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Bert Hellinger

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Bert Hellinger (*16. Dezember 1925 in Leimen) ist ein deutscher Familientherapeut. Sein Taufname ist Anton Hellinger, als Ordensmitglied der Mariannhiller Missionare führte Hellinger den Namen Suitbert.

Hellinger hat keine solide therapeutische Ausbildung. Kritiker werfen ihm vor, bei seinen Veranstaltungen gegen einfachste Regeln der Psychotherapie zu verstoßen.

Leben

Hellinger wuchs in Köln auf und studierte Philosophie, katholische Theologie und Pädagogik. 1952 erhielt er die Priesterweihe, anschließend arbeitete er bis 1968 als Leiter einer katholischen Missionsschule in Südafrika. 1971 trat Hellinger aus der Kongregation der Mariannhiller Missionare aus, verzichtete auf das Priesteramt und heiratete. Mit seiner Frau Herta lebt er heute in Ainring.

Hellinger besuchte unter anderem Kurse bei Arthur Janov, Frank Farelly und Jakob L. Moreno. Seine Weiterbildung zum nichtärztlichen Psychotherapeuten (Fachrichtung Psychoanalyse) wurde 1982 von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns anerkannt (nachdem die Wiener Psychoanalytische Vereinigung die Anerkennung seiner Ausbildung verweigert hatte). Besondere Bedeutung für Hellinger hatte die Arbeit der Familientherapeutin Virginia Satir (1916-1988), die seit den 60er Jahren mit Familienrekonstruktion praktizierte. Er ist durch die von ihm fortentwickelte Familienaufstellung (oder Familien-Stellen) bekannt geworden.

Methode

Bei der klassischen Familienaufstellung werden vom Aufstellenden beliebige Personen (möglichst Männer für Männer und Frauen für Frauen)aus dem Kreis der Anwesenden stellvertretend für Familienmitglieder räumlich so angeordnet, dass sie seiner Wahrnehmung der Familiensituation entsprechen. Die Veränderung der Sicht der Probleme des Klienten soll sich dann durch intellektuelle und emotionale Erkenntnisse aus einem wissenden Feld (Albrecht Mahr) vollziehen, die der Klient aus dieser Aufstellung und der (v.a. unmittelbaren und unbewussten) Reaktion der beteiligten Personen gewinnt.

Bei Aufstellungen ist immer wieder zu beobachten und zu erleben, dass die Stellvertreter recht genaue Auskunft über die Befindlichkeit derjenigen Originalpersonen sowie deren Beziehungsgeflechten geben können, die sie vertreten. Die hohe Übereinstimmung zwischen Aussagen von Stellvertretern und Originalpersonen ist bereits wissenschaftlich (u.a. von Höppner) erforscht worden. Insofern bringt die Aufstellung etwas Verborgenes ans Licht, das sich jenseits von Manipulation und bewusstem Hintergrundwissen zeigen kann. Daraus ergeben sich Möglichkeiten, das Beziehungsgeflecht des aufgestellten Systems zu bearbeiten und Lösungsmöglichkeiten zu finden.

Nach Bert Hellinger war das Familienstellen am Anfang zunächst nur eine Methode, um festzustellen, wie die Beziehungen in einer Familie beschaffen sind und was dort wirkt. Es war in erster Linie zielneutral.

Der Hauptfocus der Methode richtet sich weniger auf den Aufstellenden selbst als auf sein Familien- bzw. Organisationssystem und das tragende Beziehungsgeflecht. Es geht primär darum, Lösung für das System und die Beziehungen darin zu bewirken, aus der sich Lösung für den Aufstellenden ergeben kann.

Zentral ist dabei der Begriff der Ordnung für Hellinger: Alles unterliegt einer höheren Macht, die eine bestimmte Ordnung herstelle. Aufstellungen sind nach Bert Hellinger nicht primär eine therapeutische Methode, sondern ein Werkzeug, das in vielen Bereichen sinnvoll eingesetzt werden kann. Hellinger besteht dabei darauf, dass ein Bereich dabei kein Recht für sich beanspruchen dürfe, in den anderen kontrollierend einzugreifen.

Kritik

Hellinger ist umstritten. Kritiker werfen ihm vor, dass er Klienten nach seinen öffentlichen Familienaufstellungen allein läßt und ihnen nicht hilft, ihre Eindrücke und oft starke emotionale Anspannung zu verarbeiten. Es soll zu mindestens einem Selbstmord in Leipzig gekommen sein. Es kam zu einer Anklage, von der Bert Hellinger freigesprochen wurde.

Weiter wird bei Hellinger kritisiert, dass weder die Wirkung seiner Methode belegt sei, noch klar sei, wie ihre Wirkung zustande kommen kann. So kritisiert der Psychologe Jörg Schlee (in Goldner, Colin: Der Wille zum Schicksal: Die Heilslehre des Bert Hellinger) die Technik des Familienaufstellens; schon die Absicht der Figuration sei fragwürdig und werde von den Teilnehmern einfach nur gutgläubig nachvollzogen. Kritisiert wird Hellinger auch aufgrund seiner angeblich antisemitischen Positionen.

In seinem Buch Familienstellen - Therapie oder Okkultismus? Das Familienstellen nach Hellinger kritisch beleuchtet warnt Werner Haas vor den Praktiken und der Geisteshaltung der Hellinger-Szene: Magische Rituale ersetzten dort Therapie, anstatt einer Diagnose werde ein Orakel veranstaltet und Ursachenforschung erschöpfe sich im "Nachbeten der Okkult-Lehren des Meisters über die Entstehung von Krankheiten und Leid."

Weiter wird ihm vorgeworfen, in seinen Texten und Vorträgen zeige sich ein reaktionäres Weltbild und entsprechende Methoden, die sich an naturmythologischen Ursprungsableitungen bis hin zum "völkischen" Grundcharakter der Seele orientierten. Seelische Probleme sehe er daher entsprechend esoterisch begründet über viele Generationen hin bis zu den archetypischen Grundmustern für familiäre Hierarchien. Hellinger sehe patriachalisch die Frau dem Mann unterordnet, der sich ihr wiederum, der "Mutter und Fürsorgerin" dienlich erweisen müsse. Diese Muster dienten als Schemata für die Würdigungsrituale gegenüber den Ordnungen der Liebe (so ein Buchtitel von ihm). Seine Therapie funktioniere nach Ansicht des Psychologen Wolfram Pfreundschuh vor allem durch die Hervorkehrung einer Lebens- und Liebesschuld, welche gestörte Lebensverhältnisse durch Unterwerfung wieder funktional mache. Pfreundschuh sieht die Selbstverpflichtung, die sich daraus ergebe, als Produkt einer Gehirnwäsche. Der Sinn der Würdigungsrituale und Vergebungen habe die Eingliederung von unterworfenen Menschen zur Folge, die ihre Identität an abstrakten Vorstellungen von Liebe und Versöhnung ausrichteten und sich darin selbst überhöhten.

Hellingers Kritiker werfen ihm vor, er funigere als Psycho-Guru. So schreibt der Psychoanalytiker Michael Hilgers: "Mit einer Mischung aus theologischen Phrasen und mystischen Geschichten, einfachen Wahrheiten und absoluten Werturteilen behauptet Hellinger umfassende Hilfe für alles und jeden bieten zu können. Respekt und Demut gegenüber Eltern und Familienangehörigen fordernd, behandelt er seine Patienten anmaßend und unverschämt in der Attitüde des Allwissenden." (Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt Oktober 2000)

Werke

Von Hellinger sind zahlreiche Werke und Videos im Carl Auer Verlag publiziert worden, aber auch beim Kösel-Verlag.

  • Ordnungen der Liebe (1994)
  • Die Mitte fühlt sich leicht an (1996)
  • Wo Schicksal wirkt und Demut heilt - ein Kurs für Kranke
  • Wie Liebe gelingt (1999)
  • mit Gabriele ten Hövel: Anerkennen, was ist. Gespräche über Verstrickung und Heilung.
  • Mit der Seele gehen
  • Ordnungen des Helfens - Über dei Ordnungen und Unordnungen sinnvollen professionellen Helfens
  • Gedanken unterwegs
  • Gottesgedanken - Über die Gottesvorstellungen der Menschen und ihre Wirkungen und Funktionen in Systemen.

Literatur über Hellinger

  • Gunthard Weber (Hrsg): Zweierlei Glück (1993); Praxis des Familienstellens. Beiträge zu systemischen Lösungen nach Bert Hellinger (1998)
  • Peter Orban: Die Kraft, die aus der Herkunft stammt (1997)
  • Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd: Systemische Strukturaufstellungsarbeit (1998)
  • Thomas Schäfer: Was die Seele krank macht und was sie heilt (1998)
  • Bertold Ulsamer: Ohne Wurzeln keine Flügel. Die systemische Therapie von Bert Hellinger, Goldmann-TB, Mai 1999, ISBN 3442141664
  • Colin Goldner (Hrsg.): Der Wille zum Schicksal, Ueberreuter-Verlag 2003, - ausführliche Kritik zahlreicher Experten an Hellinger
  • Martin Buchholz: Da sitzt das kalte Herz. Dossier in der ZEIT vom 21. August 2003
  • Studentischer Sprecherrat der LMU: Niemand kann seinem Schicksal entgehen ... - Kritik und Weltbild Hellingers und zur Situation der Hellinger-Kritik
  • Werner Haas: Familienstellen - Therapie oder Okkultismus? Das Familienstellen nach Hellinger kritisch beleuchtet. Asanger Verlag, 2004 - eine umfassende Kritik aus einer Feder und einem Guss
  • Klaus Weber: "Verhöhnung der Opfer durch Versöhnung mit den Tätern.Bert Hellingers Unterwerfungsprojekt" In: Klaus Weber:"Blinde Flecken. Psychologische Blicke auf Faschismus und Rassismus" Argument Verlag 2003