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Rechtsextremismus und Esoterik

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Brennendes Sonnenrad, Julfeier 2005

Der Beitrag Rechte Esoterik zeigt die Überschneidungen zwischen esoterischem Gedankengut einerseits, völkischer Ideologie bis hin zur Neuen Rechten andererseits auf.

Begriff

Esoterik wird hier in einem weiten, nicht scharf abgrenzbaren Sinn für unterschiedliche, geschichtlich wirksame Lehren und Praktiken gebraucht, Okkultismus als ein Teilbereich, und New Age als Phänomen des letzten Drittels des 20. Jahrhunderts, das wesentlich durch Esoterik geprägt war. Schnittmengen mit rechtsextremistischen Ideologien werden zusammenfassend beschrieben, auf entsprechende historische wie aktuelle Organisationen und Bewegungen wird verwiesen. Nicht gemeint ist der „Rechte Pfad zur Erkenntnis“, der Rechte Esoterik sogar weitgehend ausschließt.

Anfänge

Esoterik und völkisches Gedankengut haben einige gemeinsame Wurzeln im 18. und 19. Jahrhundert. Die Suche nach einer nationalen Identität führte in den deutschen Ländern auf dem Weg zum deutschen Nationalstaat zum Konstrukt einer idealisierten Vergangenheit, dem Geschichtsmythos des Germanentums. Der Arminiuskult wurde zum wesentlichen Baustein für den deutschen Gründungsmythos.[1]

Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts floss esoterisches Gedankengut in die völkische Ideologie ein. Anhänger des Neuheidentums suchten in Deutschland nach den Ursprüngen des Asenglaubens, im englischen Sprachraum nach keltischen Wurzeln. Antoine Faivre bezeichnet den Okkultismus als eine "Gegenströmung zu der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts triumphierenden Wissenschaftsgläubigkeit". Diese Gegenströmung betrachtet sich laut Faivre jedoch selbst als zur Moderne gehörig; sie sei insofern als eine neue Antwort der mit sich selbst konfrontierten Moderne anzusehen. Die Okkultisten erkannten im allgemeinen den wissenschaftlichen Fortschritt an, versuchten jedoch dem daraus resultierenden Materialismus eine Alternative entgegenzustellen.[2] Bei manchen dieser subkulturell orientierten Strömungen und Gruppierungen schlug dies in ein vernunftfeindliches und gegenaufklärerisches Weltbild um.

Ab 1900

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden so genannte okkulte Logen als Gegenbewegung zu den aufklärerischen Freimaurern gegründet. Viele völkischen Gruppierungen entstanden aus esoterisch-okkultistischen Bünden. Doch ist bei den unterschiedlichen esoterischen Richtungen nationalistisches oder antisemitisches Gedankengut unterschiedlich stark vertreten. Der völkische Okkultismus der Völkischen Bewegung ist nur eine der zahlreichen Spielarten des Okkultismus.

Eine der Gruppierungen des völkischen Okkultismus war der Germanenorden, Mitglieder gründeten 1918 die Thule-Gesellschaft, eine okkulte, antisemitische und völkisch orientierte Geheimgesellschaft. Ab 1919 gab es zahlreiche personelle Querverbindungen zur späteren Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP).

Theosophie und Ariosophie

Auf Helena Petrovna Blavatsky geht die Theosophische Gesellschaft zurück. Ihre Lehre von den Wurzelrassen beschreibt die derzeitige Entwicklungsstufe der Menschheit mit dem Begriff Arier.[3] Diese Vorstellungen machten Blavatskys Lehre anschlussfähig für rassenideologische Interpretationen, wie die Ariosophie Guido von Lists oder das antisemitische Denkgebäude eines Jörg Lanz von Liebenfels.

Großen Einfluss hatte Blavatsky auf Rudolf Steiner, der von 1902 bis 1913 die deutsche Sektion der Theosophischen Gesellschaft (Adyar) leitete und dabei anfangs stark auf Blavatskys Lehren Bezug nahm (siehe Aus der Akasha-Chronik).

NS-Ideologie und Esoterik

Die elitäre Vorstellung vom Herrenmenschen, von einer Höherentwicklung bestimmter Rassen spiegelt sich in der Aufnahme des Begriffs Drittes Reich. Die nationalsozialistische Ideologie griff an mehreren Stellen auf magische und okkulte Elemente zurück: nordische Mythologie, germanische Runen und keltische Symbole.[4] Die NS-Ideologie bereitete den Weg für den Genozid, für Vereine wie Ahnenerbe oder Lebensborn. Einer ihrer Anhänger war der Reichsführer-SS und Reichsinnenminister Heinrich Himmler, ein bekennender Okkultist und Esoteriker, der sich für die Reinkarnation Heinrich I. (919-936) hielt. Weitere prominente Mitglieder der NSDAP gehörten okkultistischen Zirkeln an.

Im Allgemeinen benötigten die Nationalsozialisten okkulte Vorstellungen jedoch nicht, um ihre Ideologie auf „Blut, Rasse und Germanentum“ zu begründen.[5] Die grundlegenden Vertreter dieser Denkrichtung waren für Hitler bereits in Mein Kampf ein Haufen von Wirrköpfen, und 1938 schloss er das Wirksamwerden der Neogermanen in der Partei ausdrücklich aus: „Das Einschleichen mythisch veranlagter okkulter Jenseitsforscher darf daher in der Partei nicht geduldet werden.“[6]

Der NS-Ideologe Alfred Rosenberg sah im Nationalsozialismus verschüttete, aber durch die Blutlinie unter der Oberfläche weitergegebene Ideale. Die ursprünglichen Germanen werden als "Gottmenschen" mit Zauberfähigkeiten angesehen, die durch die „Verstandeslehren“ der christlichen Kirche unter "Zurückdrängen des Gefühlslebens" verloren gegangen seien.[7] Im „Mythus des 20. Jahrhunderts“ konstruierte Rosenberg den politischen Mythos des untergegangenen Atlantis als Urheimat der „arischen Rasse“ und entwickelte entsprechende kultische Handlungen und Riten.

Esoterik und Neue Rechte

Eine Wiedergeburt erlebte die Esoterik mit der Hippie-Bewegung der 1960er Jahre. Viele ihrer Anhänger sahen sich im Wassermann-Zeitalter und hofften auf ein libertäres New Age. Seit den 1980er Jahren ist dabei eine eine Abkehr von den Zielen der 68er-Bewegung und eine Tendenz zu extremen politischen Positionen zu beobachten.[8] Eine Studie aus der Mitte der 1980er Jahre befand, dass rund ein Viertel der untersuchten esoterischen Gruppierungen im deutschsprachigen Raum rechtsradikal war oder mit dem rechtsextremen oder ariosophischen Lager sympathisierte.[9]

Darstellung der „Schwarzen Sonne“

Auf diesem Weg fanden neureligiöse Vorstellungen, mythologisch, astrologisch und esoterisch begründet, aus der ökologisch orientierten Alternativbewegung Eingang in die neuen sozialen Bewegungen. In wieweit auf einen direkten Zusammenhang von New-Age- mit rechtsextremistischen Strömungen geschlossen werden kann, ist in der Forschung strittig.[10] Grundsätzlich sind keineswegs alle Vertreter der im Folgenden genannten Gruppen der Neuen Rechten oder dem Rechtsextremismus zuzuordnen. Es gibt lediglich mehr oder weniger große Schnittmengen, die beiden Lagern zugehören.

Die Ideologie der esoterisch geprägten Neuen Rechten richtet sich ähnlich wie der Okkultismus der Wende von 19. zum 20. Jahrhundert auf eine Überwindung der Ideen der Aufklärung. Der Rassismus von damals wird von ihr durch das Konzept des Ethnopluralismus ersetzt. Ein Erkennungszeichen der rechtsesoterischen Szene ist die Schwarze Sonne.[11] Sie besteht aus zwölf in Ringform gefassten gespiegelten Sig-Runen.

Neuheidentum

Rune Elhaz, Mailbox „Widerstand“ im Thule-Netz

Der Neopaganismus mit seiner Konstruktion eines nationalen Heidentums und seiner Mythen greift auf vorgeblich germanische oder keltische Mythen zurück. Heute versuchen versuchen rechtsextreme Gruppierungen, so etwa die Zeitschrift „Hagal“ (vormals "Zeitenwende") um Sven Henkler, der Freundeskreis Ulrich von Hutten um Lisbeth Grolitsch oder das Thule-Seminar um Pierre Krebs, mit neuheidnischem Gedankengut für ihre Weltanschauung zu werben.[12]

Die Ideologie der Thule-Gesellschaft wurde 1980 wiederaufgenommen vom rechtsextremistischen Thule-Seminar. Den Namen übernahmen weitere rechtsextreme Gruppierungen im Internet wie das Thule-Netz in den 1990er Jahren, in deren Diskussionsforen neuheidnisches Gedankengut eine zentrale Rolle spielte.[13]

Musik-Szene

Ein Agitationsfeld rechtsextremer Gruppierungen stellt die Musik der Metal-Szene mit ihren Subgenres Viking Metal und Pagan Metal dar. Neuheidnische Strömungen finden sich im Neofolk und Teilen der Schwarzen Szene.[14]

Ufologie

Eine antisemitische Verschwörungstheorie steckt hinter der Ufologie im Gefolge Jan van Helsings. Danach seien in Deutschland angeblich ursprünglich “gute“ Außerirdische tätig gewesen, was die “Illuminati“ verhindern mussten. Das nationalsozialistische Deutschland sei am Ausbruch des 2. Weltkrieges unschuldig, sondern vielmehr Opfer einer Kriegstreiberei der jüdisch gelenkten Presse.[15]

Gruppen und Organisationen

Beispiele für neuheidnische rechtsextreme Organisationen sind die Allgermanische Heidnische Front, der Armanen-Orden, die Artgemeinschaft Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung oder der Bund für Deutsche Gotterkenntnis. Ob die Germanische Glaubens-Gemeinschaft als rechtsextrem einzustufen ist, ist umstritten.[16]

Einzelnachweise

  1. Alexander Demandt: Arminius und die frühgermanische Staatenbildung. In: Rainer Wiegels, Winfried Woesler (Hrsg.): Arminius und die Varusschlacht. Schöningh, Paderborn/München/Wien/Zürich 1995, S. 185–196, ISBN 3-506-79751-4.
  2. Faivre, What is occultism?, in Lawrence E. Sullivan, Hidden Truths – Magic, Alchemy and the Occult, 1987, S. 3-9, 112
  3. Kocku von Stuckrad: Was ist Esoterik? Kleine Geschichte des geheimen Wissens, Beck, München 2004, ISBN 3-406-52173-8
  4. René Freund: Braune Magie? Okkultismus, New Age und Nationalsozialismus. Picus, Wien 1995, ISBN 3-8542-271-1, S. 13 und S. 76ff.
  5. Cancik 1982, S. 206. Zitiert nach Andreas Klump, a.a.O.
  6. Adolf Hitler, Rede auf dem 10. Parteitag der NSDAP am 7.7.1938. Zit. nach Andreas Klump, a.a.O.
  7. Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung
  8. René Freund, S. 124.
  9. Eduard Gugenberger, Roman Schweidlenka: Mutter Erde, Magie und Politik. Zwischen Faschismus und neuer Gesellschaft, Wien 1987, S. 299.
  10. Thomas König sieht diesen Zusammenhang in seiner Dissertation als marginal an: "In addition, some German anti-fascists charge New Age with the revival of Aryan religion, which was sponsored by the Nazis", S. 141ff., S. 150
  11. Quelle: Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit in Nordrhein-Westfalen
  12. Friedrich Paul Heller, Anton Maegerle: Thule. Vom völkischen Okkultismus bis zur Neuen Rechten. Schmetterling Verlag. Stuttgart, 1995. ISBN 3-89657-090-0.
  13. Burkhard Schröder: Neonazis und Computernetze. Wie Rechtsradikale neue Kommunikationsformen nutzen. Rowohlt TB, Reinbek 1995, ISBN 3-499-19912-2
  14. Andreas Speit (Hrsg.): Ästhetische Mobilmachung. Dark Wave, Neofolk und Industrial im Spannungsfeld rechter Ideologien. Unrast Verlag 2002, ISBN 3-89771-804-9
  15. "Antisemitische Bezüge werden dort erkennbar, wo die Hauptbeteiligten an der postulierten Verschwörung Juden darstellen; revisionistische Leugnung der Kriegschuld des nationalsozialistischen Deutschlands am Ausbruch des 2. Weltkriegs schließen sich inhaltlich an." Andreas Klump: Rechtsextremismus und Esoterik - Verbindungslinien, Erscheinungsformen, offene Fragen, Berlin 2001
  16. Stefan von Hoyningen-Huene: Religiosität bei rechtsextrem orientierten Jugendlichen, Berlin/Hamburg/Münster 2003, S. 63 ordnet sie der rechten Szene zu. Die Anhänger selbst bestreiten die ideologische Nähe.

Literatur

  • René Freund: Braune Magie? Okkultismus, New Age und Nationalsozialismus. Picus, Wien 1995, ISBN 3-8542-271-1
  • Nicholas Goodrick-Clarke: Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus. Wiesbaden: Marix-Verlag, Wiesbaden 2004, ISBN 3-937715-48-7 (Neuauflage d. ersten deutschsprachigen Ausgabe von 1997)
  • Nicholas Goodrick-Clarke: Black Sun: Aryan Cults, Esoteric Nazism and the Politics of Identity. New York University Press, New York 2002, ISBN 0-8147-3124-4
  • Gugenberger, Eduard/Petri, Franko/Schweidlenka, Roman (1998): Weltverschwörungstheorien. Die neue Gefahr von rechts, Wien.
  • Friedrich Paul Heller, Anton Maegerle: Thule. Vom völkischen Okkultismus bis zur Neuen Rechten. Schmetterling Verlag. Stuttgart, 1995. ISBN 3-89657-090-0
  • Heiko Kauffmann, Helmut Kellershohn, Jobst Paul (Hrsg.): Völkische Bande. Dekadenz und Wiedergeburt – Analysen rechter Ideologie. Unrast Verlag Münster, 2005, ISBN 3-89771-737-9
  • Andreas Klump (Referent im Bundesministerium des Innern): Rechtsextremismus und Esoterik - Verbindungslinien, Erscheinungsformen, offene Fragen, Berlin 2001 (abgerufen 17.2.2009)
  • Stefan Meining: Rechte Esoterik in Deutschland. Ideenkonstrukte, Schnittstellen und Gefahrenpotentiale. Vortrag, gehalten am 3. September 2002 auf dem Symposium „Politischer Extremismus als Bedrohung der Freiheit – Rechtsextremismus und Islamismus in Deutschland und Thüringen“. (PDF; 0,2 MB)
  • Thomas Pfeiffer: Die Kultur als Machtfrage: die Neue Rechte in Deutschland. Innenministerium des Landes NRW, Düsseldorf 2003 (PDF; 1,5 MB)
  • Matthias Pöhlmann: Neues Denken auf alten Wegen? Braune Esoterik zwischen Weltverschwörungstheorien und Neuheidentum. Vortrag, gehalten am 7. Mai 2002 auf der Tagung „Neuheidentum. Zurück zu einem neuen Anfang“ der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, Berlin. (PDF; 0,2 MB)
  • Iris Weber: Nation, Staat und Elite. Die Ideologie der Neuen Rechten. Papyrossa Verlags GmbH 1997, ISBN 3894381299