Ulrich Sporleder
Ulrich Sporleder (* 7. Juli 1911 in Schwerte; † 23. Juli/24. Juli 1944 (Suizid/hingerichtet?) bei Lublin) war ein deutscher evangelischer Theologe, Pfarrer der Bekennenden Kirche in Marienburg und Marienwerder und Widerstandskämpfer.
Leben und Wirken
Ulrich Sporleder wurde als zweites von drei Kindern in eine ursprünglich in Mecklenburg (Schloss/Rittergut Steinbeck bei Bellin) und Schlesien (Rittergut Reinshain) begüterte, teils monarchistisch-nationalkonservativ, teils christlich-sozial und sozialdemokratisch geprägte Gutsbesitzerfamilie hineingeboren. Seine Jugend verbrachte er vorwiegend in Frankfurt am Main und auf Schloss Braunfels/Lahn. Durch seine Mutter Marie Anna Katharina Sporleder, die unter Freifrau von Hadeln auch Geschäftsführerin des monarchistischen Königin-Luise-Bundes war, kam er früh in Kontakt mit den christlichen Jugendbewegungen, so insbesondere mit der "Berneuchener Bewegung" und ihrem Marburger Zweig, der "Michaelsbruderschaft".
Zu seinen engen Weggefährten, Lehrern und Freunden gehörten neben Martin Niemöller der 1939 Pate seines ersten Sohnes Martin wurde, Gerhard Ritter, Karl Bernhard Ritter, Hans Joachim Iwand, Horst Symanowski, Rudolf Bultmann und Hans Freiherr von Soden u. a. auch hochranginge Offiziere der Reichswehr und späteren Deutschen Wehrmacht.
Sporleder studierte nach dem in Frankurt absolvierten Abitur, wahrscheinlich seit dem WS 1930/31 Theologie an der Universität Marburg u. a. bei den Professoren Hans Freiherr von Soden und Rudolf Bultmann. Spätestens zum WS 1934/35 wechselte er an die Universität Königberg, wo er im gleichen Semester zum Fachschaftsleiter gewählt wurde. In dieser Funktion kündigt er am 9.11.1934 eine Diskussion mit Prof. H. M. Müller über dessen Buch "Der Staatsfeind" im Audimax der Universität an. Im selben Monat ist er federführend an der Gründung der Bruderschaft junger Bekenntnißtheologen beteiligt. Am 12.4.1935 kündigt Sporleder im ostpeußischen Bruderrat den scharfen Protest der Theologenschaft gegen den sog. Rust-Erlaß an. Vom 16. bis zum 19.3.1936 legt er als einer von 19 Kandidaten sein erstes Theologisches Examen bei der Bekennenden Kirche ab. Am 25.4.1936 ist er Mitglied des Förderausschusses zum Wissenschaftslager der Theologischen Fachschaft in Tilsit und reist am 15.6.1936 zum Studententag nach Posen. In diese Zeit fällt eine von ihm verfaßte Predigt über Hebr.12,1-6 in der er als Reaktion auf die "Nürnberger Rassegesetze" unter dem Wort "heute sind wir (Christen und Juden) mehr denn je ein Geschlecht (d.h. aus dem Geschlechte Davids)" zu Kampf und Widerstand aufruft. Vom 1.5.1936 an wirkt er bis zu seiner Beurlaubung zum Reichsheer am 17.10.1936 als Vikar in Heilsberg/Ostpreußen. Seine Ausbildung als Offiziersanwärter erhält er bei einem der traditionsreichen Husarenregimenter Ostpreußens. Im Anschluß ist er Vikar bei Pfarrer Lehmbruch in Marienwerder, wo er am Aufbau einer Bekenntnißgemeinde mitwirkt. Im Dezember 1937 wird er erstmals von der Gestapo in Marienburg festgenommen und im Gestapo-Gefägnis Elbing inhaftiert. Am 7. und 14. Dezember 1937 steht er als letzter (Nr. 87) auf der reichsweiten Fürbittenliste der Bekennenden Kirche die von Pfarrer Martin Niemöller (Nr. 1) angeführt wird. Nach seiner Haftentlassung wird er am 1.5.1938 als Nachfolger Helmut Passauers zum Hilfsprediger der Bekennenden Kirche in Marienburg ernannt. Dort steht er ebenso wie sein Vorgänger als einziger Bekenntnißgeistlicher vier "Deutsch-Christlichen" Pfarrern gegenüber. In diese Zeit fallen auch erste intensivere Kontakte zu späteren Mitgliedern des militärischen Widerstands. Seine Gottesdienste werden von Spitzeln der Gestapo besucht und er wird auch mehrfach von Gemeindemitgliedern wegen des Inhalts seiner Predigten und seines Konfirmandenunterrichts denunziert. Im Sommer des Jahres 1938 heiratet er Annemarie Weissenborn, eine Tochter des ehemaligen Oberbürgermeisters von Halberstadt. Wegen der Sammlung von Kollekten für die Bekennende Kirche und Predigtfürbitten für gemaßregelte und inhaftierte Pfarrer muß er sich im Herbst des Jahres 1938 wiederholt als Angeklagter vor dem Reichsgericht verantworten. Nachdem er in der Marienkirche im Silvestergottesdienst 1938 die Novemberpogrome gegen die jüdische Bevölkerung scharf angeprangert hatte, wurde er auf gemeinsames Betreiben des Konsistoriums, des Reichskirchenministeriums und der Gestapo Anfang 1939 rückwirkend zum 31.12.1938 seines Amtes enthoben und mir Redeverbot belegt. Allerdings wurde ihm zugestanden, die von Passauer übernommenen Konfirmandinnen und Konfirmanden bis zu ihrere Konfirmation im Frühjahr 1939 weiter unterrichten zu dürfen.
Zu Beginn des zweiten Weltkrieges nimmt er als Offizier einer im Wehrkreis I aufgestellten Panzerjägereinheit, die zur "Gruppe Brandt", 3. Armee gehört am Polenfeldzug teil. Seit dem 10.5.1940 erfolgt der Einsatz beim Frankreichfeldzug im Rahmen der sog. "Panzergruppe von Kleist". Während des Krieges gegen die Sowjetunion ist er als Hauptmann Kommandant einer mit den Panzertypen "Sturer Emil", "Dicker Max", "Elefant" und "Hornisse" bzw. "Nashorn" ausgerüsteten schweren Panzerjäger-Kompanie bzw. Abteilung und wird mehrfach schwer verwundet. Im Anschluß an einen Lazarettaufenthalt legte er im Januar 1942 sein 2. Theologisches Examen ab und wird anschließend in Marienburg ordiniert. Den vom Konsistorium geforderten sog. "Führereid" lehnt er wie zuvor weiterhin ab. Lazarettaufenthalte und Heimaturlaube nutzt er nun vermehrt um den Kontakt zu seiner Gemeinde und zu Widerstandsgruppen zu pflegen und sich politisch zu betätigen. Wohl im Zusammenhang mit diesen Aktivitäten wird er 1942 vor dem Reichskriegsgericht angeklagt, entkommt durch die Protektion die er von Teilen der Generalität erfährt aber einer Verurteilung. Seit dem 25.7.1944 gilt er als in der Nähe von Lublin vermißt. Nach einem zumindest fragwürdigem Augenzeugenbericht soll er sich gemeinsam mit fünf weiteren Offizieren seiner Einheit in der Nacht vom 23. auf den 24. Juli 1944 durch einen Kopfschuß selbst getötet haben.
Die Rekonstruktion der Biographie Sporleders gestaltet sich schwierig und deshalb soll hier vorläufig an Stelle der weiteren Biographie zur Erklärung ein Wort Dietrich Bonhoeffers stehen:
„Der Nachfolgende ist sich selbst verborgen in seiner Gerechtigkeit. Natürlich sieht er das Außerordentliche auch, aber er bleibt sich selbst darin verborgen; er sieht es nur indem er auf Jesus sieht, und hier sieht er es nicht mehr als das Außerordentliche, sondern als das Selbstverständliche, Reguläre. So ist ihm das Sichtbare in der Tat verborgen, nämlich imGehorsam gegen das Wort Jesu. Wäre ihm das Außerordentliche als Außerordentliches wichtig, so handelte er schwärmerisch aus eigener Gewalt, aus eigenem Fleisch heraus. Weil aber der Jünger Jesu im schlichten Gehorsam gegen seinen Herrn handelt, darum kann er das Außerordentliche nur als die selbstverständliche Tat des Gehorsams sehen. Es kann ja nach dem Wort Jesu nicht anders sein, als das der Nachfolgende das Licht ist, das leuchtet, er tut gar nichts dazu, er ist eben in der Nachfolge, die nur auf den Herrn sieht. Also gerade weil das Christliche , d. h. indikativisch, das Außerordentliche ist, darum ist es zugleich das Reguläre, Verborgene.“
Zum Schluss ein Wort Sporleders aus einem Brief vom 3. Juli 1944:
'"[...] möge Gott über uns alle seine schützende Hand halten und uns nicht verlassen, damit wir überall seine Nähe und Liebe erfahren. Das ist doch das Größte, was uns geschenkt werden kann, dass wir mitten in allem Leid und Tod, die uns umgeben, spüren, wie dennoch dem, der auf den gekreuzigten und auferstandenen Herrn schaut, ein Friede geschenkt wird, der sich genügen lässt an dem, dass wir etwas schauen dürfen von der verborgenen Herrschaft Gottes in dieser Welt. Es sieht ja nach außen wahrlich so aus, als habe Gott seine Herrschaft abgetreten an die dunklen Mächte dieser Erde und uns dem Zorn dieser Kräfte preisgegeben. Aber in Wahrheit führt sein Weg ja nur durch das Kreuz zur Auferstehung. „Wer an ihn glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe und wer da lebt und glaubt an ihn, der wird nimmermehr sterben.“'
Literatur über Ulrich Sporleder
- Ernst Burdach: Hans Joachim Iwand. Theologe zwischen den Zeiten. Ein Fragment 1899-1937. Beienrode 1982.
- Walter Hubatsch: Geschichte der Evangelischen Kirche Ostpreußens. 3 Bde., Göttingen 1968.
- Manfred Koschorke (Hrsg.): Geschichte der Bekennenden Kirche in Ostpreußen 1933–1945. Göttingen: Vandenhoeck&Ruprecht 1976.
- Manfred Koschorke: Materialsammlung vom Kirchenkampf in Ostpreussen September 1934-1939. O. O. u. J.
- Hugo Linck: Der Kirchenkampf in Ostpreußen 1933 bis 1945. Geschichte und Dokumentation. München: Gräfe und Unzer, 1968.
- Wolfgang Scherffig: Junge Theologen im "Dritten Reich". 3 Bde., Neukirchen 1989-1994.
- Jürgen Seim: Hans Joachim Iwand. Eine Biographie. Gütersloh 1999.
Weblinks
- Ulrich Sporleder. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL).