Ernst Moritz Arndt
Ernst Moritz Arndt (* 26. Dezember 1769 in Groß-Schoritz auf Rügen (damals Schwedisch-Pommern); † 29. Januar 1860 in Bonn) war ein deutscher-nationaler Publizist und Dichter. Einerseits kämpfte Arndt gegen das Leibeigentum, andererseits schürte er in seinen Schriften Rassenhass, vor allem auf Franzosen und Juden. Arndt war Professor in Greifswald, musste wegen seiner hasserfüllten Flugschriften jedoch flüchten, und seine Professur wurde ihm für 20 Jahre entzogen.
Arndt's Schriften und Anregungen führten zum Entstehen von Vereinigungen in Gießen, Heidelberg und Marburg, die als Vorgänger der ethnisch-nationalistischen Burschenschaften gezählt werden.
Leben
Werdegang
Arndts Geburt fiel in die Zeit nach dem Siebenjährigen Krieg und vor der Französischen Revolution.
Da Napoleons Herrschaft die Lage der Juden unbestreitbar verbessert hatte, entstand nun ein neues Klischee: Die Juden galten als Urheber, Drahtzieher und Gewinner der französischen Revolution. Eng damit verbunden war das Stereotyp der jüdischen Weltverschwörung und der heimatlosen "Parasiten". Sein noch als Leibeigener geborener Vater, Inspektor auf dem Gute des Grafen Malte zu Putbus, ließ ihn von 1787 bis 1789 das Gymnasium im Stralsunder Katharinenkloster besuchen.
1789 studierte er zunächst an der Universität Greifswald (die heute seinen Namen trägt), dann in Jena neben Theologie, Geschichte, Erd- und Völkerkunde auch Sprachen und Naturwissenschaften.
Nach der Kandidaten- und Hauslehrerzeit unternahm er 1798/99 eine Reise nach Österreich, Oberitalien, Frankreich, Belgien und einen Teil von Norddeutschland. Er schilderte seine Erlebnisse in den Schriften "Reise durch Schweden", "Bruchstücke einer Reise durch einen Teil Italiens", "Reise durch einen Teil Frankreichs" und "Reisen durch einen Teil Deutschlands, Ungarns, Italiens und Frankreichs" (Leipzig 1804).
1800 habilitierte sich Arndt in Greifswald in Geschichte und Philologie und heiratete Charlotte Marie Quistorp (1777-1801), die Tochter des Professors Johann Quistorp, die bald verstarb. 1801 wurde er Privatdozent an der Universität und erhielt, nach einem Aufenthalt (1803/1804) in Schweden, 1806 eine außerordentliche Professur.
Politische Schriften
Sein nationales und sogar nationalistisches Streben fand in Schriften wie "Germanien und Europa" (1803) mit stark antifranzösichem Akzent seinen Ausdruck. In "Fragmente über Menschenbildung" (1805) artikulierte er seine pädagogischen Vorstellungen.
1803 erschien auch "Versuch einer Geschichte der Leibeigenschaft in Pommern und Rügen". Die Schrift veranlaßte mehrere adlige Gutsbesitzer zu einer Klage.
Arndt dazu: Mein Büchlein machte natürlicherweise Haß und Lärm nicht bloß bei dem Adel, welche ich darin am meistesten anzuklagen schien, sondern auch bei anderen Halbvornehmen und bei manchen reichen und junkerisch gesinnten Großpächtern, welche schrien, ich sein ein Leuteverderber und Bauernaufhetzer.
Der König von Schweden urteilte aber nach Lektüre des Buches zugunsten Arndts und hob 1806 die Leibeigenschaft und die Patrimonialgerichte in Schwedisch-Pommern auf.
Dennoch war Arndt kein Demokrat im heutigen Sinne, er stimmte für eine kostitutionell Monarchie und Zensuswahlrecht. Er sprach sich in aller Schärfe gegen das allgemeine und gleiche Wahlrecht aus.
Im selben Jahr schrieb er den ersten Teil seiner anti-napoleonischen Flugschrift "Geist der Zeit". Zitier nach der Brockhaus-Enzyklopädie entpuppt er sich darin an "haßerfüllter (...) Feind Napoleons" und ruft darin das deutsch Volk zum Kampf gegen den französischen Kaiser auf.
Flucht nach Schweden
Durch seine Schrift als "Franzosenhasser" bekannt, musste er nach der Schlacht bei Jena und Auerstedt vor den Truppen Napoleon nach Schweden flüchten, wo er den zweiten Teil von "Geist der Zeit" schrieb, der 1809 in London erschien und Wege aus der fremdherrschaftlichen Bevormundung Deutschlands zu zeigen suchte.
Arndt arbeitete dort in der schwedischen Reichskanzlei an der Übersetzung des schwedischen Gesetzbuchs zur Einführung in Schwedisch Pommern. Eine Legende besagt, er sei in einem Duell mit einem schwedischen Offizier, der sich abfällig über Deutschland geäußert hatte, schwer verwundet worden.
Der Sturz Königs Gustav IV. Adolf von Schweden bewog ihn 1809, sein Asyl zu verlassen und nach Deutschland zurückzukehren, wo er nach einem Aufenthalt in Berlin seine Professur in Greifswald für kurze Zeit wieder antrat und enge Beziehungen mit preußischen Patrioten anknüpfte.
1812 begab er sich über Prag nach St. Petersburg, auf eine Einladung des Freiherrn vom Stein, der in ihm einen Gefährten zur Unterstützung des deutschen Nationalbewusstseins gegen die v. a. französische Fremdherrschaft fand. Arndt wurde sein Privatsekretär. So publizierte Arndt in dieser Zeit den Großteil seiner patriotischen Lieder und Gedichte, Gegenschriften und Widerlegungen französischer Veröffentlichungen und Berichte. Auch zum Briefwechsel mit England und Deutschland, besonders betreffs einer russisch-deutschen Legion, sowie einer Koalition Englands mit Russland wurde er herangezogen.
Nach Napoleons Niederlage in Russland kehrte Arndt mit Stein nach Deutschland zurück und fuhr fort, die nationale Einheitsbewegung im deutschen Volk durch Schriften zu unterstützen wie: "Was bedeutet Landwehr und Landsturm", den "Deutschen Volkskatechismus", "Über Entstehung und Bestimmung der deutschen Legion", "Grundlinien einer deutschen Kriegsordnung" und die Schrift "Der Rhein, Deutschlands Strom, aber nicht Deutschlands Grenze".
Alle diese Schriften kennzeichnen Arndt als entschiedenen Gegner Frankreichs und des damals vorherrschenden französischen Geistes, was die Flugblätter belegen wie: "Über Volkshaß und über den Gebrauch einer fremden Sprache" (1813), Über das Verhältnis Englands und Frankreichs zu Europa" (1813), "Noch ein Wort über die Franzosen und über uns" (1814). In der Schrift "Das preußische Volk und Heer" (1813) steigert er sein Pathos und seine Militanz, indem er Preußens Führern empfiehlt: "den Geist freizulassen und das Volk kriegsgeübt zu machen".
Aus derselben Zeit stammen seine Kriegs- und Vaterlandslieder. Schon 1813 unter dem Titel: "Lieder für Deutsche", : "Kriegs und Wehrlieder", 1815. (Später als: "Gedichte").
1813 veröffentlichte er den dritten Teil seines "Geist der Zeit", worin er Grundzüge eines neuen Verfassungszustands in Deutschland umriss, die er weiter ausführte in der Schrift "Über künftige ständische Verfassungen in Deutschland" (1814). Dem Bauernstands widmete er eine besondere Schrift (1815). Während die deutschen Heere auf französischem Boden kämpften, ließ er Flugblatt auf Flugblatt ausgehen, so: "Über Sitte, Mode und Kleidertracht", "Entwurf einer deutschen Gesellschaft", "Blicke aus der Zeit in die Zeit", "Über die Feier der Leipziger Schlacht", (1814), "Friedrich August von Sachsen", "Die rheinische Mark und die deutschen Bundesfestungen", (1815).
Auch eine Zeitschrift ("Der Wächter"), gab er 1815/16 in Köln heraus.
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Dieser Artikel basiert auf einem gemeinfreien Text („public domain“) aus Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage von 1888–1890. Rassissmus und Antisemitusmus wurden damals offenbar nicht als Problem angesehen und man ging nicht weiter auf Inhalt und Wirkung seiner jährlich herausgegebenen politischen Schriften ein. |
1818 wurde Arndt Professor für Geschichte an der neu gegründeten Universität Bonn, nach der Heirat mit die Halbschwester Schleiermachers, Nanna 1817 (gest. 16. Oktober 1869). In diesem Jahr erschienen seine "Märchen und Jugenderinnerungen" und der vierte Teil vom "Geist der Zeit". Zitat daraus: "Darum lasst und die Franzosen nur recht frisch hassen".
Seine akademische Wirksamkeit war von kurzer Dauer. Nach dem Wartburgfest, den Hep-Hep-Krawallen - Hassausbrüchen, die sich gegen jüdische Bürger in vielen deutschen Großstädten wandten - und der Ermordung des jüdischen Authors Kotzebues durch einen Burschenschafter wurden 1819 Arndts Papiere nach Beginn der Demagogenverfolgungen (Karlsbader Beschlüsse) wegen des vierten Bandes des "Geistes der Zeit" und wegen Privatäußerungen im September beschlagnahmt, er selbst im November 1820 von seinem Amt suspendiert und im Februar 1821 ein Verfahren wegen "demagogischer Umtriebe" gegen ihn wie gegen viele andere eröffnet.
Es endete ohne Resultat: Arndts Forderung einer Ehrenerklärung wurde nicht erfüllt, er wurde nicht für schuldig erklärt, beim Weiterbezug seines Gehaltes wurde ihm jedoch die Erlaubnis, an der Universität Vorlesungen zu halten, nicht wieder erteilt. Erst 1840 wurde er vollständig rehabilitiert. Eine Schilderung des Prozesses gab Arndt später selbst in dem "Notgedrungenen Bericht aus meinem Leben, aus und mit Urkunden der demagogischen und antidemagogischen Umtriebe" (Leipz. 1847).
In den folgenden Jahren verfasste er:
- Nebenstunden, Beschreibung und Geschichte der Shetländischen Inseln und Orkaden (Leipzig 1826);
- Christliches und Türkisches (Stuttgart 1828);
- Die Frage über die Niederlande (Leipzig 1831);
- Belgien und was daran hängt (1834);
- Leben G. Aßmanns (Berlin 1834);
- Schwedische Geschichte unter Gustav IIL und Gustav IV. Adolf (Leipz. 1839); und
- Erinnerungen aus meinem äußern Leben.
1834 verlor er seinen jüngsten Sohn Wilibald, der im Rhein ertrank.
Friedrich Wilhelm IV. setzte Arndt wieder als Professor ein. Die Universität wählte ihn 1841 zum Rektor. Dabei blieb er weiter literarisch tätig. Es erschienen:
- "Versuch in vergleichender Völkergeschichte" (1844);
- "Schriften für und an meine lieben Deutschen" (1845/55),
- eine Sammlung politischer Schriften; und
- "Rhein und Ahrwanderungen (1846).
Das Jahr 1848 wurde auch von Arndt begeistert begrüßt. Er wurde von dem 15. rheinpreußischen Wahlbezirk in die deutsche Nationalversammlung gewählt und wurde dort feierlich von allen Parteien als großer Patriot und Freiheitskämpfer begrüßt. Seine Beteiligung beschränkte sich, auch mit Rücksicht auf sein Alter, auf kurze, aber energische Reden im Sinn der konstitutionell erbkaiserlichen Partei; er war auch Mitglied der großen Deputation, welche dem König von Preußen die deutsche Kaiserkrone anbieten sollte. Das Ablehnen der Kaiserkrone durch den preußischen König hat ihn tief enttäuscht. Am 30. Mai 1849 trat er mit der Gagernschen Partei aus der Versammlung aus und zog sich wieder in die Stille seines akademischen Lebens zurück.
Lebensabend
Er blieb weiter als patriotischer Literat produktiv, wie es die "Blätter der Erinnerung, meistens um und aus der Paulskirche in Frankfurt" (1849), sowie sein "Mahnruf an alle deutschen Gauen in betreff der schleswig holsteinischen Sache" (1854), dem Büchlein "Pro populo germanico (1854), der anmutigen "Blütenlese aus Altem und Neuem" (1857) und die Schrift "Meine Wanderungen und Wandelungen mit dem Reichsfreiherrn H. K. Fr. vom Stein" belegen. Wegen einer angeblich General Wrede und das bayrische Militär beleidigenden Stelle in letzterer Schrift wurde Arndt vor das Schwurgericht in Zweibrücken geladen, wo er nicht erschien, und in Abwesenheit zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde.
Weniger bekannt als Arndts politische Schriften sind seine wunderbaren Märchen- und Sagensammlungen, die ihn über Deutschland hinaus in der literarischen Welt bekannt machten. Auch tief religiöse Gedichte verfasste er, von denen noch heute zwei als Lieder vertont im Evangelischen Kirchengesangbuch zu finden sind.
Unter allgemeiner Teilnahme feierte er 1859 seinen 90. Geburtstag und starb am 29. Januar 1860. Er ist außerdem Ehrenbürger der Stadt Köln.
nach Meyers 1888
Werke
- Versuch einer Geschichte der Leibeigenschaft in Pommern und Rügen (1803)
- Reisen durch einen Theil Teutschlands, Ungarns, Italiens und Frankreichs in den Jahren 1798 und 1799 (1804)
- Fragmente über Menschenbildung I bis III (1805, 1805, 1809)
- Geist der Zeit" I bis IV (1806, 1809, 1814, 1818, 1854)
- Kurzer Katechismus für teutsche Soldaten nebst einem Anhang von Liedern(1812)
- Der Rhein, Teutschlands Strom, nicht aber Teutschlands Grenze (1813)
- Märchen und Jugenderinnerungen I und II (1818, 1843)
- Vom Wort und vom Kirchenliede, nebst geistlichen Liedern (1819)
- Erinnerungen aus dem äußeren Leben (1840)
- Versuch in vergleichenden Völkergeschichten (1842)
- Schriften für und an meine lieben Deutschen (1845 - 1855)
- Notgedrungener Bericht aus meinem Leben (2 Bände, 1847)
- Geistliche Lieder (1855)
- Meine Wanderungen und Wandlungen mit dem Reichsfreiherrn Heinrich Carl Friedrich vom Stein (1858)
Bekannteste Gedichte/Lieder
- Zu den Waffen, zu den Waffen
(http://members.fortunecity.com/dikigoros/emaschlachtgesang.htm)
- Was ist des Deutschen Vaterland?
- Der Gott der Eisen wachsen ließ
(http://members.fortunecity.com/dikigoros/emavaterlandslied.htm)
Zitate
- "Man sollte die Einfuhr der Juden mit ihrem Schmutz und ihrer Pest verbieten."
- ...Die Juden als Juden passen nicht in diese Welt und in diese Staaten hinein, und darum will ich nicht, daß sie auf eine ungebührliche Weise in Deutschland vermehrt werden. Ich will es aber auch deswegen nicht, weil sie ein durchaus fremdes Volk sind und weil ich den germanischen Stamm so sehr als möglich von fremdartigen Bestandteilen rein zu erhalten wünsche. [...] Ein gütiger und gerechter Herrscher fürchtet das Fremde und Entartete, welches durch unaufhörlichen Zufluß und Beimischung die reinen und herrlichen Keime seines edlen Volkes vergiften und verderben kann. Da nun aus allen Gegenden Europas die bedrängten Juden zu dem Mittelpunkt desselben, zu Deutschland, hinströmen und es mit ihrem Schmutz und ihrer Pest zu überschwemmen drohen, da diese verderbliche Überschwemmung vorzüglich von Osten her nämlich aus Polen droht, so ergeht das unwiderrufliche Gesetz, daß unter keinem Vorwande und mit keiner Ausnahme fremde Juden je in Deutschland aufgenommen werden dürfen, und wenn sie beweisen können, daß sie Millionenschätze bringen. (zitiert nach "Weltgeschichte im Aufriß", Bd. 2, Verlag Diesterweg, Frankfurt/Main 1978, S. 191)
Siehe auch
- Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, gegr. 1456 als zweitälteste Universität Nordeuropas nach Rostock (1419) und älteste Preußens sowie Schwedens
- Wingolfsbund
- Antisemitismus: Französische Revolution und Nationalismus
Stand- und Denkmale
- Bronzeguss für Bonn, nach Entwurf Bernhard Afinger (1864), ausgeführt von Georg Ferdinand Howaldt
Weblinks
- http://gutenberg.spiegel.de/autoren/arndt.htm - Texte im Projekt Gutenberg-DE
- Fataler Patron - Noch immer tragen deutsche Schulen, Kasernen und eine Universität den Namen des völkischen Ideologen und Antisemiten Ernst Moritz Arndt Die Zeit, 5. November 1998. Kritischer Artikel, referiert einiges zur Rezeption Arndts im 20. Jahrhundert, gibt einen Abriss seiner Biografie und beleuchtet die völkisch-antisemitischen Elemente seines Denkens
- www.ernst-moritz-arndt.de "Ernst Moritz Arndt - Demagoge oder Demokrat?" Kritische Website, mit einer Sammlung kontroverser Zitate
- Einst gepriesener Demokrat - heute kein Vorbild mehr (enthält viele Informationen in konzetrierter Form)
- http://www.burschenschaftsgeschichte.de/ zeigt Arndt als einen der geistigen Väter der Burschenschaften
Personendaten | |
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NAME | Arndt, Ernst Moritz |
KURZBESCHREIBUNG | deutsch-nationaler Publizist |
GEBURTSDATUM | 26. Dezember 1769 |
GEBURTSORT | Groß-Schoritz auf Rügen |
STERBEDATUM | 29. Januar 1860 |
STERBEORT | Bonn |