Zum Inhalt springen

Hutterer

Diese Seite befindet sich derzeit im Review-Prozess
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 24. November 2007 um 11:35 Uhr durch Hao Xi (Diskussion | Beiträge) (Gemeindeleben und Glaubensinhalte). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Habaner (=hutterische) Keramik

Die Hutterer sind eine täuferische Kirche, die in Gütergemeinschaft lebt und auf Jakob Hutter zurückgeht. Ihre rund 50.000 Mitglieder, die nahezu ausschließlich in den USA und Kanada leben, sprechen noch immer das Hutterische – ein dialektal gefärbtes Deutsch – als Muttersprache .

Gemeindeleben und Glaubensinhalte

Beim Unterricht

Die wörtliche Auslegung der Bibel bildet die Grundlage des Gemeindelebens. Neben einem arbeitsamen und keuschen Leben gehört dazu vor allem die Idee des gemeinsamen Eigentums. Die Gütergemeinschaft gründet sich auf den Bibelvers aus der Apostelgeschichte 2,44: „Und alle, die da gläubig geworden waren, taten ihren ganzen Besitz zusammen“. Die entstehenden Gemeinden würde man aus heutiger Sicht als kommunistische Gruppen einordnen. Zudem leben die Hutterer nach dem Grundsatz der Wehrlosigkeit. Die Aufnahme zum vollständigen Gemeindemitglied erfolgt erst nach der Taufe, über die der Mensch frei entscheiden muss. Die Taufe von unmündigen Kindern wird dahingegen strikt abgelehnt. Nach mehreren schlechten Erfahrungen bei der aktiven Missionierung, wurde diese in neuerer Zeit nahezu gänzlich aufgegeben. Eine Außnahme bildet der in Nigeria gegründete Bruderhof. Dieser wurde speziell zur Missionierung gegründet und wird von den Bruderhöfen in Nordamerika finanziell unterstützt.[1] Wichtige Entscheidungen, wie die Wahl des Predigers oder die Auswahl, welcher Prediger bei der Gründung einer Tochterkolonie in diese übersiedeln muss, werden durch das Losverfahren entschieden. Die Frauen spielen eine stark untergeordnete Rolle im Gemeindeleben. Es gibt strenge Geschlechtertrennung, wobei es den Frauen beispielsweise nicht gestattet ist, zum Oberhaupt der Gemeinde ernannt zu werden. Die Letztentscheidung über eine Eheschließung trifft die Familie der Tochter, die nach der Eheschließung in die Gemeinde ihres Ehemannes auswandert.[2]

Neue Kolonie

Die Hutterer siedeln in abgeschiedenen Gegenden. Sie gründen eigene Gemeinden, die auch als Bruderhöfe bezeichnet wird. Ein solcher Bruderhof ist hoch funktional aufgebaut. Er besteht neben den Wohnhäusern aus der Küche mit gemeinsamen Speisesaal, Kindergarten und Schule. Des weiteren existieren eine Reihe von Wirtschaftsgebäuden (Schmiede, Buchdruckerei, Schreinerwerkstatt) sowie Stallungen für Vieh, Schweine, Enten, Hühner und Gänse. Auf einem Bruderhof leben gewöhnlich bis zu 120 bis 150 Menschen. Wenn diese Größe erreicht ist, gibt es nicht genug Beschäftigung für alle Mitglieder, so dass eine Aufspaltung der Gemeinde erfolgen muss. Rund die Hälfte der Bewohner gründen dann eine neue Gemeinde. Da die Geburtenraten überdurchschnittlich hoch sind, kommt es ungefähr alle 20 bis 25 Jahre zu einer solchen Aufspaltung. Eine derartige Neugründung erregt zum Teil Protest in der Bevölkerung.

Auf einem Bruderhof gibt es keine Arbeitslosigkeit und kaum Kriminalität. Alte, kranke oder behinderte Personen werden nicht isoliert, sondern nehmen so gut es eben geht am Gemeinschaftsleben teil. Die Hutterer nehmen die sozialen Wohlfahrtseinrichtungen, bis auf das Gesundheitssystem, nicht in Anspruch. In der landwirtschaftlichen Produktion greifen die Hutterer auf modernste Technologien zurück (Düngung, moderne Mähdrescher, etc.). Die Überschüsse werden in der nächsten Stadt verkauft, die Gewinne werden für die nächste Neugründung der Gemeinde angespart. In Gegenden, wo es zahlreiche Bruderhöfe gibt, spielen die Hutterer eine oft nicht unerhebliche Rolle in der Landwirtschaft. [3] Die Mehrzahl der Hutterer lebt heute in Kanada (British Columbia, Alberta, Manitoba, Saskatchewan) und in den USA (Washington, Oregon, Montana, Nord-Dakota, Süd-Dakota und Minnesota). Trotz abnehmender hochdeutscher Sprachkompetenz sprechen alle Hutterer noch immer das Hutterische – ein dialektal gefärbtes Deutsch – als Muttersprache und verwenden ein altertümliches Hochdeutsch als Gottesdienstsprache. Ausgenommen hiervon sind insbesondere die Schmiedeleut-Hutterer: deren bilinguales, deutsch-englisches Schulwesen ist am zeitgenössischen europäischen Hochdeutsch orientiert. Dieses wird in den Kolonie-Schulen auch für nicht-religiöse Zwecke gebraucht.

Geschichte

Jakob Hutter

Was den Ausgangspunkt ihrer Geschichte angeht, berufen sich die Hutterer gemeinsam mit den anderen Täufern auf die erste Gläubigentaufe in Zürich um 1525. Mit ihrem Bekenntnis zur freien Entscheidung des Menschen zu seiner Taufe, bilden sie einen eigenen Flügel innerhalb der reformatorischen und insbesondere auch innerhalb der taufgesinnten Bewegung. Dies führte schon im 16. Jahrhundert zur Verfolgung der Täuferbewegung durch die lutheranische, die reformierte und die katholische Kirche. 1529 wurde die Erwachsenentaufe bei Todesstrafe durch Kaiser Karl V. verboten.

Durch die Verfolgung bildeten sich Glaubensinseln von Gleichgesinnten, besonders in Böhmen und Mähren, wo die Hutterer wegen ihres Fleißes willkommen waren und zunächst nicht verfolgt wurden. 1533 wurde der aus dem Südtiroler Pustertal stammende Jakob Hutter zum Oberhaupt einer Gemeinschaft gewählt und verwirklichte dort seine Vorstellungen einer gottgefälligen Gemeinschaft.

Bis zum Beginn des Dreißigjährigen Krieges blühte das hutterische Gemeindeleben, die Chroniken sprechen von den „guten Jahren“. Rund 100 Kolonien bestanden damals mit mindestens 20.000 Bewohnern. Während des Krieges wurden die friedfertigen Hutterer immer wieder Ziel marodierender Landsknechte.

1622 befahl der Kaiser und böhmische König Ferdinand II. den Hutterern, entweder zum katholischen Glauben überzutreten oder sein Land binnen vier Wochen zu verlassen. Damit begann die lange Wanderschaft der hutterischen Gemeinden, über den Balkan zogen sie nach Siebenbürgen, wo sie sich ansiedelten, das Land aber 1767 wieder verlassen mussten. In Siebenbürgen stieß eine Gruppe von österreichischen Transmigranten zu den Hutterern. Diese Transmigranten gaben der übriggebliebenen, kleinen Gemeinschaft neue Impulse. Sie nahmen das Angebot eines russischen Adligen an, sich auf seinem Land in der Ukraine anzusiedeln. Sie folgten damit dem Ruf der jungen russischen Zarin Katharina der Großen, die weite unbewohnte Landstriche besiedeln wollte und Neusiedlern und deren Nachkommen Land und freie Religionsausübung versprach. 1874 sollte auch für die Hutterer die allgemeine Wehrpflicht eingeführt werden, woraufhin die Gemeinschafter beschlossen, nach Nordamerika auszuwandern.

Über Hamburg und New York kamen die Hutterer nach South Dakota, wo sie sich wiederum ansiedelten. Im Verlauf des Ersten Weltkrieges kam es zu Ausschreitungen gegen die deutsch sprechenden Hutterer. Sie wurden als den Deutschen zugehörig empfunden, außerdem weigerten sie sich, den Militärdienst auszuüben. Zwei junge Hutterer starben, weil sie sich weigerten, Uniformen anzuziehen, und deshalb im Winter viele Stunden nackt im Freien verbringen mussten. Darauf beschlossen die Hutterer, geschlossen nach Kanada auszuwandern, doch zog sich der Prozess der Auswanderung (Verkauf all ihrer Ländereien, Kauf neuer in Kanada) so lange hin, dass zum Ende des Krieges noch nicht aller Besitz in den USA verkauft war.[4]

Heutige Siedlungsgebiete

Hutterinnen bei der Arbeit

Heute (2005) gibt es etwa 465 Hutterer-Kolonien mit etwa 60 bis 150 Hutterern pro Kolonie. Die Hutterer leben fast ausschließlich in Kanada und den USA. Fast alle dieser Hutterer stammen von den 400 Hutterern ab, die nicht den Homestead Act von 1862 in Anspruch genommenen haben.

Die damals in die USA einwandernden Hutterer hatten nur 15 Familiennamen: Decker, Entz, Glanzer, Gross, Hofer, Kleinsasser, Knels, Mändel, Stahl, Tschetter, Waldner, Walther, Wipf, Wollmann, Wurz. Seitdem sind nur wenige Menschen dauerhaft zu ihnen gestoßen.

Die Althutterer teilen sich in: Schmiedeleut (schon immer etwas aufgeschlossener) unter Michael Waldner entstanden aus der Kolonie Bon Homme; Lehrerleut (früher liberaler, heute erstarrt) unter Jakob Wipf entstanden aus der Kolonie Almspring; Dariusleut (relativ konservativ) unter Darius Walther entstanden aus der Kolonie Wolf Creek.

Chor

Darüber hinaus gab es die so genannten Prärieleut, ca. 800 der etwa 1.200 in den 1880er Jahren in die USA eingewanderten Hutterer. Die Prärieleut machten vom damaligen Homestead Act Gebrauch, der jeder Familie, die eine von der eigenen Familie bewirtschaftete Farm gründen wollte, kostenfrei ein Stück Land zuwies, das sie innerhalb einer gewissen Frist zu bebauen hatten. Die Prärieleut verloren aber relativ schnell ihre hutterische Identität und dann auch ihren Hutterischen Glauben. Sie scheinen durch die repressiven Maßnahmen während des Zweiten Weltkrieges gegen alle deutschsprachigen in den USA endgültig als eigenständige Gruppe aufgehört zu haben zu existieren. Heute gehören viele mennonitischen Kirchen an.

Eine Sonderrolle innerhalb der hutterischen Bewegung nehmen die Bruderhöfer oder Arnoldleut ein. Sie waren zeitweilig den Hutterern angeschlossen, aber sind seit 1995 wieder von ihnen getrennt. Die Bruderhöfer sind vom Ursprung her keine Althutterer, sondern ihre Gemeinschaft wurde in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg im Jahre 1920 von Eberhard Arnold und seiner Frau Emmy Arnold in Sannerz, Hessen gegründet, wo sie seit 2002 sich mit einer Gemeinschaft wieder angesiedelt haben.
Weitere Neuhutterer sind die Murphy-Leut in Arizona (USA), die Juliusleut in Ontario (Kanada), die Owa-Leut in Japan und die Nigerialeut.

Vorsteher der Hutterer (Auswahl)

Ortstafel von Oak Bluff
Kleinkinderschuel (Kindergarten)

Literatur

Deutschsprachig:

  • Allert, William Albert: Die Hutterer - Teile alles, vertraue auf Gott: Die Gemeinde von Surprise Creek lebt noch streng nach den Regeln ihrer Vorväter; in: National Geographic Deutschland, September 2006, S. 64-91.
  • Becker, Sibylle: Die Hutterer. Architektur eines vergessenen Volkes, in: Bauwelt 28/29, 1989
  • Brednich, Rolf Wilhelm: Die Hutterer: Eine alternative Kultur in der modernen Welt. Verlag Herder, Freiburg/Breisgau 1998.
  • Holzach, Michael: Die Hutterer, Reportage über ein Jahr bei den deutschen Hutterern in Kanada, in: Geo Magazin, August 1978
  • Holzach, Michael: Das vergessene Volk: Ein Jahr bei den deutschen Hutterern in Kanada. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1982.
  • Hutterian Brethren (Hg.): Rechenschaft unsrer Religion, Lehre und Glaubens (Ridemans (sic!) Rechenschaft). Verlag der Hutterischen Brüder Gemeine, Falher (Kanada) 1988.
  • Länglin, Bernd G.: Die Hutterer: Gefangene der Vergangenheit, Pilger der Gegenwart, Propheten der Zukunft.Goldmann Verlag, München 1991.
  • Peters, Victor: Die Hutterischen Brüder 1528 - 1992: Die geschichtliche und soziale Entwicklung einer erfolgreichen Gütergemeinschaft. N.G. Elwert Verlag, Marburg 1992.
  • Scheer, Herfried: Die deutsche Mundart der Hutterischen Brüder in Nordamerika. Beiträge zur Sprachinselforschung Band 5. VWGÖ, Wien 1987.
  • Ströhmann, Gerd: Erziehungsrituale der Hutterischen Täufergemeinschaft : Gemeindepädagogik im Kontext verschiedener Zeiten und Kulturen. Lit, Münster 1999.
  • Wolkan, Rudolf & Hutterische Brüder in Amerika, Canada (Hg.): Das große Geschicht-Buch der Hutterischen Brüder. Standoff-Colony, MacLeod (Kanada) 1923.

Englischsprachig:

  • Kienzler, Hanna: Gender and communal Longevity among Hutterites: How Hutterite Women establish, maintain and change Colony Life. Berichte aus der Ethnologie. Shaker, Aachen 2005.
  • Hofer, John: The History of the Hutterites. D.W Freisen & Sons Ltd., Altona (Kanada) 1982.
  • Hostetler, John A.: Hutterite Society. The Johns Hopkins University Press, Baltimore (USA) & London (England) 1974.
  • Packull, Werner O.: Hutterite Beginnings: Communitarian Experiments during the Reformation. Johns Hopkins University Press, Baltimore (USA) & London (England) 1995.
  • Wipf, Andrew: Hutterite Telephone & Address Book. Lakeside Hutterian Brethren, Cranford, AB (Kanada) 1998.
  • Becker, Sibylle: The Hutterites. Architecture and Community, Masterthesis, Universtity of Calgary, Alberta, Canada, 1989

Filmographie

Einzelnachweise

  1. http://www.hutterites.org/faqs.htm#How do the Hutterites follow the command of Jesus to "be fishers of men"
  2. http://www.humboldtgesellschaft.de/inhalt.php?name=hutterer#C.
  3. http://www.humboldtgesellschaft.de/inhalt.php?name=hutterer#F.
  4. http://www.in-forum.com/specials/awa/1114b.html
  5. Auszug und kurzer Durchgang unserer Gemein Geschichtbuch (Hrsg.: Plough Publishing House, Sussex / England)
Wikibooks: Entstehungsgeschichte der Hutterer – Lern- und Lehrmaterialien
Commons: Hutterer – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien