Judensau
Die Judensau ist ein häufig vorkommendes antisemitisches Motiv in der christlichen Kunst des Mittelalters. Außerdem wurde der Begriff von Nationalsozialisten zur Beschimpfung von Menschen jüdischer Herkunft verwendet.
Das Motiv
Das Motiv der "Judensau" wurde im Mittelalter populär und wurde an öffentlichen Gebäuden und Kirchen angebracht. Es zeigt Juden und Schweine in enger Verbindung: Juden, die an den Zitzen der Säue saugen oder die rittlings auf einem Schwein sitzen mit dem Gesicht dem Tierafter zugewandt.
Juden sollten damit verunglimpft und verspottet werden. Ihre religiösen Empfindungen wurden verletzt, da gerade das Schwein ein bekanntermaßen rituell unreines Tier für jeden auch nur einigermaßen gläubigen Juden ist.
Vorkommen
Diese Darstellungen kann man an einigen Kirchen heute noch finden. Einige der Kirchen, an denen diese Motive gesehen werden können, finden sich in Aerschot (Notre Dame), Bamberg (Dom), Basel (Münster), Brandenburg (älteste Darstellung; Dom), Cadolzburg, Colmar (Münster St. Martin), Eberswalde, Erfurt (Dom), Gnesen (Kathedrale), Heilsbronn (Münster), Köln (Chorgestühl im Dom und St. Severin), Lemgo (St. Marien), Magdeburg (Dom), Metz (Kathedrale), Nürnberg (St. Sebalduskirche), Regensburg (Dom), Remagen (Torbogen), Uppsala in Schweden (Dom), Wien, Wimpfen (Stiftskirche St. Peter), Wittenberg (Stadtkirche), Xanten (St. Viktor-Dom), Zerbst (Nikolaikirche) (als Basis Liste von www.christen-und-juden.de verwendet).
In Wittenberg ist eine Mahntafel unterhalb der Judensau in den Boden gelassen. In einigen Kirchen kann man - teils auf Anfrage - Stellungnahmen und Beschreibungen von seiten der Kirche zu dem Motiv erhalten.
In einigen Städten wurde das Judensau-Motiv entfernt, so z.B. in Frankfurt am Main und in Kelheim. Inwieweit hier Denkmalschutz mittelalterlicher Bausubstanz und andere Werte gegeneinander aufgewogen werden können und müssen ist eine strittige Frage.
Das Judensau-Motiv - Zeichen für zunehmende Ausgrenzung der Juden im Verlauf des Mittelalters
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Die Beschimpfung von Juden als "Sau" oder "Schwein" geht bis auf das beginnende Mittelalter zurück: Schon im 7. Jahrhundert wurden konvertierte - neugetaufte - Juden in Spanien als "marranos" (Schweine) bezeichnet. Damit wurde auch auf das Verbot im jüdischen Gesetz (Tora), Schweinefleisch zu essen, angespielt.
In den Augen der christlichen Umwelt hat sich das Bild des Juden im Verlauf des Mittelalters wesentlich gewandelt. Aus dem im frühen und auch noch im hohen Mittelalter zeitweise noch tolerierten und respektierten Mitmenschen ist bis zum Beginn der Neuzeit ein verachteter und gefürchteter Außenseiter der Gesellschaft geworden. Dies zeigt sich gerade auch im Wandel der bildlichen Darstellungen. Betrachtet man die allegorische Darstellung der im Kampf mit der "Ecclesia" (Kirche) unterlegenen "Synagoge" am Straßburger Münster, eine formvollendete, edle und auch in der Trauer über ihre Niederlage noch hoheitsvolle Frauengestalt (Entstehungszeit 1230). Vergleicht man sie etwa mit der oben erwähnten "Judensau" an der Stadtkirche in Wittenberg(Entstehungszeit um 1440), so wird dieser grundlegende Wandel ohne weiteres erkennbar. Während sich das im frühen und hohen Mittelalter oft verwendete Ecclesia-Synagoge-Motiv in seiner Thematik auf den religiösen Gegensatz zwischen Judentum und Christentum beschränkt und diesen in würdiger Weise darstellt, spiegelt sich im Judensau-Motiv eine tiefe Verachtung der Juden. Die Judensau erregt Abscheu und Ekel. Die - wie in Wittenberg - an ihren Zitzen saugenden Juden erscheinen als widerwärtige Kreaturen, die nur aus einer unbegreiflichen Laune der Natur ein menschliches Antlitz tragen. Die Judensau-Darstellungen zeigen daher anschaulich, dass sich um Ende des Mittelalters der ursprünglich noch vorwiegend im religiösen Bereich bestehende Gegensatz in eine totale, alle Lebensbereiche umfassende Verachtung der Juden verdichtet hat.
"Judensau" im Nationalsozialismus
Die Nazis beschimpften Menschen jüdischer oder vermeintlich jüdischer Herkunft mit diesem Begriff. Schon lange vor ihrer Machtergreifung verwendeten aber auch nationalistische Rechte in Deutschland das Wort. So kursierte in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts ein deutschnationales Stammtisch-Lied, das gegen den damaligen Außenminister der Weimarer Republik hetzte: "Knallt ab den Walther Rathenau, die gottverfluchte Judensau!"
Siehe auch: Antijudaismus im Mittelalter
Weblinks
- http://www.christen-und-juden.de/index.htm?html/judensau.htm
- http://alt.wittenberg.de/seiten/virtuell/vir_sf08.html zum Steinrelief an der Wittenberger Stadtkirche