffentlich kommst du bald“,[37] für Johannes R. Bechers Tragödie: Winterschlacht die Bühnenmusik zu übernehmen. Es war Bechers Stück über die Niederlage der deutschen Wehrmacht vor Moskau und auch die Tragödie der Deutschen an der Front und der Heimat. Eisler verstand diese Arbeit als Teil der Deutschen Sinfonie, es entstand ein neunteiliges Werk. Premiere war am 12. Jänner 1955. Diese Musik fasste Eisler dann später zu Winterschlacht-Suite zusammen.
Eisler benutzte die Feierlichkeit zum 80. Geburtstag von Arnold Schönberg als Gelegenheit, in seinem Vortrag am 17. Dezember 1954 ein unmissverständliches Zeichen gegen die immer noch anhaltende Formalismus-Debatte zu setzen und zum Gegenschlag gegen seine damaligen Opponenten aus der Faustus-Debatte auszuholen. Um das Auditorium zu beschämen, erfand er sogar ein Achtung gebietendes „chinesisches Sprichwort“ welches so hieß: „Wer seinen Lehrer nicht ehrt, ist schlechter als ein Hund“.[38] In diesem Vortrag rechnete Eisler hart mit seinen Kritikern ab, ohne dass das Wort Formalismus fiel war es jedoch jedem klar, was gemeint war. Für das Neue Deutschland war eine Schönberg Debatte zu heikel, einzig die Musikfachpresse reagierte.[39] Auch die Akademie der Künste bezog dazu Stellung, indem sie feststellte, dass sie: „[…] bei aller Verschiedenheit nach geistiger Herkunft und Geschmacksrichtung einmütig zur Ehrfurcht vor der schöpferischen Größe des Komponisten und Menschen Arnold Schönberg stehe“.[40]
Für alle seine Reisen musste Eisler als Österreicher ein Visum für die Wiedereinreise in die DDR beantragen, sogar eine Sekretariatssitzung des Zentralkomitees unter Beisein von Walter Ulbricht beschäftigte sich damit. In dieser Sitzung wurde Eisler entgegen aller bisherigen Gepflogenheiten, nicht mehr als Genosse bezeichnet. Anzumerken ist, dass Eisler auch niemals Mitglied der SED war. Trotz des Widerstandes verschiedener politischer Kleingeister wurden seine Reisen, vor allem nach Wien, aber weiterhin genehmigt.
Nach nun zweijähriger Trennung wurde Eislers Ehe mit Lou im März 1955 in Wien geschieden. Dies geschah alles in der Zeit, als er auch noch die Musik für den Film Herr Puntila und sein Knecht Matti in den Filmstudios der Wien-Film am Rosenhügel schuf. Dieser Film blieb ziemlich unbekannt - und damit auch die Musik - weil die Wien-Film dafür einen Regisseur, den Brasilianer Alberto Cavalcanti engagierte. Dieser war zwar unbestritten ein hervorragender Dokumentarfilmer seiner Zeit, konnte jedoch mit dem Stil und den Anforderungen des epischen Theater Brechts wenig anfangen. 1956 stellte Eisler aus dieser Musik die fünfzehnteilige Puntila-Suite für kleines Orchester zusammen.
Bei den Dreharbeiten traf Eisler Stephanie Zucker-Schilling wieder, welche als Dolmetscherin für Cavalcanti arbeitete und lernte sie näher kennen. Beide begegneten einander bereits 1948 zum ersten Mal, damals war sie noch mit Otto Wolf verheiratet. Bereits 1955 ließ sich Stephanie von ihrem damaligen Mann Zucker-Schilling scheiden, was auf eine engere Beziehung der beiden bereits zu diesem Zeitpunkt schließen lässt[41]. Ebenso arbeiteten sie für die gleich darauffolgende Neuverfilmung von Bel Ami mit dem Hauptdarsteller Johannes Heesters unter der Regie von Louis Daquin, wofür Stephanie wiederum als Dolmetscherin arbeitete. Premiere war 1957, jedoch blieb dieser Film, anders als die operettenhafte Fassung von Willi Forst aus dem Jahre 1939, weitgehend unbekannt.
Im Herbst, kurz vor seiner Rückkehr nach Berlin, stellte er auf Bitten Brechts, eine bereits 1943 in Kalifornien begonnene Bühnenmusik für Die Geschichte der Simone Marchard fertig. Brecht wollte dies in Frankfurt/Main aufführen, diese Inszenierung fand allerdings erst 1957, ein Jahr nach dem Tod Brechts statt.
Das Jahr 1955 wurde für Eisler vor allem zum Filmjahr. Zurück in Berlin erreichte ihn eine Einladung von Alain Resnais aus Paris, die Musik für einen Auschwitz-Film zu machen. Resnais kannte Eislers Arbeiten aus Resnoir´s Film The Woman on the Beach und versprach sich davon, einen deutschen Komponisten zu verpflichten, eine moralische Bürgschaft, wie es Schebera in seinem Buch schrieb. Eisler antwortete auf die Anfrage lapidar in einem Telegramm:„Guten Tag, ich komme. Eisler“. Nachdem er die Rohschnittfassung zu sehen bekam, reiste er im Dezember nach Paris und komponierte die Musik für den Film Nuit et brouillard. Diese Arbeit stellt sicherlich eine der bedeutendsten Filmmusiken zu diesem Thema dar, wie auch der Film selbst. Sechzehn Minuten Filmmusik in einem nur 34 Minuten langen Film. Für diese Arbeit erhielt Eisler 1956 in Paris den renommierten Prix Jean Vigo, Resnais konnte für diesen Film in den darauffolgenden Jahren mehrere internationale Preise entgegennehmen. Die deutsche Übersetzung zu diesem Film wurde, wie damals üblich, getrennt für die DDR und die BRD gemacht. Für die BRD machte dies Paul Celan, für die DDR Henryk Kreisch.
„Nuit et Brouillard” wurde als französischer Filmbeitrag für die Filmfestspiele in Cannes 1956 ausgewählt. Im letzten Moment zog jedoch Minister Henry Lemaire die Zustimmung zurück, da der deutsche Botschafter Beschwerde im Auswärtigen Amt Frankreichs eingelegt hatte. Der deutsche Protest lag darin, daß „Nuit et Brouillard“ zu „anti-German hatred“3 aufwiegele. Karl Korn schreibt dazu in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung 1956, daß man wohl mit „psychologisch unliebsamen Folgen für die Deutschen“ gerechnet habe. In Deutschland jedoch führte der „Skandal“ um den vom Festival ausgeschlossenen Film zu einer kritischen Rezeption desselben: „What began initially as an international scandal became a site for a prolonged consideration and discussion of the Nazi past within Germany.“ Die vor allem auch in der Presse geführte Diskussion konzentrierte sich hauptsächlich auf die Frage der Schuld und Verantwortlichkeit. Verantwortlichkeit wurde dabei als Notwendigkeit und Aufgabe auch der gegenwärtigen Generation zum gemeinsamen Erinnern gesehen und der individuellen Schuld gegenübergestellt. Auf diese Weise wurde „Nuit et Brouillard“ zur „site for the articulation of generational conflicts and for confronting an aging ruling class left largely intact after the war.“[42][43]
Die Entstalinisierung
Auf dem 20. Parteitag der KPdSU 1956 kritisierte Chruschtschow in der so genannten „Geheimrede“ vom 25. Februar den Personenkult um Stalin und die damit verbundenen Verbrechen und leitete damit die Entstalinisierung ein. Erstmals wurden die Verbrechen des stalinistischen Terrors gegen Nichtgenossen und Genossen offengelegt, vorerst noch ohne Angabe von Opferzahlen. Dies war ein schwerer Schlag gegenüber der Generation, welche an die dritte Sache glaubten. Der Text dieser Geheimrede wurde nicht veröffentlicht, man verlas ihn aber in Parteiversammlungen und verschiedenen Gremien - so auch im Komponistenverband - wodurch Eisler davon Kenntnis erhielt.
Unter anderem wurden Häftlinge aus dem Gulag entlassen, so auch Hedi Gutmann, eine Architektin, welche bereits seit sechzehn Jahren Zwangsarbeit verrichtete. Ein Brief von ihr an Brecht, schon vor Chrustschows Rede verfasst, erreichte auch Eisler, welche der Meinung waren, dass sie gar nicht mehr lebe. Beide bemühten sich intensiv um ihre Freilassung welche dann auch im Frühjahr 1957 zustandekam und sie dann vorerst bei Eisler in der Pfeilstraße wohnte. Nachdem sie der Staatssicherheit der DDR unterschrieb, über Ihrer Erlebnisse nicht zu sprechen, wurde ihr eine Wohnung in Berlin-Friedrichshain zugewiesen. Hedi Gutmann lebte dort bis 1967 und starb 1972 in einem Altersheim in Berlin.
Brechts Tod
Nach seinen zwei großen Werken Mutter Courage (1949) und Der kaukasische Kreidekreis (1954) - beide mit der Musik von Paul Dessau - wollte Brecht nun 1956 die Aufführung eines weiteren, im Exil geschriebenen Stückes, Leben des Galilei vorantreiben und im Berliner Ensemble inszenieren. Für die Hauptrolle wurde Ernst Busch gewonnen und im Frühjahr mit den Proben begonnen. Gleichzeitig wurde eine Aufführung dieses Stückes in der Wiener Scala für Juni desselben Jahres angekündigt, die Titelrolle wurde an Karl Paryla vergeben. Eisler übernahm an beiden Produktionen die musikalische Leitung und begann im April die Aufnahmen mit dem Leipziger Thomanerchor.
Anfang Mai unterbrach Brecht die Proben, um die Folgen einer Virusgrippe in der Berliner Charité auszukurieren. Eisler fuhr für die Proben nach Wien. Die Premiere des Stücks in der Scala Wien war am 9. Juni 1956, es war dies auch die letzte in diesem Theater, denn es geriet in die kulturpolitischen Auseinandersetzungen nach dem österreichischen Staatvertrag. Mit dem Abzug der sowjetischen Besatzungstruppen und es Ende Juni endgültig geschlossen, da die Gemeinde Wien den Pachtvertrag nicht mehr verlängerte[44].
Eisler kehrte nach Berlin zurück und musste feststellen, dass Brecht zwar aus der Charité entlassen, aber nicht genesen war. Man traf sich in seinem Haus in Buckow, um unter anderem über eine Aufführung der Commune in Karl-Marx-Stadt zu sprechen. Eisler war es klar, dass Brecht ernsthaft krank war und schrieb ihm am 9. August den letzten Brief in dem er ihn „als Kommunist“ aufforderte, seine Arbeit vorerst gänzlich zu unterbrechen und ihm beteuerte, dass er unersetzbar sei[45]. Fünf Tage später starb Brecht im Alter von 58 Jahren. Die geplante Aufführung des Leben des Galilei in Berlin fand erst am 15. Jänner statt, die Regie übernahm anstelle von Brecht Erich Engel, der schon 1928 Regie bei der Uraufführung der Dreigroschenoper führte.
Brechts Tod bedeutete für Eisler einerseits eine tiefe, persönliche Verzweiflung, andererseits aber auch eine Verpflichtung, offene, zuvor noch besprochene Projekte weiterzuführen. Im gleichen und dem folgenden Jahr entstanden vier große Arbeiten. Für das Projekt: Schwejk im zweiten Weltkrieg, geschrieben 1943 im amerikanischen Exil, hatte ihn Brecht für eine im Jänner geplante Uraufführung im Warschauer Theater der polnischen Armee Brecht um die Bühnenmusik gebeten, welche Eisler bereits im Juni 1956 in Angriff genommen hatte und Brecht schon in Teilen vorspielen konnte. Die endgültige Fassung der Schweyk-Musik war erst im Jahr 1961 fertiggestellt.
Darüber hinaus entstanden die Kantaten Die Teppichweber von Kujan-Bulak für Mezzosopran und Orchester, die Legende von der Entstehung des Buches Taoteking auf dem Weg des Laotse in die Emigration für Gesang und Klavier. Als letztes dieser vier Werke entstand im Herbst 1957 Bilder aus der Kriegsfibel für Soli, Männerchor und Orchester.
Zweiter Brecht-Boykott in der Bundesrepublik
Schon 1953 kam es zu einem Boykott von Brecht-Stücken auf bundesdeutschen Bühnen, weiters 1957 zu einer zweiten Welle, die dazu führte, dass viele Bühnen in Deutschland vereinbarte Brecht-Premieren absagten. Die Uraufführung von Die Gesichte der Simone Marchard am 8. März war allerdings ein großer Erfolg, der auch in den Kritiken gewürdigt wurde.[46]
Der damalige deutsche Außenminister Heinrich von Brentano äußerte sich in einer Bundestagsrede am 9. Mai folgendermaßen: Die Dramen Brechts stellen keinen sinnvollen Ausdruck deutschen Kulturgutes dar […], die späte Lyrik Brechts lässt sich eher mit der Horst Wessels vergleichen. Eisler entgegnete:
„Aber Brentano!
Was haben Sie jetzt schon wieder gegen Ihren Horst Wessel? Wie oft haben Sie doch sein Lied gesungen, sie alter Uralstürmer, Sie, mit Erschütterung und ewiger Treue für den Führer bis auf weiteres! Und jetzt vergleichen Sie ihren Lieblingsdichter mit dem berüchtigten Kommunisten Brecht?
Was wird Globke sagen? Was Bräutigam? Was Speidel?
Was die hohen Beamten, Offiziere und SS-Kameradschaftsverbände? Was wird Sepp Dietrich sagen? (Er wird doch so leicht aufbrausend!) Sie können doch Ihren Freunden und engsten Mitarbeitern nicht einfach ins Gesicht spucken!
Korrigieren Sie sich, Brentano, korrigieren Sie sich. In der nächsten Bundestagsdebatte erklären Sie:»Selbstverständlich lag es mir fern, das Andenken an Horst Wessel durch den Vergleich mit dem berüchtigten Kommunisten Brecht zu verunglimpfen!«
Machen Sie das rasch, Brentano, bevor Ihnen Ihre Mannen sie davonjagen.“
Die letzten Jahre (1957–1962)
Wichtig für Eisler war, dass sich Stephanie Wolff entschloss, von Wien nach Berlin zu übersiedeln. Es war für ihn ein persönlicher Neuanfang.
Eisler lernte zu dieser Zeit Gisela May bei einer Brecht-Matinee des Deutschen Theaters im Februar 1957 kennen. Sie war kurzfristig für eine erkrankte Kollegin eingesprungen und war so überzeugend, dass er spontan hinter die Bühne ging um ihr zu gratulieren. Darauf folgte eine intensive Zusammenarbeit der Beiden. Ebenso im selben Jahr mit der Sopranistin Irmgard Arnold, die damals bei der Komischen Oper engagiert war. Das Ergebnis dieser Arbeiten waren mehrere Schallplatten, welche gemeinsam mit May und Arnold produziert wurden. Eisler brachte damals Andre Asriel mit Irmgard Arnold zusammen, wobei Asriel ihr ständiger Klavierbegleiter wurde. Im Spätherbst 1956 begann auch Ernst Busch wieder zu singen, welches das Ende einer jahrelangen, erzwungenen Pause durch die DDR-Kulturbürokratie bedeutete. Im Jänner 1957 sang Busch bei einer Tucholsky-Matinee neben fünf neuvertonten Tucholsky-Texten (Einkäufe, Ideal und Wirklichkeit, Frohe Erwartung, Der Smokingmann und Weihnachten 1918) auch einige Vertonungen aus den 1930er-Jahren.
1949 hatte sich Eisler zum Thema Kampflieder dahingehend geäußert, dass man für einige Zeit Vorsicht walten lassen müsse. Für das von Wolfgang Langhoff am Deutschen Theater inszenierten sowjetischen Revolutionsstück Sturm von Wladimier Bill-Bjelozerkowski mit Ernst Busch in der Hauptrolle bereitete Eisler unter anderem auch drei Majakowski-Lieder in echter „Kampfliedmanier“ vor. Dazu auch noch acht Instrumentalstücke.[48] Die Premiere am 3. Dezember 1957 war ein großer Erfolg.
Für Ernst Busch war es aber auch gleichzeitig die letzte Theaterrolle die er übernahm, da er immer wieder erkrankte. Er widmete sich fortan nur mehr seinen Plattenproduktionen.
Filmusiken
Eisler bekam 1956 den Auftrag, die Filmusik zu einem französisch/ostdeutschen Film:Die Hexen von Salem zu machen. Es war eine Verfilmung des Dramas Hexenjagd von Artur Miller. Das Drehbuch schrieb Jean Paul Sartre, Regie führte Raymond Rouleau. Eisler komponierte diese reine Instrumentalmusik im März 1957 in Paris.
1958 folgte die Musik für den Film:Geschwader Fledermaus in der Regie von Erich Engel und Ende 1959 die Musik für die Verfilmung des Balzac-Stücks Trübe Wasser, ebenfalls eine französisch/ostdeutsche Gemeinschaftsproduktion in der Regie von Louis Daquin), den Eisler noch aus Wien kannte. Dazu kamen Musiken für verschiedene Fernsehspiele des Deutschen Fernsehfunks in Ostberlin.
Das Leben in Niederschönhausen
Am 26. Juni 1958, kurz vor seinem 60. Geburtstag, heirateten Eisler und Stephanie Wolf in Berlin. Das Haus in der Pfeilgasse füllte sich wieder mit Freunden, die politische Rehabilitierung seines Bruder Gerhard erfolgte bereits 1956. Mit Ende 1958 kam auch ein neuer Gast, Wolf Biermann öfters nach Niederschönhausen. Er war zu diesem Zeitpunkt Assistent beim Berliner Ensemble und verfasste zu dieser Zeit gerade seine ersten Lieder. Nach dem Tod Eislers verfasste Biermann das Gedicht: Hanns Eisler oder die Anatomie einer Kugel. Biermann selbst hat Eisler als seinen Lehrer bezeichnet. Ebenso Gäste waren Arnold Zweig und Ernst Busch, diese waren direkte Nachbarn sowie der junge Dramatiker Heiner Müller, Hans Bunge und Nathan Notowicz. Den geistreichen Abenden und dem beißenden Humor Eislers verdankte er auch seinen Ruf als lustige und witzige Person. Seine geistreichen Sprüche füllen ein eigenes Buch.[49]
Die letzten Arbeiten
Am 22. Mai 1959 kam es zur westdeutschen Erstaufführung von Schweyk im Zweiten Weltkrieg in Frankfurt am Main, die ein herausragender Erfolg war. Zu dieser Zeit forderte Ernst Busch für ein Plattenprojekt von Eisler Vertonungen von Tucholskytexten, insgesamt entstanden in dieser Zeit 37 Lieder, womit Eisler als Komponist wohl die meisten Vertonungen von Tucholsky gemacht hat. Neben dem Hollywooder Liederbuch ist das seine zweite umfangreiche Liedsammlung. Schon zuvor kam es am 22. November 1958 zur Uraufführung des schon zwanzig Jahre zuvor mit Brecht in Dänemark fertiggestellten Lenin-Requiem und am 24. April 1959 in der Deutschen Staatsoper die Uraufführung der Deutschen Sinfonie. Vor dem Konzert wurden Bilder von verzweifelten und erfrierenden deutschen Wehrmachtssoldaten in Stalingrad gezeigt, zusammen in einem Epilog mit der Kantate: Bilder aus der Kriegsfibel - Seht unsere Söhne blutbefleckt. Der nach Großbritannien emigrierte Walter Goehr dirigierte das Sonderkonzert der DDR-Staatskapelle.
Auf die Frage von Freunden, wie es ihm gehe, antwortete Eisler: Ich weiss es nicht, ich habe zuviel zu tun um darüber nachzudenken. Also gut.[50] Allerdings war Eisler ein starker Raucher und fühlte sich immer wieder erschöpft. Das hinderte ihn jedoch nicht, 1959 zu ausgedehnten Arbeitsreisen nach Paris (Fertigstellung von Trübe Wasser) und nach Vevey zu fahren. Dort überbrachte er im Auftrag der Akademie der Künste Charles Chaplin die Ernennungsurkunde zum Korrespondierenden Mitglied. Dies war die erste Begegnung mit ihm seit seinem Exil in den USA. Zuvor war er noch mit Gisela May und Ernst Busch sowie dem Ensemble des Deutschen Theaters für die Aufführung einer Brecht-Matinee in London.
Im Februar 1960 erlitt Eisler in Wien einen Herzinfarkt der ihn für drei Monate an das Krankenbett fesselte und kehrte im Juni mit Stephanie nach Berlin zurück. Die erste Arbeit nach der Rückkehr war die Vertonung von Brechts Gedicht: der Pflaumenbaum, welche er Michèle, der Tochter von Stephanie und ihrem Mann Matthias Langhoff widmete.
Zwei große Auftragswerke warteten auf Eisler, der sich jedoch sehr schonen mußte: Eine Sinfonie für das Leipziger Gewandhausorchester kam aber über erste Skizzen nicht hinaus, eine Opernfassung von Brechts Turandot-Stück für die Deutsche Staatsoper konnte er gar nicht mehr beginnen. Anfang 1961 unternahm er mit seiner Frau eine Genesungsreise in die Schweiz und nach Italien.
Eisler Haltung zum Mauerbau
Mit dem Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 begann auch gleichzeitig die „dritte Welle“ des Brecht-Boykotts in der BRD. Eisler erläuterte, in einem in der Weltbühne abgedruckten Brief, seine Position und kritisierte den offenen Brief an die Schriftsteller der DDR von Günter Grass und Wolfdietrich Schnurre.
„Herr Grass (ernsthaft gesprochen), so geht das nicht. Wir können uns nicht gegenseitig unser politisches Verhalten vorschreiben, obwohl es (nicht unamüsant) vielleicht nützlich wäre, (wenn ich Ihnen vorschriebe, vorschlüge) Ihnen vorzuschlagen, was Sie grad jetzt in der Bundesrepublik machen (sollen) sollten. Ich hätte da einige Ideen.“
Eisler forderte im Gegenzug eine ernsthafte Debatte ein, zu der es aber, schon aufgrund angespannten Situation, nicht mehr kam.
Ernste Gesänge
Ende August fuhr Eisler nach Paris und Lyon um bei der französischen Erstaufführung und musikalischen Ergänzung von Schweyk im zweiten Weltkrieg dabeizusein. Anfang 1962 waren sie wiederum - gemeinsam mit seinem Sohn Georg - in London zur britischen Erstaufführung der Deutschen Sinfonie mit dem Royal Philharmonic Orchestra. Georg Eisler beschreibt hier erstmals, wie sein Vater bereits sein Ende vor sich sieht. Den großen Erfolg kommentiert er mit den Worten: Es kommt zu spät.
Trotzdem raffte sich Eisler auf und schrieb, zurück in Berlin, die Bühnenmusik für Schillers Wilhelm Tell am Deutschen Theater in der Inszenierung von Wolfgang Langhoff, welches am 19. März 1962 Premiere hatte.
Die letzte fertiggestellte Arbeit von Eisler war der Zyklus: Ernste Gesänge für Bariton und Streichorchester. Wie Eisler sagte: ein Vorspruch und sieben Gesänge. Vier der acht Texte dazu verwendeten Texte stammen von Friedrich Hölderlin, je einer von Berthold Viertel, Giacomo Leopardi, Helmut Richter und Stephan Hermlin. Diese Arbeit ist dadurch charakterisiert, dass in feinster Art Schönbergs und Ansätze von Zwölftontechnik für jedes einzelne Stück eigengestaltlich präsentiert wird. Auch die Auswahl der Text ist eine persönliche Aufarbeitung (Traurigkeit (Chanson allemagne (1953), Asyl), seine Reaktion auf den XX. Parteitag mit einigen Zeilen aus einem Gedicht von Helmut Richter: Leben ohne Angst zu haben drückt er seine Hoffnung auf eine menschliche Perspektive des Kommunismus aus. Es ist ein Vermächtnis und muss als Mahnung verstanden werden.

„Der Sänger möge sich bemühen, durchweg (sic!) freundlich, höflich und leicht zu singen. Es kommt nicht auf sein Innenleben an, sondern er möge sich bemühen, den Hörern die Inhalte eher zu referieren als auszudrücken. Dabei muss künstliche Kälte, falsche Objektivität, Ausdruckslosigkeit vermieden werden, denn auf den Sänger kommt es schließlich an.“
Diese Kompositionszusammenstellung war seine letzte Arbeit, die Uraufführung fand erst am 6. September 1963 statt.
Drei Wochen später, am 6. September 1962 starb Hanns Eisler in Berlin an einem Herzanfall. Er wurde am Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin-Mitte in der Nähe von Bertolt Brecht und Helene Weigel beigesetzt.
Musikalisches Schaffen (Zusammenfassung)
Eisler schuf eine Reihe kammermusikalischer Kompositionen, in denen er sich immer wieder mit der Tradition des klassischen und romantischen Lieds auseinandersetzte, ohne selbst Romantiker zu sein. Mit gleicher Stärke widmete er sich der Arbeitermusikbewegung, etwa in Massenliedern, wie dem 1932 im Angesicht des heraufkommenden Faschismus entstandenen Solidaritätslied. 1933 bis 1948 verbrachte er sein Leben im Exil, zunächst in Österreich, dann in Frankreich, Spanien, den Niederlanden, Belgien, Großbritannien, Mexiko und zuletzt in Santa Monica, Kalifornien, USA. Dort verkehrte Eisler u. a. mit Bertolt Brecht, Lion Feuchtwanger, Alfred Döblin, Peter Lorre, Fritz Lang, Arnold Schönberg und Thomas Mann, den er übrigens zusammen mit Theodor W. Adorno bei dem Romanprojekt Doktor Faustus beriet. 1942 entstanden die Studie "Über Filmmusik" und weitere Arbeiten zur Musiktheorie mit Theodor W. Adorno.
Im Rahmen der "Kommunistenverfolgungen" während des Kalten Kriegs in den USA wurde Hanns Eisler wegen "unamerikanischer Umtriebe" angeklagt. So musste er die USA verlassen und kehrte 1948 nach Europa zurück, über Wien und Prag kam er schließlich nach Berlin in die damalige Sowjetische Besatzungszone (SBZ). 1949 schrieb er die Nationalhymne der DDR mit dem Titel Auferstanden aus Ruinen, zu welcher der spätere Kulturminister der DDR, Johannes R. Becher den Text verfasste.
Ebenso stammt die Vertonung der sogenannten Kinderhymne, „Anmut sparet nicht noch Mühe“, von ihm, welche im Gründungsjahr der DDR entstand. Von der Gründung der Deutsche Akademie der Künste 1950, zu deren Gründungsmitgliedern er zählte, bis zu seinem Tod 1962 arbeitete Eisler als Leiter der Meisterklassen für Komposition an der Akademie und als Kompositionslehrer an der Hochschule für Musik, die seit 1964 seinen Namen trägt, sowie als Dirigent.
Eisler schrieb zahlreiche Kammerstücke, Bühnenwerke und Orchesterstücke sowie eine große Anzahl von Liedern (u. a. zu Gedichten von Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Hölderlin und Bertolt Brecht). Er arbeitete - auf traditioneller Ebene der Kompositionspraxis seinem Lehrer Schönberg verbunden - mit den Traditionen der Wiener Klassik ebenso selbstverständlich wie mit denen der Moderne. Eine Reihe seiner Werke haben zudem Elemente und Strukturen osteuropäischer und jiddischer Volksmusik zum Gegenstand. Eisler war aus politischer Überzeugung und in seiner kompositorischen Praxis einer der bedeutendsten Künstler der Internationalen Arbeiterbewegung.
Werksverzeichnis
Siehe Hauptarktikel: Hanns Eisler-Werksverzeichnis
Literatur
Primärliteratur
- Hanns Eisler: Gesammelte Werke. Begründet von Nathan Notowicz, herausgegeben von Stephanie Eisler und Manfred Grabs im Auftrag der Akademie der Künste der Deutschen Demokratischen Republik, VEB Deutscher Verlag für Musik, Leipzig 1982
- Hanns Eisler: Musik und Politik, Schriften 1924-1948, Textkritische Ausgabe von Günter Mayer, VEB Deutscher Verlag für Musik, Leipzig 1985
- Hanns Eisler: Musik und Politik, Schriften 1948-1962, Textkritische Ausgabe von Günter Mayer, VEB Deutscher Verlag für Musik, Leipzig 1982
- Hanns Eisler: Gesammelte Werke, Gespräche mit Hans Bunge,„Fragen Sie mehr über Brecht“ Serie III Bd 7, VEB Deutscher Verlag für Musik, Leipzig 1975
- Theodor W. Adorno, Hanns Eisler, Komposition für den Film, Gesammelte Werke, Serie III, Bd. 4, VEB Deutscher Verlag für Musik, Leipzig sowie Roger & Bernhard GesmbH & Co, München 1969
- Nathan Notowicz: Wir reden hier nicht von Napoleon. Wir reden von Ihnen! Hanns Eisler-Gerhart Eisler, Gespräche, Verlag Neue Musik Berlin, Hsg. Jürgen Elsner, 1971, Leipzig.
Sekundärliteratur
- Eric Bentley, Thirty Years of Treason, New York 1971
- David Blake (Hrsg.): Hanns Eisler - A Miscellany. Harwood Academic Publishers, Luxembourg 1995
- Christian Glanz: Hanns Eisler, Werk und Leben, Edition Steinbauer, Wien 2008
- Michael Haas und Wiebke Krohn (Hg.): Hanns Eisler: Mensch und Masse. Begleitpublikation zur Ausstellung des Jüdischen Museums Wien vom 25. Februar bis 12. Juli 2009. Holzhausen, Wien 2009. ISBN 3-901398-03-1
- Hartmut Keil (Hrsg.), Sind Sie, oder waren Sie Mitglied? Verhörprotokolle über unamerikanische Aktivitäten 1947-1956, Reinbek, 1979,
- Maren Köster (Hrsg.): Hanns Eisler - 's müßt dem Himmel Höllenangst werden. Ersch. in der Reihe "Archive zur Musik des 20. Jahrhunderts", Band 3, Im Auftrag der Stiftung Archiv der Akademie der Künste, Wolke Verlag, Hofheim 1998, ISBN 3-923997-83-3
- Thomas Phleps: „… ich kann mir gar nicht vorstellen etwas Schöneres“ – Das Exilschaffen Hanns Eislers. In: Musik und Musiker im Exil. Folgen des Nazismus für die internationale Musikkultur. Hg. v. Hanns-Werner Heister, Claudia Maurer-Zenck u. Peter Petersen. Frankfurt/M.: Fischer 1993, S. 475–511.
- Jürgen Schebera: Eisler - eine Biographie in Texten, Bildern und Dokumenten. Schott-Verlag, 1998
- Jürgen Schebera: Hanns Eisler in USA-Exil, Akademie Verlag Berlin, 1978, Akademie der Wissenschaften der DDR, Zentralinstitut für Literaturgeschichte.
Siehe auch
Weblinks
- Vorlage:PND
- Vorlage:DM
- - Filmdokumentation Eisler in Berlin
- Eisler Biografie
- Internationale Hanns Eisler Gesellschaft
- EislerMusic.com
- FBI-Akten über Hanns Eisler (englisch)
Einzelnachweise
- ↑ Obwohl er sich nur in offiziellen Anträgen zu seiner österreichischen Nationalität bekannte, gab Eisler seine österreichische Staatsbürgerschaft nie ab. Über Zugehörigkeitsgefühle zu einem Staat oder einer Stadt äußerte er sich stets ausweichend. Vgl. Haas/Krohn (Hg.): Hanns Eisler: Mensch und Masse.
- ↑ Selbstbiografie II, HEGW, III/2, S. 363
- ↑ Alfred Roth, Das nationalsozialistische Massenlied Untersuchungen zur Genese, Ideologie und Funktion, 1993, Köönigshausen & Neumann (Würzburg)
- ↑ HEGW III/1 S. 395
- ↑ HEGW III 1, S. 395f
- ↑ Jürgen Schebera: Musiker im USA-Exil S. 363 ff
- ↑ Joachim Schumacher: Erinnerungen an Hanns Eisler in Musik und Gesellschaft, Berlin/DDR, Heft 10 1977
- ↑ HEGW III, 3, S. 326
- ↑ Adorno in: T. W. Adorno/H.Eisler, Komposition für den Film VEB Deutscher Verlag für Musik 1977, S. 9
- ↑ Wolfgang Hufschmiedt: Willst Du meinen Lieder meine Leier drehn? Zur musikalischen Semantik Schuberts Winterreise und Eislers Hollywooder Liederbuch. Dortmund 1986
- ↑ Paul Dessau komponierte 1943-47 gemeinsam mit Brecht sein großes Oratorium Deutsches Miserere für gemischten Chor, Kinderchor, Soli, großes Orchester, Orgel und Trautonium, welches am 20. September 1966 im Rahmen der "Tage zeitgenössischer Musik" und des Internationalen Musikwissenschaftlichen Kongresses der Gesellschaft für Musikforschung in Leipzig unter der Leitung von Herbert Kegel uraufgeführt wurde. Die erst dritte Aufführung des Werkes war dann die westdeutsche Erstaufführung in der Musikhalle Hamburg am 1. September 1989, genau 50 Jahre nach Kriegsbeginn.
- ↑ FBI-Akte von Eisler. / aus Alexander Stephan, Im Visier des FBI, Deutsche Exilschriftsteller in den Akten amerikanischer Geheimdienste, Stuttgart, 1995
- ↑ Hans Eisler Archiv (HEA), undatierter Brief aus 1945
- ↑ HUAC-Verhörprotokoll von Louis Budenz
- ↑ Brief vom 27.4. 1944 an Hanns und Lou Eisler, veröffentlich und zit. aus dem Nachlass von Ruth Fischer, Auszüge im HUAC Verhörprotoll
- ↑ Schebera S. 189
- ↑ Kopie dieses Briefes im Hanns Eisler Archiv (HEA)
- ↑ Verhörprotokoll: Hanns Eisler vor dem „Ausschuß zur Untersuchung unamerikanischer Tätigkeiten“ in: Jürgen Schebera, Hanns Eisel im USA-Exil, S. 141-201
- ↑ Nachwort zu: Theodor W. Adorno/Hanns Eisler, Komposition für den Film, München 1969, S. 213
- ↑ Georg Eisler, Skizzen
- ↑ Schebera, S. 222
- ↑ Peter Mertz, Und das wurde nicht ihr Staat. Erfahrungen emigrierter Schriftsteller mit Westdeutschland, München 1985
- ↑ Schebera, S 229
- ↑ Brecht, Arbeitsjournal Bd. 2
- ↑ Hans Bunge, Die Debatte um Hanns Eislers "Johann Faustus", Berlin 1991, S. 91 ff.
- ↑ Deborah Vietor-Engländer, Faust in der DDR, Frankfurt 1987, S. 154.
- ↑ Hanns Eisler, Notizen zu Dr. Faustus
- ↑ Hanns Eisler, Schriften 1948-1962. Berlin/DDR, 1982. S. 132ff.
- ↑ HEGW II, S. 16
- ↑ Knut Mellentin: Ein wahrhafte und erschröckliche Geschicht-Der Streit um Eislers Faust-Entwurf 1953
- ↑ Bunge: Die Debatte um Hanns Eislers „Johann Faustus“, S. 354
- ↑ Diese Debatte erinnert an einen der üblichen Editwars in der Wikipedia mit diversen bekannten Proponenten (der Autor)
- ↑ Walter Ulbricht: Zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Band 4, Berlin/DDR 1954, S. 604
- ↑ HEGW III/2, S. 302 f
- ↑ HEGW III 2, S. 309
- ↑ Kopie des Briefes im HEA
- ↑ Brecht Briefe, S. 722f
- ↑ Hans Mayer anlässlich der Gründung der internationalen Hanns Eisler Gesellschaft November 1994
- ↑ Sinn und Form, 7. Jg., Nr. 1, S. 5-15
- ↑ Musik und Gesellschaft, Heft 11, Nov. 1955
- ↑ Tagebucheintragung: Variationen: Ich habe mich an ihr sittlich vergangen/Ich habe sie sittlich angefaßt/Ich habe mich leider sittlich gegen sie betragen, HEGW III/2, S. 310
- ↑ Christina Gerhardt, Seminararbeit: Der Filmbeitrag ′Nuit et Brouillard′ für die Filmfestspiele in Cannes 1956, Universität Mannheim
- ↑ Andrew Hebard: Disruptive Histories: Toward a Radical Politics of Remembrance in Alain Resnais’s Night and Fog, S. 87. ff
- ↑ Palm: Vom Boykott zur Anerkennung S. 132
- ↑ handschriftlicher Briefentwurf HEW.
- ↑ Frankfurter Rundschau, 11. März 1957, zit. nach: Monika Wyss, Brecht in der Kritik. Rezensionen aller Brecht-Uraufführungen, München 1977, S 349
- ↑ Neues Deutschland (Berliner Ausgabe), 12. Jg. Nr 112
- ↑ Schebera, S. 266
- ↑ Hans Peter Müller: Ein Genie bin ich selber, Hanns Eisler in Anekdoten, Aphorismen und Aussprüchen, Berlin 1984
- ↑ HEGW III 2, S. 399
Personendaten | |
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NAME | Eisler, Hanns |
KURZBESCHREIBUNG | österreichischer Komponist |
GEBURTSDATUM | 6. Juli 1898 |
GEBURTSORT | Leipzig |
STERBEDATUM | 6. September 1962 |
STERBEORT | Berlin |