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Arbeitslosigkeit

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Als arbeitslos bezeichnet man eine Person, die eine bezahlte Tätigkeit, die auf einem Arbeitsverhältnis beruht, anstrebt, aber keine Arbeit findet. Der Begriff arbeitslos wird meist synonym mit erwerbslos verwendet.

Oftmals bezieht sich der Begriff arbeitslos aber nur auf die registrierte Arbeitslosigkeit. Dagegen ist im Begriff erwerbslos auch die verdeckte Arbeitslosigkeit (Stille Reserve) enthalten. Diese Sprachregelung gilt beispielsweise für die Unterscheidung von Arbeitslosenzahlen der Bundesagentur für Arbeit und Erwerbslosenzahlen des Statistischen Bundesamtes. Im folgenden soll aber die gebräuchliche Begrifflichkeit verwendet werden, die arbeitslos mit erwerbslos gleichsetzt.

Die registrierte Arbeitslosigkeit umfasst jene Personen, die sich (in Deutschland) bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet haben und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Zur "Stillen Reserve" zählen Personen, die unter bestimmten Bedingungen zwar eine Arbeit aufnehmen würden, sich aber aus Scham oder Angst vor den Behörden etc. nicht bei der Arbeitsagentur gemeldet haben.

Formen der Arbeitslosigkeit

Nach ihrer (mutmaßlichen) Dauer kann man Arbeitslosigkeit unterscheiden in:

  • Friktionelle Arbeitslosigkeit (Sucharbeitslosigkeit): Sie entsteht beim Übergang von einer Arbeitsstelle zu einer anderen. Sie ist in der Regel nur von kurzer Dauer und auch in Phasen einer Vollbeschäftigung unvermeidlich.
  • Saisonale Arbeitslosigkeit: Sie ergibt sich aus natürlichen Schwankungen der Klimabedingungen im Jahresverlauf oder aus Nachfrageschwankungen. (z. B. Arbeitslosigkeit in der Landwirtschaft im Winter oder in der Gastronomie in der Nebensaison). Sie verschwindet üblicherweise wieder im Jahresverlauf.
  • Konjunkturelle Arbeitslosigkeit: Sie entsteht durch Konjunkturschwankungen. In der Rezession entlassen die Unternehmen Arbeitskräfte, die sie im Aufschwung wieder einstellen. Konjunkturelle Arbeitslosigkeit verschwindet in der Regel innerhalb von zwei bis drei Jahren wieder.
  • Strukturelle Arbeitslosigkeit: Sie ist ein dauerhaftes Phänomen. Es tritt häufig ein im Zusammenhang mit Wandlungen in der Wirtschaftsstruktur oder durch technologische Entwicklungen, wenn gleichzeitig der Arbeitsmarkt oder das Ausbildungssystem zu unflexibel sind, um Arbeitslose in anderen Branchen, Regionen oder Berufen unterzubringen. Hinzu kommt, dass mit der Dauer der Arbeitslosigkeit eine De-Qualifikation eintritt. Auch ein zu hohes Lohnniveau kann Ursache struktureller Arbeitslosigkeit sein, wenn wenig qualifizierte Arbeitskräfte zum üblicherweise gezahlten Lohn keine Arbeit finden.

Nach der theoretischen Begründung unterscheidet man

  • Klassische Arbeitslosigkeit: Sie liegt vor, wenn der Reallohn höher ist als der Vollbeschäftigungs- oder Gleichgewichtslohn. Das Arbeitsangebot ist in diesem Fall höher als die Arbeitsanfrage. Gleichzeitig ist das Güterangebot geringer als die Güternachfrage, da es sich wegen der hohen (Lohn-)Kosten für die Unternehmer nicht lohnt, so viel Güter zu produzieren, wie für eine Vollbeschäftigung notwendig wären. Ursache für klassische AL ist also eine mangelnde Gewinnaussicht bei den Unternehmen. (aus 'Volkswirtschaftslehre', Verlag Europa-Lehrmittel, ISBN 3-8085-9505-1)
  • Keynesianische Arbeitslosigkeit: geht zunächst von der gleichen Situation aus: Das Arbeitsangebot ist höher als die Arbeitsanfrage. Am Gütermarkt besteht jedoch die umgekehrte Situation wie bei klassischer AL: Das Güterangebot übersteigt die Güternachfrage bzw. Güterangebot und Güternachfrage sind gleich groß ("Gleichgewicht bei Unterbeschaftigung"). Für die Unternehmer lohnt es sich in dieser Situation nicht, die Güterproduktion zu erhöhen, so dass der Überhang beim Arbeitsangebot nicht abgebaut wird. Ursache für die keynesianische AL ist also eine zu geringe Güternachfrage, zu gering, um Vollbeschäftigung zu erreichen. (aus 'Volkswirtschaftslehre', Verlag Europa-Lehrmittel, ISBN 3-8085-9505-1)

Andere Einteilungen der Arbeitslosigkeit sind

  • Systemische Arbeitslosigkeit: Es wird argumentiert, dass die Ursache dieses Typus der Arbeitslosigkeit in einer allgemeinen Schwäche des Wirtschafts- und Gesellschaftssystems läge, eine ausreichende Zahl von Arbeitsplätzen zu schaffen, um allen Erwerbspersonen eine Beschäftigungschance zu bieten. Offenbar sind die Bedingungen auf den Standort Deutschland für die Unternehmen nicht attraktiv genug, um hier zusätzliche Investitionen zu tätigen und dadurch mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Deswegen besteht ein großer Mangel an Arbeitsplätzen.
  • Merkmalsstrukturelle Arbeitslosigkeit: Ursächlich sind hier die Unterschiede zwischen den Merkmalen der Arbeitslosen und den Anforderungen bei den offenen Stellen; viele Arbeitslose können die Qualifikationsanforderungen nicht erfüllen. Bei dieser "Mismatch"-Arbeitslosigkeit gibt es also sowohl offene Stellen als auch Arbeitslose, aber beide passen nicht zusammen.
  • Technologische Arbeitslosigkeit: Sie entsteht durch die Ersetzung der Arbeitskräfte durch Maschinen. Damit verbundene Investitionskosten (für die Anschaffung der Maschinen) machen sich durch eine höhere Produktivität schnell bezahlt.
  • Unfreiwillige Arbeitslosigkeit: Ökonomen sprechen von unfreiwilliger Arbeitslosigkeit, wenn ein Arbeitssuchender keine Arbeit findet, obwohl er bereit ist, zum geringstmöglichen Lohn zu arbeiten. Der geringstmögliche Lohn wird dabei durch eventuell vorgeschriebenen Mindestlohn, aber auch durch das Arbeitslosengeld festgelegt, das der Arbeitssuchende erhält.
  • Institutionelle Arbeitslosigkeit: Sie ist durch den Anreizsystem der Arbeitslosenversicherung erklärbar.
  • Langzeitarbeitslosigkeit: gem. SGB III § 18 Arbeitslose, die ein Jahr oder länger arbeitslos sind.

Ursachen der Arbeitslosigkeit

Bei der Suche nach den Ursachen der Arbeitslosigkeit muss man zwischen strukturellen, wirtschaftlichen und individuellen Gründen unterscheiden. Gesamtwirtschaftlich entsteht Arbeitslosigkeit vereinfacht gesagt immer dann, wenn die Nachfrage nach Arbeitskräften (aus welchen Gründen auch immer) geringer ist als das Angebot. Welche Personen von Arbeitslosigkeit betroffen sind, hängt von deren individuellen Merkmalen ab (Qualifikation, Alter, Gesundheitszustand ...).

Da Arbeitslosigkeit gesamtwirtschaftlich letztlich ein Marktungleichgewicht darstellt, kann dieses idealtypisch nur abgebaut werden, wenn die vorhandene Arbeit anders verteilt wird, wenn es zu Preisänderungen auf dem Markt kommt (sich also der Lohn verändert) oder wenn sich das Arbeitskraftangebot verringert.

Die Gewerkschaften haben lange Zeit das Ziel verfolgt, auf dem Arbeitsmarkt den Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage durch eine Umverteilung der vorhandenen Arbeit (mittels Arbeitszeitverkürzung, Förderung von Teilzeitarbeit etc.) zu erreichen. Auch die Politik versuchte in den 1990er Jahren, über Frühverrentung der Jugendarbeitslosigkeit entgegenzuwirken. Allerdings wurden die frühverrenteten Arbeitnehmer teilweise nicht ersetzt, wodurch die Sozialversicherungen in eine problematische Situation gerieten.

Kritiker aus dem arbeitgebernahen Lager halten dieser Politik vor, dass sie Arbeit wie ein hedonistisches Gut behandele mit der Folge einer Aushöhlung der Arbeitsethik und der Arbeitsmotivation. Für die Arbeitsethik sei konstitutiv, dass ihr eine sinnvolle Aufgabe zugrunde liege und dass die Lösung dieser Aufgabe mit der Überwindung innerer wie äußerer Widerstände verbunden sei, sprich Anstrengung und Mühe koste. Erwerbsarbeit habe klassischerweise eine Berechtigung zum Konsum von Gütern verschafft. Wenn nun die Erwerbsarbeit selbst wie ein hedonistisches Gut behandelt werde, das folglich gerecht zu verteilen sei, dann könne der Erwerbstätige nicht mehr Stolz auf seine Arbeitsleistung sein und daraus sein Selbstwertgefühl beziehen, sondern müsse nun umgekehrt für die Tatsache dankbar sein, dass er arbeiten darf. Bei einer Politik der Umverteilung der Arbeit würde darüber hinaus, so die Kritiker, die Arbeitszeit nicht davon abhängig gemacht, was einer zu lösenden Aufgabe und demjenigen, der sie zu lösen hat, entspricht, sondern starr eine niedrige Arbeitszeit durchgesetzt.

Auch die von Gewerkschaften und einigen Wirtschaftswissenschaftlern vertretene Kaufkrafttheorie der Löhne ist umstritten.

Laut den Arbeitgeberverbänden müsste bei einem Überangebot an Arbeitskräften der Lohn so lange sinken, bis die Nachfrage nach Arbeitskräften zugenommen hat, bis Angebot und Nachfrage übereinstimmen. Dieser Preismechanismus funktioniert aber aus mehreren Gründen auf dem Arbeitsmarkt nicht:

  • Erfahrungsgemäß sind Löhne rigide, d. h. sie sinken bei Arbeitslosigkeit nicht. Eine Ursache dafür können Tarifverträge sein, die Mindeststandards definieren, die nicht unterschritten werden dürfen. Auch ohne solche Verträge dürften Arbeitnehmer einer Lohnkürzung großen Widerstand entgegensetzen. Auch Mindestlöhne bzw. durch Arbeitslosen- und Sozialhilfe gesetzte Standards können dazu führen, dass Löhne nicht in dem Maße sinken, dass der Markt geräumt wird, also die Arbeitslosigkeit sinkt.
  • Der Lohn ist nicht nur ein Marktpreis, sondern er setzt auch Anreize. Es kann also aus Sicht der Arbeitgeber durchaus sinnvoll sein, einen Lohn zu zahlen, der über dem Gleichgewichtslohn liegt, da sie so ihre Angestellten zu höherer Leistung motivieren.
  • Der Lohn stellt die materielle Lebensgrundlage der Arbeitnehmer dar. Sinkt der Lohn, so werden manche ihr Arbeitsangebot erhöhen, um keine Einkommenseinbuße zu erleiden, indem sie z. B. einen Zweitjob annehmen. Das höhere Angebot würde aber weitere Lohnkürzungen erfordern, damit der Arbeitsmarkt zum Gleichgewicht kommt.
  • Der Arbeitsmarkt ist nicht homogen, sondern regional und sektoral segmentiert. Entsteht Arbeitslosigkeit z. B. nur in einer Region, so müssten dort die Löhne sinken, während sie in Regionen mit Vollbeschäftigung unverändert bleiben. Dann müsste eine Wanderung von Arbeitskräften in die Hochlohnregionen einsetzen, oder Unternehmen ihre Produktion in die Niedriglohnregion verlagern. Sind die Produktionsfaktoren aber immobil, beseitigen auch sinkende Löhne nicht die Arbeitslosigkeit.
  • Der Arbeitsmarkt ist ein nachrangiger Markt. Arbeitskräfte dienen nicht wie ein normales Wirtschaftsgut zur unmittelbaren Befriedigung eines Bedürfnisses. Arbeit wird abgeleitet von der Gesamtnachfrage nach Gütern und Dienstleistungen.


Allerdings werden aus angebotsorientierter Sicht nicht nur allein die Löhne bzw. die Lohnkosten für die Arbeitslosigkeit verantwortlich gemacht. Auch staatlichen Regulierungen sagt man nach, sie können einen Ausgleich auf dem Arbeitsmarkt verhindern, indem sie z. B. das Entstehen neuer Unternehmen - z. B. im Dienstleistungssektor - an Stelle schrumpfender Branchen, also den Strukturwandel behindern. Regulierungen auf dem Arbeitsmarkt können auch unmittelbar die Schaffung von Arbeitsplätzen behindern.

Die Absenkung des Arbeitskräfteangebots lässt sich dadurch erreichen, dass das Angewiesensein auf Erwerbseinkommen vermindert wird. Einige Reformer schlagen daher die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens vor, das es der gegenwärtig so großen Zahl von Arbeitslosen ermöglichen würde, ein positives, sinnerfülltes Leben jenseits der Erwerbsarbeit zu leben, was gegenwärtig angesichts der Arbeitspflicht und der Stigmatisierung von Arbeitslosen natürlich nicht möglich ist, so dass bei Arbeitslosen mehr oder weniger zwangsläufig eine "Identitätskrise" und ein Verfallsprozess droht. Auch wäre hier die Frage zu stellen, aus welchen Teilen des Bruttoinlandsprodukts diese leistungslosen Einkommen bezahlt werden sollen, denn auch diese Einkommen würden den Unternehmensbereich belasten, der ja die Belastung durch den Produktionsfaktor Arbeit in den Mittelpunkt seiner Überlegungen stellt.


Konjunkturell entsteht Arbeitslosigkeit auch durch einen temporären Mangel an effektiver Nachfrage, weshalb z. B. der Keynesianismus eine antizyklische Fiskalpolitik zur Verhinderung eines solchen Nachfragemangels empfiehlt. Verschiedentlich wird fehlende Nachfrage auch langfristig, z. B. aufgrund von Sättigung, für Arbeitslosigkeit verantwortlich gemacht. Allerdings lässt sich eine generelle, gesamtwirtschaftliche Sättigung nicht überzeugend begründen, weil ja gerade unfreiwillige Arbeitslosigkeit mit nicht befriedigten Konsumwünschen einhergeht, die dazu führt, dass das gesamtwirtschaftliche Produktionspotential nicht voll ausgelastet ist.


Häufig als Ursachen der Arbeitslosigkeit genannt werden der weltweite Wettbewerb zwischen Arbeitskräften, das Outsourcing oder die Globalisierung im Allgemeinen, bzw. der technische Fortschritt.

Aus systemischer Sicht trägt möglicherweise auch eine Verwertungs- und Produktionslogik zur Entstehung von Arbeitslosigkeit bei, die auf geringen Energie- und Rohstoffkosten basiert und zugleich arbeitsintensive Branchen (Dienstleistungen, Reparaturen, Wartung) gegenüber energieintensiver Produktion (Wegwerfprodukte, Neukauf statt Reparatur) benachteiligt mit zum Teil fatalen ökologischen Folgen. Hinzu kommt, dass Arbeit die wesentliche Grundlage der Besteuerung ist. Eine Lösung dieser Problematik setzt einen grundlegenden Wandel des Wirtschaftssystems voraus. In Deutschland versucht man diese beschriebenen Folgen dadurch abzumildern, dass Energie zusätzlich besteuert wird (sog. Öko-Steuer) und mit den Einnahmen der Produktionsfaktor Arbeit entlastet wird.

Diese sind die gängigen von Wirtschaftsverbänden vertretenen Thesen, die zumeist aber auch auf Widerstand treffen, zumal in der Praxis der Öko-Steuer auch kein positiver Effekt nachgewiesen werden konnte, da seit ihrer Einführung die Arbeitslosigkeit stieg und nicht gesenkt wurde. Entlastungen auf der Kapitalgeberseite bzw. sinkende Löhne oder höhere Abgaben auf Löhne führen in der Regel nur im Export zu wachsender Beschäftigung, der Binnenmarkt leidet durch die sinkende Kaufkraft eher darunter. Nur da im Export bzw. im globalen Markt kein Mindestlohn existiert, gelten für viele die Lohnsenkungen auch nur als zeitlich begrenzt wirksam.

Einige Reformer vertreten die These, dass ein wesentlicher struktureller Grund für die Massenarbeitslosigkeit im technischen Fortschritt liege, der den Bedarf nach lebendiger menschlicher Arbeitskraft drastisch gesenkt habe und weiter senken werde. Die Zeiten, in denen die Zahl der bei einem Konjunkturaufschwung neugeschaffenen Arbeitsplätze größer war als die Zahl der zuvor durch Rationalisierungen vernichteten Arbeitsplätze (oder zumindest gleich groß), sei seit Mitte der siebziger Jahre bzw. seit dem Ende des klassischen Industriezeitalters, das von arbeitsintensiven Industrien geprägt war, endgültig vorbei. Naturwüchsig würde die Zahl der Arbeitsplätze seit dieser Zeit unter dem Strich sinken. Zugunsten dieser These lässt sich unter anderem der statistische Indikator anführen, dass das Arbeitsvolumen seit Mitte der 1970er Jahre, in denen die Automatisierung und die Computertechnologie große Fortschritte machten, trotz parallel deutlich steigender Wertschöpfung tatsächlich kontinuierlich gefallen ist. Ein Indiz ist auch das häufig zu beobachtende Phänomen, dass bei Bekanntgabe von Massenentlassungen durch das Management eines Unternehmens der Aktienwert dieses Unternehmens an der Börse sprunghaft steigt, was sich so deuten lässt, dass mit weniger menschlicher Arbeitskraft die Wertschöpfung als lukrativer erscheint. Insbesondere aber der Umstand, dass Erwerbsarbeit gesellschaftlich zunehmend als ein Selbstzweck behandelt wird, ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Arbeitsgesellschaft grundlegend in die Krise geraten ist und dass die Krise vor allem darin besteht, sich von Erwerbsarbeit als Normalmodell der gesellschaftlichen Existenz in der Moderne nicht verabschieden zu können. In der Tat wird der Erwerbsarbeit politisch auf verschiedene Weise unter die Arme gegriffen, etwa durch Absenkung der Lohnnebenkosten, was auf eine Subventionierung der Erwerbsarbeit bzw. lebendiger menschlicher Arbeitskraft gegenüber Maschinenlösungen hinausläuft. In zahlreichen Branchen (auch im Dienstleistungssektor) schlummern zudem große Rationalisierungspotentiale, die von den Unternehmern deswegen nicht voll ausgeschöpft werden können, weil sie zugleich immer noch an die Rolle des Arbeitgebers gebunden seien. Sie müssen mit der Nutzung von Rationalisierungspotentialen defensiv warten, bis sie der Öffentlichkeit plausibel machen können, dass ohne Rationalisierungen die Unternehmensexistenz auf dem Spiel steht.

Seit den Migrationsbewegungen der 1990er Jahre in Europa, wird auch der Anteil der Migranten an der hohen Arbeitslosigkeit diskutiert. Ausländer/innen gehören auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu den unterprivilegierten Gruppen: Sie sind überproportional in Tätigkeiten beschäftigt, die nur geringe Qualifikationen erfordern und schlecht bezahlt sind. Ihre Arbeitslosenzahl ist im Vergleich mit Einheimischen überproportional hoch (Ende 2002: 19,1 % zu 10,8 %), das gleiche gilt für die Zahl der ausländischen Sozialhilfeempfänger (Ende 2002: 8,6 % zu 2,9 %). Aufgrund größerer struktureller Probleme bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt (u. a. Fehlen von formalen Bildungsabschlüssen) sind ausländische Staatsangehörige in besonderem Maße von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen. Die Langzeitarbeitslosigkeit (1 Jahr und länger) nahm bei dieser Gruppe innerhalb eines Jahres um knapp 7% zu. Viele arbeitslose Ausländer/innen sind u. a. wegen Sprachschwierigkeiten, mangelnder beruflicher Qualifikation oder Krankheit schwer vermittelbar. (Quelle: Katholische Arbeitsgemeinschaft Migration; http://www.kam-info-migration.de/pages/nl0310/kaminfo_nl0310_1.pdf)

Individuelle Folgen von Arbeitslosigkeit

Bei den individuellen Folgen kommen mehrere Studien zu gleichen Ergebnissen. Zuerst tritt ein Schock ein, welchem eine Phase des Befreiungsgefühls weicht. Auf diese Phase aufbauend, kommt die Phase von starker Aktivität. So werden Bewerbungen geschrieben und Fortbildungen besucht. Stellt sich durch die starke Aktivität kein Erfolg ein, wird also kein neuer Arbeitsplatz gefunden, nimmt das Interesse an den Bemühungen ab und es breitet sich Hoffnungslosigkeit aus.

Da hierzulande der persönliche Erfolg und die soziale Anerkennung stark von der beruflichen Leistung abhängt, fehlt dem Arbeitslosen die Bestätigung von Außerhalb. Neben der Bestätigung fehlt es vor allem an einer Zeitstruktur.

Diese Faktoren führen zu einer individuellen Schuldzuweisung die heftige Schamgefühle zur Folge hat. So kann es zum Abbruch der meisten sozialen Kontakte kommen. Daraus resultiert das Gefühl der Einsamkeit, Betroffene können sich Alkohol, Drogen etc. zuwenden. Gerade bei Jugendlichen ist Arbeitslosigkeit bedenklich, da ihnen so ein Mittel zur Identitätsentwicklung fehlt.

Ansatzpunkte zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit

Konjunkturelle Arbeitslosigkeit

Konjunkturelle Arbeitslosigkeit wird durch einen temporären Nachfragemangel während Rezessionen hervorgerufen. Um solche Situationen zu vermeiden, versuchte die Politik durch staatliche Ausgabenprogramme im Rahmen einer keynesianischen antizyklischen Fiskalpolitik den Nachfrageausfall auszugleichen. Dieser Ansatz scheiterte in den siebziger Jahren aber u. a. daran, dass die Politiker nicht in der Lage waren, die Ausgabenprogramme zu beenden, wenn sich die konjunkturelle Lage wieder besserte. Lag das Grundproblem in der zu geringen Flexibilität des Arbeitsmarktes, so waren Ausgabenprogramme auch nicht ursachenadäquat. In den europäischen Ländern stieg letztlich durch die staatliche Ausgabenpolitik nur die Staatsverschuldung, ohne dass dies die Lage auf dem Arbeitsmarkt besserte. Etwas positiver sind die Erfahrungen in den USA, wo der Arbeitsmarkt insgesamt flexibler ist und deshalb Ausgabenprogramme stärkere Wirkung bei der Beschäftigung zeigen.

Zudem muss berücksichtigt werden, das der Keynesianismus in Situationen mit Nachfrageausfall, wie er etwa beim schwarzen Freitag im Jahr 1929 auftrat, durchaus seine Berechtigung hat. Ist jedoch eher die Angebotsseite für die Arbeitslosigkeit verantwortlich, wie bei zu hohen Steuern und Löhnen, so wäre die Ausweitung der staatlichen Nachfragen kontraproduktiv. Dieser Effekt ist seit den 1970er Jahren auch in Deutschland zu beobachten. Seither steigt die Arbeitslosigkeit stetig an.

Weiteren Aufschluss über die Ursachen von Arbeitslosigkeit gibt die Beveridge-Kurve.

Strukturelle Arbeitslosigkeit

Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit müssen an deren Ursachen ansetzen. Soweit Löhne rigide sind, fand seit den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die Idee große Verbreitung, dass eine höhere Inflation helfen könne, die Arbeitslosigkeit zu senken. Steigen die Löhne langsamer als die Inflationsrate, kommt es zwar weiter zu Nominallohnzuwächsen, aber zu einem Reallohnrückgang, womit die Lohnrigidität aufgelöst würde (sog. Phillips-Kurve). (Zitat von Helmut Schmidt Mitte der siebziger Jahre: "Lieber fünf Prozent Inflation als fünf Prozent Arbeitslosigkeit"). Allerdings bewährte sich eine solche Politik nicht, u. a. weil Löhne zum Teil auch real rigide sind, da die Gewerkschaften die Inflationsrate bei ihren Lohnforderungen berücksichtigen.

Verringerung des Erwerbspersonenpotenzials

Lange Zeit versuchte man, Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, indem man das Potenzial an Arbeitskräften (das sog. Erwerbspersonenpotenzial) verringerte, z. B. durch eine Verlängerung der Schulzeit (so geschehen in Deutschland in den siebziger Jahren), Frühverrentung und Vorruhestand, sowie – z. B. in den Niederlanden – einer großzügigen Regelung bei der Invalidität. Auf Dauer erwiesen sich diese Maßnahmen aber als zu teuer, da Frührentner und Invaliden aus den Sozialkassen bezahlt werden, die sich aus Beiträgen der Arbeitnehmer finanzieren. Ein weiterer Ansatzpunkt war die Förderung der Teilzeitbeschäftigung.

Aktive Arbeitsmarktpolitik

§3(4)SGBIII definiert die aktive Arbeitsförderung als alle Leistungen der Arbeitsförderung mit Ausnahme von Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit, Teilarbeitslosengeld und Insolvenzgeld. Dazu gehören alle Maßnahmen, die die BA unternimmt, um Menschen wieder in Arbeit zu bringen wie z.B. Vermittlung, Weiterbildungsmaßnahmen (FbW), Trainingsmaßnahmen (TM) und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM).

In dem Maße, wie sich die Arbeitslosigkeit in Europa zunehmend verfestigte, versuchten die Regierungen, Arbeitslose in staatlich subventionierten Beschäftigungsprogrammen (sog. Zweiter Arbeitsmarkt) unterzubringen, in Deutschland vor allem in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM). Ziel dieser Programme war es in erster Linie, insbesondere Langzeitarbeitslose wieder ins Erwerbsleben zurückzuführen (z. B. an einen Achtstundentag zu gewöhnen), ihnen zu vermitteln, dass sie eine sinnvolle Arbeit ausführen und ihnen auch Qualifikationen zu vermitteln. Letzteres haben auch Qualifizierungsmaßnahmen zum Ziel. Allerdings wurden diese Maßnahmen, vor allem in den neuen Bundesländern, häufig zu einer reinen Beschäftigungstherapie, während die Chancen der Arbeitslosen nicht verbessert wurden. Insbesondere war die Politik in Deutschland, aber auch in anderen Ländern diesbezüglich nicht sehr effizient.

Da diese Politiken letztlich nicht sehr erfolgreich waren, versucht die Politik heute, Arbeitslosigkeit dadurch zu bekämpfen, dass sie zum einen Rigiditäten auf dem Arbeitsmarkt abbaut, zum anderen durch eine Wachstumspolitik das Entstehen neuer Arbeitsplätze fördert, und drittens Arbeitslose stärker in die Pflicht nimmt, sich um Arbeit zu bemühen.

Abbau von Lohn-Rigiditäten

Derzeit diskutierte Rezepte zum Abbau von Rigiditäten sind:

  • Öffnungsklauseln in Tarifverträgen, die bei Schwierigkeiten des Unternehmens oder bei Wettbewerbsproblemen niedrigere Löhne als im Tarifvertrag vorgesehen erlauben. Verschiedene Tarifverträge der jüngsten Zeit enthalten solche Klauseln, die ein Teilabweichen vom Flächentarifvertrag erlauben.
  • Geringere Lohnersatzleistungen (d. h. Arbeitslosen- und Sozialhilfe) für Arbeitslose, damit sich die Aufnahme einer gering bezahlten Tätigkeit lohnt (Abstandsgebot). Dabei wird der niedrige Lohn oft mit einer steuerlichen Begünstigung und geringeren Sozialbeiträgen subventioniert, wie z. B. bei den Minijobs und den Midijobs.
  • Größere Flexibilität der Arbeitszeit, mit Verkürzungen bei schlechter und Verlängerungen bei guter Auftragslage. Dies würde im Abschwung Entlassungen verhindern.
  • Abbau von Arbeitsmarktregulierungen, z. B. ein abgeschwächter Kündigungsschutz und verbesserte Möglichkeiten, befristete Arbeitsverträge abzuschließen.
  • Geringere Löhne in der Einarbeitungsphase oder Probezeit.

Solche Rezepte können allerdings nur dann wirken, wenn tatsächlich freie Arbeitsplätze vorhanden sind, die aber aufgrund der verschiedenen Rigiditäten nicht besetzt werden können.

Ansatzpunkte zur Bekämpfung bietet der Weitzman-Plan.

Politik des Forderns und Förderns

Seit einigen Jahren werden in Deutschland gesetzliche Vorschriften geändert, so dass Arbeitslose stärker in die Pflicht genommen werden, sich eine Arbeit zu suchen. Dies geschieht aus zwei Gründen. Zum einen melden sich auch Personen arbeitslos, die aus unterschiedlichen Gründen keine Arbeit suchen, sondern lediglich daran interessiert sind, Arbeitslosenunterstützung zu erhalten, so lange sie ihnen zusteht. Dass es solche Fälle gibt, ist unstrittig. Untersuchungen zeigen jedoch, dass ihre Zahl so geringfügig ist, dass das Problem der Massenarbeitslosigkeit mit der Verringerung dieser Zahl nicht aus der Welt zu schaffen ist.

Ein anderer Grund, der angeführt wird, ist: Arbeitslose verlieren mit der Dauer der Erwerbslosigkeit berufliche und soziale Qualifikationen, die ihre Vermittlungsfähigkeit beeinträchtigen, selbst wenn zu einem späteren Zeitpunkt Arbeitskräfte gesucht werden. Daher käme es darauf an, Arbeitslose möglichst rasch wieder zu einer neuen Arbeit zu verhelfen. In Deutschland müssen sich inzwischen Personen bereits bei der Arbeitsagentur melden, wenn bekannt wird, dass sie ihre Arbeitsstelle verlieren, und nicht erst, wenn sie arbeitslos sind. Die mit Langzeitarbeitslosigkeit verbundenen Probleme des Qualifikationsverfalls hängen nun aber mit der Negativität des Zustands der Arbeitslosigkeit als solchem zusammen. Der Arbeitslose ist auf den Arbeitsmarkt verpflichtet und steht diesbezüglich im Wartestand. Die Arbeitslosigkeit als reiner Negativität muss darüber hinaus zunehmend sein Selbstwertgefühl vermindern. Würde die Arbeitslosenexistenz durch Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens positiviert, dann bedeutete dies für den Arbeitslosen eine Freisetzung von der Bindung an den Arbeitsmarkt. Er wäre in seiner Autonomie gefordert, sich zu überlegen, ob er eine echte Chance auf Wiederbeschäftigung hat oder sich lieber außerhalb der Erwerbsarbeit sinnvoll betätigt. Das ist ihm gegenwärtig verwährt. Er muss sich im schlimmsten Fall auf eine zermürbende, endlos und sinnlos scheinende Arbeitssuche machen. Diese Arbeitssuche wird von ihm gegenwärtig immer schärfer eingefordert, obwohl der große Mangel an Arbeitsplätzen offensichtlich ist und die Aussicht auf eine Wiederkehr von Vollbeschäftigung äußerst vage bleibt.

Auch Ausländer sollen stärker in die Pflicht genommen werden. Mit der Verkürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes werden die Möglichkeiten der Aufenthaltsverfestigung, Familienzusammenführung und Einbürgerung beschränkt. Diese sind davon abhängig, dass der Ausländer/die Ausländerin ihren Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten können (§ 7 Abs. 2 Nr. 2, § 13, § 17 Abs. 2, § 24, § 27 Abs. 2, § 85 Abs. 1 Nr. 3 AuslG). Entsprechend § 46 Nr. 6 AuslG kann ausgewiesen werden, wer „für sich, seine Familienangehörigen, ..., Sozialhilfe in Anspruch nimmt oder in Anspruch nehmen muss.“

Probleme der Arbeitsmarktpolitik

Durch die angesprochenen Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik oder der Politik des Forderns und Förderns soll theoretisch jeder einzelne Arbeitslose in Arbeit gebracht werden können, der Druck müsse nur groß genug oder die Subventionen nur hoch genug sein. Wie diese Politik jedoch tatsächlich erfolgreich sein soll, ist schleierhaft.

Das gesamtwirtschaftliche Problem der Arbeitslosigkeit lässt sich damit kaum verringern, da beispielsweise subventionierte oder niedriger entlohnte Arbeitnehmer andere verdrängen. Die Arbeitslosen werden "ausgetauscht", ihre Gesamtzahl sinkt aber nicht, solange nicht andere Politiken - z. B. die Wachstumspolitik - für eine steigende Nachfrage nach Arbeitskräften sorgt, was zumindest als fragwürdig erscheint.

Auch besteht die Gefahr, dass durch einen zu hohen Druck auf Arbeitslose, zu jedem Lohn eine Arbeit annehmen zu müssen, eine Abwärtsspirale bei den Löhnen einsetzt, die zu Deflation und zu einem Einbruch der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage führen kann. Der zunehmende Druck auf Arbeitslose führt auch dazu, dass vorhandene Qualifikationen ungenutzt bleiben, weil Arbeitslose zu unqualifizierten Beschäftigungen gedrängt werden. Diese Qualifikationen könnten unter Umständen außerhalb der Erwerbsarbeitssphäre noch sinnvoll eingesetzt werden, und viele der unqualifizierten Jobs werden naturwüchsig gar nicht stark nachgefragt, sondern werden politisch subventioniert, um das Problem der Arbeitslosigkeit zu vermindern.

Marxistische Betrachtung der Arbeitslosigkeit

Nach marxistischer Auffassung ist gesellschaftliche Arbeitslosigkeit für den Kapitalismus notwendig und stellt eines seiner notwendigen Begleiterscheinungen dar. Die Arbeitslosen bilden demnach ein Druckmittel für die Kapitalisten, indem sie zur Konkurrenz für die arbeitende Bevölkerung werden. Sie bilden die "industrielle Reservearmee" (Karl Marx, MEW 23, 664) auf die die Klasse der Kapitalisten jederzeit zugreifen kann.

Die Konkurrenz der Kapitalisten untereinander zwingt den individuellen Arbeitgeber, seine Produktivität zu steigern. Maschinen, technologischer Fortschritt und Rationalisierung im Arbeitssektor ermöglichen ihm das. Die Folge ist Erhöhung der Arbeitslosigkeit.

Im Kapitalismus ist auch eine "Arbeiter-Überbevölkerung" (K. Marx), eine Überschussbevölkerung (die Arbeitslosen), systemimmanent, denn der Widerspruch im Kapitalismus, dass der Kapitalist möglichst viele Arbeiter braucht, um möglichst viel zu produzieren (also einen ständigen Zugriff auf Arbeitskräfte haben muss) und zugleich möglichst wenig Arbeiter einstellen muss, um möglichst billig zu produzieren, macht dies notwendig: "Es liegt in der Natur des Kapitals, einen Teil der Arbeiterbevölkerung zu überarbeiten und einen anderen zu verarmen." (K. Marx, Theorien über den Mehrwert, MEW 26.3, 300)

Statistische Erfassung der Arbeitslosigkeit

Da Arbeitslosigkeit sehr facettenreich ist, bereitet die statistische Erfassung relativ große Probleme, insbesondere sind Angaben aus verschiedenen Ländern nicht ohne weiteres vergleichbar. Beispielsweise ist strittig, ob Schüler, die nach Schulabschluss auf einen Ausbildungs- oder Studienplatz warten, als arbeitslos zählen oder nicht. In Deutschland werden sie, soweit sie sich nur arbeitslos melden, um den Eltern Kindergeldansprüche zu sichern, seit 2003 nicht mehr in der Arbeitslosenquote berücksichtigt. Um eine Standardisierung der Definitionen bemüht sich die Internationale Arbeitsorganisation. In Deutschland wird Arbeitslosigkeit im internationalen Vergleich recht weit abgegrenzt. Die nach deutscher Definition berechnete Arbeitslosenquote ist stets größer als die nach der internationalen Abgrenzung.

Diskrepanzen gibt es auch, was die Berechnung der Arbeitslosenquote angeht. In Deutschland ist eine Quote noch verbreitet, bei der die Zahl der Arbeitslosen zur Zahl der abhängigen zivilen Erwerbstätigen in Relation gesetzt wird, was eine unechte Quote darstellt. International gebräuchlich ist die Relation aus Arbeitslosen zu Erwerbstätigen (=Arbeitnehmer + Selbständige). Letzteres stellt eine echte Quote dar und liefert stets etwas niedrigere Werte.

Was die Erfassungsmethode angeht, so gibt es grundsätzlich zwei Konzepte. Nach der einen wird die Meldung bei der Arbeitsverwaltung zur Grundlage der Zählung gemacht. Dieses Verfahren ist in Deutschland gebräuchlich. Nach der zweiten wird die Zahl der Arbeitslosen in einer Umfrage erhoben, ein Verfahren, das z. B. die USA anwenden:

"[..] die US-Arbeitslosenquote ist nicht die Addition aller registrierter Arbeitsloser. Sie wird als Ergebnis einer monatlichen repräsentativen Befragung von 50 000 Haushalten hochgerechnet. Als arbeitslos gilt, wer während der Befragungswoche keine bezahlte Arbeit hatte und während der vergangenen vier Wochen spezielle Anstrengungen unternahm, einen neuen Job zu finden. Als beschäftigt gilt, wer während der Befragungswoche, wie kurz auch immer, erwerbstätig war. Wer also, seien es nur zwei Stunden am Tag, arbeitet, gilt statistisch als versorgt. [..]" Ulrike Fussel (Washington) in FR vom 20.1.1998

Auf einer Umfrage basieren in Deutschland die Erwerbslosenzahlen des Statistischen Bundesamtes. Dieses ermittelt einmal im Jahr die Zahl der Erwerbslosen im Rahmen des Mikrozensus. Diese Zahl, meist der Wert für April oder Mai, wird dann monatlich aufgrund der Daten der Bundesagentur für Arbeit neu geschätzt und so fortgeschrieben. Im Gegensatz zu den Zahlen der Bundesagentur für Arbeit sind hier auch nicht gemeldete Arbeitssuchende erfasst. Deshalb liegt die Erwerbslosenzahl für Jüngere, die oft keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben, meist höher als die entsprechende Arbeitslosenzahl. Andererseits gilt nicht als erwerbslos, wer mehr als eine Stunde in der Woche arbeitet (Arbeitslose: über 15 Stunden). Zudem fallen hier die Erwerbslosen heraus, die Leistungen beziehen, aber kein Interesse an einer Arbeitsaufnahme haben. Vor allem aufgrund der restriktiven Definition (weniger als eine Stunde Arbeit pro Woche) liegt die Erwerbslosenzahl insgesamt meist niedriger als die Arbeitslosenzahl. Für die Erwerbslosenquote wird ebenfalls die Zahl der zivilen Erwerbstätigen als Basis verwendet. Diese wird monatlich aktualisiert.

Beide Zahlen unterscheiden zwischen der saisonbereinigten und der nicht saisonbereinigten Arbeitslosenzahl. Bei der saisonbereinigten Zahl wird versucht, jahreszeitliche Einflüsse wie die Winterarbeitslosigkeit/Saisonarbeitslosigkeit herauszurechnen. Daher liegt die saisonbereinigte Arbeitslosenzahl im Winter niedriger, im Sommer höher als die aktuelle Zahl. Die Berichterstattung in den Medien konzentriert sich vor allem auf die saisonbereinigte Arbeitslosenzahl beziehungsweise -quote.

Aktuelle Zahlen zur Arbeitslosigkeit

Arbeitslosenquoten in Deutschland im März 2005

Bundesland Arbeitslose
März 2005
Arbeitslosenquote
März 2005
Mecklenburg-Vorpommern 207.773 23,3 %
Sachsen-Anhalt 291.596 22,6 %
Brandenburg 269.599 20,1 %
Sachsen 444.897 20,1 %
Berlin 328.476 19,4 %
Thüringen 237.304 19,2 %
Bremen 56.930 17,9 %
Nordrhein-Westfalen 1.086.271 12,4 %
Schleswig-Holstein 172.381 12,3 %
Niedersachsen 471.480 12,0 %
Saarland 56.686 11,3 %
Hamburg 93.381 10,7 %
Rheinland-Pfalz 193.821 9,6 %
Hessen 284.975 9,3 %
Bayern 579.302 8,9 %
Baden-Württemberg 400.705 7,3 %
Ostdeutschland 1.779.645 20,7 %
Westdeutschland 3.395.932 10,4 %
Deutschland 5.175.577 12,6 %

Quelle: Bundesagentur für Arbeit Die Einfärbung der Tabelle erfolgt in 4-Prozent-Schritten.



Bedeutung der Arbeitslosigkeit

Nicht nur der Einzelne ist zur Deckung seiner Lebensverhältnisse auf Arbeit angewiesen, auch die Gesellschaft, die durch die feingliedrige Arbeitsteilung ihren kulturellen Stand erhalten und verbessern kann, braucht den Beitrag der Arbeit aller seiner Mitglieder.

Die Organisation der Arbeit prägt die gesamten Lebensverhältnisse der Gesellschaft. Nur ein sehr geringer Teil der Bevölkerung verfügt über ausreichende Mittel, seinen eigenen Lebensunterhalt dauerhaft zu sichern. Aus diesem Grund ist für die meisten Menschen ein Leben ohne Arbeit nicht zu realisieren, denn die Sicherung der eigenen Existenz und ggf. auch die der unterhaltspflichtigen Angehörigen setzt Erwerbsarbeit voraus.

In der deutschen Philosophie (Hegel, Kant, Herder, Johann Gottlieb Fichte) wurde Arbeit zur Existenzbedingung und sittlichen Pflicht erklärt." Arbeite um zu leben" oder "Lebe um zu arbeiten" In neuerer Zeit dann oftmals auch mit etwas mehr Klassenbewusstsein.

Reicher Mann und armer Mann
standen da und sah’n sich an.
Und der Arme sagte bleich:
Wär’ ich nicht arm, wärst du nicht reich.
Bertolt Brecht

Weiterführende Hinweise

Siehe auch: Arbeitsmarkt, Sozialrecht, Hartz-Konzept, Agenda 2010, Armut, Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, New Work, Minijob; Midijob, Arbeitsmarktservice, Hysterese

Praktische Informationen