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Mensur (Studentenverbindung)

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Eine Mensur (lateinisch mensura = Abmessung) ist ein traditioneller, streng reglementierter Fechtkampf von Mitgliedern von Studentenverbindungen mit scharfen Waffen. Der Begriff gründet auf dem fechttechnischen Fachbegriff „Mensur“, der seit dem 16. Jahrhundert einen festgelegten Abstand der Fechter zueinander bezeichnet.

Mensuren werden je nach Hochschulort mit Korbschlägern oder Glockenschlägern gefochten. Die Fechter sind heute fast vollständig gegen Verletzungen geschützt. Lediglich Teile von Kopf und Gesicht sind frei und können verletzt werden. Durch solche Verletzungen entstehende Narben heißen Schmisse.

Mensuren werden von vielen Studentenverbindungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz gefochten. Teils sind deren Mitglieder verpflichtet, Mensuren zu fechten, teils können sie dies freiwillig („fakultativ“) tun.

Georg Mühlberg „Auf die Mensur“, Darstellung einer Mensur auf Korbschläger, ungefähr um 1900

Die Eigenart der Mensur

Das Mensurfechten ist weder Sport noch Duell, hat aber mit beiden Formen menschlichen Kräftemessens Gemeinsamkeiten.

Wie beim Sport muss zwischen den Kontrahenten keine persönliche Antipathie bestehen. Ein gewisses Vertrauen zueinander ist für ein "Paukverhältnis" sogar nötig. Allerdings kennt eine Mensur keine Gewinner oder Verlierer. Wichtiger als ein "Sieg" ist die aufrechte Teilnahme. Die Leistung jedes teilnehmenden Fechters - der "Paukanten" - wird unabhängig von der Leistung seines Gegners bewertet: etwa nach Stand, Moral und Technik. Dies nimmt der Mensurconvent vor: ein Gremium, das aus allen anwesenden Bundes- bzw. Corpsbrüdern besteht, die die Mensur vollständig gesehen haben.

Wie das Duell ist die Mensur ein Zweikampf von Männern, bei dem es darauf ankommt, nicht zurückzuweichen. Diese Kampfsituation sollen die Teilnehmer trotz möglicher Verwundung diszipliniert und ohne äußere Anzeichen von Furcht durchstehen können. Das Einüben von "Tapferkeit" durch Überwinden der eigenen Furcht ist das eigentliche Ziel der Mensur, so dass ein Zurückweichen als Niederlage empfunden und gewertet wird.

Anders als beim Duell geht es dabei aber weder um Leben oder Tod noch darum, für so genannte „Verletzungen der Ehre“ Satisfaktion (Genugtuung) zu geben. Das ist rechtlich verboten und ausdrücklich nicht mehr Sinn der Mensuren. Diese dürfen heute nur noch unter Bedingungen gefochten werden, die ernsthafte oder gar tödliche Verletzungen der Teilnehmer ausschließen.

Kritiker verweisen auf vermeintliche Ähnlichkeiten der Mensur mit selbstverletzende Verhaltensweisen. Zwar verletze man sich bei einer Mensur natürlich nicht selbst, nehme Verletzungen aber in Kauf. Man wirft den Paukanten damit vor, Menschen zu ähneln, die dazu zu neigen, ihre Angst zu unterdrücken, keine vielfältigen Möglichkeiten der Verarbeitung und Bewältigung von Konflikten zu besitzen, wenig Selbstvertrauen zu haben und in einem gestörten Verhältnis zu ihren Emotionen zu stehen.

Der Zweck der Mensur

Schlagende, besonders pflichtschlagende Verbindungen betrachten die Mensur als wichtige Hilfe zur Persönlichkeitsbildung. Denn in der Vorbereitung darauf muss der Teilnehmer eine saubere Kampftechnik (das „Pauken“) einüben und dabei Disziplin und Sorgfalt entwickeln. Dabei muss er sich mit einer bedrohlichen Situation auseinandersetzen, die eigenen Ängste davor überwinden und ihr gefasst entgegentreten.

Das Pauken soll zugleich den Zusammenhalt der Gemeinschaft stärken. Es findet deswegen meist vor den versammelten Aktivitates der am Pauktag teilnehmenden Bünde sowie mit der oftmals regen Teilnahme seitens der entsprechenden Altherrenschaften statt. Die Beteiligten einer Mensur gehören jedoch grundsätzlich zwei verschiedenen, nicht miteinander befreundeten Verbindungen an.

Ein erwünschter Nebeneffekt der Pflichtmensur ist es, Studenten, die die Mitgliedschaft nur aus materiellen Motiven anstreben, ohne sich selbst einzubringen, vom Eintritt in die Verbindung abzuhalten. Befürworter von Pflichtmensuren führen an, dass die Freiwilligkeit der Mensur diesen Zweck nicht erfüllen würde. Kritiker weisen darauf hin, dass damit traditionell eine Ausgrenzung von Frauen und eine gesellschaftlich fragwürdige Elitenbildung verbunden war und teilweise noch sei.

Geschichte und Charakter des studentischen Fechtens

Studentische Selbstverteidigung

Mit Rapier und Parierdolch fechtende adelige Studenten um 1590

Im Mittelalter bis zur frühen Neuzeit war die öffentliche Sicherheit gerade bei Überlandreisen kaum gewährleistet. Da besonders Schüler und Studenten oft lange zu ihren Studienorten reisen mussten, erlaubte Kaiser Maximilian I. von Habsburg ihnen 1514 das Tragen von Waffen zum Selbstschutz. Dieses Privileg wurde außer den Studenten nur dem Adel und dem Militär gewährt: Es war damit Ausweis einer gehobenen gesellschaftlichen Position.

Im Mittelalter gab es aber noch kein spezifisch studentisches Fechten. In dieser Disziplin übte sich jeder, der meinte, es zu brauchen und sich die sehr kostspieligen Metallwaffen - meist Schwert und Dussack - leisten konnte: zum Beispiel auch viele Handwerker, wie manche Zunftwappen mit gekreuzten Schwertern heute noch zeigen. - In der frühen Neuzeit kamen durch spanischen oder italienischen Einfluss leichtere, elegantere Waffen in Mode, die mehr zum Stich als zum Hieb taugten: zuerst der Degen, später das noch leichtere Rapier.

Das Waffenprivileg war eng mit einem sozialen Ehrenkodex verbunden. Von „vornehmen Herren“ erwartete man, dass sie sich Respekt verschafften: nicht nur unterwegs gegen Räuberbanden, sondern gegenüber jedem, der ihren gesellschaftlichen Stand anzweifelte. Wer sich nicht respektvoll genug benahm, dem musste man zeigen, dass man sich zur Wehr setzen konnte. Sonst hatte man nicht nur bei seinen Standesgenossen leicht alles Ansehen verspielt.

Auch bei den damaligen Studenten bildete sich ein besonderes Standesbewusstsein, das auch auf einer eigenen Studentensprache, eigenen Verhaltensnormen (Comment) und spezieller Kleidung (Vorläufer des Couleur) beruhte. Sie fühlten sich durch ihre studentische Freiheit, Lebensfreude und Wehrhaftigkeit aus der Welt der Bürger herausgehoben, unter denen sie lebten. Diesen Stand galt es zu verteidigen.

So wurde das Tragen von Waffen und Ausfechten von Duellen unter Studenten bald unverzichtbarer Bestandteil des universitären Lebens.

Diese Brutalität wuchs in unruhigen und Kriegszeiten sehr stark an: besonders im 16. Jahrhundert mit den Reformationskriegen und im 17. Jahrhundert während und nach dem Dreißigjährigen Krieg.

Dendrono (Johann Georg Puschner, Nürnberg) - „Der fechtende Student“, der Kupferstich von 1725 zeigt den Universitätsfechtboden von Altdorf, wo sich die Universität der Freien Reichsstadt Nürnberg befand.

Duelle wurden teilweise als Rencontre (frz. Zusammentreffen, Gefecht, in der Bedeutung von „wildes Duell“) durchgeführt, das heißt sofort an Ort und Stelle, wobei Opfer nicht selten ohne ärztliche Versorgung einfach liegen gelassen wurden.

Da die Universitätsbehörden sich nur schwer dagegen durchsetzen konnten, versuchten sie, das studentische Fechten in geregelte Bahnen zu lenken. Sie hofften, durch bessere Fechtausbildung die Zahl der Verletzungen minimieren zu können. Das Erlernen der Fechtkunst wurde im Laufe der Zeit eine besondere universitäre Disziplin. Viele Universitäten beschäftigten neben Tanz- und Reitlehrern bald auch eigene Fechtlehrer.

Auch Johann Wolfgang von Goethe berichtet in seinem autobiographischen Werk "Dichtung und Wahrheit" (Viertes Buch), dass er schon als Schüler in Frankfurt vor Aufnahme seines Studiums in Leipzig im Jahre 1765 regulären Fechtunterricht bei zwei verschiedenen Fechtlehrern erteilt bekommen habe. Und dass er und seine Freunde schon vorher mit Holzwaffen geübt hätten:

Wir waren nun herangewachsen, und dem Schlendriane nach sollten wir auch neben andern Dingen fechten und reiten lernen, um uns gelegentlich unserer Haut zu wehren, und zu Pferde kein schülerhaftes Ansehn zu haben. Was den ersten Punkt betrifft, so war uns eine solche Übung sehr angenehm: denn wir hatten uns schon längst Haurapiere von Haselstöcken, mit Körben von Weiden sauber geflochten, um die Hand zu schützen, zu verschaffen gewußt. Nun durften wir uns wirklich stählerne Klingen zulegen, und das Gerassel, was wir damit machten, war sehr lebhaft. [1]
Dendrono (Johann Georg Puschner, Nürnberg) - „Der rauffende Student“, der Kupferstich von 1725 zeigt eine wilde Rauferei unter Studenten der Universität Altdorf bei Nürnberg.

Eine weitere Entwicklung in Richtung auf eine Zivilisierung war die Entstehung des Duells mit „Kartellträgern“ („Beschicksleuten“) und „Beiständen“ („Sekundanten“) etwa ab dem 17. Jahrhundert. Daraus wurde das Duell im Sinne des 19. Jahrhunderts. Auseinandersetzungen wurde nicht sofort ausgetragen, sondern die Austragung wurde von Beauftragten vermittelt, organisiert und unterstützt und fand an einem vereinbarten Ort zu einem festgelegten Zeitpunkt statt. Die Austragung selbst wurde zunehmend reglementiert. Auch gewann die Disziplin und Charakterfestigkeit bei Durchführung und Regeleinhaltung an Wichtigkeit gegenüber dem eigentlichen fechterischen Ergebnis. Diese Entwicklung traf auf verschiedene gesellschaftliche Gruppen zu, auch auf die Studenten.

Obwohl sowohl das geregelte Duell als auch das ungeregelte „Raufduell“ streng verboten waren, scheint es doch in diesen Jahrhunderten eine gewisse gesellschaftliche Akzeptanz dafür gegeben zu haben, dass ein Student nicht nur Leib und Leben, sondern auch seine „Ehre“ mit der Waffe verteidigte. Andererseits war das wilde Raufen auch gesellschaftlich nicht sanktioniert, erst recht nicht, wenn es dabei Verletzte oder gar Tote zu beklagen gab. Dieser Widerspruch wird von den zeitgenössischen Quellen nicht aufgelöst. So schreibt der Nürnberger Kupferstecher Johann Georg Puschner (unter dem Pseudonym „Dendrono“) um 1725 als Beischrift zu seinen Werken „Der fechtende Student“ und „Der rauffende Student“:

Der fechtende Student Der rauffende Student
Es kan ein Musen Sohn, nicht allzeit friedlich leben,
Man pflegt ihm öfftermals, gelegenheit zu geben,
daß ob er sonsten gleich, die Stritigkeiten flieht,
er seinen Degen doch, auch von der Scheide zieht.
Wer keine Händel sucht, und pflegt sich nur zu wehren,
zur Schirmung seines Leibes, zur Rettung seiner Ehren,
der thut was ehrlich ist, Er wehrt sich was er kan,
und tastet an sich selbst, doch keinen Menschen an.
Das weibliche Geschlecht, der Schmauss und tolles Sauffen,
bringt offt die Musen-Söhn zum Zanken u. zum Rauffen,
Ein bloßes Wörtlein richt so grossen Jammer an,
der sonst nicht, als durch Blut, gestillet werden kan.
Jedoch wie leicht geschichts, daß die entblösten Klingen
den einen Gegenpart, um Leib und Leben bringen?
Entflieht der Thäter dann, dem Weltlichen Gericht,
verläst denselben doch, das böß Gewissen nicht.


(Aus: „Natürliche Abschilderung des academischen Lebens in gegenwärtigen Vierzehn schönen Figuren ans Licht gestellet von D.“ Nürnberg bey Joh. Jac. Wolrab. (um 1725))

Die akademischen Behörden machten so feine Unterschiede nicht. Auf das Verabreden, Planen und Ausführen von Duellen standen schwere Strafen, selbst für Zuschauer, auf Totschlag bei einem Duell die Todesstrafe.

Das spezifisch studentische Fechten

Pariser Stoßdegen, entstanden in Frankreich um 1750

In der Entwicklung der von Studenten verwendeten Waffen gab es im 18. Jahrhundert entscheidende Veränderungen. Um 1750 kam in Frankreich ein neue Art von Stoßdegen auf, der so genannte „Pariser“. Dabei handelte es sich um eine leichte, elegante und sehr effektive Stichwaffe, die - wie sich schnell herausstellte - für die studentischen Duelle viel zu gefährlich war. Es kam dabei nicht selten zu den gefürchteten, lebensgefährlichen Lungendurchstößen (Lungenfuchser). Um dies zu entschärfen, entstand ausgehend von Göttingen ab 1767 das studentische Hiebfechten, für das die Frühform des heutigen Korbschlägers entwickelt wurde. In den östlichen Teilen des Reiches wurde der Glockenschläger erfunden, der sich im Entwurf an frühe Degen anlehnte.

(Siehe dazu: Studentische Fechtwaffe)

Natürlich gab es an den Universitätsorten auch weiterhin „Raufduelle“, bis im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation den Studenten das Tragen von Waffen in der Stadt sowie bei Spaziergängen und -ritten außerhalb der Stadt verboten wurde. Erlaubt waren sie nur noch bei tatsächlichen Überlandreisen. Damit wurde das reglementierte Duell zum Standard, denn für spontane Auseinandersetzungen waren die Waffen nicht mehr zur Hand. Natürlich waren auch die reglementierten Duelle weiterhin verboten und wurden von den Universitätsbehörden mit Eifer verfolgt.

Diese Entwicklung traf zeitlich zusammen mit dem Untergang der Studentenorden und der Entstehung der frühen Corps (damals auch teilweise noch „Kränzchen“ oder „Landsmannschaft“ genannt). Dabei entstand das studentische Verbindungswesen in der heute noch existierenden Form. Grundsätzliche Neuerung war die schriftliche Fixierung der studentischen Verhaltensnormen (Comment) durch die örtliche Vereinigung der jeweiligen Corps (Senioren-Convent oder SC) als SC-Comment. Diese neuen „geschriebenen Gesetze“ bezogen sich auf alle Studenten an der jeweiligen Universität und bildeten eine frühe Form der studentischen Selbstverwaltung. Die Austragung von Duellen war dabei ein wichtiges Thema.

Entwicklung der Bestimmungsmensur aus dem Duell

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war sowohl das Hiebfechten (mit Korbschläger und Glockenschläger), als auch das Stoßfechten (mit „Pariser“) an deutschen Universitäten verbreitet, jedoch mit unterschiedlichen regionalen Schwerpunkten. Das Stoßfechten soll besonders bei Theologie-Studenten wegen der weniger sichtbaren Schmisse beliebt gewesen sein. Die höhere Gefahr für Leib und Leben wurde dabei in Kauf genommen. Dies wird vor allem von den Universitäten Jena und Würzburg berichtet. Die letzten Todesfälle durch Lungenfuchser traten wohl in Jena und München in den 1840er Jahren auf. Die letzte Stoßmensur soll im Jahre 1860 in Würzburg gefochten worden sein.

Beispiel für studentisches Hiebfechten in Tübingen um 1831, hier noch in Form eines Duells auf Korbschläger, romantisierende Darstellung aus der Biedermeier-Zeit

Gefochten wurde auf Zeit, gemessen in Minuten. Die Regelungen waren - wie heute auch noch - von Universität zu Universität verschieden, aber in wichtigen Punkten ähnlich. Bei einem Treffer wurde die Partie unterbrochen. Ein Treffer wurde bereits gezählt, wenn die Klinge auch nur die Kleidung eines der Fechtenden berührte. Beendet wurde nach Ablauf der Zeit oder bei einem „Anschiss“. Als „Anschiss“ zählte beim Hiebfechten eine Wunde, die mindestens einen Zoll lang war und aus der bei der Untersuchung mindestens ein Tropfen Blut quoll. Bei der Stoßmensur galt als „Anschiss“ eine Stichwunde, die groß genug war, dass man aus ihrem Umriss den dreieckigen Querschnitt der Klinge erkennen konnte.

Auf den Paukboden trat der Fechter in normaler Straßenkleidung ohne Jacke, aber mit Hemd. Als Schutzausrüstung dienten

  • eine große, wattierte Mütze in der Farbgebung der regulären Studentenmütze des Fechters (teilweise auch zylinderartige oder breitkrempige Hüte),
  • eine Halskrause (Seidenbinden oder auch nasse Tücher) zum Schutz der Halsschlagader,
  • ein Lederhandschuh mit langem Stulp und
  • ein wattierter Paukschurz, der ungefähr vom Bauchnabel abwärts bis zu den Unterschenkeln reichte und an der Rückseite mit Binden enganliegend geschlossen wurde. Die Beine wurde einzeln umwickelt, so dass eine Schrittstellung möglich war. Statt des Paukschurzes wurde an manchen Orten auch eine Leibbinde in Verbindungsfarben getragen.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden ausschließlich Duelle zur Bereinigung von Ehrenhändeln gefochten. Das galt für alle Studenten und war - obwohl weiterhin streng verboten - Bestandteil der allgemein anerkannten studentischen Kultur jener Zeit. Die Zugehörigkeit zu irgendwelchen studentischen Zusammenschlüssen spielte in dieser Frage keine Rolle. Dabei kam es vor, dass Studenten, die sich unauffällig verhielten, die Universität verließen, ohne ein einziges Mal „auf scharfe Waffen losgegangen“ zu sein. Das war nach damaliger allgemeiner Ansicht auch vollkommen in Ordnung.

Dennoch kann man aus zeitgenössischen Berichten schließen, dass erfolgreiche Fechter nicht nur in Studentenkreisen, sondern auch in anderen Teilen der Bevölkerung hohes Ansehen genossen. So schrieb der Göttinger Pastor Franz Oehme rückblickend über den Zeitraum von 1824 bis 1826:

„Die Kurländer [Mitglieder des Corps Curonia] stehen oben an. Der Zahl nach nur klein, aber durch edle Haltung ausgezeichnet. Excesse hat kein Kurländer begangen, durch welche ein Tadel auf die Verbindung fallen könnte. Wo es Studentenehre betraf mit dem Schläger in der Hand, trat der Kurländer gegen keinen zurück.“ (Franz Oehme, Göttinger Erinnerungen, Gotha 1873)

Pastor Oehme brachte in diesen Zeilen zum Ausdruck, dass eine „edle Haltung“ bei einem Studenten nach Auffassung der damaligen Zeit verlangte, „Excesse“, also übermäßiges Feiern und Randalieren, zu vermeiden, es aber auf der anderen Seite auch notwendig machte, seine gesellschaftliche Position „mit dem Schläger in der Hand“ nicht nur zu erkämpfen, sondern auch zu verteidigen.


Kolorierter Stahlstich von Stor(c)k, „Paukboden“ um 1845

Im Laufe der Zeit bildete sich die Überzeugung heraus, dass das Fechten mit scharfen Waffen eine besondere charakterfestigende Wirkung habe. Außerdem lasse das Verhalten eines Studenten in solchen Fällen eine Beurteilung seiner persönlichen Qualitäten zu. Besonders die Corps, die in ihren Constitutionen zu Anfang des Jahrhunderts hehre Begriffe hochgehalten und hohe Anforderungen an Freundschaft, Persönlichkeit und Charakter gestellt hatten, sahen es nun als dringend notwendig oder zumindest wünschenswert an, dass ein Student sich beim Fechten mit scharfen Waffen bewährte. Studenten, die nicht so oft in Streitigkeiten verstrickt waren, fühlten sich hierdurch in einem Dilemma gefangen. Nur um gefochten zu haben einen Streit vom Zaun zu brechen galt nämlich gleichermaßen als unehrenhaft. Daraufhin entwickelte sich eine Art der „pro-forma“-Beleidigung, die keinen ehrenkränkenden Charakter mehr hatte, aber als unmissverständliche Aufforderung zum Fechten galt. Die Beleidigung „dummer Junge“ war in vielen Comments Deutschlands als geringste Form der Ehrenkränkung eingestuft und setzte sich als Standardformulierung durch. Im weiteren Verlauf entstanden gar so genannte „Kontrahierkneipen“, abendliche Trinkveranstaltungen mehrerer Verbindungen, in deren Verlauf oftmals lauthals und quer über die Tische standardisierte „Beleidigungen“ ausgetauscht wurden, so lange, bis alle Beteiligten ihre Kontrahenten gefunden hatten.

Das wurde schnell als unbefriedigend empfunden. Um 1850 tauchten deshalb die ersten „Bestimmzettel“ auf, anhand derer die Consenioren (Fechtbeauftragten) der einzelnen Verbindungen die Gegenpaukanten ausmachten („bestimmten“). Gegen 1855 hatte sich das Prinzip der Bestimmungsmensur deutschlandweit durchgesetzt.

Um diese Zeit entstand auch eine Gegenbewegung zur allgemeinen Bestimmungsmensur, denn schon vor den Revolutionen von 1848 bildeten sich die ersten betont christlichen Studentenverbindungen. Viele Studenten vermissten das christlich-religiöse Element und wollten es zum Bestandteil ihres traditionellen Gemeinschaftslebens machen. Sie waren auch die ersten, die das studentische Fechten zur Austragung von Ehrenhändeln für sich ablehnten. 1836 verzichtete die neu gegründete Uttenruthia (Erlangen) von Beginn an auf Duell und Mensur. Das war damals geradezu revolutionär. Viele der nichtschlagenden Verbindung hatten aber dennoch bis in die 1930er Jahre einen Paukbetrieb, d.h. sie erlernten das studentische Fechten ohne es aber anzuwenden. Sie wollten damit ihre bewusste Verneinung von Duell und Mensur unterstreichen, indem sie zeigten, dass sie könnten wenn sie nur wollten.

Nach der Entstehung der Bestimmungsmensur änderte sich in den nächsten Jahren das studentische Fechten wiederum entscheidend. Für das studentische Duell wurden massiv verschärfte Formen der bewaffneten Auseinandersetzung entwickelt, neue Waffen hielten Einzug (Säbel, Pistole). Die Bestimmungsmensur wurde dagegen immer ungefährlicher. Alle Neuerungen beim Schlägerfechten zielten darauf ab, schwere oder gar tödliche Verletzungen auszuschließen. Bis in die 1870er Jahre hatte sich das Schlägerfechten - bis auf Details - auf den Stand von heute entwickelt.

Mensur und Duell im Kaiserreich

Georg Mühlberg - Studentisches Säbelduell um 1900, heroisch-verklärende Darstellung, aber sachlich gut beobachtet

Da der Korbschläger und der Glockenschläger ihre ehrenreinigende Funktion verloren hatten, suchten die Studenten einen Ersatz zur Austragung von Duellen. Da sie in den Städten, die neben der Universität auch eine Garnison hatten, ständig mit den Offizieren rivalisierten, lag es nahe, auch vom Militär die Duellwaffe Säbel zu entlehnen. Der akademische Säbel bestand im Prinzip aus einer Säbelklinge mit Korbgefäß als Handschutz wie bei einem Korbschläger. Beim Säbelfechten blieb die bewegliche Fechtweise erhalten. Die Fechter standen in Schrittstellung, der hintere Fuß war fest und durfte nicht zurückgesetzt werden. Mit dem vorderen Fuß - bei Rechtshändern der rechte - durfte nach vorne aufgerückt („avanciert“) oder zurückgegangen („retiriert“) werden. Die Schutzwaffen waren drastisch eingeschränkt, ihre Kombination konnte speziell festgelegt werden, je nach Schwere des Duellgrundes. Das Säbelfechten galt und gilt bis heute als Zweikampf mit tödlichen Waffen und war immer gesetzlich verboten. Es war nie eine Mensur im heutigen Sinne.

Eine ebenfalls aus dem Militär entlehnte Neuentwicklung war das Pistolenduell, das auch in unterschiedlichen Schweregraden ausgetragen werden konnte.

Säbel- und Pistolenduell mussten vor der Austragung von einem Ehrengericht genehmigt werden, das zu klären hatte, ob überhaupt eine ausreichend schwere Beleidigung vorlag, und alles versuchen musste, den Streit gütlich beizulegen.

Das Fechten mit dem Korbschläger oder dem Glockenschläger konnte nun nicht mehr zur Bereinigung von Ehrenhändeln herangezogen werden. Es hatte sich zum Erziehungsmittel entwickelt, das Charakter und Persönlichkeit bilden sollte.

Mensur und Duell waren im Kaiserreich nicht mehr Bestandteil der allgemeinen studentischen Kultur, sondern entwickelten sich zu einer Einrichtung speziell der Studentenverbindungen. Die fechterische Einstellung eines Studenten wurde bestimmt von dem jeweiligen Dachverband, dem seine Verbindung angehörte, und dessen Prinzipien. Die traditionellen Verbände pflegten die Bestimmungsmensur und vertraten bei Ehrenstreitigkeiten das Prinzip der unbedingten Satisfaktion mit der Waffe. Das hieß, sie waren bereit, bei Ehrenhändeln zu einem Duell anzutreten. Es gab aber auch sehr viele Verbände, die die Bestimmungsmensur ablehnten, aber trotzdem Duelle durchführten. Manche Arten von christlichen Verbindungen lehnten jede Auseinandersetzung mit der Waffe kategorisch ab.

Die Bestimmungsmensur wurde im Kaiserreich erleichtert und weniger gefährlich gestaltet. Dadurch wurde sie fast zur Routine. Jeden Samstag im Semester war typischerweise Pauktag, meistens ab sechs Uhr morgens. Dann trafen sich die Verbindungen in einem Pauklokal, oft ein diskret gelegenes Ausflugslokal in der Nähe der Stadt. Dort fanden die vorher verabredeten Mensuren praktisch den ganzen Tag lang statt. Am Abend wurde Kneipe gefeiert. Jedes Mitglied einer schlagenden Verbindung stand an jedem Samstag auf Mensur, wenn er medizinisch dazu in der Lage war. Das konnte ungefähr vier bis sechs Mal pro Semester der Fall sein. In der Kaiserzeit beschränkten sich die fechterischen Aktivitäten eines Verbindungsstudenten jedoch nur auf die ersten drei bis vier Semester, danach wurde er Inaktiver, ein Status mit weniger Pflichten, ohne Ämter und Mensuren bis zum Examen. In seinem Leben kam ein Verbindungsstudent zu dieser Zeit so auf ungefähr 15 bis 20 Mensuren.

Georg Mühlberg „Der Herr Paukant“ - Darstellung eines Fechters mit Korbschläger in „verhängter Auslage“

Die Senkung des Verletzungsrisikos bei der Bestimmungsmensur wurde durch mehrere Arten von Maßnahmen erreicht:

  • Zusätzliche Schutzwaffen wie Paukbrille, bis zur Brust hochgezogener Paukschurz, Herzleder und ein den ganzen Arm bedeckender, stark gepolsterter Stulp verhinderten Verletzungen wichtiger Körperteile und ermöglichten neue Arten der Verteidigung (Deckung mit dem Stulp).
  • Die zunehmend starre Stellung der Paukanten verhinderte eine Addierung der Geschwindigkeiten von Waffe und Körper. Die Möglichkeit, dass der Fechter in die Klinge seines Gegenpaukanten hineinsprang, wurde so ausgeschlossen.
  • Die Beschränkung der Trefferfläche auf den Kopf verhinderte die Durchtrennung von Muskeln, Sehnen und wichtigen Gefäßen. Die Kopfbedeckung musste dazu jedoch abgenommen werden.
  • Die Verringerung des Mensurabstandes machte aus dem Fechten vor dem Körper mit weit vorgestreckten Armen ein Fechten über den Köpfen mit hochgereckten Armen und „heruntergeschwippter“ Klinge. Das ermöglichte die Entwicklung einer Position, in der der Fechter auch ohne reagierende Bewegung vollständig gedeckt ist und mit regulären Hieben nicht mehr getroffen werden kann („verhängte Auslage“).
  • Gefochten wurde nicht mehr bis zu einem Treffer sondern eine festgelegte Anzahl von Hieben (vier bis – selten – acht) pro „Gang“ mit einer festgelegten Anzahl von „Gängen“ (ca. 30 bis 45) pro Partie. Dadurch wurden gültige Mensuren ohne einen einzigen Treffer möglich.

Es entwickelte sich eine Form des Hiebfechtens mit sehr komplexen und teilweise unnatürlichen Bewegungsabläufen, die sicherstellten, dass der Fechter während seines Hiebes gleichzeitig auch möglichst alle denkbaren Hiebe des Gegners abwehren konnte. Und das bei ausschließlicher Benutzung von Schultergelenk, Ellbogengelenk und Handgelenk.

Alle diese Veränderungen bedingten weitere Reglementierungen, damit ein flüssiges und sinnvolles, chancengleiches Fechten möglich wurde. So wurden kontinuierliche Bewegungen vorgeschrieben, ein „Liegenbleiben“ oder „Lauern“ wurde zunehmend ausgeschlossen. Teilweise wurde der „Anhieb“ festgelegt, also geregelt, welcher Paukant den ersten Hieb ausführen durfte, damit ein Wechseltempo (versetzte Abfolge von Hieb und Deckung) zustande kam. Bestimmte Hiebfolgen wurden als zu defensiv ausgeschlossen.

Diese Konzeption des Hiebfechtens besteht bis heute bei schlagenden Verbindungen an deutschen Hochschulen.

In Österreich gibt es bis heute Reste einer beweglicheren Fechtweise, so in Graz. Hier stehen die Fechter nicht ganz so unbeweglich wie an anderen Universitätsorten. In Wien ist es zum Beispiel möglich zu „lauern“, das heißt, durch Verzögerung und Stoppen der eigenen Hiebfolge eine Blöße des Gegenpaukanten abzuwarten und auszunutzen.

Neben den technischen Aspekten spielte jetzt auch die „Mensurbewertung“ eine Rolle. Im Mensurconvent entschieden von nun an die anderen Verbindungsmitglieder, ob eine Partie „zog“, das heißt, ob sie den Ansprüchen der Verbindung entsprach und nach den Regularien gültig war. Dabei zählten verschiedene Aspekte wie die Qualität und Komplexität der Hiebtechnik, aber auch die gezeigte „Moral“ und der „Stand“ des Paukanten. Gänzlich unakzeptabel wurde es in Zeiten der stark reglementierten Mensur, mit dem kontinuierlichen Schlagen aufzuhören („Liegenbleiben“) oder gar als Angstreaktion den Kopf wegzuziehen („Kniesen“, „Mucken“). Dieses grobe Fehlverhalten konnte nun zur Konsequenz haben, dass der Mensurconvent die laufende Partie beendete und den Paukanten „abführte“. Eine Moralabfuhr wird bis heute von den meisten Fechtern mehr gefürchtet als eine körperliche Verletzung. Der Fechter verliert eventuelle Ämter, steht in der „Reinigung“ und muss sich durch weitere Mensuren rehabilitieren. In der letzten Konsequenz kann ein mehrfaches „Danebenfechten“ den Verlust der Mitgliedschaft in einer schlagenden Verbindung zur Folge haben.

Eine umstrittene Sonderform der Bestimmungsmensur ist die die bereits im 19. Jahrhundert entstandene Verabredungsmensur. Dabei werden nicht gleichwertige Paukanten von ihren Fechtbeauftragten ausgewählt, sondern die Partien werden direkt „verabredet“, wobei in der Regel die Bestimmungen schärfer sind, als bei regulär bestimmten Partien. Dabei gibt es zwei Ausformungen: Wenn sich zwei Einzelpersonen verschiedener (nicht befreundeter) Verbindungen miteinander messen wollen, können sie eine „Persönliche Contrahage“ (PC) verabreden. Wenn zwei Verbindungen die Liste ihrer besten Fechter („Paukantenliste“) gegeneinander stellen, spricht man von einer „PP“ oder „PPS“ („Pro-Patria-Suite“). Die Verabredungsmensur wird nicht von allen pflichtschlagenden Verbindungen unterstützt, kein Dachverband schreibt sie vor oder verlangt sie von seinen Mitgliedsverbindungen bzw. Einzelmitgliedern. Sie ist aber bei eine gewissen Zahl von pflichtschlagenden Verbindungen üblich.

Bei den schlagenden Verbindungen bestimmt bis heute die Strenge der „Mensurauffassung“ das fechterische Ansehen der Verbindung.

Weimarer Republik und Drittes Reich

Trotz der massiven Umwälzungen in Politik und Gesellschaft hat sich das studentische Fechten nach dem Ersten Weltkrieg praktisch nicht verändert. Die auf Aristokratie und Bürgertum ausgerichteten Studentenverbindungen orientierten sich an den Gebräuchen des Kaiserreichs und setzten ihre Aktivitäten in Mensur und Duell wie vor dem Kriege fort. Da die Studentenzahlen und damit die Zahl der Mitglieder von Studentenverbindungen stark zunahm, wurden auch insgesamt deutlich mehr Mensuren gefochten.

Eine gewisse Annäherung fand in der Weimarer Republik zwischen den schlagenden und den nichtschlagenden (meistens christlichen) Verbindungen statt. Da die nichtschlagenden Verbindungen keine Satisfaktion mit der Waffe geben wollten, wurde nach Lösungen gesucht, Ehrenstreitigkeiten zwischen Mitgliedern aller Verbände nach gemeinsam festgelegten Prinzipien für alle Seiten ehrenvoll beizulegen. Die Verhandlungen zogen sich mehrere Jahre hin, mit unterschiedlichen Zwischenlösungen. Endgültig wurde das Erlanger Verbände- und Ehrenabkommen im Jahre 1928 abgeschlossen. Durch diese Entwicklung wurde die Auffassung vom Studentenwesen als einem speziellen „Stand“, der mit der Waffe verteidigt werden müsse, aufgegeben. Das studentische Duell war praktisch hinfällig geworden.

Die Veränderungen, die das Dritte Reich den Studentenverbindungen abverlangte, betrafen zunächst das Fechten nicht. Das von den Nationalsozialisten geforderte Engagement für NS-Schulungen und Wehrsport ließ zwar kaum Zeit für weitere private Aktivitäten, vom studentischen Fechten wurde aber nicht abgerückt. Nach der Zwangsauflösung der Verbindungen zwischen 1934 und 1936 wurde die Tradition unterbrochen. Die nationalsozialistischen Kameradschaften übten zwar teilweise das Säbelfechten als eine Art von Wehrsport, fochten aber offiziell keine scharfen Mensuren. Auch Duelle kamen nicht mehr vor.

Als während des Krieges ab etwa 1941 die Aufmerksamkeit der NS-Behörden an den Universitäten nachließ, versuchten sich verschiedene Verbindungen an einigen Universitäten heimlich unter dem Deckmantel der Kameradschaften wieder zu gründen und fochten auch scharfe Mensuren - unter dem ständigen Druck der Strafverfolgung. So sollen allein in Würzburg während des Zweiten Weltkriegs rund 700 Mensuren gefochten worden sein. In Leipzig wurde gar im Kriege eine schlagende Verbindung (Corps Misnia IV) neu gegründet. Von den Freiburger Verbindungen wurde im Schwarzwald eine Berghütte unterhalten, wo Studenten mit frischen Schmissen einige Zeit vor den Behörden versteckt werden konnten. Die letzten Kriegsmonate beendeten aber auch diese Aktivitäten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und damit des Dritten Reichs suchten die nun an die Universitäten strömenden Studenten, die meistens Kriegsheimkehrer waren - und oft kriegsversehrt - nach neuen Orientierungsmöglichkeiten und neuen Formen des Zusammenlebens. Als es sich um 1950 abzeichnete, dass es eine Chance gab, die Studentenverbindungen in den traditionellen Formen wiederzubeleben, stellte sich die Frage, ob das auch für die Mensur gelten könne.

Die ersten Mensuren nach dem Zweiten Weltkrieg wurden denn auch heimlich und mit ungeklärter Rechtslage gefochten. Polizeiliche Verfolgungen fanden statt, Ausrüstung wurde beschlagnahmt. Im Jahre 1951 wurden die Studenten von Studnitz (Corps Bremensia Göttingen) und Saalbach (Corps Hannovera Göttingen) nach einem auswärts veranstalteten Pauktag in Göttingen „abgefasst“. Daraufhin fand vor der Großen Strafkammer in Göttingen ein Prozess statt. Das Urteil vom 19. Dezember 1951 lautete auf Freispruch, da eine Mensur kein Duell mit tödlichen Waffen sei. Eine Körperverletzung mit Einwilligung beider Kontrahenten der Mensur sei nicht strafbar (§ 226 a StGB) und auch nicht sittenwidrig. Nach einer Sprungrevision der Staatsanwaltschaft bestätigte der Bundesgerichtshof das Urteil am 29. Januar 1953 (BGHSt 4/24) (Siehe auch: Göttinger Mensurenprozess). Voraussetzung für die Straffreiheit wegen Einwilligung sei jedoch, dass die Mensur nicht zum Austragen von Ehrenhändeln diene und dass die einzuhaltenden Regeln des Kampfes sowie die verwendeten Schutzwaffen sicherstellten, dass tödliche Verletzungen ausgeschlossen seien. Ohne diese Voraussetzungen sei die vorherige Einwilligung in die mit der Mensur verbundenen Verletzungen hingegen sittenwidrig und damit unwirksam. Die Rechtslage beim Schlagen einer Mensur entspricht damit der Rechtslage bei der Teilnahme an anderen Sportarten, wie beispielsweise einem Boxkampf.

Der Disziplinar-Dreierausschuss der Universität Göttingen verhängte am 29. Januar 1952 gegen von Studnitz und sieben Mitglieder einer studentischen Landsmannschaft die Strafe der Nichtanrechnung eines Semesters wegen Mensurenschlagens. Das Verwaltungsgericht Hannover, Kammern Hildesheim, hob die Entscheidung wieder auf (Urteil vom 25. März 1954, DVBl 54/680; NJW 54/1384). Dem Weinheimer Corpsstudenten Janssen (Corps Hannoverania Hannover, Corps Teutonia Berlin) wollte die Freie Universität Berlin die Immatrikulation verweigern, weil er sich zum Mensurenschlagen bekannt hatte. Diese Entscheidung wurde am 24. Oktober 1958 vom Bundesverwaltungsgericht aufgehoben (BVerwGE 7/287, mit Bezug auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 29. Januar 1953).

Der Verzicht auf die Austragung von Ehrenhändeln mit der Waffe wurde dann auch gegenüber dem damaligen deutschen Bundespräsidenten Theodor Heuss bei einem persönlichen Treffen am 8. April 1953 von den Delegationen aller maßgeblichen mensurschlagenden Verbände (Kösener Senioren-Convents-Verband, Weinheimer Senioren-Convent, Deutsche Burschenschaft und Coburger Convent) bestätigt. Damit gehörte das studentische Duellwesen endgültig der Vergangenheit an.

Aber auch die Bestimmungsmensur änderte sich. So wurden nach dem Zweiten Weltkrieg viel weniger Mensuren pro Person geschlagen. Heute gibt es die Einrichtung der „Pflichtpartien“, also eine Festlegung der Zahl der Mensuren, die der einzelne während seiner Aktivenzeit mindestens zu schlagen hat. Die Bandbreite reicht bei „pflichtschlagenden“ Verbindungen heute von einer bis ungefähr fünf Pflichtpartien. Das ist nur ein Bruchteil von dem, was ein Mitglied einer schlagenden Verbindung vor dem Kriege erbringen musste.

Einige Verbände entschieden sich für die Lösung, ihren Mitgliedsverbindungen das Fechten scharfer Partien freizustellen. Diese "fakultativ schlagenden" Verbindungen unterhalten einen "Paukbetrieb", das heißt, alle aktiven Mitglieder nehmen regelmäßig an den Übungsstunden teil. Scharfe Partien werden aber nur von Mitgliedern gefochten, die dies ausdrücklich wünschen. Fakultativ schlagende Verbände haben aber durchaus pflichtschlagende Einzelverbindungen unter ihren Mitglieder.

Zusätzlich verstärkten sich nach dem Zweiten Weltkrieg beim Mensurfechten die defensiven Elemente. Eine gute Deckung gehört heute zum technisch sauberen Fechten dazu. Das „Sammeln“ von Schmissen ist seit Jahrzehnten verpönt.

Weitere Neuerungen betrafen die Schutzwaffen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das „Nasenblech“ eingeführt, eine gewölbte Metallschiene an der Paukbrille, die Verletzungen der Nase verhindert. Nur in Graz werden heute noch Mensuren ohne Nasenblech ausgetragen. Der Oberkörper wurde in der Nachkriegszeit durch das so genannte „Plastron“ geschützt, eine dick gepolsterte, hinten geschlossene Weste, die den Oberkörper vollends schützte und das Herzleder überflüssig machte. Der Paukschurz wurde mit dem Plastron fest verbunden. Die letzte Neuerung bei den Schutzwaffen entstand Mitte der 1980er Jahre, als einige junge Corpsstudenten in Zusammenarbeit mit Textilingenieuren die antike Idee des Kettenhemdes wieder aufgriffen und einen Oberkörperschutz entwickelten, der dem Fechtarm mehr Bewegungsfreiheit gestattete. Dadurch verbesserten sich die Möglichkeiten der Deckung erheblich.

In einigen Universitätsstädten kam es zu einer Änderung der Regularien bezüglich der Trefferfläche. So entstand der so genannte „Hochcomment“, bei dem es untersagt ist, unterhalb der Augen zu treffen. Entstellende Schmisse im Gesicht sollen so vermieden werden. Das führte an einige Orten sogar zur Einführung des Wangenleders, das die untere Gesichtshälfte schützt.

Die Pflichtmensur

Bezüglich ihrer Einstellung zur Mensur unterscheidet man heute folgende Formen von Studentenverbindungen:

  • Pflichtschlagende Verbindungen fordern von ihren Mitgliedern das Schlagen (Fechten) von Mensuren. Meist ist in der Satzung eine Mindestanzahl von Mensuren festgelegt, die ein Mitglied fechten muss.
  • Fakultativ schlagende Verbindungen ermöglichen ihren Mitgliedern auf deren Wunsch hin das Schlagen einer Mensur. Manche Satzungen enthalten nur dieses Prinzip, wobei kein Mitglied das Pauken (das Üben der Mensur) mehr erlernt. Andere unterscheiden sich kaum von pflichtschlagenden Verbindungen, weil das freiwillige Pauken von allen Mitgliedern auf Grund regen Interesses regulär geübt wird.
  • Nichtschlagende Verbindungen lehnen das Schlagen von Mensuren grundsätzlich ab und schaffen ihren Mitgliedern keine Möglichkeit, sie zu absolvieren. Das kann auf Grund der religiösen Überzeugung, aber auch auf der Tradition der eigenen Verbindung beruhen. Bis zum 2. Weltkrieg war es aber bei vielen nichtschlagenden Bünden üblich sich bis zur Mensurreife einzupauken; die Mensur wurde aber nicht durchgeführt. Dies sollte zeigen, dass man Mensuren fechten könnte, wenn man dies wollte.

Es gibt in Deutschland drei pflichtschlagende Korporationsverbände, die das Schlagen von Mensuren für alle ihre Mitgliedsverbindungen zwingend vorschreiben: den Kösener Senioren-Convents-Verband (KSCV, Kösener Corps), den Weinheimer Senioren-Convent (WSC, Weinheimer Corps) und den Coburger Convent (CC, Turnerschaften und Landsmannschaften). Die Deutsche Burschenschaft, die Neue Deutsche Burschenschaft und die Deutsche Sängerschaft sind fakultativ schlagend, d.h. den Mitgliedsverbindungen ist es freigestellt, Mensuren zu verlangen oder nicht. Die Mehrheit ihrer Mitgliedsverbindungen tut dies.

Beteiligte und Ablauf

Unparteiischer

Der Unparteiische ist ein Waffenstudent, der bereits selbst eine gewisse Anzahl von Mensuren nach dem entsprechenden Paukcomment geschlagen haben muss, um als Schiedsrichter tätig sein zu können. Er hat während der Partie zu gewährleisten, dass sich die Anwesenden und die Mensurbeteiligten regelgerecht verhalten. Er kann jeden Anwesenden bei Störungen des Ablaufs der Partie sowie jeden an der Partie Beteiligten bei Regelverstößen aus dem Pauklokal verweisen. An den meisten Hochschulorten urteilt der Unparteiische nur auf Anfrage von anfrageberechtigten Beteiligten. Das sind in der Regel die beiden Sekundanten und die beiden Testanten. Der Unparteiische darf keiner der beiden paukantenstellenden Studentenverbindungen angehören. Er hat nach bestem Wissen und Gewissen zu urteilen und ist während der Partie unverletzlich und darf weder ausgelacht noch herausgefordert werden.

Paukant

Der Paukant ist der Fechter, also derjenige der die Mensur schlägt. Bei einer Mensur gibt es immer genau zwei Paukanten. Die beiden Paukanten gehören immer unterschiedlichen Verbindungen an.

Sekundant

Der Sekundant ist für den Schutz seines Paukanten verantwortlich. Er überprüft die Schutzmaßnahmen des eigenen, aber auch die des gegnerischen Paukanten, damit sein eigener Schützling nicht benachteiligt ist. Während der scharfen Gänge schirmt er seinen Paukanten vor nicht erlaubten Hieben ab und fragt Verstöße beim Unparteiischen an. Dies geschieht dadurch, dass er „Halt“ ruft. Beide Sekundanten stellen sich daraufhin sofort vor ihre Paukanten, um sie vor weiteren Hieben zu schützen.

Testant

Der Testant hat in Bezug auf das Unterbrechen der Mensur durch Anfragen mancherorts die gleichen Rechte wie der Sekundant. Auch er darf regelwidrige („nicht commentgemäße“) Hiebe in Frage stellen. Zusätzlich hat er vor jedem Gang die Klinge des Paukanten zu desinfizieren und sie auf den regelgerechten Zustand zu überprüfen. Bei jeder Mensur gibt es zwei Testanten.

Protokollführer

Die beiden Protokollführer werden durch die beiden beteiligten Studentenverbindungen gestellt. Sie stehen unmittelbar neben dem Unparteiischen und halten auf der Mensurkarte die Namen aller Beteiligten, die geschlagenen Gänge, die Pausen und die Kreiden (siehe unten) fest.

Paukarzt

Bei jeder Mensur muss ein approbierter Arzt anwesend sein, der Paukarzt oder Mensurarzt. Er ist oft selbst Mitglied einer schlagenden Verbindung. Ab höheren Partien sind in der Regel zwei Paukärzte – für jeden Paukanten einer – anwesend. Der Paukarzt entscheidet, ob eine Verletzung derartig ist, dass bei Fortsetzung der Mensur ernsthafte Folgen eintreten können. Dann wird der Paukant durch den eigenen Sekundanten abgeführt und der Paukarzt näht die Wunde.

Ablauf

Bei einer Mensur sind beteiligt:

Eröffnet und beendet wird die Mensur heutzutage mit einem Scheingang, dem Ehrengang. Dabei behalten die Paukanten ihre normalen Mützen auf und kreuzen nur die Klingen. Vor dem ersten scharfen Gang werden die Mützen dann abgenommen. Eine Partie geht je nach Comment meist über 30 bis 60 Gänge zu jeweils drei bis sieben Hieben. Ein Unparteiischer leitet den Ablauf der Partie wie ein Schiedsrichter.

Fehler von Paukanten sowie vom Sekundanten bzw. des Testanten können Kreiden zur Folge haben. Kreiden sind eine gewisse Anzahl von Strichen, die für ein Monitum notwendig sind. Es wird zwischen Paukantenkreiden und Sekundantenkreiden unterschieden. Die beiden Arten dürfen nicht summiert werden. Üblichweise ergeben die ersten drei Kreiden das erste Monitum, zwei weitere Kreiden das zweite und eine weitere Kreide das dritte. Bei Erreichen des dritten Monitums durch den Paukanten, so muss dieser abtreten und die Mensur zieht nicht (ist nicht gültig). Bei Erreichen des dritten Monitums durch den Sekundanten oder Testanten, sind diese auszuwechseln. Eine Kreide für einen Paukant, wird durch Aufforderung eines Sekundanten oder Testanten (das Monieren) für einen nichtcommentgemäßen Hieb erteilt, wegen Haltungsfehlern oder wenn er muckt, d.h. den Kopf oder den Körper bewegt oder zurückgeht oder aufrückt. Kreiden für Sekundanten oder Testanten gibt es, wenn der Grund des Monieren nicht vorlag und der Gegensekundant dies verlangt, also die Mensur unnötig unterbrochen wurde. Das Abtreten eines Sekundanten kann je nach Comment eine sofortige Sekundantencontrahage zur Folge haben, d.h. die beiden Sekundanten müssen sofort eine Mensur fechten.

Hiebe

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Hiebe beziehungsweise Treffer am Kopf

Die folgenden Hiebe sind möglich: Hochterz, Hochquart, Prim, Angezogene Terz (beispielsweise in Aachen), Außenquart (Horizontalquart), Außenterz (Horizontalterz), Lufthiebe, Hackenquart, Kippterz, Doppelquart, Doppelterz, Generalterz, Zieher beziehungsweise Tiefquart, Doppelzieher, Sekunde (beispielsweise früher in Aachen), Spicker. Ob der einzelne Hieb tatsächlich geführt werden darf, ist von dem jeweiligen regionalen Fechtcomment abhängig.

Die Prim ist der erste Grundhieb, den jeder Paukant lernt, um das so genannte Schwippen zu erlernen. Das Schwippen ist eine sehr unnatürliche Bewegung aus dem Handgelenk und ist für alle anderen Hiebe wichtig. Der Arm ist mittig vor dem Gesicht vorgesetzt und der Korb (beziehungsweise die Glocke mit Handschuh) ist so hoch wie möglich in der Luft. Das Ziel ist es aus dem Handgelenk mit der Klingenspitze auf die eigenen Kopfhöhe zu schwippen den Schläger herunterzuschwenken. Dieser Hieb ist, wenn überhaupt, nur bei Wechseltempo sinnvoll, da weder Korb noch Stulp ausreichenden Schutz vor Hieben des Gegenpaukanten bietet.

Der nächste Hieb den man lernt ist die Terz. Dabei liegt der Oberarm eines rechtshändigen Paukanten am rechten Ohr an und der Korb ist zum Schutz so weit rechts oben als möglich. Die Klingenspitze zeigt dabei leicht schräg links nach vorne zum Boden. Dies nennt man die verhangene (verhängte) Auslage. In dieser Position ist man von allen erlaubten Hieben geschützt oder dicht. Es gilt nun schnellstmöglich die Klinge hintenherum nach oben in einer runden Bewegung aufzuziehen und auf halb 11 Uhr zu schwippen und schnellstmöglich Abzudrehn, um wieder in die verhangene Auslage zu gelangen.

Zu beachten ist hierbei, dass der Paukant in der verhangenen Auslage, wenn er sie richtig einnimmt, weitgehend gegen Treffer geschützt ist: der Oberarm sichert den Kopfbereich, der seinerseits mit dem Stulpen bewehrte Unterarm, beziehungsweise der Korb des Schlägers schützen bei Rechtshändern die linke Wangenpartie. Ungeschützt ist bei Rechtshändern die rechte Wange. Diese könnte durch einen sogenannten Spicker getroffen werden, weswegen dieser Hieb, wenn beide Paukanten rechtshänder sind, regelmäßig verboten ist, Treffer gegen die rechte Wange mithin ausgeschlossen sein sollten. Scherzhaft spricht man daher von der rechten Gesichtshälfte auch als der "katholischen Seite".

Die Quart erfogt durch Vorsetzen des Paukarms bei gleichzeitigem Aufziehen der Klinge auf halb zwei Uhr mit anschließendem schwippen und abdrehen in die Auslage. Der Korb bleibt dabei auf der Stelle. Der ganze Vorgang sollte schnellstmöglich erfolgen, da der Stulp keinen Schutz bietet, während man den Paukarm vorgesetzt und man erst wieder dicht ist, sobald die Klinge oben ist. Auch das Abdrehen sollte sehr schnell erfolgen, um wieder in die verhangene Auslage zu gelangen.

Hiebfolge

Wie erwähnt, ist es vom regionalen Fechtcomment abhängig, welche Hiebe geschlagen werden dürfen. An etlichen Hochschulorten herrscht etwa ein sogenannter Hochcomment, das heißt, es sind nur "hohe Hiebe" (Prim, Terz, Quart) gestattet, die im Winkel von 45 Grad einfallen.

Eine weitere den Charakter der Mensur bestimmende Frage ist diejenige, ob die Partie im Wechseltempo geschlagen wird. Grundsätzlich können die Hiebe gleichzeitig geführt werden, so dass sich die Klingen in der Mitte zwischen den Paukanten treffen, wenn keiner der Paukanten getroffen wird. Das Wechseltempo hingegen wird dadurch bestimmt, dass jeder der Paukanten einen Hieb gegen die (meist verhangene) Auslage des Gegners führt, der sodann von dem anderen erwidert wird. Insbesondere bei den ersten, sogenannten Fuxenpartien wird häufig ein Wechseltempo vereinbart werden. Wesentlich ist jedoch, dass - jedenfalls an den meisten Hochschulorten - die Klingenspitze immer in Bewegung sein muss. Dem Paukanten ist also nicht gestattet, in der verhangenen Auslage zu verharren (sog. Liegenbleiben) und eine Lücke in der Deckung des Gegners abzupassen (sog. Lauern).

Zu Beginn der Partie befinden sich entweder beide Paukanten in der verhangenen Auslage, oder beide in der Steilauslage, oder einer in der verhangenen und sein Gegenüber in der Steilauslage. Die verhangene Auslage wurde bereits bei Gelegenheit der einzelnen Hiebe erläutert. In der Steilauslage hält der Paukant demgegenüber seinen Schläger mit dem Ausgestreckten Fechtarm entweder im Winkel von 45 Grad schräg in Richtung des Gegners oder gerade in die Höhe, wobei die Klinge am ausgestreckten Arm rechtwinklig in Richtung des Gegners abgewinkelt wird. Beginnen beide Paukanten die Partie in der Steilauslage führt dies dazu, dass die Klingen sich kreuzen. Es ist dann eine Frage des vereinbarten Comments, ob zunächst beide Paukanten abdrehen und den ersten Hieb aus der dadurch eingenommenen verhangenen Auslage führen, oder ob auch unmittelbar aus der Steilauslage ein Hieb nach dem Gegner geführt werden darf. Sieht der Comment demgegenüber vor, dass einer der Paukanten in der Steilauslage und der andere aus der verhangenen Auslage beginnt, wird zumeist geregelt sein, dass derjenige, der die Steilauslage einnimmt, zunächst abdrehen, also in die verhangene Auslage zurückkehren muss, während sein Gegenüber aus der verhangenen Auslage einen Hieb gegen den Gegner führt. Durch diesen Beginn - der besonders bei einem Aufeinandertreffen eines Rechtshänders und eines Linkshänders sachgerecht ist - geraten die Paukanten zunächst ins Wechseltempo, das sie jedoch, falls dies nach dem Comment gestattet ist, durch das Schlagen eines Doppelhiebes auch wieder verlassen können.

Das Verletzungsrisiko

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Vorbereitung einer Bestimmungsmensur durch Anlegen der Schutzvorrichtungen, hier der Paukbrille mit Nasenblech

Bis Mitte des 19. Jahrhunderts kämpfte man Mensuren als Form des Duells auf Tod oder Sieg, also mit oft tödlichem Ausgang. Unter anderem deswegen wurde das Duell gesetzlich verboten; allerdings blieb das Waffenprivileg der Studenten und des Adels erhalten.

Auch später konnte das nun abgemilderte Mensurfechten blutige Folgen haben. Da das Tragen von Schmissen als Ausweis besonderer Männlichkeit galt, wurden diese oft bewusst herbeigeführt (z.B. durch das Einnähen eines Haares in die Wunde) und mit Stolz getragen. Sie waren im 19. und 20. Jahrhundert bis 1945 ein häufiges Kennzeichen einer universitären Ausbildung und Laufbahn. Da diese Ausbildung damals meist nur wohlhabenden Bürgern und Adeligen offenstand, war ein Schmiss auch Kennzeichen der Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlich besser gestellten Schicht.

Durch Wundinfektionen konnten Mensuren bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts auch bei nur leichten Verletzungen einen tödlichen Ausgang nehmen. Diese Verletzungen waren aber keine Folge der eigentlichen Mensur, sondern von unsachgemäßer Versorgung der Wunde. Erst seit der Entdeckung des Penicillin ist diese Gefahr vermindert.

Die Verletzungsgefahr wird auch heute bewusst in Kauf genommen, da sie im Selbstverständnis schlagender Verbindungen Bedingung für die erzieherische Wirkung der Mensur ist. Schwere oder gar tödliche Verletzungen gibt es jedoch heute nur noch äußerst selten. Werden alle Sicherheitsbestimmungen bei einer Mensur eingehalten, sind sie praktisch ausgeschlossen. Dafür sorgen mehrere Faktoren:

  • die ritualisierte Technik, die mit Hilfe eines Fechtlehrers ausgiebig gelernt und geübt wird;
  • die ärztliche Mensuruntersuchung, zum Beispiel auf nicht richtig zusammengewachsene Fontanellen, der Paukanten vor einer Mensur unterzogen werden;

Es kann dennoch zu Schnittverletzungen im Kopfbereich kommen, deren Vernarbung dann zum Schmiss führt. Diese Wunden stellen den überwiegenden Anteil aller möglichen Verletzungsarten, die speziell bei dem Mensurabstand von einer ganzen Schlägerlänge von Brustmitte zu Brustmitte vorkommen. Bei diesem Abstand und Hochcomment können fast nur der vordere und mittlere Haarbereich und demgemäß nur Teile der Stirn und der Schläfen getroffen werden.

Entsprechend ändert sich bei Verkürzung oder Verlängerung des Mensur-Abstands die Trefferfläche zum hinteren beziehungsweise vorderen Kopfbereich hin. Bei einem Tiefcomment und ohne Wangenleder ist bei rechtshändigem Gegenpaukanten die linke Wange sowie beim Abdrehen eventuell die vordere Stirn Trefferfläche. Je nach Comment und vorgeschriebenem Mensurabstand werden auch sogenannte „Scherzel“, der Verlust kleiner Stücke der Kopfhaut, wahrscheinlicher. Bei fehlendem Ohrenleder können auch Stücke vom Ohr abgetrennt werden. Bei sehr dünnen Mensurklingen können sich die Klingen um die Deckung des Gegenpaukanten „wickeln“ und mit der flachen Seite auf dem Kopf landen und somit kleine Beulen verursachen.

Zur Versorgung solcher Verletzungen steht der Paukarzt zur Verfügung, der Schnittwunden näht. Er kann eine Partie jederzeit aus medizinischen Gründen abbrechen. Er untersucht den Verletzungsgrad und entscheidet dann, ob dieser unvertretbare Folgen haben könnte, ob ein Kreislaufkollaps droht und demgemäß, ob der Fortgang der Partie vertretbar ist oder nicht.

Rechtslage

Deutschland und Österreich

Im Göttinger Mensurenprozess (19511953) bestätigte der Bundesgerichtshof in Karlsruhe, dass durch die Mensur gefährliche Körperverletzungen im Sinne des Strafgesetzbuches entstehen können. Diese seien jedoch keine Straftaten, da sie mit Einwilligung des Verletzten zustande kämen. Sie müssten daher straflos bleiben, solange sie nicht im Rahmen von Ehrenhändeln vor sich gehen und bei ihrer Durchführung alle erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen für die Beteiligten getroffen würden. Insbesondere setzt die Straffreiheit den Verzicht auf tödliche Waffen voraus. Die Mensur ist damit rechtlich dem Boxen z.B. gleichgestellt.

Dieses Urteil hat zu den oben geschilderten generellen und amtlich überwachten Sicherheitsvorkehrungen geführt.

Die Rechtslage in Österreich ist vergleichbar: § 90 öStGB entspricht der deutschen Einwilligungsregelung nach § 228 dStGB.

Schweiz

Dort stellte das Strafgesetzbuch von 1937 das Duell zwar als Delikt gegen Leib und Leben unter Strafe. Da die dort verwendete Definition des Duells aber Mensuren nicht einschließt, blieben Mensuren meist straflos.

Katholische Kirche

Nach früherem kanonischem Recht des Vatikan waren Mensuren, selbst wenn sie nicht auf Tötung abzielten, unsittlich und wurden mit Kirchenstrafen bis zur Exkommunikation belegt, da sie körperlich und mental auf echte Duelle vorbereiteten.

Nachdem das Duell aufgegeben wurde, entfiel dieses Argument. Nach der neuesten Fassung des codex juris canonici von 1983 steht die Bestimmungsmensur nicht mehr unter expliziter kirchlicher Strafandrohung, sofern sie nicht mehr als Vorbereitung zum Duell anzusehen ist und keine Gefahr schwerer Verletzungen beinhaltet. Auch ein möglicher Verstoß gegen das allgemeine Verbot der Körperverletzung in Canon 1397 sieht nur Sühnestrafen, hingegen keine Exkommunikation vor. Die Mensur wird aber weiterhin als eindeutig sittlich verwerflich angesehen.

Darum gibt es auch katholisch getaufte Mitglieder in schlagenden Verbindungen. Christliche Verbindungen lehnen die Mensur jedoch strikt ab.

Kritik

Viele Menschen haben eine reservierte oder ablehnende Haltung gegen das Mensurfechten. Die Gründe dafür stammen meist aus folgenden Bereichen:

Mensur als Ausdruck überkommener Denkweisen

Kritiker der Mensur sehen im studentischen Fechten den Ausdruck eines überkommenen, mittelalterlichen Ehrbegriffes und Ständedenkens. Der Schriftsteller und Journalist Kurt Tucholsky zum Beispiel verstand die Traditionen der schlagenden Verbindungen als ein Festhalten an vormodernen Vorstellungen, die sich in der Weimarer Republik auch in Klassengegensätzen äußerten. So mokierte er sich in einer Rezension des Verbindungsbüchleins "Briefe an einen Fuchsmajor" über den darin vertretenen Ehrbegriff:

"Wie da das Motiv zum anständigen Betragen in die Gruppe verlegt wird; wie das Einzelwesen verschwindet, überhaupt nicht mehr da ist; wie da eine Fahne hochgehalten wird – wie unsicher muß so ein Einzelorganismus sein! Das sind noch genau die Vorstellungen von ›Ritterehre‹, über die sich schon der alte, ewig junge Schopenhauer lustig gemacht hat. Noch heute liegt diese Ehre immer bei den andern. (...) Nach diesem Aberglauben kann also die Gruppe ihre Ehre nicht nur verlieren, indem sie schimpfliche Handlungen begeht, sondern vor allem einmal durch das Handeln andrer Leute. Diese Ehre hats nicht leicht."
(Ignaz Wrobel: "Briefe an einen Fuchsmajor", in: Die Weltbühne vom 31. Januar 1928, S. 5ff)

Wesentlich schärfer zeigte sich Tucholskys Kritik an der Mensur in dem Gedicht "Deutsche Richter von 1940". Darin zog er eine direkte Linie zwischen elitären studentischen Traditionen und dem unbarmherzigen Verhalten der Korporierten in ihren späteren Amtsfunktionen. In dem Buch "Deutschland, Deutschland über alles" wurde der Text mit dem nebenstehenden Foto illustriert:

Deutsche Studenten nach einer Mensur, ca. 1928
         Deutsche Richter von 1940 
     Wir stehen hier im Vereine
     in diesem Lederflaus;
     wie die abgestochenen Schweine
     sehn wir aus.
       Wir fechten die Kreuz und die Quere
       mit Schlag und Hieb und Stoß;
       wir schlachten uns um die Ehre –!
       Auf die Mensur!
                                       Los! 
     Der deutsche Geist? Hier steht er.
     Wie unsere Tiefquart sitzt!
     Wir machen Hackepeter,
     daß die rote Suppe spritzt.
       Wir sind die Blüte der Arier
       und verachten kühl und grandios
       die verrohten Proletarier -
       Auf die Mensur!
                    Gebunden!
                                       Los! 
     Wir sitzen in zwanzig Jahren
     mit zerhacktem Angesicht
     in Würde und Talaren
     über euch zu Gericht.
       Dann werden wirs euch zeigen
       in Sprechstunden und Büros ... 
       ihr habt euch zu ducken, zu schweigen
       Auf die Mensur!
                    Gebunden!
                             Fertig!
                                       Los!
      (...)
      (Kurt Tucholsky: Deutschland, Deutschland über alles. Berlin 1929, S. 19)

Mensur als Überbleibsel überholter Rechtssysteme

Mensuren stammen historisch vom Duell ab und haben lange Zeit, teilweise bis heute, auch dessen Funktion erfüllt, vermeintliche Beleidigungen zu sühnen. Ob Mensuren Teil einer eigenen akademischen Gerichtsbarkeit waren, die voraufklärerische akademische Einrichtungen für sich beanspruchten, ist nicht klar. Dass Duelle das Gewaltmonopol des Staates verletzen, wurde in Verbindungen lange Zeit ignoriert. Die Mensur hat immer noch eine äußere Ähnlichkeit zum Duell.

Insofern ist diese Kampfform für viele Kritiker heute ein zivilisatorischer Rückfall in längst überholte Geschichtsepochen (Atavismus). Sie wird als eine überholte Art verstanden, mit Konflikten umzugehen.

Mensur als Kulturphänomen

Eine weitere Perspektive der Kritik ergibt sich aus der Affinität von Studentenverbindungen zu Ritualen, Rängen und Rangabzeichen, Uniformen, Waffen, Ehrbegriffen, wie sie bei der Mensur besonders sichtbar werden. Manche Kritiker sehen hier eine strukturelle Nähe zum Militarismus. Es finde ein autoritäres und reaktionäres Denken seinen auch ästhetisch sichtbaren Ausdruck (auch wenn dies eine entsprechende Geisteshaltung natürlich noch nicht beweise).

Gefahr der Körperverletzung

Durch die Verwendung gefährlicher Waffen kann es trotz aller Sicherheitsvorkehrungen zu schweren Verletzungen oder Infektionen durch kleinere Verletzungen kommen. Dieser Sachverhalt wird als unvernünftig und sittenwidrig kritisiert; eine Situation sollte nicht bewusst hebeigeführt werden, in der diese Gefahren bestehen.

Mensur als Gewalt

Statt ethisch, sozial und pädagogisch dauerhaft tragende Mechanismen zur Behebung von (Ehr-)Händeln einzuüben oder die Zeit zur Entwicklung von konstruktiven und verständigungsfördernden Techniken zu nutzen, lautet der Vorwurf an die Paukanten, fragwürdige und gewaltorientierte Verhaltensmuster einzuüben. Dieser Vorwurf wird auch innerhalb von Verbindungen vorgetragen. Zum Beispiel lehnen die meisten christlichen Verbindungen die Mensur wegen dieser Gewaltorientierung grundsätzlich ab. Auch die katholische Kirche vertritt heute diese ablehnende Haltung und stuft die Mensur als unsittliches Verhalten ein.

Destruktiver, irrationaler Umgang mit Angst

Mit dieser Begründung wird von vielen Kritikern auch die Mensur als ungeeignete Form der Angstüberwindung bezeichnet. Sie vertreten die Ansicht, der aus Angst vor gesellschaftlichem Gesichtsverlust hervorgerufene Kampf zweier Personen entstamme einem patriarchalischen, reaktionären, militaristischen und gewalttätigen Gesellschaftsmodell, das sich auf Angst gründe, und sei daher heute abzulehnen.

Siehe auch

Literatur

Theoretisches

  • Martin Biastoch, Duell und Mensur im Kaiserreich (am Beispiel der Tübinger Corps Franconia, Rhenania, Suevia und Borussia zwischen 1871 und 1895), SH-Verlag, Vierow 1995, ISBN 3-389498-020-6
  • Egon Eis, Duell, Geschichte und Geschichten des Zweikampfs, K. Desch Verlag, München 1971, ISBN 342004609X
  • Norbert Elias, Zivilisation und Informalisierung. Die satisfaktionsfähige Gesellschaft, in: Michael Schröter (Hrsg.), Norbert Elias, Studien über die Deutschen. Machtkämpfe und Habitusentwicklung im 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 1989
  • Michael Gierens S.J., Ehre, Duell und Mensur, Darstellung und Begründung der christlich-ethischen Anschauungen über Ehre und Ehrenschutz, Duell und Mensur auf Grund einer Synthese historischer, biblischer, juristischer, kanonistischer und philosophischer Erkenntnisse, herausgegeben von der Akademischen Bonifatius-Einigung, Verband zur Pflege des religiösen Lebens in der katholischen Studentenschaft, Paderborn 1928
  • W. Hammon, Studentisches Fechten, Oderthal Druckerei, Duisburg 1957
  • F.Hartung, Schlägermensur und Strafrecht, in: Neue Juristische Wochenschrift 7, 1954
  • Dietrich Heither, Michael Gehler, Alexandra Kurth: Blut und Paukboden. Fischer (Tb.), Frankfurt, 2001 ISBN 3596133785
  • Hermann Rink, Vom studentischen Fechten bis zur Mensur, in: Verband Alter Corpsstudenten e.V. (Hrsg.), Handbuch des Kösener Corpsstudenten, 6. Auflage, Band I, Würzburg 1985
  • Hermann Rink, Die Mensur, ein wesentliches Merkmal des Verbandes, in: Rolf-Joachim Baum (Hrsg.), "Wir wollen Männer, wir wollen Taten!" Deutsche Corpsstudenten 1848 bis heute, Siedler Verlag, Berlin 1998, ISBN 3-88680-653-7

Praktisches

  • A. Angerer, Anleitung zum Fechten mit dem Korbschläger, Würzburg 1961
  • Friedrich August Wilhelm Ludwig Roux, Deutsches Paukbuch, 2. Auflage, Jena 1867, Neuauflage: Becker Verlag, Würzburg 1976
  • Schmied-Kowarzik/Kufahl, Fechtbüchlein, Reclam 3301-3303, Leipzig 1884
  • F. und C. Seemann-Kahne, Akademische Fechtschule, Leipzig 1926
  • swordhistory.com „Warum wir fechten“: Gedanken und stehend-freihändige Assoziationen zur Notwendigkeit der Mensur im 21. Jahrhundert
  • prager-arminia.deUmfangreiche Erklärungen und Geschichte der Mensur
  • die-corps.de „Hoch bitte - Los!“ Erlebnisbericht von der ersten Mensur
  • slesvigia-niedersachsen.de Die kleine Studentische Fechtfibel - sehr ausführliche Beschreibung der Geschichte, des Ablaufs, der Fechttechnik sowie des Paukcomments
  • Jonathan Green: Armed and Courteous, Financial Times magazine, 3. Januar 2004, S.16. jonathan-green.com online (JPG-Scans) - englischsprachige Reportage, mit Fotos