Kokain
Kokain (auch Cocain) ist ein Alkaloid, das aus den Blättern des Cocastrauchs (bot. Erythroxylum coca Lam.) gewonnen wird. Der Gehalt an Cocain in der Pflanze beträgt zwischen 0,7 und 2,5 Prozent. Angebaut wird die Coca-Pflanze in Südamerika und Java in einer Höhe zwischen 600-1.000 m. Hauptanbaugebiete sind Bolivien, Peru, Kolumbien und Java.
Weitere Szenenamen sind Schnee, Weisses Gold, Hybrid oder schlicht Koks oder Coke.
Die chemische Formel ist der Methylester des linksdrehenden Benzoylecgonins (2R,3S)-3-Benzoyloxy-tropan-2-carbonsäuremethylester und die Summenformel ist C17H21NO4.
Die erste Rezeptur des Erfrischungsgetränks Coca-Cola enthielt bis 1903 einen Extrakt aus Cocablättern (und erhielt so seinen Namen), so dass ein Liter Coca Cola rund 250 Milligramm Kokain enthielt, das später durch mehr Koffein ersetzt wurde. Auch sonst war Kokaingebrauch im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in Europa weit verbreitet und legal. Die Gefährlichkeit der Substanz wurde nur langsam erkannt.
Heute auf dem Schwarzmarkt verfügbares Cocain ist praktisch niemals auch nur annähernd rein. In der Regel enthält schon "gutes" Cocain in Deutschland bzw. Europa bis es beim Konsumenten ankommt nur um die 40 Prozent des eigentlichen Stoffes. Reines (über 90 Prozentiges) Cocain ist zwar auch verfügbar aber sehr selten. Hauptsächlich wird als Streckmittel Milchzucker ("Edelweiss") verwendet. Durchaus verbreitet ist aber auch der Zusatz von weiteren Substanzen, welche gezielt bestimmte spezifische Wirkungen des Cocains "imitieren", um die subjektive Qualität des gestreckten Cocains wieder besser erscheinen zu lassen. So wird beispielsweise Koffein, Ephedrin ("Herbal XTC"), Amphetamin ("Speed") oder selten Methamphetamin ("Crystal") beigemengt, um die stimulierende Wirkung wieder zu verstärken oder es werden Lidocain oder andere Lokalanästhetika zugefügt, um die (örtlich) betäubende Wirkung zu verstärken. Möglich aber wenig verbreitet sind natürlich nahezu unzählige weitere Subtanzen wie beispielsweise Heroin.
Medizinische Anwendung
Kokain ist das älteste bekannte Lokalanästhetikum. Wegen der hohen Suchtgefahr und der ausgeprägten Toxizität wird es heute so gut wie nicht mehr eingesetzt. Kokain diente aber als Leitsubstanz für viele synthetische Lokalanästhetika wie z.B. Lidocain oder Scandicain.
1884 wurde Kokain zum ersten mal in der Augenheilkunde eingeführt. Noch heute ist der Einsatz für Operationen am Auge nach der deutschen Betäubungsmittelverschreibungsverordnung zugelassen.
Cocainismus
Als Cocainismus wird der Gebrauch von Kokain durch direkte Aufnahme in den Körper bezeichnet. Meistens wird Kokain durch die Nase aufgenommen (Schnupfen; dieser Vorgang wird im Szenejargon unter anderem "ziehen" genannt), aber auch die orale oder intravenöse Aufnahme ist möglich. Eine durchschnittliche Dosis von 20 bis 50 Milligramm führt circa 20 Minuten (durch Schnupfen so gut wie unmittelbar) nach der Einnahme zu einem gesteigertem Rededrang, größerer allgemeiner Leistungsfähigkeit, erhöhtem Selbstwertgefühl, Euphorie, Bewegungsdrang, verbesserter Konzentration und Wachheit sowie einer Absenkung der sexuellen und sozialen Hemmungen.
Kokain ist ein Katecholamin-Re-uptake-Hemmer. Es verhindert also die Wiederaufnahme der Neurotransmitter in die präsynaptische Zelle. Dies führt zu einer Erhöhung der Konzentration der Neurotransmitter wie Dopamin und Noradrenalin, was u.a. zu einer Erhöhung des Sympathikotonus führt. Bei höherer Dosierung können Symtome wie Nervosität, Angstzustände und paranoide Stimmungen auftreten. Die LD50-Wert liegt bei circa 15 mg pro kg Körpergewicht, was ca. 1 g für einen Erwachsenen entspricht. Das Ende des Rausches ist am Folgetag - je nach psychischer Konstitution sowie der eingenommenen Menge und Dauer - oftmals gekennzeichnet durch Niedergeschlagenheit, Müdigkeit bis hin zur Erschöpfung, Selbstvorwürfe und Schuldgefühle.
Zwischen Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre hat Kokain sich auch verstärkt unter Heroinsüchtigen verbreitet, wo es vor allem intravenös konsumiert wird. Zumeist wird dies mit der Verbreitung von Methadonprogrammen in Zusammenhang gebracht, da bei Methadon der "Kick" fehlt, welchen sich dann viele mit Hilfe von Kokain holen. Der Beikonsum von Kokain stellt für die Drogenhilfe ein großes Problem dar, da die Methadonsubstituierten weiterhin auf die Szene gehen, um sich die Droge zu besorgen, wodurch die für eine erfolgreiche Therapie unerlässliche Ablösung vom alten Umfeld stark erschwert wird. In einigen Städten, insbesondere in Frankfurt am Main und Hamburg, sind seit Ende der 1990er Jahre viele "Junkies" von Kokain- auf Crackkonsum umgestiegen.
Suchtpotenzial und sonstige Gefahren
Der regelmäßige Gebrauch von Kokain kann schnell zu einer psychischen, nicht aber körperlichen Abhängigkeit (Sucht) führen. Ein Spezifikum hierbei (noch stärker ausgeprägt beim Kokainderivat Crack) ist die "episodische Gier": Auch bei unerfahrenen Konsumenten kann, wenn die Drogenwirkung abklingt, ein starkes Verlangen eintreten, mehr zu konsumieren. Im Extremfall kann diese Konsumdynamik sog. "Binges" (engl.; Episoden mit in kurzen Abständen erfolgendem Konsum) zur Folge haben, die viele Stunden oder gar mehrere Tage andauern. Eine Besonderheit bei langfristigem Kokainmissbrauch ist das Auftreten des sogenannten Dermatozoenwahns; die Überzeugung, dass sich Insekten unter der eigenen Haut bewegen. Außerdem wird die Kokainabhängigkeit häufig mit einem Verfall des Gewissens des Konsumenten in Verbindung gebracht - dies vor dem Hintergrund, dass die Selbstbewusstsein steigernde Wirkung im Zusammenspiel mit der Konsumdynamik das soziale Bewusstsein verblassen lässt (weshalb Kokain zuweilen als "Ego-Droge" bezeichnet wurde).
Kokain ist eine der beliebtesten "Szenedrogen" der Welt. Vermutlich ist sie insgesamt nach Cannabis die illegale Droge mit der höchsten "Lebenszeitprävalenz" (diese bemisst sich nach der Menge der Personen, die die Droge mindestens einmal genommen haben). Dementsprechend gibt es relativ viele, die Kokain gelegentlich konsumieren. Die Grenzen zum regelmäßigen Konsum und dann zur Abhängigkeit sind dabei fließend, und gerade im Zusammenhang mit den spezifischen Wirkungen, die bei vielen die Integration der Droge in ein geregeltes Leben ermöglichen, werden vielen der "Kokainisten" die negativen Auswirkungen des Konsums zunächst nicht bewusst - ganz zu schweigen von den möglichen körperlichen Schäden, die auch im Vergleich zu anderen Drogen bei regelmäßigem Konsum schwerwiegend sein können.
Gefahr durch Schwarzmarkt
Das Problem illegaler Drogen ist generell, daß sie meist nur gestreckt auf dem Schwarzmarkt angeboten werden. Näheres hierzu ist im einleitenden Abschnitt nachzulesen.
Der Schwarzmarktpreis für ein Gramm (i.d.R. gestrecktes) Kokain liegt in Europa etwa zwischen 40 und 90 Euro.
Cocaismus
Das Kauen der Cocablätter zusammen mit Kalk wird als Cocaismus bezeichnet. Dabei treten selten Suchterscheinungen auf, da das Kokain durch den Kalk zum nicht Sucht erregendem Ekgonin umgesetzt wird. Das Kauen von Cocablättern ist, im Gegensatz zur Einnahme von reinem Kokain, bei den Indianern in den Anbaugebieten bis heute üblich. Es unterdrückt das Empfinden von Höhenkrankheit oder Hunger. Der Cocaismus greift durch den Kalkzusatz bei regelmäßigem Konsum die Zähne an.
Geschichte
Die ersten Coca-Sträucher kamen 1750 aus Südamerika nach Europa. Um 1859 gelang erstmals die Isolierung des Alkaloids durch Albert Niemann. Ab 1879 wurde Kokain verwendet um Morphinabhängigkeit zu behandeln. Um 1884 kam es als lokales Anästhetikum in Deutschland in klinischem Gebrauch, ungefähr zur selben Zeit als Sigmund Freud über dessen Wirkungen in seinem Werk Über Coca schrieb:
- „Die psychische Wirkung des Cocainum mur. in Dosen von 0,05 bis 0,10 Gramm besteht in einer Aufheiterung und anhaltenden Euphorie, die sich von der normalen Euphorie des gesunden Menschen in gar nichts unterscheidet. Es fehlt gänzlich das Alterationsgefühl, das die Aufheiterung durch Alkohol begleitet, es fehlt auch der für die Alkoholwirkung charakteristische Drang zur sofortigen Bethätigung. Man fühlt eine Zunahme der Selbstbeherrschung, fühlt sich lebenskräftiger und arbeitsfähiger; aber wenn man arbeitet, vermisst man auch die durch Alkohol, Thee oder Kaffee hervorgerufene edle Excitation und Steigerung der geistigen Kräfte. Man ist eben einfach normal und hat bald Mühe, sich zu glauben, dass man unter irgend welcher Einwirkung steht.“
1898 erfolgte die Konstitutionsaufklärung und 1902 die Synthese durch Richard Martin Willstätter.
siehe auch
Literatur
- Stöver,H./ Prinzleve, M. (Hg.): Kokain und Crack. Pharmakodynamiken, Verbreitung und Hilfeangebote. Freiburg: Lambertus 2004; ISBN 3-7841-1494-6
- Hobhouse, Henry: Sechs Pflanzen verändern die Welt. Chinarinde, Zuckerrohr, Tee, Baumwolle, Kartoffel, Kokastrauch. Klett-Cotta : Hamburg 4. Auflage 2001, 401 S., ISBN 3-608-91024-7
- Günter Amendt: Der große weiße Bluff. ISBN 3-922144-65-9
- Christian Kracht: Faserland.Dtv ISBN 3423129824
Weblinks
- http://www.medicine-worldwide.de/pharmakologie/drogen/kokain.html
- Wirkungsdauer von Kokain http://www.medizin.de/gesundheit/deutsch/839.htm
- http://www.meb.uni-bonn.de/giftzentrale/kokain.html
- http://www.drug-infopool.de/rauschmittel/kokain.html
- Linksammlung: http://www.drogen-aufklaerung.de/texte/sachtext/kokain00.htm
- Kokain, Freebase und Crack: http://141.2.61.48/zim/infektio/crack.htm
- Konsumenteninformation und Erfahrungsberichte: http://www.suchtzentrum.de/drugscouts/dsv3/stoff/koks.html