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Rassentheorie

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Als Rassentheorien werden zumeist pseudowissenschaftliche Versuche bezeichnet, die Menschheit in unterschiedliche Rassen zu unterteilen. In Verbindung stehen meist weitere Annahmen, die Qualität dieser Rassen betreffend, und Ideen, wie man die Menschheit verbessern könnte.

Diese Modelle entstehen meist basierend auf rassistischer Vorprägung.

Seit Mitte des 20. Jahrhunderts wird dies nicht mehr ernsthaft betrieben, da sich diese Theorien zuerst nicht mehr ausweiten und beweisen ließen und sich schließlich als gänzlich falsch erwiesen.

Geschichte

Eine erste wissenschaftliche Theorie formulierte Linné, der in seinen Ansatz zur Systematisierung der belebten Natur ab der 6. Auflage auch die Menschheit in verschiedene Rassen einteilte.

Den Begriff der Rasse ("Race") führte u. a. Immanuel Kant in die deutsche Sprache ein - und damit auch einen Gedanken der Über- bzw. Unterordnung: für Kant gab es vier Rassen, die sich in ihrer Bildungsfähigkeit unterschieden. An der Spitze der Vernunft standen für ihn die weißen Europäer - am unteren Ende die Indianer.

Im folgenden 19. Jahrhundert entwickelten sich eine Vielzahl miteinander konkurrierender Rassentheorien (besonders bekannt sind die von Gobineau und Chamberlain), die alle immer wieder die Europäer und später die Arier oder germanische Rasse an der Spitze der menschlichen Entwicklung sahen.

Diese Lehren wurden durch Darwins Evolutionstheorie inspiriert, obgleich es laut dieser ganz eindeutig für die Natur keine "höherwertigen" und "minderwertigen" Lebensformen gibt.

Beiträge für diese pseudo-wissenschaftlichen Ansätze lieferten des Weiteren die modernen Wissenschaften: Anthropologie, Geschichtswissenschaft, Sprachwissenschaft oder Biologie.

Rassentheorien dienten zumeist dazu, Verbrechen gegen die Menschheit, wie Kolonialismus, Rassismus und Völkermord zu legitimieren.

Dabei war für die meisten Rassentheoretiker klar, dass es keine reinen Rassen geben konnte - seit Jahrtausenden schon vermischten sich die verschiedensten Völker untereinander.

Von Eugenikern wie den Nationalsozialisten wurde diese "Vermischung" als Degeneration definiert und versucht, sie zu unterbinden. Deren Rassentheorie bekam während der Zeit des Nationalsozialismus - im "Dritten Reich" - den Charakter einer Staatsreligion, die das öffentliche und private Leben zersetzte und die Ermordung großer Bevölkerungsgruppen - besonders von Juden, Slawen und deren Abkömmlingen diktierte.

Die Rassentheorie wurde im Auftrag und unter Kontrolle der Nationalsozialisten pseudowissenschaftlich weiter entwickelt und verfeinert. Rassentheoretiker der Nationalsozialisten waren u. a. Alfred Rosenberg, Hans F. K. Günther und Egon Freiherr von Eickstedt.

Die Ideologie baute auf vielen Fehlannahmen der noch unvollkommenen Völkerkunde und Biologie auf. Z. B. wurden alle Hochkulturen, die Griechen und Römer von den Nationalsozialisten auf die "Arier" zurück geführt.

Eine Sonderstellung in den Rassentheorien wird den Juden zugewiesen, die gleichzeitig als Nicht-Rasse als auch als Superrasse erscheinen:

  • die Assimilation dient den Antisemiten als ein Argument, zu behaupten, die Juden würden sich heimlich mit anderen Rassen vermischen - sie unterwandern
  • das Fortbestehen des Judentums trotz jahrtausendelanger Verfolgung wird von ihnen gleichzeitig als Anzeichen eines besonders starken Rassecharakters gedeutet

Parallel zu den biologisch argumentierenden Rassentheorien gibt es auch Ansätze, die mit anderen ethnisierenden Konzepten die Unterschiede zwischen den konstruierten Gruppen zu begründen:

  • Beseeltheit und Religiosität sind wichtige vormoderne Theorien, die z. B. von Papst Paul III. zur Versklavung der afrikanischen Bevölkerung herangezogen wurden
  • besonders im deutschen Sprachraum entwickelten sich Ansätze, die Menschheit anhand der Sprache in höhere und niedere Gruppen einzuteilen (Linguizismus);
  • Massetheorien wie die von Gustave le Bon teilten die Menschheit in verschiedene Kulturen ein (vgl. Kulturalismus);
  • Ebenfalls auf dem Kulturbegriff aufbauend hat sich in den letzten 60 Jahren ein Rassismus ohne Rasse entwickelt, bei dem der Rassebegriff sprachlich ersetzt wird.
  • im Sozialdarwinismus können Rassen begründet werden - müssen aber nicht: auch die Unterteilung in stark und schwach genügt für die Legitimation von Unterdrückung.

Eine entsprechende Rassentheorie ohne Rassen aus unserer Zeit stellt z.B. Samuel Huntington in seiner Schrift Kampf der Kulturen dar, in der er von 7 oder 8 Kulturen spricht, die er ziemlich genau entlang der Linien entwirft, die auch die Rassentheoretiker des 19. Jahrhunderts für ihre Konstruktion genutzt haben. Und auch bei ihm erscheint das Zusammenleben unkalkulierbar gefährlich.

Widerspruch

Widerspruch gegen Rassentheorien hat es schon immer gegeben: Humanisten wie Herder, Forster oder Lichtenberg sprachen sich schon zu Kants Zeiten gegen den Rassebegriff aus.

Anthropologen wie Theodor Weitz oder Franz Boas widersprachen dem jeweils zeitgenössischen Rassismus von Chamberlain bzw. des Nationalsozialismus.

Spätestens mit den Ergebnissen der UNESCO-Arbeitsgruppe von 1950 ist der Rassebegriff wissenschaftlich widerlegt.

Literatur

  • G. Çağlar: Der Mythos vom Krieg der Zivilisationen. Der Westen gegen den Rest der Welt. Eine Replik auf Samuel P. Huntingtons »Kampf der Kulturen«, München: Marino, 1997.
  • T. Geisen: Antirassistisches Geschichtsbuch. Quellen des Rassismus im kollektiven Gedächtnis der Deutschen, Frankfurt am Main: IKO, 1996.
  • I. Geiss: Geschichte des Rassismus, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1988.
  • S. J. Gould: Darwin nach Darwin, Frankfurt am Main: Ullstein, 1984.
  • G. L. Mosse: Die Geschichte des Rassismus in Europa, Frankfurt am Main: Fischer, 1990.
  • L. Poliakov: Der arische Mythos. Zu den Quellen von Rassismus und Nationalismus, Hamburg: Junius, 1993.

==Siehe auch== Rasse, Rassenhygiene, Rassismus, Antirassismus, Rassismus ohne Rassen