Katastrophe
Eine Katastrophe (altgriechisch καταστροφή, Kompositum aus katá – „herab-“, „nieder-“ und stréphein „wenden“, also eigentlich „Wendung zum Niedergang“) ist ein entscheidendes, folgenschweres Unglücksereignis.
In versicherungsrechtlicher Sicht ist sie nach bundesdeutschem Verständnis ein Schadensereignis, welches deutlich über die Ausmaße von Schadensereignissen des täglichen Lebens hinaus geht und dabei Leben und Gesundheit zahlreicher Menschen, erhebliche Sachwerte oder die lebensnotwendigen Versorgungsmaßnahmen für die Bevölkerung erheblich gefährdet oder einschränkt.
Begriffsbestimmung: Katastrophe als Ereignis
Der soziale Zustand „Katastrophe“ wird subjektiv empfunden und kommunikativ verbreitet. Er kann von einem persönlichen Notfall, örtlichen Schadenfällen (Desaster, disaster) bis zu einer großflächigen Zerstörung von Leben, Infrastruktur und Hilfsmöglichkeiten eines ganzen Lebensraumes, sogar bis zum Untergang ganzer Gesellschaften reichen. Im Bereich der Exekutive ist die Katastrophenabwehr eine Aufgabe des Katastrophenschutzes.
Beispiele für benannte "Katastrophen", die gesellschaftlich und sprachlich etabliert sind:
- Shoa bedeutet „große Katastrophe“. Shoah bezeichnet den systematischen Völkermord an etwa sechs Millionen Juden Europas in der Zeit des Nationalsozialismus. So heißt dieses Ereignis seit 1948 vor allem in Israel, während es in westlichen Staaten, darunter Deutschland, meist mit dem Begriff Holocaust bezeichnet wird.
- Nakba (arabisch النكبة) bedeutet „Katastrophe“. Er bezeichnet aus arabischer Sicht die als Unglück empfundene Gründung des Staates Israel am 14. Mai 1948, die Teilung Westpalästinas und die aus dem Israelischen Unabhängigkeitskrieg von 1948 resultierende Flucht und Vertreibung der Palästinenser aus dem heutigen Israel. In Folge des Krieges gab es 700.000 arabische Kriegsflüchtlinge und 800.000 vertriebene Juden aus arabischen nahöstlichen Heimatländern.
Typologie
Eingetretene oder drohende Katastrophen, pragmatisch aufgezählt, wären:
- Gesellschaftliche Katastrophen; betreffend Völkerrechte, Menschenrechte, Religionsfreiheit, Krieg und Frieden, Rechte von ethnischen Minderheiten:
- Katastrophen technisch-biologisch-medizinischer Art:
- Nukleare Katastrophen (A-Gefahren)
- Seuchen (B-Gefahren, biologische Gefahren, vgl. z. B. die Grippe)
- Chemiekatastrophen (C-Gefahren)
- Datennetzbezogene Katastrophen (D-Gefahren)
- Elektromagnetisch ausgelöste Katastrophen (E-Gefahren)
- Hungersnot, Epidemie
- Katastrophen durch Freisetzung von mechanischer oder thermischer Energie (F-Gefahren: Druck (Zusammenstöße, Orkane), Brand (Explosionen), wie z. B.
Häufig werden Naturkatastrophen, d. h. Naturereignisse, denen Menschen ausgesetzt sind und die zum Ersticken, Ertrinken, Verdursten, Verhungern, Erfrieren, Verbrennen und Vergleichbarem führen (wie Meteoreinschläge, Vulkanausbrüche, Lawinen, Erd- und Seebeben, Hochwasser, Waldbrände u. a. m.) von sogenannten „technischen Katastrophen“ unterschieden. Aber auch Naturkatastrophen bis hin zur Klimakatastrophe sind in ihren Auswirkungen stets sozial bzw. kulturell beeinflusst (sogar Man Made Disasters – vgl. Hungersnot): Wenn Menschen die Vulkanabhänge nicht besiedelt hätten, wäre ein Ausbruch oft keine „Katastrophe“. Diejenigen sog. „technischen Katastrophen“, die eine verheerende ökologische Beeinträchtigung bedeuten, bezeichnet man auch als Umweltkatastrophen.
Katastrophenschutz und Katastrophenmanagement
Katastrophenmanagement
Katastrophenmanagement soll sicherstellen, dass in einem Notfall reagiert werden kann.
Es besteht im allgemeinen aus:
- Bedrohungs (Worst-Case) Analysen
- Definieren von wahrscheinlichen Katastrophenfällen
- Festlegen von Handlungsanweisungen
- Beschaffung notwendiger Mittel
- Simulation der Katastrophenfälle und Überprüfung ob die für einen Notfall festgelegten Mittel und Verfahren wirksam sind
Katastrophenmanagement umfasst nicht nur typischerweise als Katastrophe bezeichnete Ereignisse wie Feuer, Wasserschäden, oder Erdbeben, sondern auch die Fälle, in denen das Sicherheitsmanagement versagt hat.
Katastrophenschutz in Deutschland
Feststellung der Katastrophe
Das - hier exemplarisch für 16 Landes-Katastrophenschutzgesetze angeführte - Bayerische Katastrophenschutzgesetz definiert die „Katastrophe“ wie folgt: „Eine Katastrophe im Sinne dieses Gesetzes ist ein Geschehen, bei dem Leben oder Gesundheit einer Vielzahl von Menschen oder die natürlichen Lebensgrundlagen oder bedeutende Sachwerte in ungewöhnlichem Ausmaß gefährdet oder geschädigt werden und die Gefahr nur abgewehrt ... werden kann, wenn unter Leitung der Katastrophenschutzbehörde die ... Kräfte zusammenwirken“.
Die Feststellung jener Lage, welche als Katastrophe zu bezeichnen ist, obliegt den Ländern. Die hier getroffenen Länderregelungen ähneln sich stark. „Die Katastrophenschutzbehörde stellt das Vorliegen und das Ende einer Katastrophe fest“ (BayKSG, Art 4), wobei dies in der Regel (i. d. R., idR) die Kreisverwaltungsbehörde ist. Sie kann auch durch das Land selbst festgestellt werden. Diese Entscheidung ist nicht ausschließlich von der objektiven Tatsachenfeststellung abhängig. Insbesondere fallen der KatS-Behörde, also der Kommune oder dem Stadtstaat durch die Feststellung der Katastrophe erhebliche Kosten zu, insbesondere die der eingesetzten KatS-Einheiten des Bundes wie auch der Hilfsorganisationen wie z.B. (ASB;DRK; THW). Dieses führt zu erheblicher Zurückhaltung der Hauptverwaltungsbeamten (OB, Landrat) bei der Feststellung. Getreu dem Motto „Eine Katastrophe tritt nicht ein – sie wird festgestellt“. Es gibt demnach keine scharf umrissene Schwelle, ab der ein Ereignis zur Katastrophe wird.
Räumliche Ausdehnung der Katastrophe, Einsatzleitung
Wird in einem Landkreis (oder einer kreisfreien Stadt) die Katastrophe festgestellt, so gilt sie für den ganzen Landkreis. Erstreckt sie sich auf mehrere Landkreise, so kann das Landes-Innenministerium einen für die Einsatzleitung zuständigen Landkreis benennen oder aber selbst die Einsatzleitung übernehmen.
Unterhalb der dennoch sprachgebräulichen „Katastrophenschwelle“ spricht man vom „Großschadenereignis“ oder auch der „Großschadenlage“. Diese wird hinsichtlich der Verletzten durch die MANV-Stufen (s.ebd.) kategorisiert, wodurch unter Anderem den anfordernden Führungskräften die Einschätzung ihres Bedarfes zur Bewältigung der Lage erleichtert wird. Der Übergang zur „Katastrophe“ bedarf, wie oben erwähnt, keines expliziten äußeren Ereignisses, sondern ausschließlich der Feststellung des Hauptverwaltungsbeamten.
Abgrenzung
Der Katastrophenschutz (Länderzuständigkeit) ist grundsätzlich vom Zivilschutz (Bundeszuständigkeit) zu unterscheiden.
Katastrophenschutz in Österreich
In Österreich kann bei den oben beschriebenen Veränderungen ein bestimmtes Gebiet zum Katastrophengebiet werden. Je nach Ausdehnung kann ein Bürgermeister, Bezirkshauptmann oder Landeshauptmann die Katastrophe ausrufen. Die Katastrophenschutzgesetzgebung obliegt den einzelnen Bundesländern. Damit treten bestimmte Notstandsgesetze in Kraft um die Auswirkungen leichter und unbürokratischer in den Griff zu bekommen. Wenn Personen durch eine Katastrophe im Ausland betroffen sind, so zählt die Hilfe zu den Aufgaben des Außenministeriums.
In erster Linie ist die Bekämpfung von Katastrophen Aufgabe der Feuerwehr mit den organisierten Katastrophenhilfsdiensten und den Rettungsorganisationen. Aber auch das Bundesheer kann zu Assistenzhilfsleistungen herangezogen werden.
Katastrophenschutz in den USA
In den USA ist zentral die Federal Emergency Management Agency (FEMA) zuständig.
Katastrophenschutz in anderen Ländern
Fast alle Staaten haben gegen Katastrophen für den Katastrophenschutz zuständige Organisationen, zumindest rudimentär. Arme Länder oder Länder mit instabilen politischen Verhältnissen sind beim Eintritt einer Katastrophe oft auf Hilfe durch andere Staaten sowie internationale nichtstaatliche Institutionen und Organisationen wie beispielsweise die Internationale Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung angewiesen.
Katastrophenschutz der UN (Vereinte Nationen)
Siehe: UN-Nothilfekoordinator
Siehe auch
- Debakel, Fiasko, Unheil
- Anastrophe
- Katastrophenschutz, Zivilschutz
- Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Schutzkommission beim Bundesminister des Innern, Deutsches Komitee Katastrophenvorsorge
- Katastrophenvorbeugung, Katastrophenvorsorge, Risikoanalyse als Instrument der Katastrophenvorsorge, Notvorrat, Vorbereitung auf den Katastrophenfall
- Warnung, Frühwarnung bei Naturkatastrophen, Alarm, Notfunk
- Massenanfall von Verletzten, Triage
- Katastrophensoziologie
- Internationale Charta für Weltraum und Naturkatastrophen
- Wagniskosten
- Katastrophismus
Literatur
- Karcev Chazanovskij: Warum irrten die Experten?, Berlin 1990, ISBN 3341005455
- Lars Clausen/Elke M. Geenen/Elísio Macamo (Hg.): Entsetzliche soziale Prozesse. Theorie und Empirie der Katastrophen, Münster: LIT-Verlag 2003, ISBN 382586832X
- Wolf R. Dombrowsky: Katastrophe und Katastrophenschutz. Eine soziologische Analyse, Wiesbaden 1989
- ("Erdbeben von Lissabon 1755"), mit Beiträgen von Wolf R. Dombrowsky, Odo Marquard, Franz Mauelshagen, Andreas Maurer, Wolfgang Sofsky u. a., Neue Zürcher Zeitung, 29./30. Oktober 2005, S.61-65
- Ned Halley: Das große Buch der Katastrophen, Nürnberg 2000, ISBN 3788604999
- Die großen Katastrophen und Unglücksfälle, Gütersloh 1997, ISBN 357714551X
- Charles Perrow: Normale Katastrophen, Frankfurt 1992, ISBN 3593341255
- Sebastian Roth: Krisen-Bildung - Aus- und Weiterbildung von KriseninterventionshelferInnen, Hamburg: Kovac 2008, ISBN 978-3-8300-3537-4. (Link zum Buch)
- Schutzkommission beim Bundesminister des Innern: Dritter Gefahrenbericht. Bericht über mögliche Gefahren für die Bevölkerung bei Großkatastrophen und im Verteidigungsfall, Bonn: Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe 2006, ISSN 0343-5164
- Martin Voss, Symbolische Formen. Grundlagen und Elemente einer Soziologie der Katastrophe, Bielefeld: Transcript 2006, darin: Einleitung
- Gerrit Jasper Schenk & Jens Ivo Engels (Eds.) Historical Disaster Research. Concepts, Methods and Case Studies „Disaster“ / Historische Katastrophenforschung. Begriffe, Konzepte und Fallbeispiele (= Special Issue von Historical Social Research / Historische Sozialforschung, HSR Vol. 32, 2007, Nr. 3.)
Weblinks
- Katastrophenschutz, Katastrophenhilfe
- Das deutsche Notfallvorsorge-Informationssystem deNIS des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe
- Katastrophenschutzgesetz des Freistaats Bayern
- Informationsdienst www.katastrophenmanagement.info des Kieler Instituts für Krisenforschung, Spin Off der Universität Kiel mit Fallstudien, Fachbeiträgen, Tagungshinweisen
- Diakonie Katastrophenhilfe
- Katastrophenschutz e.V. Privater Verein zur Optimierung des Katastrophenschutzes und Rettungswesens
- Hilfsorganisationen – Unterkategorie des Portals
- Fachdienstbezogenen Entscheidungshilfen für Großschadenslagen
- Katastrophenforschung
- Schutzkommission der Bundesregierung
- www.katastrophenforschung.de Deutsches Portal zur Katastrophenforschung, Spin-Off der Universität Kiel
- Zentrum für Naturrisiken und Entwicklung der Universität Bayreuth
- Katastrophenforschungsstelle des Instituts für Soziologie der Universität Kiel (KFS)
- Netzwerk zu Katastrophen (KatNet) mit deutschsprachiger Mailingliste und Newsletter
- Deutsches Komitee Katastrophenvorsorge DKKV
- Offenes Katastrophenmanagement mit freiem GIS
- Beispiele
- Zum Hurrikan Katrina: Extra-Wiki zur Katastrophenhilfe in Louisiana und Mississippi (nur englisch)
- Liste von Katastrophen (deutschsprachig)
- EM-DAT: the International Disaster Database (englischsprachig)