Rechtsextremismus und Esoterik
Rechte Esoterik ist eine Sammelbezeichnung für weltanschauliche Lehren und Praktiken, die in verschiedenen Ausprägungen die Vorstellung übersinnlicher Phänomene mit völkischem Gedankengut verbinden. Weitgehend synonym oder für Teilbereiche verwendet werden Begriffe wie braune bzw. NS-Esoterik, braune Magie oder okkulte Wurzeln des Nationalsozialismus.
Begriffe und Überblick
Westliche Esoterik wird oft in einem weiten, nicht scharf abgrenzbaren Sinn für unterschiedliche Lehren und Praktiken der Neuzeit gebraucht, insofern sie außerhalb der traditionellen Religionen stehen. Eng damit verwandt ist der Begriff des Okkultismus. Esoterischer Okkultismus bezeichnet weltanschauliche Systeme wie Theosophie oder die Rosenkreuzer-Gemeinschaft. Beim empirischen Okkultismus stehen Ufos, spiritistische Praktiken sowie paranormale oder magische Techniken im Vordergrund.[1] New Age ist ein Phänomen des letzten Drittels des 20. Jahrhunderts, das wesentlich durch Esoterik geprägt war.
Der Begriff "Rechte Esoterik" ist nicht klar umrissen und wissenschaftlich nicht etabliert. Er wird beispielsweise im Umfeld des Verfassungsschutzes verwendet, um die Verbindung von Heils- und Weltanschauungslehren mit rechtsextremistischer Ideologie zu beschreiben.[2] Zudem können unter dem Überbegriff einer Reihe von Forschungsansätzen subsummiert werden, die gezielt nach Schnittmengen von Mystik und politischer Reaktion fragen. Als politisch oder ideologisch rechts werden somit im Umfeld des Staats- und Verfassungsschutzes esoterische Weltanschauungen bewertet, wenn sie etwa mit Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus, Völkischem, Ethnopluralismus, Sozialdarwinismus oder Biologismus verbunden werden beziehungsweise diese politischen Ideologien und Konzepte als „natürliche“ Konsequenz aus der zugrunde gelegten esoterischen Weltauffassung auffassen. Allerdings wird dabei eine auf eine geringe Trennschärfe hingewiesen. Nicht alles, was in diesem Zusammenhang untersucht werde, sei tatsächlich dem politischen Extremismus zuzuordnen.
Der Journalist Stefan Meining (Redakteur der ARD) begreift „Rechte Esoterik” in enger Anlehnung an einen Definitionsversuch aus dem Bundesministerium des Innern[3] als „Sammelbezeichnung für weltanschauliche Richtungen und Praktiken [...], die sich in den verschiedensten Ausprägungen durch übersinnliche Erleuchtung, Geheimwissen, Gruppen- und Elitebewußtsein auszeichnen und in ihren Schriften antiaufklärerische Erklärungsmuster mit kruden Weltverschwörungsthesen vermengen.”[4] Dazu sollen religiöse Gruppierungen mit christlichen oder muslimischen Einschlag genauso zählen wie esoterische Politzirkel.
Inhaltliche und methodische Gemeinsamkeiten bestimmter esoterischer Richtungen mit rechtsextremistischen Ideologien werden beschrieben, auf historische wie aktuelle Personen und Organisationen wird verwiesen. Vereinzelt werden Bezüge zu allgemeinen mythologischen oder religiösen Aspekten des Faschismus dargestellt. Nicht thematisiert werden spekulative Bücher wie die von Louis Pauwels und Jacques Bergiers Le Matin des Magiciens (1960), die den Nationalsozialismus als neugnostische oder östliche Religion mystifizieren, dämonisieren und enthistorisieren[5], sowie Filme wie Indiana Jones und Computerspiele.
Anfänge
Esoterik und völkisches Gedankengut haben einige gemeinsame Wurzeln im 18. und 19. Jahrhundert. Die Suche nach einer nationalen Identität führte in den deutschen Ländern auf dem Weg zum deutschen Nationalstaat zum Konstrukt einer idealisierten Vergangenheit, dem Geschichtsmythos des Germanentums. Der Arminiuskult wurde zum wesentlichen Baustein für den deutschen Gründungsmythos.[6]
Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts floss esoterisches Gedankengut in die völkische Ideologie ein. Anhänger des Neuheidentums suchten in Deutschland nach den Ursprüngen des Asenglaubens, im englischen Sprachraum nach keltischen Wurzeln. Antoine Faivre bezeichnet den Okkultismus als eine „Gegenströmung zu der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts triumphierenden Wissenschaftsgläubigkeit”. Diese Gegenströmung betrachtet sich laut Faivre jedoch selbst als zur Moderne gehörig; sie sei insofern als eine neue Antwort der mit sich selbst konfrontierten Moderne anzusehen. Die Okkultisten erkannten im Allgemeinen den wissenschaftlichen Fortschritt an, versuchten jedoch dem daraus resultierenden Materialismus eine Alternative entgegenzustellen.[7] Bei manchen dieser subkulturell orientierten Strömungen und Gruppierungen schlug dies in ein vernunftfeindliches und gegenaufklärerisches Weltbild um.
1900–1945
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden so genannte okkulte Logen als Gegenbewegung zu den aufklärerischen Freimaurern gegründet. Manche völkische Gruppierungen integrierten okkulte Vorstellungen, andererseits war bei den unterschiedlichen esoterischen Richtungen nationalistisches oder antisemitisches Gedankengut unterschiedlich stark vertreten. Der völkische Okkultismus ist nur eine der zahlreichen Spielarten des Okkultismus.
Theosophie und Ariosophie
Auf Helena Petrovna Blavatsky geht die Theosophische Gesellschaft zurück. Ihre Lehre von den Wurzelrassen beschreibt die derzeitige Entwicklungsstufe der Menschheit mit dem Begriff Arier.[8] Diese Vorstellungen machten Blavatskys Lehre anschlussfähig für rassenideologische Interpretationen, wie die Ariosophie Guido von Lists und Jörg Lanz von Liebenfels'.
Die „Leistung“ der Ariosophen bestand darin den „völkischen Okkultismus“ begründet zu haben, indem sie Nationalismus und Rassismus mit okkulten Begriffen aus der Theosophie verbanden. Dem Okkultismus kam dabei die Rolle einer „geheiligten Legitimation“ ihrer grundlegenden Ablehnung gegenüber der Moderne und des Materialismus zu. Die Theosophie bot eine ganzheitlich-universelle Vision der Welt und ihrer Geschichte und bot gegenüber einer christlichen Perspektive ein anziehendes Konglomerat aus exotischen Religionen, Mythologie und esoterischen Lehren die mit populären Spekulationen über germanischen Glauben, Brauchtum und Identität kompatibel waren. Gegenüber dem verschmähten zeitgenössischen Katholizismus „empfahl sich die Theosophie als Programm eines religiösen Glaubens, der das Christentum zugunsten einer Melange aus mystischen Traditionen und pseudowissenschaftlichen Hypothesen negierte“, welcher darüber hinaus mit den damals aktuellen Forschungen der Anthrophologie, Etymologie und Kulturgeschichte verbunden werden konnte. Die gesamte Struktur okkult-theosophischen Denkens bot sich dabei aufgrund ihres unbeschränkten Elitismus und der übermenschlichen Weisheit der „verborgenen“ Wissensquellen und einer hierarchischen (Sozial-)Ordnung an ins Völkische übernommen zu werden. Sie bot eine „religiöse Mystik und ein universales Grundprinzip für die politische Haltung“ für den insgesamt kleinen Sektiererkreis der Ariosophen.[9]
Damit reagierten diese im Zusammenhang der völkischen Bewegung auch auf eine weitverbreitete Unsicherheit in Österreich-Ungarn, angesichts von deutschem und slawischem Nationalismus, Industrialisierung und Verstädterung. „Ihre Schriften beschrieben ein vorgeschichtliches, Goldenes Zeitalter, in dem weise, gnostische Priesterschaften okkult-rassistische Lehren verkündeten und über eine überlegene, rassisch reine Gesellschaft herrschten.“[10] Dies lokalisierten sie in Atlantis, Thule oder Hyperborea.
Großen Einfluss hatte Blavatsky auf Rudolf Steiner, der von 1902 bis 1913 die deutsche Sektion der Theosophischen Gesellschaft (Adyar) leitete und dabei anfangs stark auf Blavatskys Lehren Bezug nahm (siehe Aus der Akasha-Chronik).
Ebenfalls in Verbindung mit der Theosophie sowie mit Rudolf Steiner stand der Esoteriker Karl Heise (1872 bis 1939). Er war führendes Mitglied der Mazdaznan-Gemeinschaft Aryana in der Nähe Zürichs, verfasste mehrere esoterisch begründete, rassistische Schriften und bekämpfte die Freimauer.[11]
Germanenorden und Thule-Gesellschaft
Eine der okkulten Logen war der Germanenorden, der stark durch Guido von List beeinflusst war. Es herrschte die Überzeugung, dass aufgrund der Rassenmischung besonders mit Juden die Arier das Wissen um die magische Macht der Runen verloren hätten. Mitglieder gründeten 1918 die Thule-Gesellschaft für öffentliche politische Treffen. Unter anderem durch Gründung des bewaffneten „Kampfbundes Thule“ wurde die kommunistische Republik in München bekämpft. Am 9. September 1918, zwei Tage nach Ausbruch der Novemberrevolution in Bayern, hielt der Gründer der Thule-Gesellschaft Rudolf von Sebottendorf eine Rede, die esoterische Symbole und Mythen mit Aufruf zu politischem Kampf verband:[12]
„Wir erlebten gestern den Zusammenbruch alles dessen, was uns vertraut, was uns lieb und wert war. An Stelle unserer blutsverwandten Fürsten herrscht unser Todfeind: Juda. Was sich aus dem Chaos entwickeln wird, wissen wir noch nicht. Wir können es ahnen. Eine Zeit wird kommen des Kampfes, der bittersten Not, eine Zeit der Gefahr!... Solange ich hier den eisernen Hammer halte, bin ich gewillt, die Thule in diesem Kampf einzusetzen!... Unser Orden ist ein 'Germanenorden', germanisch ist die Treue. Unser Gott ist Walvater, seine Rune ist die Arrune. Und die Dreiheit: Wodan, Wili, We ist die Einheit der Dreiheit... Die Arrune bedeutet Arier, Urfeuer, Sonne, Adler. Und der Adler ist das Symbol der Arier. Um die Fähigkeit der Selbstverbrennung des Adlers zu bezeichnen, wurde er rot ausgeführt... Von heut ab ist der rote Adler unser Symbol, es soll uns mahnen, daß wir durch den Tod gehen müssen, um leben zu können.“
Ab 1919 gab es personelle Querverbindungen zur späteren Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP), und der Entwurf der Hakenkreuz-Fahne geht auf Friedrich Krohn, Mitglied des Germanenordens und der Thule-Gesellschaft, zurück.
NS-Ideologie, Mythologie und Okkultismus
In einer inzwischen klassischen Studie belegte Nicholas Goodrick-Clarke seine These, „daß die Phantastereien der Ariosophen nicht nur Symptome von Angst und kultureller Nostalgie waren, sondern ein zündender Funke für die ultimative Traumwelt des Dritten Reiches.“[13] Möglicherweise lernte Adolf Hitler 1907–1913 in Wien Lanz' Ideen über dessen Zeitschrift Ostara kennen; dieser berichtete sogar 1951 über einen Besuch Hitlers 1909. Einen Einfluss hatten sicherlich millennaristisch-apokalyptische, manichäische Motive des Kampfs der reinen arischen Rasse gegen eine Verschwörung antideutscher Interessen von Nichtariern, Juden oder der frühen Kirche.[14] Dies spiegelt sich in der Aufnahme des Begriffs Drittes Reich.
Die nationalsozialistische Ideologie griff an mehreren Stellen auf mythologische und magische Elemente zurück: nordische Mythologie, germanische Runen und keltische Symbole.[15] Der Reichsführer-SS und Reichsinnenminister Heinrich Himmler war ein bekennender Okkultist und Esoteriker, der sich für die Reinkarnation Heinrich I. (919-936) hielt. Er wollte die SS zu einem Orden nach Vorbild der Jesuiten zusammenschweißen. Sogenannte „okkulte Meditationen“ auf der Wewelsburg scheinen jedoch einfach nur feierliche Akte gewesen zu sein.[16] Der Ariosoph Karl Maria Wiligut entwarf den Totenkopfring der SS, befasste sich mit Runen, Heraldik und Symbolkunde und gab an, hellseherische Fähigkeiten zu besitzen. Er wurde jedoch 1939 aus der SS ausgeschlossen.
Der NS-Ideologe Alfred Rosenberg sah im Nationalsozialismus verschüttete, aber durch die Blutlinie unter der Oberfläche weitergegebene Ideale. Die ursprünglichen Germanen werden als "Gottmenschen" mit Zauberfähigkeiten angesehen, die durch die „Verstandeslehren“ der christlichen Kirche unter "Zurückdrängen des Gefühlslebens" verloren gegangen seien.[17] Im „Mythus des 20. Jahrhunderts“ konstruierte Rosenberg den politischen Mythos des untergegangenen Atlantis als Urheimat der „arischen Rasse“ und entwickelte entsprechende kultische Handlungen und Riten.
Solche Vorstellungen blieben jedoch weitgehend Privatsache, und Einflüsse okkulter Zirkel auf die praktische Machtpolitik der Nationalsozialisten gehören in das Gebiet der Legende. Die Ariosophie war mehr das frühe Symptom einer Geisteshaltung, die zu den politischen Doktrinen und Institutionen des Dritten Reichs führte.[18] Ihre grundlegenden Vertreter waren für Hitler bereits in Mein Kampf ein Haufen ineffektiver Wirrköpfe, und 1938 schloss er das Wirksamwerden der Neogermanen in der NSDAP ausdrücklich aus: „Das Einschleichen mythisch veranlagter okkulter Jenseitsforscher darf daher in der Partei nicht geduldet werden.“[19]
Esoterik und Neue Rechte
Eine Wiedergeburt erlebte die Esoterik mit der Hippie-Bewegung der 1960er Jahre. Viele ihrer Anhänger sahen sich im Wassermann-Zeitalter und hofften auf ein libertäres New Age. Seit den 1980er Jahren ist dabei eine Abkehr von den Zielen der 68er-Bewegung und eine Tendenz zu extremen politischen Positionen zu beobachten.[20] Eine Studie aus der Mitte der 1980er Jahre befand, dass rund ein Viertel der untersuchten esoterischen Gruppierungen im deutschsprachigen Raum rechtsradikal war oder mit dem rechtsextremen oder ariosophischen Lager sympathisierte.[21]

Über das New Age fanden neureligiöse Vorstellungen Eingang in die neuen sozialen Bewegungen. Ob auf einen direkten Zusammenhang von New-Age- mit rechtsextremistischen Strömungen geschlossen werden kann, ist in der Forschung strittig.[22] Grundsätzlich sind keineswegs alle Vertreter der im Folgenden genannten Gruppen der Neuen Rechten oder dem Rechtsextremismus zuzuordnen. Aufgrund der Organisationsform in Netzwerken gibt es lediglich mehr oder weniger große Schnittmengen, die beiden Lagern zugehören. Andreas Klump untersucht, inwieweit die Überwindung von Ideen der Aufklärung, Werten der kulturellen Moderne wie Demokratie oder ein elitäres Selbstverständnis gemeinsame Strukturelemente sind.[23]
Die Ideologie der esoterisch geprägten Neuen Rechten ersetzt den früheren Rassismus oft durch das Konzept des Ethnopluralismus. Ein Erkennungszeichen der rechtsesoterischen Szene ist die Schwarze Sonne.[24] Sie besteht aus zwölf in Ringform gefassten gespiegelten Sig-Runen.
Neuheidentum

[25]Wesentliches Element des Neopaganismus, oft auch als Asatru definiert, ist eine Rückwendung zu vor- und außerchristlichen Werthaltungen und Glaubensvorstellungen. Es werden etwa germanische, keltische, aber auch indianisch- oder sibirisch-schamanistische Rituale und Mythen gepflegt. Naturnähe und Orientierung am Jahreskreis ließen neuheidnische Vorstellungen auch für ökosozialistische, Friedens- oder Frauengruppen attraktiv werden, die z.T. betont antifaschistisch auftreten. Ein emanzipatorisches Interesse an Urkulturen zeigte sich bereits seit der Aufklärung und Romantik. Über die zunächst unpolitische Jugendbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts gelangte diese Tradition einerseits zur sozialistischen Jugend, andererseits zu den Nationalsozialisten, die einige der sozialistischen Rituale aus Propaganda-Gründen übernahmen (Beispiel Sonnwendfeier).
Am rechten Rand des Spektrums stehen in Deutschland einmal zersplitterte und z.T. im Verschwinden begriffene deutschgläubige Bewegungen, die auf völkische Religiosität und Rasselehren des 19. Jh. zurückgehen (Gobineau), etwa die „Deutschgläubige Gemeinschaft“, die „Nordische Glaubensgemeinschaft“ oder die „Artgemeinschaft“. Aktiver sind dem Neugermanentum entstammende, vor allem ariosophisch geprägte Gruppen. Auf von List und Lanz von Liebenfels berufen sich der Armanen- und Goden-Orden, und 1992 wurde die von Ludwig Fahrenkrog gegründete Germanische Glaubens-Gemeinschaft neu belebt. Ob diese als rechtsextrem einzustufen ist, ist umstritten.[26]
Neuere Asatru Vereinsgründungen, die sich ausdrücklich von Rassismus distanzieren, sind der „Verein für Germanisches Heidentum e.V.“ und der „Eldaring e.V.“. Diese Vereine bezeichnen sich als „parteipolitisch neutral“, bekennen sich zur „freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland“ und distanzieren sich von linkem und rechtem Extremismus.[27] [28] Die „Nornirs Æett“ sind eine links gerichtete, antifaschistische Gruppe, die gegen rechte und rassistische Tendenzen in der neuheidenischen Szene kämpfen und Aufklärungsarbeit leisten.[29] Diese Vereine verwenden germanische Symbole, z.B. Runen und Thorshammer, und somit besteht für Mitglieder dieser Vereine und Asatru insgesamt eine Gefahr, mit Rechtsextremisten verwechselt zu werden.
Viele der rechtsextremen Symbole und Zeichen bedienen sich aus dem Fundus vorgeblich uralter germanischen Mythen und Runen. Heute versuchen rechtsextreme Gruppierungen, so etwa die Zeitschrift „Hagal“ (vormals "Zeitenwende") um Sven Henkler, der Freundeskreis Ulrich von Hutten um Lisbeth Grolitsch oder das Thule-Seminar um Pierre Krebs, mit neuheidnischem Gedankengut für ihre Weltanschauung zu werben.[30]
Die Ideologie der Thule-Gesellschaft wurde 1980 wiederaufgenommen vom rechtsextremistischen Thule-Seminar. Den Namen übernahmen weitere rechtsextreme Gruppierungen im Internet wie das Thule-Netz in den 1990er Jahren, in deren Diskussionsforen neuheidnisches Gedankengut eine zentrale Rolle spielte.[31] Sommersonnenwende und Julfest sind Anlässe für rechtsextremistische Feiern.[32]
Weitere Beispiele für neuheidnische rechtsextreme Organisationen sind die Allgermanische Heidnische Front, der Armanen-Orden oder der Bund für Deutsche Gotterkenntnis. Veröffentlichungen von neuheidnisch-rechtsextremen Autoren erscheinen im Verlag von Sven Henkler, dem ehemaligen Herausgeber der Zeitschrift „Hagal“.[33]
Ökologie
Die Gedanken des Umweltschutzes gehen in Deutschland auf die Heimatschutzbewegung zurück. Im Nationalsozialismus waren die Themen Heimatschutz und Landwirtschaft ähnlich wie in der ersten Umweltbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts stark ideologisch und teilweise esoterisch geprägt.[34] Bis weit in die Nachkriegszeit hinein waren ökologische Themen in Deutschland auch mit völkischer Ideologie verknüpft.[35] Mit dem Entstehen der Alternativbewegung kam es in Deutschland zu einer zweiten, demokratischen Umweltbewegung[36] und zu einer Ökologisierung der Religion.[37] Ausgehend von einem biologistischen Menschenbild nahm ein Teil der Ökologiebewegung im Lauf der 1980er Jahre eine Entwicklung zum Rechtsextremismus.[38] Baldur Springmann verband ökologische Landwirtschaft mit Neuheidentum und neurechten Positionen und löste eine Debatte innerhalb der Ökologiebewegung aus. Er engagierte sich unter anderem im Weltbund zum Schutz des Lebens.[39][40]
Heilkunde
In neopaganen Gruppierungen wird eine „germanische Heilkunde“ propagiert, die mit Argumenten der Alternativmedizin für angeblich germanische Heilpraktiken wirbt.[41] Das Postulat einer germanischen Heilkunde geht auf die NS-Zeit zurück.[42] Als Gegenbewegung zur "jüdischen Schulmedizin" begründete der ehemalige Arzt Ryke Geerd Hamer auf fünf Biologischen Naturgesetzen die Germanische Neue Medizin.
Musik-Szene
Ein Agitationsfeld rechtsextremer Gruppierungen stellt die Musik der Metal-Szene mit ihren Subgenres Viking Metal und Pagan Metal dar. Division 28 (vormals „Blood an honour“) ist ein rechtsextremes Netzwerk, das Neonazi-Bands miteinander koordinieren und die nationalsozialistische Ideologie verbreiten will. Neuheidnische Strömungen finden sich im Neofolk und Teilen der Schwarzen Szene.[43]
Ufologie
Eine antisemitische Verschwörungstheorie steckt hinter der Ufologie im Gefolge Jan van Helsings. Danach seien in Deutschland angeblich ursprünglich „gute“ Außerirdische tätig gewesen, was die „Illuminati“ verhindern mussten. Das nationalsozialistische Deutschland sei am Ausbruch des 2. Weltkrieges unschuldig, sondern vielmehr Opfer einer Kriegstreiberei der jüdisch gelenkten Presse.[44]
Siehe auch
Literatur
- Klaus Bellmund/ Karel Siniveer: Kulte, Führer, Lichtgestalten. Esoterik als Mittel rechtsradikaler Propaganda, München 1997, ISBN 978-3426800850
- Franz-Josef Brüggemeier (Hg.), Jens Ivo Engels (Hg.): Natur- und Umweltschutz nach 1945. Konzepte, Konflikte, Kompetenzen, Frankfurt 2005, ISBN 978-3-593377315
- Nicholas Goodrick-Clarke: Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus. Marix Verlag, Wiesbaden 2004, ISBN 3-937715-48-7 (Neuauflage d. ersten deutschsprachigen Ausgabe von 1997)
- Nicholas Goodrick-Clarke: Im Schatten der Schwarzen Sonne. Arische Kulte, Esoterischer Nationalsozialismus und die Politik der Abgrenzung. Marix Verlag, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-86539-185-8
- René Freund: Braune Magie? Okkultismus, New Age und Nationalsozialismus. Picus, Wien 1995, ISBN 3-8542-271-1
- Heinz Gess: Die faschistische Ideologie und das New Age. Ideologische Kontinuitäten, Kassel 1998 Download als PDF
- Gugenberger, Eduard/Petri, Franko/Schweidlenka, Roman (1998): Weltverschwörungstheorien. Die neue Gefahr von rechts, Wien.
- Friedrich Paul Heller und Anton Maegerle: Thule. Vom völkischen Okkultismus bis zur neuen Rechten. Stuttgart, Schmetterling-Verlag, 1998, 2., erweiterte und aktualisierte Auflage, ISBN 3896570900.
- Friedrich Paul Heller und Anton Maegerle: Die Sprache des Hasses: Rechtsextremismus und völkische Esoterik: Jan van Helsing und Horst Mahler. Schmetterling-Verlag, Stuttgart 2001, ISBN 3896570919
- Franziska Hundseder: Wotans Jünger. Neuheidnische Gruppen zwischen Esoterik und Rechtsradikalismus, München 1998, S. 126-132
- Michael H. Kater: Das „Ahnenerbe“ der SS 1935-1945: Ein Beitrag zur Kulturpolitik des dritten Reiches. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2006, ISBN 978-3-486-57950-5.
- Heiko Kauffmann, Helmut Kellershohn, Jobst Paul (Hrsg.): Völkische Bande. Dekadenz und Wiedergeburt – Analysen rechter Ideologie. Unrast Verlag Münster, 2005, ISBN 3-89771-737-9
- Kirchmann, H. Biological Dynamic Farming - an Occult Form of Alternative Agriculture? In: Journal of Agricultural and Environmental Ethics (1994) 7: 173-187.
- Andreas Klump: Rechtsextremismus und Esoterik - Verbindungslinien, Erscheinungsformen, offene Fragen, Berlin 2001
- Thomas Pfeiffer: Die Kultur als Machtfrage: die Neue Rechte in Deutschland. Innenministerium des Landes NRW, Düsseldorf 2003 (PDF; 1,5 MB)
- Matthias Pöhlmann: Neues Denken auf alten Wegen? Braune Esoterik zwischen Weltverschwörungstheorien und Neuheidentum. Vortrag, gehalten am 7. Mai 2002 auf der Tagung „Neuheidentum. Zurück zu einem neuen Anfang“ der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, Berlin. (PDF; 0,2 MB)
- Martin Finkenberger/Horst Junginger (Hrsg.): Im Dienste der Lügen. Herbert Grabert (1901-1978) und seine Verlage. Aschaffenburg: Alibri-Verl., 2004. ISBN 3932710762.
- Ingo Wiwjorra: „Ex oriente lux“ - „Ex septentrione lux“. Über den Widerstreit zweier Identitätsmythen. In: Achim Leube / Morton Hegewisch (Hrsg.): Prähistorie und Nationalsozialismus. Die mittel- und osteuropäische Ur- und Frühgeschichtsforschung in den Jahren 1933-1945. Studien zur Wissenschafts- und Universitätsgeschichte 2 (Heidelberg 2002) 73-106. ISBN 3935025084.
- Karin Priester: Rassismus. Eine Sozialgeschichte. Reclam. Leipzig, 2003. ISBN 3-379-20076-X
- Joachim Radkau und Frank Uekötter (Hrsg.): Naturschutz und Nationalsozialismus, Frankfurt am Main 2003, Rezension, Deutschlandradio
- Victor und Victoria Trimondi: Hitler - Buddha - Krishna. Eine unheilige Allianz vom Dritten Reich bis heute. Verlag Ueberreuther, Wien 2002, ISBN 3800038870
- Iris Weber: Nation, Staat und Elite. Die Ideologie der Neuen Rechten. Papyrossa Verlags GmbH 1997, ISBN 3894381299
Weblinks
- Braune Esoterik bei Esowatch
- http://www.relinfo.ch/thule/info.html
- Stefan Meining: Rechte Esoterik in Deutschland. Ideenkonstrukte, Schnittstellen und Gefahrenpotentiale. Vortrag, gehalten am 3. September 2002 auf dem Symposium „Politischer Extremismus als Bedrohung der Freiheit – Rechtsextremismus und Islamismus in Deutschland und Thüringen“. (PDF; 0,2 MByte)
- Eine Reportage über braune Esoterik
Einzelnachweise
- ↑ Brockhaus-Enzyklopädie (30 Bd.), Art. Okkultismus; Leipzig / Mannheim 212006, ISBN 978-3-7653-4116-8
- ↑ Vgl. Stefan Meining: Rechte Esoterik in Deutschland. Ideenkonstrukte, Schnittstellen und Gefahrenpotentiale. Vortrag, gehalten am 3. September 2002 auf dem Symposium „Politischer Extremismus als Bedrohung der Freiheit – Rechtsextremismus und Islamismus in Deutschland und Thüringen“. (PDF; 0,2 MB), S. 1f. Meining betont jedoch: "Eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Definition des Begriffs 'rechte', 'braune' bzw. 'NS-Esoterik' liegt bislang nicht vor."
- ↑ Andreas Klump (Referent im Bundesministerium des Innern), Rechtsextremismus und Esoterik Verbindungslinien, Erscheinungsformen, offene Fragen, http://www.extremismus.com/texte/esorex.htm
- ↑ Stefan Meining: Rechte Esoterik in Deutschland. Ideenkonstrukte, Schnittstellen und Gefahrenpotentiale. (PDF; 0,2 MByte), S. 1f.
- ↑ Nicholas Goodrick-Clarke: Black Sun: Aryan Cults, Esoteric Nazism and the Politics of Identity. New York University Press, New York 2002, ISBN 0-8147-3124-4, S. 4
- ↑ Alexander Demandt: Arminius und die frühgermanische Staatenbildung. In: Rainer Wiegels, Winfried Woesler (Hrsg.): Arminius und die Varusschlacht. Schöningh, Paderborn/München/Wien/Zürich 1995, S. 185–196, ISBN 3-506-79751-4.
- ↑ Faivre, What is occultism?, in Lawrence E. Sullivan, Hidden Truths – Magic, Alchemy and the Occult, 1987, S. 3-9, 112
- ↑ Kocku von Stuckrad: Was ist Esoterik? Kleine Geschichte des geheimen Wissens, Beck, München 2004, ISBN 3-406-52173-8
- ↑ Nicholas Goodrick-Clarke: Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus; Graz 22000, S. 34. Erstausgabe The Occult Roots of Nazism, 1985
- ↑ Nicholas Goodrick-Clarke, ebd., S. 10, 175.
- ↑ Eli Götschel: Karl Heise (abger. 24.2.2009). S.a. Nicholas Goodrick-Clarke, ebd., S. 44f., 53f.
- ↑ Quelle für Zitat und gesamten Abschnitt: Nicholas Goodrick-Clarke, ebd., S. 126-134
- ↑ Nicholas Goodrick-Clarke, ebd., S. 13
- ↑ Nicholas Goodrick-Clarke, ebd., S. 10, 168f., 175
- ↑ René Freund: Braune Magie? Okkultismus, New Age und Nationalsozialismus. Picus, Wien 1995, ISBN 3-8542-271-1, S. 13 und S. 76ff.
- ↑ H. T. Hakl: Nationalsozialismus und Okkultismus. In: Nicholas Goodrick-Clarke, ebd., S. 197
- ↑ Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung
- ↑ Nicholas Goodrick-Clarke, ebd., S. 10, 175
- ↑ Adolf Hitler, Rede auf dem 10. Parteitag der NSDAP am 7.7.1938. Zit. nach Andreas Klump: Rechtsextremismus und Esoterik - Verbindungslinien, Erscheinungsformen, offene Fragen, Berlin 2001
- ↑ René Freund, S. 124.
- ↑ Eduard Gugenberger, Roman Schweidlenka: Mutter Erde, Magie und Politik. Zwischen Faschismus und neuer Gesellschaft, Wien 1987, S. 299.
- ↑ Thomas König sieht diesen Zusammenhang in seiner Dissertation als marginal an: "In addition, some German anti-fascists charge New Age with the revival of Aryan religion, which was sponsored by the Nazis", S. 141ff., S. 150
- ↑ Andreas Klump, a.a.O.
- ↑ Quelle: Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit in Nordrhein-Westfalen
- ↑ Dieser und folgender Abschnitt nach Brockhaus-Enzyklopädie, Art. Neuheidentum, a.a.O.
- ↑ Stefan von Hoyningen-Huene: Religiosität bei rechtsextrem orientierten Jugendlichen, Berlin/Hamburg/Münster 2003, S. 63 ordnet sie der rechten Szene zu. Die Anhänger selbst bestreiten die ideologische Nähe.
- ↑ http://www.eldaring.de/readarticle.php?article_id=6#V
- ↑ http://www.odinic-rite.de/
- ↑ http://www.nornirsaett.de/asatru-was-ist-nornirs-aett/
- ↑ Friedrich Paul Heller, Anton Maegerle: Thule. Vom völkischen Okkultismus bis zur Neuen Rechten. Schmetterling Verlag. Stuttgart, 1995. ISBN 3-89657-090-0.
- ↑ Burkhard Schröder: Neonazis und Computernetze. Wie Rechtsradikale neue Kommunikationsformen nutzen. Rowohlt TB, Reinbek 1995, ISBN 3-499-19912-2
- ↑ Reportage über neopagane Feiern 2008/2009
- ↑ http://www.verfassungsschutz.brandenburg.de/sixcms/media.php/4055/VS_Bericht_2005.pdf
- ↑ Vgl. die Artamanen und die Autarkiebestrebungen bezüglich der Landwirtschaft, ideologisch ausformuliert von Richard Walther Darré in seinen Schriften, beispielsweise Das Bauerntum als Lebensquell der nordischen Rasse (1929), Neuadel aus Blut und Boden (1930) oder Blut und Boden, ein Grundgedanke des Nationalsozialismus (1933).
- ↑ Franz-Josef Brüggemeier und Jens Ivo Engels stellen an vielen Beispielen die Kontinuitäten über 1945 hinaus zwischen Naturschutz und Heimatschutz in Deutschland dar. Sie schreiben zum Heimatschutz nach 1945: „Solche (....) existenziellen Sinnzuschreibungen verwiesen nach 1945 einmal mehr auf das ‚zeitlose’ Wesen des stammes- und kulturräumlich differenzierten ‚Volkswesens’.“ Brüggemeier / Engels S. 34.
- ↑ Zur Geschichte der Umweltbewegung siehe dort.
- ↑ Eine "Ökologisierung der Religion" konstatiert Pascal Eitler, der sich mit der geistesgeschichtlichen Einordnung des New Age und seiner Folgen über die simple politische Zuordnung hinaus befasst.
- ↑ Peter Kratz: Die Götter des New Age. Im Schnittpunkt von "Neuem Denken", Faschismus und Romantik. Berlin1994; vgl. auch: Oliver Geden, Ökologie von rechts. Früh und zum Teil polemisch kritisiert wurde diese Entwicklung von Jutta Ditfurth und Peter Kratz (Rezension zu Jutta Dithfurt: Entspannt in die Barbarei, Rezension zu Peter Kratz: Die Götter des New Age, Volltext des Buchs von Peter Kratz)
- ↑ Baldur Springmann - Biografie und Nachruf, Quelle: taz
- ↑ Quelle: Grüne Jugend
- ↑ Quelle: Krista Federspiel, Unkonventionelle Medizin, Augsburg 2002 (PDF), Bischöfliches Seelsorgeamt Referat für Religions- und Weltanschauungsfragen 3/2002
- ↑ Herbert Reier: Zur germanischen Heilkunde, in: Klinische Wochenschrift, 15. Jahrgang Nr. 13 (März 1936), S. 455-460
- ↑ Andreas Speit (Hrsg.): Ästhetische Mobilmachung. Dark Wave, Neofolk und Industrial im Spannungsfeld rechter Ideologien. Unrast Verlag 2002, ISBN 3-89771-804-9
- ↑ Andreas Klump, a.a.O.