Hamza Hakimzoda Niyoziy

Hamza Hakimzoda Niyoziy (kyrillisch-usbekisch Ҳамза Ҳакимзода Ниёзий; russisch Хамза Хакимзаде Ниязи, Chamsa Chakimsade Nijasi; tschagataisch حمزه حکیم زاده نیازی; oft Hamza Hakimzade Niyazi oder Hamza Hakim-Zade Niyaziy, bekannt vor allem als Hamza; * 22. Februarjul. / 6. März 1889greg. in Qoʻqon; † 18. März 1929 in Shohimardon) war ein usbekischer Dichter und Dramatiker.
Niyoziy, dessen dichterische Tätigkeit um den Zeitpunkt der sowjetischen Machtübernahme in Zentralasien fällt, gilt als erster usbekischer Verfasser von Dramen und als Begründer der usbekischen nationalen Musikkultur und der usbekischen Sowjet-Literatur. Er war Mitglied der KPdSU und wurde nach seinem Tod von den Sowjets für seine literarische Leistung gewürdigt.
Leben und Schaffen
Hamza Hakimzoda Niyoziy kam 1889 als Sohn eines Tabib (traditioneller Heiler) in Qoʻqon im Generalgouvernement Turkestan zur Welt. 1905 schickte ihn sein Vater zum Unterricht in eine Medrese in Qoʻqon. Der Medresenunterricht allein stellte Niyoziy nicht zufrieden und so begann er nebenbei mit dem Studium der Klassiker usbekischer Literatur, der progressiven Poeten jener Zeit wie Muhammad Aminxoʻja Mirzaxoʻja oʻgʻli Muqimiy und Zokirjon Xolmuhammad oʻgʻli Furqat und der usbekischen Volkskunst.
Unruhen in den Jahren 1905 bis 1907 beeinflussten Niyoziys Weltanschauung nachhaltig. Niyoziy, ein Schüler des Dschadidisten Saidahmad Siddiqiy, begann noch während seiner Zeit an der Medrese selbst zu dichten. Er folgte der denunziatorischen Linie Muqimiys und Furqats und kam aufgrund seiner progressiven Neigung in Konflikt mit seinem Vater, weshalb er schließlich Qoʻqon verließ und nach Namangan zog.
1914 erschienen im Lehrbuch Yengil adabiyot („einfaches Lesen“) einige Niyoziy-Gedichte, 1915 der Roman Milliy roman („nationaler Roman“, auch als Yangi saodat, „neue Glücklichkeit“, bekannt), der als erstes in Prosa gehaltenes Werk eines Usbeken gilt. In diesem Roman tritt Niyoziy für den dschadidistischen Grundsatz ein, dass Bildung der Ursprung jeglicher individueller oder nationaler Vorteile sei.
Einen Schwerpunkt seines Schaffens stellte auch das Studium usbekischer Volkslieder dar. Ab 1915 brachte Niyoziy eine Reihe von Volkslied-Anthologien heraus, deren erste den Namen Milliy ashulalar uchun milliy sheʼrlar majmuasi („Sammlung nationaler Gedichte für nationale Lieder“ (a)) trug. In diesen Veröffentlichungen versah er seine Gedichte mit speziellen Arrangements usbekischer Melodien, indem er die Musik mit dem Charakter der Texte abstimmte. Da Niyoziy usbekische Lieder als die Blüte der Volkskunst ansah, benannte er seine weiteren sieben Anthologien nach Blumen.
In seinen ersten sieben Anthologien sammelte Niyoziy etwa 40 Lieder, die er großteils mit usbekischen, aber teils auch mit kaschgarischen und tatarischen Melodien vertonte. Niyoziy selbst war ein Meister auf traditionellen usbekischen Instrumente wie Dotar und Tanbur.
In der Hoffnung, auf diese Weise seine Ideen auf eine stimmungsvolle Weise einem breiteren Publikum zu vermitteln, begann Niyoziy – als erster in der Geschichte der Usbeken – um 1915 mit dem Schreiben dramatischer Werke. Weitere Veröffentlichungen seiner Werke aus der Zeit vor der Oktoberrevolution sind die Anthologien Qizil gul („rote Rose“), Oqgul („weiße Rose“), Pushti gul („rosafarbene Rose“) und Sariq gul („gelbe Rose“) aus dem Jahr 1916.

„Gebt nicht auf; seht, die Sowjets
haben euch aufgeweckt.
Für jeden Tropfen Blut, den ihr vergießt
erhaltet ihr Freiheit, Aufklärung und Wissen.Heißt die Sowjets willkommen! Heißt die Sowjets willkommen!
Das ist eure Epoche,
deine Herrlichkeit, Arbeitersohn,
möge um die ganze Welt getragen werden.“
Von seinen drei vor Oktober 1917 geschriebenen Bühnenstücken ist nur eines, Zaharli hayot („Vergiftetes Leben“), überliefert. (b)
Hamza Niyoziy war begeisterter Unterstützer der Bolschewiken in der Oktoberrevolution des Jahres 1917; während der ersten Jahre der Sowjetzeit in Zentralasien spielten er und andere Literaten eine wichtige Rolle für die Konsolidierung der bolschewikischen Herrschaft. Niyoziy, der als demokratischer Aufklärer begonnen hatte, entwickelte sich zu einem herausragenden revolutionären Literaten und Agitator.
Niyoziy war eine Zeit lang der Anführer der Xudosizlar jamiyati, der usbekischen Gesellschaft der Gottlosen, und Direktor der 1918 gegründeten Olka Sayyar Dram Trupu, einer Wanderschauspiel-Gruppe aus Fargʻona, die auch Werke von Niyoziy aufführte. Teile dieser Gruppe dienten in Westturkestan als pro-sowjetischer Propagandakörper. In seiner letzten Volkslied-Anthologie (1919) publizierte er auch revolutionäre Lieder wie Yasha, Shoʻro! („Heißt die Sowjets willkommen!“) und Hoy, ishchilar („He, Arbeiter!“). 1920 trat er der Kommunistischen Partei bei und 1926 wurde er zum Abgeordneten im Kurultai der Arbeiter des Ferghanatals.
Islamischen Fundamentalisten war Hamza Niyoziy aufgrund seiner religionskritischen Haltung verhasst. 1929 wurde er in seiner Heimatstadt Shohimardon gesteinigt, wo er eine Gruppe anführte, die einen im Ort gelegenen religiösen Schrein, der als Grab des Ali ibn Abi Talib gilt, zu einem Roten Museum machen wollte.
Literarische Motive
Das progressive, revolutionäre Schaffen Niyoziys war direkt verbunden mit dem Kampf nach sozialer Gerechtigkeit und Befreiung in Usbekistan. In seinen Gedichten, Kompositionen und Dramen verarbeitet Hamza Niyoziy häufig die Wirren der Revolution und beschreibt das erwachende Klassenbewusstsein des usbekischen Volkes. Boy ila xizmatchi („Meister und Diener“ (c)) reflektiert revolutionäre Tätigkeiten der Russen in Westturkestan. Mit Tuhmatchilar jazosi („Bestrafung eines Verleumders“, 1918) und Maysaraning ishi („Finten des Maysara“, 1926) schrieb Niyoziy auch zwei Komödien.
In Boy ila xizmatchi erzählt Niyoziy von einem Mädchen, das infolge ihrer Zwangsverheiratung Suizid begeht. Paranji sirlari („Geheimnisse des Schleiers“, 1922) beschreibt die Probleme der usbekischen Frauen, die Niyoziy zur aktiven Mitarbeit in allen Gesellschafts- und Lebensbereichen aufrief. Seinen Werken gemein ist, dass sie sich eng an der russisch-kommunistischen Linie orientieren.
Bedeutung
Vor dem 20. Jahrhundert hatte das Drama in der usbekischen Gesellschaft keine Bedeutung. Im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts, als das Usbekische gerade das Tschagataische als Literatursprache abgelöst hatte, wurde das Drama von Dschadidisten, die sich später großteils den Bolschewiken anschlossen, institutionalisiert.
Niyoziy gilt als einer der wichtigsten frühen Vertreter usbekischer Literatur, als erster usbekischer Dramatiker, als Begründer der usbekischen nationalen Musikkultur und als Begründer der usbekischen Sowjet-Literatur. Seine prärevolutionären Theaterstücke galten unter sowjetischen Schriftstellern als Beginn des „ideologisch wertvollen“ usbekischen Dramas.
Diejenigen Schriftsteller aus den Reihen der Dschadidisten, die wie Niyoziy eine pro-russische Position einnahmen, waren die Hauptstütze der nicht-nationalistischen usbekischen Literatur bis zum Aufkommen sowjetisch-proletarischer Autoren um 1926. Trotz der Tatsache, dass der sozialistische Realismus erst 1932 vom sowjetischen Zentralkomitee eingeführt wurde, wird Niyoziy manchmal als Begründer dieser Kunstrichtung in der Usbekischen SSR bezeichnet.
Niyoziy wirkte bei der usbekischen Sprachreform der 1920er-Jahre mit. Dass er, wie auch Furqat, neben seiner Dichtertätigkeit auch begann, Prosa zu schreiben, zeigt den steigenden russischen Einfluss zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Außerdem gilt Niyoziy als erster usbekischer Sammler von Volksliedern. Als erster verließ er mit seinen Anthologien den traditionellen Weg der baiaz-Liederbücher und widmete sich stattdessen dem Studium des Volkslieds.
Niyoziy und die Sowjets
Für die Sowjets war Niyoziy tot scheinbar mehr wert als lebendig, da sie die Umstände seines Ablebens stark mythifizierten, mutmaßt Edward A. Allworth, emerierter Professor an der Columbia University. Die Sowjetbehörden machten zuerst den islamischen Klerus für Niyoziys Tod verantwortlich und fügten später „Lakaien“ des Imperialismus, bürgerliche Nationalisten und weitere Personengruppen der Liste der Beschuldigten hinzu.
Da Niyoziy starb, bevor Sowjets begannen, den Dschadidismus als anti-sowjetisch, nationalistisch und kontrarevolutionär zu denunzieren, blieb er von dieser Kampagne verschont. Sowjetische Kritiker stuften Niyoziy gar als reformierten Dschadidisten ein. Wegen der vereinfachten, klassenorientierten Inhalte und Charaktere in seinen Schriften wurde Niyoziys literarische Leistung später von den Sowjets gewürdigt. Die Große Sowjetische Enzyklopädie von 1956 schreibt, Niyoziy habe mit großen artistischen Können die Doppelzüngigkeit und Grausamkeit der Reichen, des Klerus, der Kaufleute und der Kolonisatoren beschrieben. Liebevoll habe er Bilder der Arbeiter geschaffen, ihr unerschütterliches Streben nach Freiheit und Glücklichkeit porträtiert und als erster usbekischer Literat realistisch gezeigt, wie das russische Proletariat die Arbeiter der Grenzregionen befreit habe.
Die Existenz usbekischer Dramen aus der Zeit vor der Oktoberrevolution, wie zum Beispiel Niyoziys Zaharli hayot, versuchten die Sowjets wiederholt zu verleugnen. Der Roman Milliy roman wurde während der Sowjetzeit aufgrund seines dschadidistischen Charakters nicht neu herausgegeben.
Tribute und Kritik
Qizil Qalam („rote Feder“), die erste starke, vordergründig proletarische Literatengruppe Usbekistans, widmete 1929 die zweite Ausgabe ihres Journals dem „Märtyrer“ des Kommunismus. Der usbekisch-sowjetische Literat Muso Toshmuhammad oʻgʻli, genannt Oybek, schrieb 1948 das Werk Hamza, in dem Leben und Schaffen Hamza Niyoziys verarbeitet ist. Am 4. Oktober 1949 veranstaltete die Akademie der Wissenschaften der Usbekischen SSR anlässlich des 60. Geburtstags Niyoziys eine Feier, bei der unter anderem Oybek mitwirkte.
1963 wurde die Siedlung Wannowski im Ferghanatal in Hamza Hakimzoda (russisch Хамзы Хакимзаде Chamsy Chakimsade) umbenannt, heute heißt sie kurz Hamza (40° 26′ N, 71° 30′ O ). Shohimardon trug eine Zeit lang den Namen Hamzaobod. Ebendort wurden ihm in den 1960er-Jahren ein Mausoleum und Museum errichtet und 1989, zu seinem 100. Geburtstag, ein neues Museum und ein Denkmal gewidmet. Ebenso 1989 erschienen eine 4-Kopeken-Briefmarke und eine 1-Rubel-Münze mit Hamza Niyoziys Porträt. Nach Niyoziy trägt eine Station der Metro Taschkent den Namen Hamza. In Qoʻqon befindet sich ein weiteres Hamza-Museum, in Taschkent ist das Dramatheater und der Distrikt Hamza nach ihm benannt.
Abdulhamid Sulaymon oʻgʻli Choʻlpon, ein Schriftsteller, der keine Sowjet-Propaganda betreiben wollte, kritisierte Niyoziy für sein Engagement für die Bolschewiken. Usbekische Emigranten zeigten sich empört darüber, als die Sowjets den abtrünnigen Dschadidisten, Antimuslimen und Antinationalen Niyoziy zu einer echten usbekisch-nationalen literarischen Figur stilisierten. Die Bevölkerung seiner Heimatstadt respektiert zwar Niyoziys literarische Leistung, fügt dem jedoch hinzu, dass er seine Worte nicht mit Bedacht gewählt hätte und dass er lokale Heiligtümer nicht respektiert hätte.
Quellen
- Edward Allworth: Uzbek Literary Politics. Mouton & Co., Den Haag 1964 (englisch)
- S. S. Kasymov: Usbekskaja Sowjetskaja Sozialistitscheskaja Respublika. XIII. Literatura. In: Große Sowjetische Enzyklopädie (1956), S. 31-34 (russisch). Übersetzung ins Englische von Edward Allworth, The Uzbek Soviet Socialist Republic … Literature, in Uzbek Literary Politics, S. 254-260
- Viktor M. Beliaev: Central Asian Music. Essays in the History of the Music of the Peoples of the U.S.S.R., herausgegeben von Mark Slobin, aus dem Russischen übersetzt von Mark und Greta Slobin. Wesleyan University Press, Middletown 1975. S. 316-321 (englisch)
- Edward Allworth: Central Asia, 130 Years of Russian Dominance. Duke Univ. Press, 1994. ISBN 9780822315216. (Buchvorschau auf Google Books; englisch)
- Mark Dickens: Uzbek Music. 1989 (englisch)
- Mark Dickens: The Uzbeks. 1990 (englisch)
Weblinks
- Auswahl seiner Werke auf geocities.com (englisch, russisch, arabisch)
- Bericht über Shohimardon auf fdculture.com (englisch)
- Bericht über Shohimardon auf ferghana.ru (englisch)
Personendaten | |
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NAME | Niyoziy, Hamza Hakimzoda |
ALTERNATIVNAMEN | Ниёзий, Ҳамза Ҳакимзода (usbekisch); Ниязи, Хамза Хакимзаде (russisch); Niyasi, Chamsa Chakimsade; Niyazi, Hamza Hakimzade |
KURZBESCHREIBUNG | usbekischer Poet |
GEBURTSDATUM | 7. März 1889 |
GEBURTSORT | Qoʻqon |
STERBEDATUM | 18. März 1929 |
STERBEORT | Shohimardon |