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Hubert Schardin

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Hubert Reinhold Hermann Schardin (* 17. Juni 1902 in Deutsch Plassow; † 27. September 1965 in Freiburg) war ein deutscher Ballistiker, Ingenieur und Hochschuldozent, der überwiegend im Bereich der Kurzzeitfotografie und der Hochfrequenzkinematografie forschte. Außerdem war er Direktor des deutsch-französischen Forschungsinstituts ISL in Saint-Louis.

Leben

Schardin wurde als erstes Kind des Lehrers Reinhold Schardin und seiner Ehefrau Hedwig geb. Krohs geboren. Nach vier Jahren Dorfschulbesuch in Deutsch Plassow und Hebrondamnitz besuchte er die Oberrealschule in Stolp, an der er 1922 das Abitur bestand. Anschließend studierte er an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg, an der er das Diplom-Examen in der Fachrichtung „Technische Physik“ 1926 ablegte.

In den Jahren 1927 – 1929 war Schardin zunächst als Privatassistent und in den Jahren 1930 – 1935 als ständiger Assistent bei dem damals führenden Ballistiker Geheimrat Carl Cranz tätig. 1934 promovierte er zu dem Thema „Über das Töplersche Schlierenverfahren“ mit Auszeichnung bei Carl Cranz. Von Herbst 1935 bis Frühjahr 1936 begleitete Schardin den Geheimrat Cranz nach China, wo sie beide für das chinesische Militär ein ballistisches Institut in Nanking aufbauten. Während seines Aufenthaltes in China erhielt er im November 1935 einen Ruf als Leiter der Institute für Technische Physik und Ballistik der Technischen Akademie der Luftwaffe (TAL) in Berlin-Gatow. Schwerpunkte seiner Arbeit dort waren ballistische Untersuchungen und Arbeiten über feste Körper, besonders zu Glas und Glasbruch. Am 1.Dezember.1937 wurde er zum außerordentlichen Professor und 1942 zum ordentlichen Professor ernannt. Gegen Kriegsende wurde das Institut für Technische Physik und Ballistik von Berlin-Gatow vor den Kriegsereignissen in Sicherheit gebracht und nach Biberach an der Riß verlegt.

Von August 1945 an war er zunächst wissenschaftlicher Direktor, ab 1958 bis 1964 deutscher Direktor des deutsch- französischen Forschungsinstituts ISL in Saint-Louis.

Im Oktober 1964 wurde Professor Schardin als Leiter der Abteilung Wehrtechnik in das Bundesministerium der Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland berufen, in Personalunion mit der Leitung des Ernst-Mach-Instituts in Freiburg.

Schardin erhielt für seine erfolgreichen glasphysikalischen Untersuchungen von der Deutschen Glastechnischen Gesellschaft im Jahre 1958 den „Georg-Gehlhoff-Ring“ und von der „Society of Motion Picture an Television Engineers“ die Dupont-Medaille verliehen.

Neben seinen Institutstätigkeiten war er ordentlicher Professor an der TH Berlin (bis 1945). Seit 1947 war Schardin Honorarprofessor für Technische Physik an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg. Er gründete dort die Abteilung für angewandte Physik, aus der später das Ernst- Mach Institut Freiburg mit seinen Außenstellen in Weil am Rhein hervorging.

Seit 1969 wird die Hubert- Schardin- Medaille von dem Internationalen Kongress für Kurzzeitphotographie und Photonik (unter Mitwirkung des Fachverbandes Kurzzeitphysik) gestiftet.

Hubert Schardin war seit 1937 mit Irma geb. Jakobs verheiratet und hatte vier Töchter. Er starb 1965 in Freiburg. Anlässlich der Beisetzung am 3. Oktober 1965 in Weil am Rhein erwiesen über 500 Gäste Schardin die letzte Ehre, darunter Bundesverteidigungsminister Kai-Uwe von Hassel.

Wissenschaftliche Arbeit

Die wissenschaftliche Arbeit von Schardin ist in etwa 1000 Veröffentlichungen niedergelegt. Die Hauptbedeutung der wissenschaftlichen Tätigkeit von Hubert Schardin liegt in der Kurzzeitphysik. Er hat maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung von elektro- und magneto-optischen Kurzzeitverschlüssen sowie auf die Fotografie und Kinematografie mit Hilfe des elektrischen Funkens und des Röntgenblitzes ausgeübt. So hat dadurch bahnbrechend gewirkt, dass er die Kurzzeitmesstechnik, eine zunächst für die speziellen Probleme der Ballistik entwickelte Disziplin, zu einer allgemein wissenschaftlichen Messtechnik entwickelte, neue Anwendungsgebiete erschlossen und auf solche hingewiesen hat. Zugleich hatte er bedeutenden Anteil an der Entwicklung der Sprengstoff-Hohlladung, die später für panzerbrechende Waffen militärisch genutzt wurden.

Funkenzeitlupenkamera nach Cranz- Schardin

Schardin entwickelte 1929 zusammen mit Carl Cranz das Prinzip einer Funkenzeitlupe. Durch eine rein optische Trennung der Bilder auf ruhendem Film wurde erstmals eine begrenzte Zahl von Bildern mit einer Frequenz bis zu mehreren Millionen Bildern pro Sekunde wiedergegeben. Die Besonderheit hierbei ist, dass die Bilder, die durch die Beleuchtung mit einzelnen räumlich entfernten Funken entstehen, getrennt abgebildet werden. Hierbei werden mehrere Funkenstrecken, deren Licht ein transparentes Objekt durchleuchtet und dann auf eine Fotoplatte fällt, in schneller Abfolge gezündet. Kameras dieses Typs sind heute noch im Einsatz. Der Vorteil dieses Kameratyps liegt in der hohen Auflösung der optischen Speicherung auf einer Fotoplatte (einige 10 GByte), gepaart mit relativ hohen Bildraten bis zu 106 Hz.

Institut ISL in Saint-Louis

Schardin steht für die Gründung des deutsch- französischen Forschungsinstitutes ISL im französischem Saint- Louis. Da sich mit Kriegsende unter den Alliierten ein regelrechter Wettlauf gegen die Zeit um das Wissen deutscher Forscher und Ingenieure entwickelte, stand auch die Technische Akademie der Luftwaffe im Fokus von Frankreich und Amerika. Frankreich interessierte sich besonders für die deutschen Ballistiker, so dass am 24. April 1945 der französische Offizier Lutz bei der Außenstelle der TA Luftwaffe in Biberach an der Riss vorstellig wurde. Ursprünglich war nur vorgesehen, die ausgeklügelten Apparate, allen voran die Funkenzeitlupenkamera- das wichtigste Messinstrument der deutschen Ballistiker- zu beschlagnahmen. Dann aber machten die Amerikaner unter der Leitung von Colonel Leslie E. Simon vom Ballistic Research Laboratory, Aberdeen Proving Ground, Professor Schardin und sieben seiner besten Mitarbeiter das Angebot, nach Amerika zu gehen. Schardin lehnte jedoch zunächst ab, weil er die Forschungsgruppe nicht zersplittern wollte. Um weiteren Abwerbungen durch die Amerikaner zuvorzukommen, wurde Schardin und seinen Mitarbeitern seitens Frankreich am 1. Juni 1945 das Angebot unterbreitet, für das Laboratoire Central de Lármement (LCA) inVersailles bei Paris zu arbeiten. Schardin, zehn seiner Mitarbeiter und 15 Hilfskräfte nahmen an. Jedoch wurde die Ansiedlung deutscher Wissenschaftler in Paris, weniger als ein Jahr nach dem Abzug der deutschen Besatzungstruppen aus der französischen Hauptstadt, als zu heikel gesehen. So wurde nach dem Auffinden eines verlassenen Fabrikgeländes im elsässischen Saint-Louis im Dreiländereck D/F/CH dieses als Forschungssitz ausgewählt.

Am 1. August 1945, zwölf Wochen nach der Kapitulation Deutschlands, nahmen schließlich 32 deutsche Wissenschaftler als französische Staatsangestellte ihre Arbeit in Saint- Louis auf. Schardin und die weiteren Wissenschaftler wohnten mit ihren Familien im nahe gelegenen deutschen Weil am Rhein. Der ca. 20- minütige Transport von der deutschen Seite zum Institut nach Frankreich wurde mit einem verplombten Bus ermöglicht.

Schardin, mittlerweile wissenschaftlich- technischer Direktor, setzte im Institut seine Untersuchungen zum Komplex Glas sowie zu Bruch- und Zerreißvorgängen fort. Im Umfeld militärischer Forschungen untersuchte er auch Explosionen und Detonationen. Ab 1954 forschte er überwiegend im Bereich der Schutzbauten und des zivilen Bevölkerungsschutzes gegen Atom-Waffen bzw. deren Druckwirkung.

Zusammen mit dem französischen General- Ingenieur Robert Cassagnou baute Schardin das Institut weiter aus, bis es schließlich im Jahre 1959 – nach 2 jährigen Verhandlungen- zum deutsch-französischen Forschungsinstitut St. Louis (ISL) umgewandelt wurde.

Schriften

  • Die Grundlagen einer exakten Anwendung und quantitativen Auswertung der Toeplerschen Schlierenmethode. VDI-Verlag G.m.b.H., Berlin 1934. - Dissertation
  • Veröffentlichungen der Reichsstelle für den Unterrichtsfilm. Nr. C 142, Beschuss von Drähten und Panzerplatten. Institut f. d. wiss. Film, Göttingen 1937