Gebet
Das Gebet ist eine zentrale Handlung aller theistischen Religionen. Im Buddhismus und Hinduismus spielt das Gebet eine eher periphere Rolle; die australischen Naturreligionen kennen keine Gebetspraktiken.
Im Gebet wendet sich der Mensch an die Gottheit. Das Gebet unterscheidet sich durch seine deutlich persönliche und kommunikative Komponente von anderen religiösen Praktiken wie Meditation, Beschwörung oder Magie.
Gebetet wird im Gottesdienst, in einer Gruppe oder allein. Ganze Gottesdienste können als Gebet verstanden werden, wie der jüdische Shacharit am Shabbat, die Eucharistiefeier der orthodoxen Kirchen, das Stundengebet, oder das Freitagsgebet der Muslime. Manche Religionen kennen festgesetzte Gebetszeiten.
Gebete werden gesungen, laut ausgesprochen oder nur in Gedanken sprachlich formuliert. Es gibt dabei je nach Religion und Konfession unterschiedliche Körperhaltungen und Gesten - stehen, knien, niederwerfen, den Kopf senken, die Hände falten oder erheben. Ebenso mag die Haltung individuell völlig frei gewählt werden.
Es gibt tradierte liturgische Gebete mit feststehenden Wortfolgen, manchmal mit Rede und Antwort, Gebete mit Vorlagen oder spontan formulierte Gebete. (Siehe auch: Inkantation)
Judentum
Das Judentum ist eine Religion des Gebets. Ein konservativer oder orthodoxer jüdischer Mann betet drei Mal täglich, morgens, mittags und abends. Gebetet wird stehend, mit bedecktem Kopf, beim Morgengebet mit dem Tallit (Gebetsschal) und Tefillin (Gebetsriemen).
Die Gebete werden nach einem Grundmuster gebetet, das je nach Wochentag oder Festtag leicht variiert. Das Gebetbuch, das diese Gebete enthält, ist der Siddur. Zu den Gebeten gehören Tehillim (Psalmen), das Schma Jisrael (Höre, Israel), das Amidah (Achtzehn-Segen-Gebet) und das Aleinu, alles in hebräischer Sprache.
Zum häuslichen Sabbat, höchster Feiertag des Judentums und Zeichen des Bundes Gottes mit dem Volk Israel (Geschenk der Liebe Gottes), in der Familie gehören der Segen, der von der Mutter gesprochen wird, und der Kiddusch über dem Sabbatwein, der vom Vater gesprochen wird. Es liegen drei zopfartig geflochtene Sabbatbrote (die Barches) auf dem Tisch, deren mittleres Challa heißt.
Für Festtage gibt es weitere besondere Gebete.
Ein auch innerhalb des Judentums umstrittenes Gebet ist das Kol Nidre, das am Abend des Versöhnungstags (Jom Kippur) gesprochen wird:
- „Alle Gelübde, Entsagungen, Bannungen, Koname, Kinnuje, Kinnuse (gelübdeähnliche Ausdrücke. Anmerkung des Verfassers) und Schwüre, die wir angeloben, schwören, bannartig sprechen und auf unsere Seelen binden werden, von diesem bis zum nächsten uns zum Heile kommenden Versöhnungstage: sie alle bereuen wir (im voraus), sie alle sollen (schon jetzt) aufgelöst, aufgehoben, nichtig und vernichtet, ohne Kraft und ohne Geltung sein. Unsere Gelübde sollen keine Gelübde und unsere Schwüre keine Schwüre sein.”
Nach rabbinischer Auslegung sind damit ausschließlich religiöse Gelübde gemeint, die nur die Person selbst betreffen (z. B. sich für einige Zeit des Weins zu enthalten) und die nicht voll bewusst ausgesprochen werden (sondern z. B. als Redensart). Von Antisemiten wurde dieses Gebet jedoch oft als Argument dafür verwendet, dass man Juden nicht trauen könne.
Das Gebet gehörte von Anfang an zu den wichtigsten Ausdrucksformen des christlichen Glaubens. Bereits im Neuen Testament sind viele verschiedene Gebetsformen erwähnt: Psalmen, Bitte, Dank, Fürbitte, Anbetung. Einige der am häufigsten gebrauchten christlichen Gebete stammen aus dem Neuen Testament, z.B. das Vaterunser und das Magnificat. Besonders viele Lobeshymnen sind in der Offenbarung des Johannes enthalten.
Bis heute hat das Gebet einen zentralen Platz in der Praxis aller christlichen Konfessionen.
Alle kennen das Vaterunser und die Psalmen ebenso wie persönlich formulierte Gebete und Kirchenlieder in Gebetsform. Die orthodoxen, katholischen und anglikanischen Kirchen haben eine reiche Tradition von vorformulierten Gebeten für den liturgischen und persönlichen Gebrauch, im Pietismus und im freikirchlichen Raum sind die Gebete in der Regel spontan formuliert.
Alle christlichen Konfessionen wenden sich im Gebet direkt an Gott und gehen davon aus, dass Gott Gebete hört. Christen wenden sich im Gebet an den Dreieinigen Gott, beten zu Gott dem Vater, zu Jesus Christus und manche auch direkt zum Heiligen Geist, wobei es in den meisten Konfessionen, von fest formulierten liturgischen Gebeten abgesehen, dem einzelnen überlassen ist, an wen er sich im Gebet wendet. In der katholischen und der orthodoxen Kirche können Gebete auch an Maria und an Heilige gerichtet werden, wobei diese Gebete eine Bitte um Fürsprache beim dreieinigen Gott sind.
Christen glauben, dass Gott Gebete erhört, wobei es über die Art und Häufigkeit der Gebets-Erhörung sehr unterschiedliche Erkenntnis bzw. Sichtweisen gibt.
Ebenso glauben viele Christen, dass Gott im Gebet durch den Heiligen Geist zum Beter reden kann. Dabei kann es sich um Prophetie, Erleuchtung und persönliche Eingebungen handeln, aber ebenso um alltägliches, wie dass Gott z.B. die Aufmerksamkeit auf einen Bibelvers lenkt, der in die Situation passt, oder ein allgemeines Gefühl des Getröstetseins gibt. Praktisch alle Konfessionen, bei denen Prophetie oder Erleuchtung als Geistesgabe anerkannt sind, haben allerdings gewisse Sicherheitsregeln, um allzu wilde Fantasie in Grenzen zu halten, z.B. Beurteilung durch erfahrene Christen oder Gemeindeleiter, Beurteilung durch die Gemeinschaft anhand der Bibel, Beurteilung durch die kirchliche Lehre.
Das Christentum kennt viele Gebetsformen.
- Im Gottesdienst: bei fast allen Konfessionen gehört das gemeinsam gesprochene Vaterunser zum Gottesdienstablauf. Daneben gibt es je nach Konfession liturgische Gebete, oft im Wechsel zwischen Einzelnen und der Gemeinde, freie oder vorformulierte Gebete des Gottesdienstleiters oder gemeinsames freies Gebet der Gemeinde.
- In Gruppen: Es gibt feststehende Gebetsliturgien, z. B. der Rosenkranz in der katholischen Kirche, der Evensong in der anglikanischen Kirche oder das Stundengebet. Im März gibt es jedes Jahr einen ökumenischen Frauengebetstag, wo jedes Jahr überall die gleiche Liturgie gebetet wird, die von Frauen eines bestimmten Landes zusammengestellt wurde. Die Evangelische Allianz hat im Januar jeweils eine Gebetswoche und regelmäßige überkonfessionelle Gebetsabende, die reihum in den Gemeinden der Allianz stattfinden. Im Umfeld der charismatischen Bewegung gibt es ebenfalls zahlreiche Gebetsgruppen, darunter auch solche, die für ganz spezifische Anliegen beten, z.B. Friedensgebete.
- In der Familie: in manchen christlichen Familien sind noch Tischgebete üblich, häufiger noch gibt es ein Nachtgebet mit den Kindern. Gemeinsame Familienandachten sind heute eher selten.
- Einzelne: Hier geht das Spektrum von einem Vaterunser vor dem Einschlafen über eine tägliche Stille Zeit bis zu den Exerzitien des Ignatius von Loyola; oder - ziemlich schlicht - freie Gespräche mit Gott, nicht vorformuliert, Eingaben des Heiligen Geistes dialogisieren wiederum mit Gott selber - vorgegebene Rituale dabei ausser Acht lassend, wobei die Seele Erquickung im nach ausserhalb meist nonverbalen Vorgang erfährt, dabei dennoch unwillkürlich oft die Hände gefaltet (besonders bei Dank) für genaue Beobachter zu erkennen sind.
Das Gebet beinhaltet aber nicht nur Dank und Bitte, der Bittcharakter bildet oft nur ein Aspekt des Gebetes.
Beispielsweise sehen die Mystiker im Gebet vielmehr eine Kontaktaufnahme oder gar ein Zwiegespräch mit Gott, da sie auf das Bibelwort vertrauen, dass Gott selbstverständlich genauestens weiß, was der Betende benötigt: »Denn euer Vater weiß, was ihr nötig habt, ehe ihr ihn bittet« (Mt. 6, 8).
Siehe unter Salat (Gebet)
In der Baha'i Religion spielt Gebet eine wichtige Rolle, so wurden von den drei Zentralgestalten der Baha'i Religion zahlreiche Gebete geoffenbart. Abdul Baha sagt: "Es ist die Sprache des Geistes, die zu Gott spricht. Wenn wir uns, befreit von allen äußerlichen Dingen, im Gebet zu Gott wenden, dann ist es, als hörten wir die Stimme Gottes in unserem Herzen. Ohne Worte zu reden, treten wir in Verbindung, sprechen wir mit Gott und vernehmen die Antwort ... Wir alle, wenn wir zu einem wahrhaft geistigen Zustand gelangen, können die Stimme Gottes vernehmen."
Ein Beispiel für ein Baha'i Gebet, geschrieben von Baha'u'llah: O Du gütiger Herr! Du hast die ganze Menschheit aus dem gleichen Stamm erschaffen. Du hast bestimmt, daß alle der gleichen Familie angehören. In Deiner heiligen Gegenwart sind alle Deine Diener, die ganze Menschheit findet Schutz in Deinem Heiligtum. Alle sind um Deinen Gabentisch versammelt; alle sind erleuchtet vom Lichte Deiner Vorsehung. O Gott! Du bist gütig zu allen, Du sorgst für alle, Du beschützest alle, Du verleihst allen Leben. Du hast einen jeden mit Gaben und Fähigkeiten ausgestattet, und alle sind in das Meer Deines Erbarmens getaucht. O Du gütiger Herr! Vereinige alle. Gib, daß die Religionen in Einklang kommen und vereinige die Völker, auf daß sie einander ansehen wie eine Familie und die ganze Erde wie eine Heimat. O daß sie doch in vollkommener Harmonie zusammenlebten! O Gott! Erhebe das Banner der Einheit der Menschheit. O Gott! Errichte den Größten Frieden. Schmiede Du, o Gott, die Herzen zusammen. O Du gütiger Vater, Gott! Erfreue unsere Herzen durch den Duft Deiner Liebe. Erhelle unsere Augen durch das Licht Deiner Führung. Erquicke unsere Ohren mit dem Wohlklang Deines Wortes und beschütze uns alle in der Feste Deiner Vorsehung. Du bist der Mächtige und der Kraftvolle, Du bist der Vergebende und Du bist der, welcher die Mängel der ganzen Menschheit übersieht.
Zitate
- Das Werk gibt dem Wort innere Stärke, doch das Gebet erwirbt für Taten und Worte innere Kraft. - Bernhard von Clairvaux
- Der Mensch ist von Gott nie weiter entfernt als ein Gebet. - Mutter Teresa
- Wenn ihr betet, macht es nicht so wie die Heuchler, die sich dazu gern in die Synagogen und an die Straßenecken stellen, damit sie von den Leuten gesehen werden. Ich versichere euch: Mit dieser Ehrung haben sie ihren Lohn schon kassiert. Wenn du betest, geh in dein Zimmer, schließ die Tür und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist. Dann wird dein Vater, der ins Verborgene sieht, dich belohnen. Beim Beten sollt ihr nicht plappern wie die Menschen, die Gott nicht kennen. Sie denken, dass sie erhört werden, wenn sie viele Worte machen. Macht es nicht wie sie! Denn euer Vater weiß ja, was ihr braucht, noch bevor ihr ihn bittet. - Jesus Christus in der Bergpredigt über das Beten, Matthäus 6,5-8; zitiert nach der Neuen evangelistischen Übersetzung (NeÜ) der Bibel
- Gott bitten heißt, sich mit der Hoffnung schmeicheln, durch Worte könne man die ganze Natur ändern. - Voltaire
Siehe auch
Weblinks
- Tagesgebet bei mailgebet.de (viele schöne Gebete, auch Gebetstheorie)
- Gedanken zum Beten und zum Gebet (mehrere Seiten)
- Jüdisches Leben talmud.de
- Bahá'í Gebete