Subakute Thyreoiditis de Quervain
Klassifikation nach ICD-10 | |
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E06.1 | Subakute Thyreoiditis |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Die subakute granulomatöse Thyreoiditis ist eine seltene Erkrankung der Schilddrüse, deren Ursache noch nicht umfassen geklärt ist. Wahrscheinlich spielen vorausgehende Virusinfektionen und eine genetische Prädisposition eine Rolle bei der Entstehung.
Sie beginnt subakut, das heißt innerhalb weniger Tage. Es kommt zu einer Entzündung der Schilddrüse, einer Thyreoiditis, die histologisch durch typische Riesenzellen gekennzeichnet ist. Die Erkrankung geht einher mit einer meist leicht vergrößerten Schilddrüse (Struma) sowie ausgeprägten Symptomen wie starken Schmerzen und Schluckbeschwerden. Der über mehrere Monate andauernde Krankheitsverlauf läuft typischerweise in mehreren Phasen ab. Zunächst kommt es zu einer Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose), gefolgt von einer kurzen Phase mit normaler Schilddrüsenfunktion, die als Euthyreose bezeichnet wird, und dann in eine Phase der Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) übergeht. Während einer Erholungsphase normalisiert sich schließlich die Schilddrüsenfunktion wieder und es kommt in der Regel zu einer vollständigen Ausheilung.
Die Diagnose wird klinisch im Rahmen der Anamnese, klinischen Untersuchungen und mit Hilfe von Laborparametern gestellt. Im Zweifel kann mit Hilfe einer Gewebeentnahme (Biopsie) die Diagnose gesichert werden. Durch eine Therapie mit antientzündlichen und schmerzhemmenden Medikamenten können der Krankheitsverlauf und die Symptome deutlich gemildert werden.
Synonyme
Nach dem Erstbeschreiber Fritz de Quervain wird die Erkrankung auch als Quervain-Thyreoiditis oder subakute Thyreoiditis de Quervain bezeichnet, nicht zu verwechseln mit der ebenfalls nach ihm benannten Quervain-Krankheit (Tendovaginitis stenosans de Quervain). Darüber hinaus gibt es weitere Synonyme für die subakute Thyreoiditis, die subakute nicht-eitrige Thyroiditis, eine Bezeichnung, die der Unterscheidung von der eitrigen oder akuten Thyreoiditis dient, sowie die Riesenzell-Thyroiditis, da typische Riesenzellen das histologische Bild prägen. Da als Ursache eine Infektion mit Viren vermutet wird, bezeichnen einige Mediziner die Erkrankung auch als virale Thyreoiditis. Sehr häufig wird als Synonym auch der Begriff subakute Thyreoiditis verwendet. Da ein subakuter Verlauf allerdings auch bei anderen Schilddrüsenentzündungen vorkommt, insbesondere bei den subakuten lymphozytären Thyreoiditiden (Stumme Thyreoiditis und Postpartum-Thyreoiditis), kann es hier zu Verwechslungen kommen.
Epidemiologie
Das mittlere Erkrankungsalter liegt zwischen 30 und 50 Jahren.[1] Frauen sind 3 bis 5 mal häufiger betroffen als Männer.[2] Genaue Angaben zur Epidemiologie und insbesondere der Häufigkeit der Erkrankung gibt es nur wenige. Nach einer der größten Kohortenstudien betrug die Inzidenz in Olmsted County Minnesota in den Jahren 1960 bis 1997 4,9 Fälle pro 100000 Einwohner und Jahr.[3]
Ursachen
Die Ursache der subakuten granulomatösen Thyreoiditis ist nicht bekannt. Es gilt als wahrscheinlich, dass die Entzündung die Folge einer Virusinfektion sein könnte, da sich in zurückliegenden Studien bei den meisten Patienten eine kürzlich vorausgegangene Infektion der oberen Atemwege eruieren ließ. Ein Zusammenhang mit den klassischen respiratorischen Virusinfektionen (Enteroviren, Coxsackie-Viren) konnte allerdings nicht gezeigt werden. [4] In erkranktem Schilddrüsengewebe wurden gelegentlich Viren nachgewiesen, so z. B. Spumaviren (Foamy-Virus). [5]
Des weiteren sind genetische Prädispositionen für bestimmte humane Leukozytenantigene bekannt: HLA-B35 und HLA-B67. Individuen die einen dieser Haplotypen besitzen, haben ein, im Falle von HLA-B35 bis zu 50-fach erhöhtes Risiko, an einer subakuten granulomatösen Thyreoiditis zu erkranken. [6] Der HLA-B35 Haplotyp konnte in mehreren Studien bei weit mehr als der Hälfte der an subakuter granulomatöser Thyreoiditis erkrankten Patienten nachgewiesen werden. Eine familiäre Häufung konnte bisher allerdings nur in wenigen Fällen nachgewiesen werden. [7] Einer häufigen Annahme zufolge spricht der Zusammenhang der Erkrankung mit dem HLA-B35-Haplotyp für eine Beteiligung sowohl einer Virusinfektion als auch einer Autoimmunreaktion, das heißt einer Reaktion des Immunsystems gegen den eigenen Organismus, in diesem Fall gegen das Schilddrüsengewebe. Als zugrundeliegender Mechanismus wird das Molekulare Mimikry vermutet. Allerdings ist im Gegensatz zu anderen Autoimmunerkrankungen die subakute granulomatöse Thyreoiditis selbstlimitierend. Dieser Umstand spricht wiederum gegen diese Hypothese.[2]
Krankheitsverlauf und Krankheitsbild
Die Entzündung führt zu einer Zerstörung der Schilddrüsenfollikel, die einhergeht mit einem Abbau des darin gespeicherten Thyreoglobulins. Die Schilddrüsenhormone T3 und T4 werden unkontrolliert in das Blut freigesetzt. Durch die erhöhte Blutkonzentration von Schilddrüsenhormonen wird die Bildung (Synthese) von TSH in der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) gehemmt, so dass damit die Neubildung von Schilddrüsenhormonen vermindert wird. Es kommt zum klinischen Bild einer Schilddrüsenüberfunktion kommt. Dieser Zustand dauert solange an, bis die Vorräte an Schilddrüsenhormonen erschöpft sind und es letztlich, nach keiner kurzen euthyreoitischen Phase mit normaler Schilddrüsenfunktion zu einer Schilddrüsenunterfunktion kommt.
Je nach Schwere und Phase der Erkrankung kann es also zu Zeichen einer der Schilddrüsenüber- und unterfunktion kommen. Unabhängig von der Funktion der Schilddrüse kommt es entzündungsbedingt zu einer schmerzhaften Schilddrüse. Die Schmerzen können ausstrahlen, häufig zum Ohr und zum Unterkiefer. Insbesondere bei Druckausübung auf das Schilddrüsenlager können sehr starke Schmerzen ausgelöst werden. Schmerzbedingt und möglicherweise durch den von der vergrößerten Schilddrüse ausgehenden Druck kann es darüber hinaus zu Schluckbeschwerden kommen.
Die Krankheit dauert mehrere Monate an. In der Regel kommt es zu einer vollständigen und spontanen Ausheilung, auch ohne den Einsatz von Medikamenten. Bei etwa 5 Prozent der Betroffenen kann es zu einer dauerhaften Schilddrüsenunterfunktion kommen.
Histologie

Das histologische Bild der subakuten Thyreoditis ist geprägt durch eine granulomatöse Entzündung und das charakteristische Auftreten von Riesenzellen.
Diagnose

Bei der klinischen Untersuchung ist eine druckschmerzhafte Schilddrüse typisch, die asymmetrisch vergrößert sein kann.
Eine vermutete oder vorhandene Vergrößerung der Schilddrüse kann mit Hilfe des Ultraschalls, der Schilddrüsensonographie, bestätigt werden. Des weiteren zeigt sich bei der Ultraschalluntersuchung ein im „gesunden“ Schilddrüsengewebe nicht vorkommendes inhomogenes Muster, das heißt echoarme und echoreiche Regionen wechseln sich ab. Bei den echoarmen Regionen handelt es sich um die Enzündungsherde der Erkrankung, die sich am Monitor dunkel darstellen, da sie den Schall schlechter reflektieren als normales Schilddrüsengewebe (siehe auch Untersuchung der Schilddrüse.
Die Diagnose kann durch die Bestimmung verschiedener Laborparameter im Blut gestützt werden. Als Zeichen der Entzündungsreaktion sind die Entzündungsparameter C-reaktives Protein (CRP), die Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit (BSG) und Interleukin-6 (IL-6) in der Regel deutlich erhöht. Die Zahl der weißen Blutkörperchen ist normal oder leicht erhöht (Leukozytose). Letzteres ist ebenfalls ein Zeichen für eine aktive Entzündungsreaktion. In Abhängigkeit von der Krankheitsphase sind die Schilddrüsenfunktionsparameter verändert. In der hyperthyreoten Phase sind TSH erniedrigt und die Schilddrüsenhormone erhöht, in der euthyreoten Phase sind die Parameter im Normbereich und in der hypothyreoten Phase sind TSH erhöht und die Schilddrüsenhormone erniedrigt. Für die Differentialdiagnostik spielt die Bestimmung der schilddrüsenspezifischen Antikörper eine wichtige Rolle.
Bestehen Zweifel an der Diagnose kommt zur Differentialdiagnose die Schilddrüsenszintigraphie sowie die Feinnadelaspiration mit anschließender histologischer Untersuchung infrage. Beide Verfahren gehören allerdings bei diesem Krankheitsbild nicht zur Routinediagnostik und sind nur in Einzelfällen erforderlich, insbesondere bei atypischen Verläufen. Die Radioiodaufnahme, die quantitativ mit der Schilddrüsenszintigraphie gemessen werden kann, ist durch die entzündungsbedingte Iod-Transportstörung und die verminderten TSH-Spiegel in der Regel stark reduziert. Bei der Feinnadelbiopsie (Feinnadelaspiration) wird sonographisch gesteuert Schilddrüsengewebe mit einer dünnen Nadel entnommen (Biopsie), welches anschließend in der Pathologie histologisch untersucht wird.
Therapie
Die Therapie erfolgt in der Regel symptomatisch vor allem mit schmerz- und entzündungshemmenden Substanzen aus der Gruppe nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR), wie beispielsweise der Acetylsalicylsäure (ASS) und Ibuprofen. Wenn diese Medikamente für eine symptomatische Behandlung nicht ausreichen werden Glukokortikoide, in erster Linie Prednisolon, zur Entzündungshemmung eingesetzt. Kann weder mit der NSAR- noch mit der Glukokortikoidtherapie eine Schmerzlinderung herbeigeführt werden, ist muss die Diagnose in Frage gestellt werden.[2]
Es bestehen nur in wenigen Fällen deutliche Krankheitszeichen der Schilddrüsenüberfunktion wie eine Beschleunigung der Herzfrequenz (Tachykardie), die symptomatisch mit Betablockern behandelt werden kann. Die bei vielen Schilddrüsenüberfunktionen eingesetzten Thyreostatika spielen bei der Behandlung der subakuten granulomatösen Thyreoiditis keine Rolle. Auch in der meistens milden hypothyreoten Phase ist nur in selten Fällen eine spezifische Therapie notwendig. Eine Ausnahme besteht, wenn die hypothyreote Phase deutlich verlängert ist. In diesem Fall ist die Substitution von Schilddrüsenhormonen indiziert, wobei meist L-Thyroxin-Präparate verwendet werden.
Literatur
- Classen, Diehl, Kochsiek: Innere Medizin. 5. Auflage. Urban & Fischer-Verlag München 2006. ISBN 3-437-44405-0
- W. Böcker, u.a.: Pathologie. Urban und Fischer-Verlag 2004, 3. Auflage, S. 388 ff. ISBN 3-437-42381-9
Einzelnachweise
- ↑ M. Dietl (Hrsg.) u.a.: Harrisons Innere Medizin. Dt. Ausgabe der 15. Auflage - ABW Wissenschaftsverlag Berlin 2003, S. 2269 ff. ISBN 3-936072-10-8
- ↑ a b c Burman KD: Subacute granulomatous thyroiditis. UpToDate v15.3, August 2007
- ↑ Fatourechi V et al.: Clinical features and outcome of subacute thyroiditis in an incidence cohort: Olmsted County, Minnesota, study. J Clin Endocrinol Metab. 2003 May;88(5):2100-5. PMID 12727961
- ↑ K. Luotola et al.: Evaluation of infectious etiology in subacute thyroiditis--lack of association with coxsackievirus infection. APMIS (1998) 106(4): S. 500-504 PMID 9637274
- ↑ J. Werner und H. Gelderblom: Isolation of foamy virus from patients with de Quervain thyroiditis. Lancet (1979) 4;2(8136): S. 258-259 PMID 89378
- ↑ Ohsako N et al.: Clinical characteristics of subacute thyroiditis classified according to human leukocyte antigen typing. J Clin Endocrinol Metab. 1995 Dec;80(12):3653-6. PMID 8530615
- ↑ Zein EF et al.:Familial occurrence of painful subacute thyroiditis associated with human leukocyte antigen-B35. Presse Med. 2007 May;36(5 Pt 1):808-9. Epub 2007 Mar 23. PMID 17383147