Zum Inhalt springen

Attac

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 20. November 2007 um 21:44 Uhr durch Lantus (Diskussion | Beiträge) (Bekannte Mitglieder: redicts). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
association pour une taxation des transactions financières pour l'aide aux citoyens
(attac)
Logo von Attac Deutschland
Zweck: globalisierungskritische Organisation
Gründungsdatum: 3. Juni 1998
Mitgliederzahl: 90000
Sitz: Paris

attac (association pour une taxation des transactions financières pour l'aide aux citoyens, dt. „Vereinigung für eine Besteuerung von Finanztransaktionen zum Nutzen der Bürger“) ist eine globalisierungskritische Organisation, welche am 3. Juni 1998 in Frankreich gegründet wurde. Die Idee dazu kam durch einen Leitartikel[1] von Ignacio Ramonet, der im Dezember 1997 in der Zeitung Le Monde diplomatique veröffentlicht wurde. Attac agiert in 50 Ländern, hauptsächlich jedoch in Europa, und hat nach eigenen Auskünften 90.000 Mitglieder.

In Deutschland beschließen am 22.Januar.2000 Mitglieder von rund 50 NGOs in Frankfurt/Main, ein „Netzwerk zur demokratischen Kontrolle der internationalen Finanzmärkte“ zu gründen. Dieses soll eng mit der im Jahr 1998 gegründet französischen Bewegung attac zusammenarbeiten. Beim zweiten „Ratschlag“ am 15.April.2000 in Hannover nimmt Attac Deutschland die konkrete Arbeit auf. Hier versteht sich das aus Mitgliedsorganisationen und Einzelmitgliedern (zur Zeit ca. 18.600) aber auch vielen mitarbeitenden Nicht-Mitgliedern bestehende Netzwerk attac als Bildungsbewegung mit Aktionscharakter und Expertise. Über Vorträge, Publikationen, Podiumsdikussionen und eine intensive Pressearbeit werden die komplexen Zusammenhänge der Globalisierungsthematik einer breiten Öffentlichkeit vermittelt und Alternativen zum neoliberalen Dogma aufgezeigt. Seit mehreren Jahren begleitet ein wissenschaftlicher Beirat die Arbeit von attac. Mit Aktionen soll der notwendige Druck auf Politik und Wirtschaft zur Umsetzung der Alternativen erzeugt werden. Attac setzt darauf, möglichst viele Menschen zu gewinnen und mit ihnen gemeinsam zu handeln.

Themen

Ursprünglich setzte sich Attac vor allem für die Einführung der Tobin-Steuer auf Finanztransaktionen und eine demokratische Kontrolle der internationalen Finanzmärkte ein. Inzwischen hat sich Attac auch anderer Themen der globalisierungskritischen Bewegung angenommen, als deren Teil es sich sieht. Seine Mitglieder nehmen häufig an Aktionen und Demonstrationen teil, die tendenziell dem linken politischen Spektrum zuzuordnen sind. Attac kritisiert dabei eine „neoliberale Ideologie“, die derzeit in der wirtschaftlichen Globalisierung vorherrsche.

Attac befasst sich unter anderem mit folgenden Themen:


Attacs Hauptkritik an den Kräften der neoliberalen Globalisierung (zu unterscheiden von kultureller, ökologischer, politischer Globalisierung) ist, dass diese das Versprechen eines „Wohlstands für alle“ bislang nicht einlösen konnte. Im Gegenteil: Die Kluft zwischen Arm und Reich werde immer größer, sowohl innerhalb der Gesellschaften als auch zwischen Nord und Süd. Motor dieser Art von Globalisierung seien die internationalen Finanzmärkte. Banker und Finanzmanager setzten täglich Milliardenbeträge auf diesen Finanzmärkten um und nehmen über ihre Anlageentscheidungen immer mehr Einfluss auf die gesellschaftliche Entwicklung. Damit würden die Finanzmärkte letztendlich die Demokratie untergraben. Deswegen plädiert Attac, neben anderen Maßnahmen, für die besagte Besteuerung der Finanztransaktionen, die so genannte Tobin-Steuer. Doch die Kritik macht nicht an den internationalen Finanzmärkten halt. Attac behauptet, der Neoliberalismus (in den Wirtschaftswissenschaften auch als Neoklassizismus bezeichnet) sei politisch gemacht, d. h. die Politik sei nicht Opfer, sondern Hauptakteur dieses Prozesses.

Attac tritt für eine demokratische Kontrolle und Regulierung der internationalen Märkte für Kapital, Güter und Dienstleistungen ein. Politik müsse sich an den Leitlinien von Gerechtigkeit, Demokratie und ökologisch verantwortbarer Entwicklung ausrichten. Nur so könne die durch die kapitalistische Wirtschaftsweise entstehende gesellschaftliche Ungleichheit ausgeglichen werden.

Attac will ein breites gesellschaftliches Bündnis als Gegenmacht zu den genannten internationalen Märkten bilden. Die Behauptung, Globalisierung in ihrer jetzt herrschenden Form sei ein alternativloser Sachzwang wird von Attac als reine Ideologie zurückgewiesen. Stattdessen wird unter Stichworten wie Alternative Weltwirtschaftsordnung, global governance, Deglobalisierung, Reregionalisierung und Solidarische Ökonomie über Alternativen diskutiert.

Der Begriff „Ökonomische Alphabetisierung“ bezeichnet die Strategie von Attac, eine Vermittlung von ökonomischen Grundkenntnissen an weite Teile der Bevölkerung vorzunehmen. Da immer mehr Bereiche des öffentlichen Lebens den marktwirtschaftlichen Prinzipien unterworfen würden, seien immer öfter ökonomische Grundkenntnisse für eine Partizipation im demokratischen Prozess und für die Meinungsbildung erforderlich.

Attac im deutschsprachigen Raum

Lokalgruppe von Attac Deutschland

Attac versteht sich als Netzwerk, in dem sowohl Einzelpersonen als auch Organisationen aktiv sein können. In Deutschland gehören zirka 150 Organisationen Attac an, darunter ver.di, BUND, Pax Christi und viele entwicklungspolitische und kapitalismuskritische Gruppen. Zurzeit (August 2007) hat Attac in der Bundesrepublik Deutschland rund 18.600 Mitglieder, von denen sich die aktiven in etwa 250 Regionalgruppen und einem runden Dutzend bundesweiter Arbeitsgruppen organisieren. In Österreich hatte Attac im Jahr 2005 über 2.400 Einzelmitglieder und außerdem mehr als 70 Mitgliedsorganisationen. In der Schweiz wurde Attac schon 1999 gegründet und besteht aus zirka einem Dutzend Lokalgruppen.

Arbeitsweise

Attac sagt über sich selbst, Grundsatz sei ein ideologischer Pluralismus. Darunter zählt Attac Überzeugungen, die sich als humanistisch, kommunistisch, sozialdemokratisch, basisdemokratisch oder religiös verstehen. Das gegnerische Lager, von dem es sich abzugrenzen gilt, benennt Attac so: „Für Rassismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Chauvinismus und verwandte Ideologien gibt es keinen Platz.“[2]. Inhaltlich besteht allerdings auch ein unüberbrückbarer Gegensatz zum wirtschaftlichen Liberalismus. Attac lehnt Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung ab.

Entscheidungen werden bei Attac nicht nach dem Mehrheits-, sondern nach dem Konsensprinzip getroffen. Das heißt, dass Entscheidungen zunächst diskutiert und – falls niemand ablehnt (also bspw. Veto einlegt) – von allen mitgetragen werden. Das bedeutet nicht, dass alle einer Meinung sein müssen. So können Entscheidungen auch auf vorläufiger Basis getroffen und später erneut diskutiert werden, falls eine Seite dazu anrät. Auf diese Weise kann das Meinungsspektrum der Mitglieder und Mitgliedsorganisationen besser integriert werden. Da Attac keine politische Partei ist, die zu jedem Thema einen abrufbaren und einheitlichen Standpunkt bereit halten muss, fallen die Nachteile des Konsensprinzips kaum ins Gewicht. Die Mitwirkung bei Attac findet vorwiegend in Arbeitskreisen (AKs) oder Arbeitsgemeinschaften (AGs) statt, die es sowohl auf regionaler als auch auf nationaler Ebene zu den verschiedenen Themengebieten gibt, sowie in zahlreichen Regionalgruppen.

Meinungen von Attac zu wirtschaftspolitischen Themen werden gesellschaftlich immer mehr wahr- und ernstgenommen, wie die vermehrten Auftritte von attac-Mitgliedern in den Medien (DeutschlandRadio, Phönix) und bei Politik-Talkshows (z.B. Sven Giegold bei Sabine Christiansen, Berlin-Mitte) zeigen.

attac-Ratschlag

Der Ratschlag ist bei attac Deutschland das höchste Entscheidungsgremium. Er trifft sich zweimal jährlich und zwar einmal als „Attac-Basistreffen“ mit dem Schwerpunkt auf Erfahrungsaustausch und ein weiteres Mal mit dem Schwerpunkt Entscheidungsgremium unter anderem mit den jährlichen Wahlen zum Attac-Rat und zum Koordinierungskreis. Beide Treffen sind öffentliche Vollversammlungen.

Der attac-Ratschlag ist ein bundesweites, öffentliches Treffen aller interessierten Menschen aus den Mitgliedsorganisationen, Ortsgruppen sowie den bundesweiten Arbeitszusammenhängen und aktiver Nichtmitglieder. Entscheidungen werden im Konsensverfahren (siehe zu Ausnahmen und konkretem Ablauf hier) getroffen. Abstimmungen sollen die Ausnahme sein. Für den Fall von Abstimmungen und Wahlen werden von den Mitgliedorganisationen und Ortsgruppen Delegierte bestimmt.

Auf dem Ratschlag haben alle Anwesenden, egal ob Attac-Mitglieder oder nicht, Rede- und Stimmrecht zu inhaltlichen Fragen. Die Verabschiedung des Haushaltes und die Wahlen der Gremien sind jedoch den Delegierten vorbehalten. Diese Delegierten werden von Attac-Gruppen, Mitgliedsorganisationen und bundesweiten Arbeitszusammenhängen gewählt; jeweils nach ihren eigenen Verfahren, die nicht zentral geregelt sind.

(Beschluss Ratschlag Frankfurt 2002)

Aktionen von Attac (Auswahl)

Attac-Fahne vor dem Dom in Köln, 2004
Datei:Lidl-mainz.jpg
Mainzer Attac-Mitglieder bei der Lidl-Aktion, 2005

Wissenschaftlicher Beirat

In diesem arbeiten mittlerweile fast 100 Professoren, Wissenschaftler und Experten mit. Sie vertreten ein breites Spektrum unterschiedlicher Fachrichtungen. Engagiert sind Ökonomen, Soziologen, Politologen, Juristen, Psychologen und Fachleute anderer Professionen. Ihnen gemeinsam ist die Absicht, ihre Expertise in den Dienst des globalisierungskritischen Netzwerks attac Deutschlands zu stellen.

Kritik an Attac

Kritiker werfen Attac mangelnde Stringenz in den vorgeschlagenen Lösungen vor, die ein breites Band politischer Konzepte von nationaler Souveränität bis zu weltweiten Sozialsystemen umfassen. Eine weltweit verbindliche Gesetzgebung in Wirtschaft und Gesellschaft wird von Kritikern als illusorisch betrachtet. Damit einher geht auch der Vorwurf, Attac verfüge nur über ein unzureichendes Verständnis der Marktwirtschaft. Attac weist diese Kritik mit dem Hinweis auf Wirtschaftswissenschaftler, die die Organisation im Wissenschaftlichen Beirat[3] unterstützen und beraten, zurück.

James Tobin, der „Erfinder“ der Tobin-Steuer, distanzierte sich in einem Interview mit dem deutschen Magazin Der Spiegel im Jahr 2001 von Attac und anderen Globalisierungskritikern: „Ich kenne wirklich die Details der Attac-Vorschläge nicht genau. Die jüngsten Proteste sind ziemlich widersprüchlich und uneinheitlich, ich weiß nicht einmal, ob all das Attac widerspiegelt. Im großen Ganzen sind deren Positionen gut gemeint und schlecht durchdacht. Ich will meinen Namen nicht damit assoziiert wissen.“[4]

Einige antideutsche Gruppen werfen Attac eine verkürzte personalisierende Kapitalismuskritik vor. Attac nehme bewusst keine einheitliche Haltung zur Systemfrage ein, sondern gerate mit ihrem Modell des „guten“ und „bösen“ Kapitals stark in die Nähe von rechtsextremen Positionen, die von „schaffendem“ (nicht-jüdischem) und „raffendem“ (jüdischem) Kapital sprechen. Attac sehe auf der einen Seite die Notwendigkeit einer Veränderung der Wirtschaft, auf der anderen Seite jedoch wünsche Attac (anscheinend) ohne genaue Kenntnis der Grundstrukturen des Kapitalismus eine Art „guten Kapitalismus“ herbei.

Mitunter wurde Attac vorgeworfen, man würde sich nicht hinreichend von Rechtsextremismus und Antisemitismus distanzieren[5].

Transparent der Heidelberger Attac-Gruppe bei der europaweiten Protestkundgebung gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie am 19. März 2005 in Brüssel

Wissenschaftlicher Beirat (Auswahl)

  • Prof. Elmar Altvater (FU-Berlin)
  • Dr. Regine Barth (Leiterin der Abteilung Recht am Öko-Institut Darmstadt)
  • Prof. Thea Bauriedel (polit. Psychologie)
  • Prof. Adelheid Biesecker (Professorin für ökonomische Theorie an der Uni Bremen)
  • Dr. Jürgen Borchert (Jurist)
  • Dr. Uli Brand (Soziologe, Uni Kassel)
  • Dr. Achim Brunnengräber (FU Berlin)
  • Prof. Frank Deppe (Uni Marburg)
  • Prof. Dr. Andreas Fisahn (Uni Bielefeld -Lehrstuhl für öffentl. Recht, Umwelt- und Technikrecht, Rechtstheorie) Arbeitsschwerp.: Umweltrecht, Theorie d. Staates und d. Demokratie
  • Dr. Heiner Flassbeck (UNCTAD)
  • Dr. Kuno Füssel (Theologe)
  • Mathias Greffrath (Journalist, Mitglied der SPD-Grundwertkommission)
  • Dr. Wolfgang Hein (Dt. Übersee Institut Hamburg)
  • Prof. Friedhelm Hengsbach (Kath. Hochschule St. Georgen)
  • Dr. Detlef Hensche (Rechtsanwalt, ehem. Vors. IG Medien)
  • Dr. Stefan Hessler (Soziologe, Uni Frankfurt)
  • Prof. Rudolf Hickel (Uni Bremen)
  • Prof. Jörg Huffschmid (Uni Bremen)
  • Prof. Hartwig Hummel (Politologe, Uni Düsseldorf)
  • Prof. Claus Leggewie (Uni Giessen)
  • Prof. Stefan Lessenich (Soziologe, Jena)
  • Prof. Birgit Mahnkopf (FHW Berlin)
  • Prof. Klaus Meschkat (Soziologe, Uni Hannover)
  • Prof. Maria Mies (Soziologin)
  • Prof. Mohssen Massarrat (Uni Osnabrück)
  • Dr. Ulrich Petschow (Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung, Berlin)
  • Prof.Dieter Rucht (Wissenschaftszentrum Berlin, Politologe)
  • Dr. Wolfgang Sachs (Wuppertal Institut)
  • Dr. Thomas Sauer (ehem. FHW Berlin)
  • Dr. Claus Schäfer (WSI)
  • Prof. Christoph Scherrer (GHS Kassel)
  • Dr. Ingo Schmidt (FHTW Berlin)
  • Prof. Herbert Schui (Ökonom, HWP)
  • Dr. Christa Wichterich (Publizistin, Bonn)
  • Prof. Brigitte Young (Uni Münster)

Bekannte Mitglieder

Mitgliedsorganisationen attac-deutschland (Auswahl)

Literatur

Commons: ATTAC – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Quellen

  1. Leitartikel auf www.monde-diplomatique.de
  2. Quelle: Selbstverständnispapier von Attac - hier als PDF-Datei)
  3. attac Deutschland: Mitglieder des wissenschaftlichen Beirates
  4. Der Spiegel 36/2001: James Tobin kritisiert Globalisierungsgegner: "Die missbrauchen meinen Namen", 3. September 2001
    AG Friedensforschung an der Uni Kassel: "Streiten Sie mit uns für die Tobin-Steuer, Herr Tobin!", Entgegnung auf James Tobins Kritik von Seiten attacs
  5. Toralf Staud/Die Zeit (Nr. 44): Blondes Ächzen, 23. Oktober 2003

Siehe auch

G7, G8, Internationaler Währungsfonds, Weltbank, Genua, GATT, GATS, TRIPS, Agenda 2010, Sozialforum, WEED, Noya (Jugendnetzwerk)