Meereswärmekraftwerk
Ein Meereswärmekraftwerk erzeugt elektrischen Strom durch die Umwandlung des Temperaturunterschiedes zwischen kalten und warmen Wassermassen in Energie. International gebräuchlich für diese Art der Erneuerbaren Energie ist die Abkürzung OTEC (engl. Ocean Thermal Energy Conversion), auch kann die Bezeichnung ozeanothermisches Gradient-Kraftwerk verwendet werden. Jacques Arséne lieferte schon im Jahr 1881 die theoretischen Grundlagen für diese Art der Energiewandlung.
Grundlegendes Prinzip

Das Wasser an der Oberfläche der Ozeane besitz eine höhere Temperatur als das Wasser in tieferen Schichten. Diese thermale Neigung (thermaler Gradient) macht sich das Meereswärmekraftwerk zunutze. Wenn der Unterschied zwischen den oberen (0-50m) und den unteren Schichten (ab 800-1000m) des Wassers mehr als 20° C beträgt, kann ein Kreislauf in Gang gesetzt werden, der in der Lage ist, Energie, beispielsweise an einen Generator, abzugeben.
Beachtenswert ist, dass ein Meereswärmekraftwerk im Vergleich zu anderen alternativen Energieerzeugern ständig Strom produzieren kann und nicht von der Tageszeit oder anderen veränderlichen Faktoren abhängig ist. Reale Wirkungsgrade liegen in der Größenordnung von drei Prozent, wobei der Energieträger – das warme Meerwasser – meist im Überschuss und kostenlos zur Verfügung steht und sich selbst ständig durch die Sonneneinstrahlung erneuert. Bei einer Wassertemperatur von 6 und 26°C ist theroetisch ein Wirkungsgrad von 6,7 % erreichbar. Die technische Umsetzung ist jedoch immer mit Wirkungsgradverlusten behaftet.
Die praktische Größe dieser Kraftwerke wird durch die Wassermenge bestimmt, die durch den Kreislauf genutzt wird. Dabei wird eine Größe von 100 MW für den geschlossenen und etwa 2,5 MW für den offenen Kreislauf als obere technisch sinnvolle Grenze angesehen. Dabei würden beim 100 MW-Kraftwerk etwa 200 Kubikmeter Wasser pro Sekunde in einem etwa 11 Meter durchmessenden Rohr zum Kraftwerk gefördert werden. Dazu kommen nocheinmal 400 m³ warmes Oberflächenwassenr pro Sekunde. Das entspricht etwa 1/5 des Nilstomes in das Mittelmeer. Im offenen Kreislauf bildet die Turbinengröße das begrenzende Element.
Der Aufwand und die gewaltige Größe der technischen Anlagen im Verhältnis zur Energieausbeute ist der Hauptgrund, der eine kommerzielle Anwendung oder eine größere Verbreitung dieses Kraftwerkstyps bisher verhinderte.
Funktionsprinzipien
Die Funktion eines Meereswärmekraftwerkes ist in zwei verschiedenen Kreislaufsystemen möglich. Beide Prinzipen können auch kombiniert werden.
Geschlossener Kreislauf

Bei einem Meereswasserkraftwerk mit geschlossenem Kreislauf wird warmes Oberflächenwasser angepumpt, welches ein niedrig siedendes Arbeitsmedium (etwa Ammoniak) in einem Wärmetauscher zum verdampfen bringt und einen gewissen Druck erzeugt. Das verdampfte Arbeitsmedium wird aufgrund des entstandenen Dampfdrucks durch eine an einen Generator angeschlossene Turbine geleitet, wobei Strom entsteht.
Anschließend wird das Arbeitsmedium anhand aus der Tiefe angepumpten kalten Wasser in einem weiteren Wärmetauscher wieder verflüssigt (kondensiert) und kann von neuem in den Kreislauf eingespeist werden.
Arbeitsmedien für den geschlossenen Kreislauf
Es sind verschiedene Stoffe als Arbeitsmedium für ein Meereswärmekraftwerk denkbar, dessen Nutzung allerdings jeweils sowohl Vorteile als auch Nachteile bringt.
- Ammoniak ist leicht verfügbar und billig in der Produktion, aber giftig.
- Kohlenstoffmonoxid eignet sich mit seinem niedrigen Siedepunkt äußerst gut, ist allerdings hochentzündlich und sehr giftig sowie schädlich für die Ozonschicht.
- Verschiedene Kohlenwasserstoffe sind ebenso geeignet, allerdings stellt der teilweise sehr hohe Dampfdruck ein noch zu bewältigendes technisches Problem dar.
Siehe auch: Organic Rankine Cycle
Offenener Kreislauf

Ein Meereswärmekraftwerk mit offenem Kreislauf nutzt das warme Oberflächenwasser als Arbeitsmedium, welches in einer Vakuumkammer blitzartig verdampft wird. Der erzeugte Dampf treibt eine Turbine an, wodurch Strom entsteht. Anschließend wird der Dampf, welcher seinen anfänglichen Druck langsam verliert, mit Hilfe von kaltem Tiefenwasser wieder kondensiert. Wird hierfür ein Wärmetauscher verwendet und ein direkter Kontakt vermieden, so entsteht entsalzenes Süßwasser, das als Trinkwasser genutzt werden kann.
Hybrider Kreislauf

In einem hybriden Meereswärmekraftwerk beide vorgenannten Systeme kombiniert. Das angepumpte warme Oberflächenwasser wird genutzt um das Arbeitsmedium im geschlossenen Turbinenkreislauf zu verdampfen. Nachdem es die Turbine passiert hat wird es wiederum durch kaltes Tiefenwasser kondensiert und erneut in den Kreislauf eingebracht.
Das immernoch warme Oberflächenwasser wird nach der Wärmeabgabe an den Turbinenkreislauf in einer Vakuumkammer verdampft. Dieser Wasserdampf wird mit Hilfe des Kühlwassers kondensiert, wodurch man Süßwasser erhält.
Geschichte/Versuchsanlagen
Bereits 1881 erdachte der französische Ingenieur Jacques Arsene d'Arsonval ein Meereswärmekraftwerk mit geschlossenem Kreislauf. Es wurde von ihm jedoch nie getestet.
Im Jahre 1930 wurde an der Nordküste auf Kuba eine kleine Anlage mit offenem Kreislauf installiert, die ihren Betrieb schon nach wenigen Wochen einstellte. Sie wurde vom Franzosen Georges Claudes, einem Freund und Schüler von Jacques Arsene d'Arsonval und Erfinder der Neon-Röhre, entworfen. Er ließ sich das Prinzip des offenen Kreislaufes patentieren. Die Pumpen benötigten eine größere Leistung, als die 22 kW, die vom Generator Erzeugt wurden. Ein Grund dafür war der schlecht gewählte Standort und Problem mit Algen. Das nächste Projekt von Claude, ein schwimmendes OTEC-Kraftwerk vor Brasilien wurde von einem Sturm durchkreuzt, der eine Rohrleitung beschädigte. Der glücklose Erfinder starb praktisch bankrott von seinen OTEC-Versuchen.
In den 1970 er Jahren förderte die US-Regierung die Erforschung des Meereswärmekraftwerkes mit 260 Millionen Dollar. Nach den Wahlen von 1980 wurde die staatliche Unterstützung jedoch stark gekürzt.
1979 wurde an Bord eines Frachkahnes der US-Marine vor der Küste Hawaiis ein Experiment, das sogenannte "Mini-OTEC" mit einem geschlossenen Kreislauf erfolgreich unter Beteiligung des Staates Hawaii und eines Industriepartners durchgeführt. Es dauerte etwa drei Monate. Die Generatorleistung betrug rund 50 kW, die Netzeinspeiseleistung ca. 10-17 kW. Es wurden etwa 40 kW für den Betrieb der Pumpen benötigt, die das 5,5 °C kalte Wasser mit einer Förderleistung von 10,2 Kubikmeter in der Minute aus 670 m Tiefe in einem 61 cm durchmessenden Polyethylenrohr und das 26 °C warme Oberflächenwasser ebenfalls mit einer Förderleistung von 10,2 m³/min zur Anlage förderten.
1980 wurden an Bord eines umgebauten Marine-Tankers, der vor Kawaihae an der Kona-Coast (Hawaii) verankert war, Komponenten eines geschlossenen Kreislaufes unter dem Projektnamen "OTEC-1" getestet. Dabei sollten die Umweltauswikungen eines im Meer verankerten Kraftwerks untersucht werden. Die Anlage konnte keine Elektrizität gewinnen.
1981 war für einige Monate ein kleines Meereswärmekraftwerk auf der Insel Nauru in Betrieb, welches von einem japanischen Konsortium zu Demonstrationszwecken errichtet worden war. Von den 100 kW Generatorleistung wurden rund 90 kW von den Pumpen benötigt. Die Gesamtbetriebsdauer betrug 1.230 Stunden.
Bereits 1983 wurde ein 40 MW-OTEC Versuchskraftwerk auf einer künstlichen Insel am Kahe Point vor der Küste von Oahu (Hawaii) geplant. Nachdem die Konstruktionsarbeiten 1984 abgeschlossen waren konnten jedoch keine Geldmittel für den Bau gewonnen werden, da das OTEC-Kraftwerk sich nicht mit billigeren fossilen Kraftwerken vergleichen konnte. Nach weiterer Forschung speziell an den Verdampfern und Kondensatoren versprach man sich jedoch eine starke Senkung der Kosten eines OTEC-Kraftwerks mit geschlossenem Kreislauf.
In den Jahren 1993 bis 1998 war in Keahole Point, Hawaii ein experimentelles Meereswärmekraftwerk mit offenem Kreislauf erfolgreich in Betrieb. Die Generatorleistung betrug 210 kW, bei einer Oberflächenwassertemperatur von 26°C und einer Tiefenwassertemperatur von 6°C. Im Spätsommer bei sehr hohen Temperaturen konnten bis zu 250 kW vom Generator abgegeben werden. Dabei wurden etwa 200 kW von den Pumpen zur Förderung des Wassers verbraucht. Es wurden etwa 24.600 Kubikmeter kaltes Wasser durch ein 1 Meter durchmessendes Rohr aus rund 825 m Tiefe und 36.300 Kubikmeter warmes Oberflächenwasser an Land gepumpt. Ein kleiner Teil des erzeugten Dampfes wurde zur Gewinnung von entsalztem Wasser genutzt (etwa 20 l/min). Die Versuche ergaben, dass sich bei kommerziellen Kraftwerken, ein Verhältnis von etwa 0,7 von Generatorleistung zu Netzeinspeiseleistung erreichen lassen würde.
Ein weiteres Kraftwerk in Hawaii mit einer Generatorleistung von 1,4 MW und einer Netzeinspeiseleistung von etwa 400 kW wurde entworfen, jedoch aufgrund fehlender Finanzierung nicht umgesetzt.
Weitere Anwendungsbereiche
Außer zur Erzeugung von elektrischer Energie ist die Technik des Meereswärmekraftwerkes auch für andere Anwendungen nutzbar.
Meerwasserentsalzung
Die Meerwasserentsalzung stellt neben der Stromerzeugung wohl den interessantesten Aspekt dar und kann in Anlagen mit offenem oder hybridem Kreislauf wie beschrieben realisiert werden.
Aquakultur
Die kälteren, tiefen Wasserschichten der Ozeane sind reich an Nährstoffen. Das im Rahmen des Kraftwerkbetriebes an die Oberfläche gepumpte Tiefenwasser kann daher für Aquakulturen genutzt werden. Denkbar sind hierbei sowohl die Zucht von Fischen und anderen Meerestieren, als auch die Kultivierung von Algen und Wasserpflanzen. In Verbindung mit Aquakuluren wird den Meereswärmekraftwerken die größte zukünftige Bedeutung zugemessen, da so gleichzeitig eine Energiequelle für die Pumpem und Ausrüstungen der Anlagen zur Verfügung steht.
Kühlung
Mit Hilfe des angepumpten kalten Tiefenwassers können beispielsweise in der Nähe der Kraftwerke befindliche Kühlhäuser betrieben werden, etwa um die in den Aquakulturen gezüchteten Produkte frisch zu halten. Auch ist der Betrieb von Klimaanlagen für Gebäude durch das kalte Wasser denkbar.
Mögliche Standorte
An Land
An Land gebaute Meereswärmekraftwerke haben den großen Vorteil, dass sie einfacher zu bauen sowie geschützter vor Stürmen sind als Off-Shore-Anlagen und die Weiterleitung der erzeugten Enrgie in das Stromnetz einfacher zu realisieren ist. Ebenso ist nur an Land eine sinnvolle Anwendung der oben beschriebenen weiteren Nutzungsmöglichkeiten gewährleistet.
Allerdings ist der Betrieb eines Meereswärmekraftwerkes an Land nur dort möglich, wo auch in küstennähe eine Meerestiefe von an die 1000m vorhanden ist. Dies ist nur in den karibischen und ozeanischen Inselstaaten sowie an Teilen der Küsten der südöstlichen USA, Westafrikas, Ostafrikas und einigen indonesischen Inseln der Fall.
Off-Shore
Meereswärmekraftwerke können auf fern der Küste (Off-Shore) angelegt werden, womit sich die Anzahl der infrage kommenden Meeresgebiete um ein Vielfaches vergrößert. Allerdings ist die Verankerung einer solchen Anlage auf dem Meeresgrund sehr aufwendig und teuer, ebenso sind Stürme eine Gefahr. Auch ist es schwieriger, die erzeugte Energie in das Stromnetz einzuspeisen, da die Verlegung von Seekabeln nötig wird.
Es wird die Idee diskutiert, die in küstenfernen Meereswärmekraftwerken gewonnene Energie zu nutzen, um vor Ort Wasserstoff zu erzeugen, welcher dann mit Tankern abtransportiert werden kann. Dies ist als Bestandteil einer zu schaffenden Wasserstoffwirtschaft zu verstehen, welche langfristig das ausgehende Erdöl als Energieträger ablösen soll.
Schwimmende Anlagen
Es liegen Pläne vor, schwimmende Meereswärmekraftwerke etwa zum Antrieb von großen Schiffen zu beutzen. Ob diese allerdings technisch zu realisieren sind ist fraglich. Insbesondere die Stabilisierung der zum Anpumpen des Tiefenwasser bestimmten Leitungen stellt ein Problem dar.
Umweltauswirkungen
Die Nutzung der Meereswärme in großem Umfang würde das Temperaturgefüge der Meere, vielleicht auch Meeresströmungen beeinflussen. Genauere Einschätzungen dieser Problematik sollen weitere Forschungsarbeiten bringen.
Es laufen auch Untersuchen, die die Folgen eines möglichen Austritts des Arbeitsmediums Ammoniak des inneren Kreislaufes auf das Meeresleben untersuchen sollen. Das gleiche gilt auch für die geringen Chlormengen, die dem ankommenden Seewasser beigegeben werden, um das Verfaulen der im Wasser enthaltenen Biomasse (z.B. Algen) in der Anlage zu verhindern.
Siehe auch
Literatur
- William H. Avery, Chih Wu: Renewable Energy from the Ocean A Guide to OTEC ISBN: 0-19-507199-9, Oxford University Press, 1994
- Patrick Takahashi, Andrew Trenka: Ocean Thermal Energy Conversion, ISBN: 0-471-96009-8, John Wiley & Sons, 1996
Weblinks
- nrel.gov/otec National Reneable Energy Laboratory (englisch)
- Webseite der Versuchsanlage auf Hawaii
- OTEC - Fact Sheet der Regierung von Hawaii (englisch)
- otecnews.or Aktuelle News rund um OTEC (englisch)
- Energieinfo.de
- Artikel bei g-o.de