Hier kommt Alex
Hier kommt Alex ist ein Lied der Band Die Toten Hosen aus dem Jahr 1988. Es ist der erste Titel des Albums Ein kleines bisschen Horrorschau. Die Musik stammt von Andreas Meurer und der Text von Campino.
Mit Alex ist Alexander DeLarge gemeint, der Protagonist in Anthony Burgess' düsterem Zukunftsroman A Clockwork Orange aus dem Jahr 1962. Alex ist Anführer einer gewalttätigen Jugendbande, die jeden Abend Jagd auf wehrlose Bürger macht. Er ist besessen von Ludwig van Beethovens Musik, besonders von der neunten Sinfonie.
Entstehung
Die Toten Hosen sagten im Frühjahr 1988 Bernd Schadewald zu, die Bühnenmusik für seine Inszenierung von „A Clockwerk Orange" an den Kammerspielen Bad Godesberg zu schreiben und gleichzeitig als Musiker und Statisten an der Aufführung teilzunehmen. Dafür entstanden eine ganze Reihe von Liedern, darunter auch das hier beschriebene Stück. Die letzte Vorstellung am Bonner Theaterhaus war am 23. Oktober 1988.[1] Kurz davor kamen die Single zum Song Hier kommt Alex und die LP Ein kleines bisschen Horrorschau auf den Markt und fanden sofort Anerkennung. Darauf belagerten die Fans den Eingang des Hauses und versuchten, sich Einlass zur ausverkauften Vorstellung zu verschaffen. Einige drangen durch die Fenster im zweiten Stock des Theaters ein und behinderten dabei die Aufführungen erheblich.[1]
Musik und Text
Vorangestellt ist der Auftakt aus Beethovens 9. Sinfonie, gespielt von einem Streichorchester. Die klassische Sequenz geht nahtlos in einen ausgedehnten, immer lauter werdenden Schrei über, der aber gleich darauf vollständig verhallt. Anschließend beginnt eine E-Gitarre in mäßigem Tempo eine einfache Melodie in d-Moll zu spielen, die sich später als Begleitung zum Gesang ständig wiederholt. Nach ein paar Takten setzt Campino ein und singt die erste Strophe:
„In einer Welt, in der man nur noch lebt, damit man täglich roboten geht, ist die größte Aufregung, die es noch gibt, das allabendliche Fernsehbild.“
Dann wird es schlagartig laut und alle Instrumente setzen ein. Auch der Gesang wird aggressiver und erreicht seinen Höhepunkt im Refrain:
„Hey, hier kommt Alex! Vorhang auf - für seine Horrorschau. Hey, hier kommt Alex! Vorhang auf - für ein kleines bisschen Horrorschau.“
Im Text wird nun weiter genau beschrieben, woraus Alex' Horrorshow besteht:
„Zwanzig gegen einen bis das Blut zum Vorschein kommt. Ob mit Stöcken oder Steinen, irgendwann platzt jeder Kopf.“
Auch von seiner Gnadenlosigkeit wird berichtet:
„Das nächste Opfer ist schon dran, wenn ihr den lieben Gott noch fragt: „Warum hast Du nichts getan, nichts getan?"“
Alex und seine Clique unterhalten sich in Nadsat, einer Fantasiesprache aus Burgess' Roman, die dem Russischen angelehnt ist. „Roboten“ - zutreffender: „robotten“ - heißt „arbeiten“ und „Horrorschau“ erlaubt ein Wortspiel mit russisch „хорошо [xaraˈʃɔ]“ - „gut“.
Im Originalsong von 1988 werden die in der Rockmusik üblichen Instrumente eingesetzt. Michael Breitkopf und Andreas von Holst spielen jeweils den Rhythmus- und den Melodiepart an der E-Gitarre, Andreas Meurer begleitet am Bass, und Schlagzeuger ist Wolfgang Rohde. Die Rhythmusgitarre, Bass und Schlagzeug erzeugen zusammen einen harten Rocksound. Die begleitende Melodie, welche von Holst spielt, klingt zwar gelegentlich etwas abgewandelt, wird jedoch nicht zu einem improvisierten Solo ausgebaut. Um die besondere Akustik des Saales einzufangen, wurde der Titel, zusammen mit anderen Stücken des Albums live im Schauspielhaus Bonn eingespielt; allerdings nicht vor Publikum sondern in der Zeit von 1 Uhr bis 6 Uhr morgens.[2]
Akustische Version
ChartsChartplatzierungen | Höchstplatzierung | Monate |
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Singles
- Hier kommt Alex
- DE: 32 - 14.11.1988 - 20 Wo.[3]
2005 wurde der Song für eine Aufführung aus der Reihe MTV-Unplugged im Wiener Burgtheater von dem Düsseldorfer Produzenten Hans Steingen umgeschrieben, das Arrangement für akustische Instrumente ausgelegt und eine halbe Tonart tiefer geschrieben.[6] [7] Das Stück beginnt nun mit den ersten Takten von Beethovens Mondscheinsonate und geht dann sofort in das eigentliche Intro über, beides gespielt von Esther Kim am Klavier. Ein weiterer Gastmusiker ist Rafael Zweifel am Cello. Campino übernimmt den Gesangspart, Vom Ritchie sitzt am Schlagzeug und die akustischen Gitarren werden von Andreas Meurer, Michael Breitkopf und Andreas von Holst gespielt, wobei letzterer an manchen Stellen mitsingt.
Veröffentlichungen
Lied
Hier kommt Alex erschien zunächst 1988 auf dem Album Ein kleines bisschen Horrorschau und wurde kurz darauf als Single ausgekoppelt.[8] Die Single enthält weder die klassische Musik noch den Schrei am Anfang.
1994 erschien eine englische Fassung des Songs auf dem Album Love, Peace & Money mit dem Titel The Return of Alex. Der Engländer Matt Dangerfield von The Boys hatte hierbei geholfen, den Text in die englische Sprache umzusetzen. Melodie und Intro sind mit der deutschen Fassung identisch. Der englische Text legt jedoch den Schwerpunkt darauf, die Welt zu beschreiben, in der Alex zum brutalen Menschen mutierte. Es wird vor Alex' Rückkehr und seiner erneuten Horrorschau gewarnt, falls sich an seinem Umfeld nichts ändert. Die Promosingle The Return of Alex wurde in geringer Stückzahl, ausschließlich für Großbritannien produziert.
Die Toten Hosen spielen den Song Hier kommt Alex auf nahezu jedem ihrer Konzerte. Ein Beispiel hierfür findet man auf dem Live-Album Im Auftrag des Herrn von 1996. Als akustische Version erschien das Stück auf Nur zu Besuch: Unplugged im Wiener Burgtheater und auf der Single Hier kommt Alex (unplugged), die beide 2005 auf den Markt kamen.
Musikvideos
Im Video zu Hier kommt Alex von 1988, sieht man die Band auf einem Schrotthaufen, in einer leeren Fabrikhalle und auf dem Dach einer Lagerhalle spielen. Zwischendurch werden kurze Ausschnitte vom Theaterstück in Bad Godesberg eingeblendet. Die Filmaufnahmen enstanden in einer halben Stunde auf dem Gelände eines ehemaligen Industriegebietes in Düsseldorf. Dort waren zuvor Abrissbirne und Planierraupe im Einsatz gewesen, weil ein neues Gewerbegebiet entstehen sollte. Für das Video war Walter Knofel beauftragt worden. Die Band kannte ihn seit einer Produktion für die österreichische Fernsehsendung X-Large. [9]
Der holländische Regisseur René Eller hatte bereits für die Band Selig gedreht und den Toten Hosen gefiel seine „Handschrift“. Für The Return of Alex entstand 1994 in seinem Studio ein greller Schwarzweißfilm mit schnell ablaufenden Bildern. Es werden flimmernde Fersehbildschirme eingeblendet und fremd wirkende Nahaufnahmen der Bandmitglieder gezeigt. [9]
Fazit
Die Musik der Toten Hosen sollte in Schadewalds Inszenierung die Überleitung von einer Szene zur anderen bilden. Sie sollte den Erzähler aus dem Film ersetzen und die Themen waren vorgegeben. [10] Campino äussert sich dazu im „Fachblatt Musik-Magazin“ vom Mai 1989:
„Der Erfolg der Horrorschau soll bitte nicht als krampfhafte Niveausteigerung verstanden werden. Die Platte spiegelt nur wieder, was wir in Bonn im Theater erlebt haben.[11]“
Dass Hier kommt Alex überhaupt auf die Setliste kam, war ausschließlich dem damaligen Manager der Band Trini Trimpop zu verdanken, der von dem Lied sofort begeistert war. Die Band selbst fand es zu langsam, zu rockig und fragten sich, ob das überhaupt noch etwas mit Punk zu tun hätte. Dennoch bedeutete der Song den finanziellen Durchbruch für die Toten Hosen. Sie saßen inzwischen auf einem „UEFA-Cup-Platz“, wie die Band es selbst in der Fußballsprache ausdrückt.[12]
Einzelnachweise
- ↑ a b Die Toten Hosen: Rock Sensation präsentiert Magazin zur Tour „Menschen, Tiere, Sensationen 1992" Universa Medien Verlags GmbH, Dortmund, Seite 65
- ↑ Booklet zum Album
- ↑ a b Charts-Surfer Deutschland
- ↑ Chart-Surfer Österreich
- ↑ Chart-Surfer Schweiz
- ↑ Anmerkungen zur Notation, Hans Steingen, Chrome Musik, Chappel & Co. GmbH & Co. KG
- ↑ Bericht auf www.dth.de
- ↑ 1988 Die Toten Hosen: Hier kommt Alex, Virgin 661 686 - 211
- ↑ a b DVD Reich & Sexy II, ihre erfolgreichsten Videos, Kommentare der Band
- ↑ Interview zu Ein kleines bisschen Horrorschow
- ↑ DTH-Pressearchiv
- ↑ Bertram Job: Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte. Seite 197