Geschichte von Osterholz-Scharmbeck
Dieser Artikel behandelt die Chronologie und Geschichte der Stadt Osterholz-Scharmbeck und zum Teil des Landkreis Osterholz, soweit sich beides nicht trennen lässt, da beide sich als 'Organisation Stadt' und 'Organisation Landkreis' die gleiche Stadt teilen müssen.
Wenn andere übergeordnete Ereignisse oder Ortschaften des Landkreises oder der Umgebung genannt werden, dann nur zur Erläuterung der relevanter Vorgänge für Osterholz-Scharmbeck. Schwerpunkt ist die Kreisstadt Osterholz-Scharmbeck.

Vorzeit: 480.000 v. Chr. bis 1000 v. Chr.
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Geest und Moor
Nach der letzten Eiszeit 12.000 v. Chr. begannen die Urstromtäler der Weser und Hamme zu versanden und zu verschlicken. Die aufgeschobenen und zurückgelassenen Sandflächen der Gletscher werden heute als Geest bezeichnet. Dabei ist die Osterholzer Geest ein Teilgebiet der Stader Geest, mit der das Gebiet zwischen Weser- und Elbemündung bezeichnet wird, weil es größtenteils durch den Regierungsbezirk Stade eingenommen ist. Im Gegensatz zu der südlicheren Lüneburger Heide ist die Geest ein Niederungsgebiet mit zahlreichen Mooren und Wiesenflächen, die sich an den Rändern und in den Vertiefungen der Geest bildeten.
Aus diesen Mooren entwickeln sich etwa 1000 v. Chr. die späteren Hochmoore und damit auch das Teufelsmoor. Nur einzelne Bergkuppen, wie etwa Wingst (74 m), Westerberg (63 m), Lohberg (42 m) bei Stade und Weyerberg (50 m) überragen die flache Landschaft. Das Gebiet wird durch die Hamme-Oste-Niederung in die östliche Zevener Geest und die westliche Osterholzer Geest unterteilt und war ursprünglich durch die Randmoore relativ schwer zugänglich.
Einerseits bot sich damit der Geestrücken also sicheres Siedlungsgebiet an: der Stadtkern von Osterholz-Scharmbeck liegt selbst auf der Geest, und östlich befindet sich bereits die Hammeniederung mit dem alten Dorf Teufelsmoor sowie den alten Moorkolonien Neuenfelde, Altenbrück, Ahrensfelde, Altendamm und Niedersandhausen. Andererseits ergab sich daraus (geradezu zwingend) die in späteren Siedlungsorten auszudrückende Linie Ritterhude-Osterholz-Scharmbeck - Bremervörde - Gnarrenburg - Stade, die den Geestrücken noch heute abbildet, auf dem das Gebiet passiert werden konnte. (Dieser Linie folgen letztendlich auch der Moorexpress und große Teile der Bundesstraße 74, wobei vor allem bei Gnarrenburg die „Passage“ eine Art „Engpass“ bildet. (Ein guter Grund dort eine Burg zu errichten.)
Wirtschaftliche Bedeutung hat die Geest ferner auf Grund der großen Vorkommen an reinem Bausand, die heute großflächig überirdisch im Tagebau abgebaut werden können, was zum Beispiel schon zur Entstehung der Ohlenstedter Quellseen geführt hat. Durch die relative große Höheunterschiede (etwa 45 m auf 4 m NN) verleiht der hohe Geestrücken den abfließenden Gewässern eine hohe Fließgeschwindigkeit, deren Energie an Bächen wie dem Scharmbecker Bach, Wienbeck oder dem Mühlenbach für Wassermühlen aller Art genutzt werden konnte.
Erste Besiedelung
Die Siedlungsgeschichte des Gebietes geht bis in die Jungsteinzeit zurück. Um 10.000 v. Chr. streiften Jäger, Sammler und Fischer über die Osterholzer Geest und die angrenzenden Moore; ihre Anwesenheit ist durch die zahlreichen Funde von Spanmessern und Pfeilspitzen belegt, die zum Beispiel im Heimatmuseum Osterholz ausgestellt sind. Einige von diesen frühen Besuchern der Geest wurden nachweisbar sesshaft, da bei zahlreichen Ausgrabungen auch Spuren eines primitiven Ackerbaus (z. B. Äxte) gefunden worden sind. Offensichtliches Zeugnis der Besiedlung ist das etwa 2000 v. Chr. errichtete Großsteingrab, ein beeindruckendes Steingrab an der heutigen Osterholzer Straße im Stadtzentrum von Osterholz-Scharmbeck. Dieses Hünenstein oder Hünengrab genannte, gut erhaltene Kammergrab wird auf ein Alter von etwa 4000 Jahren datiert.
Eine Anzahl weiterer Grabhügel aus der Bronzezeit finden sich im Stadtteil Garlstedt. Den beeindruckendsten Fund in einem dieser Grabhügel stellt wohl die Garlstedter Lure dar. Die 1830 bei Straßenarbeiten entdeckten Bruchstücke dieses bronzezeitlichen germanischen Blasinstruments ist zur Zeit der südlichste Fund eines derartigen Instrumentes.
Naturgemäß war die Siedlungstätigkeit auf der Geest zwischen 1.800-700 v. Chr. wesentlich größer als auf den nassen Gebieten der Moore und Flusslandschaften am Rande der Geest. Bei den Sippschaften, die in die Weite des Raumes mit seinen Wäldern vordrangen, hat es sich um Indogermanen gehandelt, die später von Tacitus als Chauken klassifiziert wurden. Ab 1000 v. Chr. wurden schließlich auch die Nassgebiete der Vor- und Randmoore durch Knüppelwege als Weideflächen erschlossen.
Erst 200–300 verlagerten die Chauken ihren Siedlungsschwerpunkt weiter an die Küste, und die Sachsen drängen 400 – wohl im Zuge der Völkerwanderung – aus Süden nach.
12 v. Chr.-600 n. Chr.
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Dass es von dieser Zeit keine schriftlichen Aufzeichnungen gibt, liegt auf der Hand. Ohnehin stellt sich die Frage nach einer beständigen Besiedelung, die wohl verneint werden muss. Das Klima war einfach zu unfreundlich, die landwirtschaftliche Technik für Ackerbau oder Milchviehhaltung unter solchen Bedingungen musste erst noch entwickelt werden. So blieb die Osterholzer Geest dünn besiedelt und eher Durchzugsgebiet, das zudem teilweise mehr als nur schwer zugänglich war. Nicht umsonst geschah die römische Expedition unter Drusus 12 v. Chr. per Schiff und die Römer zeigten keinerlei Ambitionen eine Siedlung zu begründen und weiter in das Gebiet einzudringen.
Gerade das küstennahe Gebiet war dabei von Sturmfluten geprägt, die Mitauslöser der Völkerwanderung an den Küsten gewesen sind. Insbesondere das Fluss-System Hamme-Wümme mit dem Teufelsmoor war dabei mit 0 m ü. NN der Tide der Nordsee ständig ausgesetzt. Einen neuzeitlichen Einblick war 1996 möglich, als große Gebiete der Hammeniederung derartig überschwemmt waren, dass teile des Ufers der Hamme nur noch an den Baumreihen zu erkennen waren. Wären die entsprechenden Verkehrswege nicht auf höheren Dämmen errichtet worden, wäre auch heute Bremen direkt nicht mehr zu erreichen; und dabei handelte es sich nur um nichtabfließendes Regen- und Grundwasser, das nicht durch das wegen Hochwasser geschlossene Sperrwerk bei Ritterhude abfließen konnte.
Zieht man den Umstand heran, dass eine hohe Flutwelle sich damals – über die Weser kommend – im Prinzip ungebremst in die Niederung der Hamme drücken konnte, ist es offensichtlich das sich Siedler lieber einen freundlicheren Ort für eine Dauerbesiedelung gesucht haben und das Gebiet nur durchwanderten.
Frühmittelalter 600-1100
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Sachsen und Franken
Mit den Sachsen wurde auch ein neues Bodenrecht eingeführt; das heißt Besitz an Boden, dem wichtigsten Produktionsfaktor der damaligen Zeit, wurde nun zentralistisch durch den Landesherrn vergeben, der damit eine Bündnispolitik nach innen betreiben konnte. Insbesondere die Erschließung weiterer Ackerflächen musste vorangetrieben werden,; so siedelten die Bremer 1106 an beiden Ufern der Weser Holländer ( daher Hollerland ) an, die damals schon als Spezialisten für Nasswiesen und Deichbau galten, um auch diese Gebiete zu erschließen. Wichtige Grundlage für die Christianisierung der Sachsen wurde durch den fränkischen Kaiser Karl der Große (768-814) geschaffen, der in der „Capitulare Deportibus Saxoniae“ folgendes bestimmte: „Die Kirchen Christi, welche in Sachsen erbaut werden, sollen nicht kleinere, sondern größere Ehren genießen als bis dahin die heidnischen Heiligtümer“.
Die Christianisierung durch die Franken, welche bereits 499 den christlichen Glauben angenommen hatten, stieß allerdings auf sächsischen Widerstand, und die Amtszeit des fränkischen Kaisers Karl der Große war durch seinen dreijährigen Kampf gegen die Sachsen unter Wittekind (auch Widukind) bestimmt. Selbst nach der endgültigen militärischen Niederlage der Sachsen von 804 kam es weiterhin noch zu lokalen Aufständen.
Die friedliche Christianisierung des hiesigen Gebiets begann bereits 787 mit der Gründung des Bistum Bremen; die Einteilung der Bistümer schuf dabei eine erste „verwaltungstechnische“ Erfassung der Gebiete, wenngleich dabei die altsächsischen Gauen als Grundlage dienten; das heutige Stadtgebiet gehörte demnach zum Gau Wigmodien. Bei seiner Niederwerfung der Sachsen hat der Kaiser aber die Osterholzer und Stader Geest wohl nicht betreten. Nachweislich hat er 796 die Weser mit seiner Armee überschritten, und bereits 782 soll das Blutgericht von Verden an 4500 sächsischen Aufständischen in Verden stattgefunden haben, weshalb Karl der Große auch den landläufigen Titel als „Sachsenschlächter“ trug. (Vermutlich zu Unrecht; denn neuere Forschungen belegen vielmehr die Deportation aufständiger Sachen nach Franken, wo heute noch Anhäufungen sächsischer Bezeichnungen im fränkischen Gebiet offensichtlich sind, sind diese doch an den Ortsbezeichnungen noch ablesbar.)
Normannen
845 wurde Hamburg (damals nur eine dörfliche Ansiedlung) durch Normannen zerstört, weshalb das bereits befestigte größere Bremen 847 Sitz des Erzbischofs geworden war. 850 wurde auf dem späteren Scharmbecker Gebiet eine erste hölzerne Taufkapelle errichtet, und die Grundlage der späteren Wilhadi-Kirche am Marktplatz in Scharmbeck bildete, welche nach dem ersten Bischof von Bremen Willhad(i) (781) benannt wurde, der die Christianisierung in Wigmodien betrieben hatte.
Die Besiedelung mit bäuerlichen Höfen muss nach prähistorischen Funden etwa ab 768 eingesetzt haben (heute Baustraße, Am Weißen Sande und An der Loge), für deren Bewohner hölzerne Taufkapellen errichtet worden waren. Ab 1000 waren diese ersten Siedlungen dabei stark durch eine weitere Welle der Normannen gefährdet, die zeitweise mit 20.000 Bewaffneten Norddeutschland erneut heimsuchten.
Zur Abwehr der Normannengefahr wurde das Gau Wigmodia mit dem nördlich angrenzenden Hadeln zur Grafschaft Lesum zusammengefasst. Adam von Bremen berichtet, dass das Gebiet im Jahr 994 von einer Flotte Wikinger („Askomannen“) heimgesucht wurde. Ein Kontingent, das in die Weser und die Geeste eindrang, wurde aber von den Einheimischen im Glindesmoor, unweit des späteren Bremervörde, bis auf den letzten Mann erschlagen.
1024 landeten sie bei Vegesack und plünderten die Ostseite der Weser aus; allerdings ließen die wenigen Zugänge zum Geestgebiet deren Anwohnern wohl genug Zeit, wichtiges Eigentum (Vieh, Saatgut, etc.) und/oder sich selbst in den Wäldern und Mooren zu verstecken. Im gleichen Jahr wurden die Normannen jedoch vor Aumund endgültig geschlagen, weshalb diese Gefahr endgültig abgewendet war.
Stellung der Kirche
Neben der direkten Anwendung von Gewalt, wurde die Christianisierung wohl auch als „Kampfmittel“ zur Abwehr der Normannen angesehen; d.h. die Christianisierung mit ihren Zentren waren wichtige „Erschließungsinstrumente“ bis dato unwirtlicher Provinzen.
Die erste urkundliche Erwähnung von Scharmbeck fand deshalb auch durch den Bremer Erzbischof Bezelin (auch Alebrand genannt) statt; dessen Aufenthalt 1043 n. Chr. in Scirnbeci (Scharmbeck) durch den Chronisten Adam von Bremen wurde insbesondere deshalb vermerkt, weil sich ersterer einen Barfußgang nach Scirnbeci unternommen hatte und dabei krank geworden war.
Die Stellung der Kirche in Bremen (als „Rom des Nordens“) nahm dabei noch an Bedeutung zu, da seit Otto der Große die Kirche auch weltliche Macht geworden war. Diese ging zu Kosten der alten Gaugrafen. Scharmbeck und Osterholz kamen nun unter die direkte Herrschaft der Erzbischöfe von Bremen, die 1397 eine „Heerfolge“ für das Gebiet erließen und so auch über militärische Kräfte zur Durchsetzung ihrer Herrschaft verfügen konnten.
Hochmittelalter 1100-1250
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Spätmittelalter und Reformation 1250–1600
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Normalerweise tagte die örtliche Ritterschaft in Basdahl; am 17. April 1552 kamen sie jedoch zur Sate beziehungsweise „Satting“ nach Scharmbeck, hier wurde für die gesamte Region die Heerfolge an Pferden, Fußfolk und Bewaffnung neu festgelegt.
Dreißigjähriger Krieg bis Hannover 1618–1715
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Dreißigjähriger Krieg
Da Bremen weiterhin dem katholischen Kaiser treu blieb, rückten zunächst kaiserliche Truppen ins Osterholzer Geestgebiet vor. Damit begann ein mehrmaliges ‚Hin und Her‘ auf der „Gemeinen Heerstraße“: Bremen-Bremervörde-Stade-Hamburg, was in etwa der Strecke der heutigen B74 entspricht.
Der dänische König Christian IV. stellte sich zur Verteidigung der norddeutschen protestantischen Stände an deren Spitze. Dänische Truppen verdrängten dann auch zunächst die kaiserlichen Truppen aus weiten Teilen Norddeutschlands, konnten aber nicht weiter vordringen, da die kaiserlichen Truppen weiterhin die Flusslinie von Weser-Oste-Wümme verteidigten. Am 25. April 1626 erleidet Graf Mansfeld, der verbündete der Dänen, eine vernichtende Niederlage bei Dessau. Am 27. August 1626 werden die Dänen in der Schlacht bei Lutter ebenfalls vernichtend geschlagen; Katholische Einheiten unter Tilly wagten aber zunächst nicht, ihnen bei deren Rückzug auf das Gebiet der Stader Geest zu folgen. Nach dieser Niederlage zogen fast alle norddeutschen Fürsten die Unterstützung für die Dänen zurück. Als die Dänen sich nach Stade zurückzogen, drangen die katholischen Verbände auf die Geest vor und erscheinen damit auch in Osterholz und Scharmbeck. 1629 wurde in Lübeck ein Frieden geschlossen; als unmittelbare Folge dieser Niederlage wurde das Kloster Osterholz katholisch und unter den Schweden 1633 wieder protestantisch.
Die Schweden landeten am 26. Juni 1630 mit ihrem König Gustav Adolf auf Usedom. Der Erzbischof Johann Friedrich von Schleswig-Holstein-Gottorf entschloss sich, zu den Protestanten überzuwechseln, und die Schweden schickten ihm eine Armee unter General Acke von Tott zur Hilfe. In Osterholz und Scharmbeck tauchten die Schweden auf, um von dort die Lesumlinie zu attackieren. Sie wurden dort von General Heinrich von Pappenheim mit westfälischer Hilfe gestoppt, der dann auf die Osterholzer Geest vorrückte.
In Westerbeck wurden zwei, in Scharmbeckstotel drei und in Ohlenstedt zwei Bauernhöfe verwüstet, in Wiste sollen die Bewohner sogar komplett geflohen sein.
Die Pappenheimer verweilen nur kurz, da sie von Tilly zur Eroberung der Stadt Magdeburg herangezogen wurden. 1643 kehrten schwedische Truppen nach Osterholz und Scharmbeck zurück, um wenigstens ihre Besitzungen im Norden zu halten; und tatsächlich wurde im Westfälischen Frieden von Osnabrück zwischen Christine von Schweden und Ferdinand 1648 das Gebiet zwischen Bremen, Verden, Weser und Elbe und damit auch die Osterholzer Geest mit Osterholz und Scharmbeck den Schweden zugesprochen. Das heißt die Bistümer Vegesack und Verden wurden als Reichslehen abgetreten, die Aufhebung des Kloster Osterholz 1650 war die direkte Folge davon.
Schwedische Provinz von 1648–1715
Die Ostsee-Macht Schweden besteht nach dem Westfälischen Frieden auf seinen Obrigkeitsanspruch über den - im Sinne des Merkantilismus - handelstechnische Konkurrenten Bremen, der als Abwehrmaßnahme u.a. versuchte die Hanse wiederzubeleben. De facto bedeutete das Ende des Dreißigjährigen Krieges also keinen Frieden für Osterholz und Scharmbeck, da Schweden ab 1643 die Lesum-Linie attackiert um die Burg in Lesum einzunehmen (Bremen-Burglesum). Noch 1652 und 1653 liegen deshalb große schwedische Truppenkontingente in den beiden Flecken. Am 14. Juli 1653 rücken die Schweden über Burgdamm ab und die Eroberung der Lesumer Burg gelingt, sie wird umgehend geschleift.
Bremen konterte zwar 1654 mit der Zerstörung der schwedischen Schanze in Vegesack, die der schwedischen ‚Zollschranke‘ für Weserschiffe Deckung bot, aber die Schweden schlugen die Bremer zurück und ließen sich auf der 1. Stader Konferenz die Hoheit über Bremen nochmals bestätigen, wenngleich Bremen als Kernstadt weiter unbesetzt bleibt.
Offiziell war das Gebiet von Osterholz und Scharmbeck bereits 1648 (durch die schwedische Königin Christine von Schweden) an den Grafen von Hessen-Eschwege übergeben worden. Als dieser jedoch 1655 als schwedischer Befehlshaber nicht aus dem polnischen Feldzug zurückkam, übernimmt seine Witwe Elonora Catharina die Regentschaft, und als gebürtige schwedische Prinzessin wurde ihr das Erbe 1674 dann auch endgültig bestätigt.
Die Herrscher über Schweden verfolgten auch weiterhin ehrgeizige Großmachtpläne und verbündeten sich 1675 mit Frankreich gegen den deutschen Kaiser. Das Vorhaben scheiterte, die Schweden mussten sich über die Heerstraße in das zur Festung ausgebaute Stade zurückziehen, was eine erneute Belastung für Osterholz und Scharmbeck nach sich zog.
1679 nach dem Frieden von Celle blieben die Osterholzer und Scharmbecker weiterhin bis 1692 unter schwedischer Herrschaft, dann stirbt die ‚schwedische‘ Witwe Elonora Catharina.
Da die Schweden weiterhin an entfernten Schauplätzen Krieg führten, und von 1700 bis 1715 im Nordischen Krieg gegen Russland und Dänemark kämpften, rückten 1712 Dänen auf die Osterholzer Geest vor, da die Schweden ihre militärischen Kräfte in Russland versammelt hatten.
1715 kommt es jedoch zu einer umfangreichen Friedenskonferenz in Stockholm, und die Dänen müssen das Gebiet kampflos räumen.
Die Schweden kehren aber nicht zurück, da sie ihrem diesmaligen Verbündeten aus Hannover das Bistum Verden und das Bistum Vegesack (und damit auch Osterholz und Scharmbeck) zum Kauf anbieten. Für 6 Tonnen Gold (etwa 600 Taler) und 277 Taler an Schweden gehen die Gebiete an das Herzogtum Hannover über, anzutreffende Behauptungen, die Dänen hätten den Kaufvertrag abgeschlossen, beruhen auf dem Irrtum die Anwesenheit (Besitz) der Dänen über das Eigentumsrecht der Schweden zu stellen.
Von Hannover zu Frankreich 1713–1869
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Siebenjähriger Krieg
Da Hannover in Personalunion mit dem britischen Thron verbunden wr, spielte die Linie Wümme-Lesum als bewaffnete Grenze auch in dieser Zeitphase eine wichtige Rolle. Als nun Großbritannien im Siebenjährigen Krieg (1756-1763) gegen Frankreich kämpfte, kam es südwestlich von Hannover zur Schlacht bei Hastenbeck zur Schlacht; die französische Armee siegte, und Hannover zog sich unter Aufgabe der günstigen Aller-Flusslinie nach Norden zurück.
Statt dessen sollte nun aber die Lesum-Wümme-Linie gehalten werden. Als die Franzosen heranrückten, gaben die Hannoveraner jedoch Rotenburg und Ottersberg auf, und damit war eine weitere Verteidigung dieses Gebiets sinnlos geworden, die hannoverschen Truppen zogen sich deshalb aus der Osterholzer Geest in Richtung Bremervörde zurück.
Durch eine Vereinbarung im Kloster Zeven am 8. September 1757 wurde die Osterholzer Geest den Franzosen ausgeliefert, und als ein französisches Kontingent schnell an die Lesum vordrängte, verlangte es deshalb vom Amt Osterholz Mittel zu seinem Unterhalt.
Es war eine eigentümliche Situation: Osterholz und Scharmbeck sind (noch) nicht im Besitz der Franzosen, und zum Beispiel Vegesack ist sogar durch eine Offensive von ‘Regierungstruppen’ in hannoverscher Hand zurückgekehrt, aber die Franzosen erpressen ihren Unterhalt von Osterholz und Scharmbeck. Erst als im selben Jahr die Pläne zur Rückeroberung von Rotenburg konkret wurden, rückten die Franzosen in einer Offensive über die Lesumlinie auf Marßel und Ritterhude vor und dringen dann auch in Osterholz und Scharmbeck ein. Jedoch erschienen am 10. Januar 1758 die Hannoveraner unter General Diepenbrock (3 Bataillone, zwei Eskadrone und 600 Mann) zur Unterstützung, da noch Positionen bei Schwanewede und Ritterhude gehalten wurden. Am folgenden Tag kam es zu einem Gefecht bei Ritterhude. Der französische Kommandant Brogelio versuchte noch in der Nacht des 11./12. Januar einen erneuten Vorstoß auf Ritterhude und Schwanewede, scheiterte jedoch und zog sich zurück, wobei Bremen insofern behilflich war, als dort am 16. Januar freiwillig die Stadttore geöffnet wurden.
Da die Franzosen aus Verden Verstärkung erhielten, verblieben die Hannoveraner vorsichtshalber östlich der Lesum in St. Magnus und Ritterhude. Zur endgültigen Vertreibung der Franzosen sollte General von Diepenbrock nach Bremen und General von Wangenheim nach Rotenburg vorstoßen. Die Aktionen begannen am 15. Februar 1758, und da Rotenburg bereits am 18. Februar 1758 eingenommen wurden kann, verlassen die Franzosen den gesamten Raum um Ottersberg; und am 26. Februar gelang über Ritterhude und Lesum auch die ‚Befreiung‘ Bremens.
Zu einer erneuten Besetzung von Osterholz und Scharmbeck durch Frankreich kam es im Siebenjährigen Krieg dann nicht mehr, obwohl diese Gefahr bis Kriegsende latent blieb. Die friedliche Phase wurde 1773 zu einer Grenzreform zwischen Bremen und Hannover u.a. bei Blumenthal und Schönebeck genutzt; die vorhandenen Flecken wurden bestätigt, und Neu-Vegesack (sozusagen ‘Neubaugebiet’) trat hinzu.
Der Nordamerikanische Unabhängigkeitskrieg 1774–1783
Auch das amerikanische Streben nach Autonomie hatte Spuren in der Region. Hintergrund: Der Frieden von Paris (1763) beendete nicht nur den Siebenjährigen Krieg, sondern hinterließ nur noch einige französische Restbesitzungen auf dem Nordamerikanischen Kontinent. Doch gerade der Umstand des britischen Sieges schürte die Unzufriedenheit in Nordamerika und leistete seinen Beitrag zur „Boston Tea Party“ von 1774.
Großbritannien versuchte die separatistische Bewegung seiner Kolonie niederzuschlagen, und bekanntermaßen sanierten einige deutsche Landesfürsten (insbesondere Hessen) ihre Haushalts- und Kassendefizite durch die Lieferung frisch ‚ausgehobener‘ Truppen an die Briten: 20.000 ‚Deutsche‘ wurden nach Übersee verschifft! Dies geschah natürlich größtenteils im Geestemünder Hafen (Bremerhaven-Lehe), weshalb sie auch in Osterholz und Scharmbeck Quartier nahmen; auch der große Rückstrom aus Übersee an Kriegsversehrten lief dann über diesen Hafen; und so verfügte die Region wohl über Informationen der Niederlage von Großbritannien in Übersee aus erster Hand.
Die Französische Revolution von 1789
Sie wird heute als Endpunkt des Absolutismus angesehen, wenngleich erst Napoleon in den Jahren 1799 bis 1815 mit seinen erfolgreichen Angriffen als Vollstrecker im Rest von Europa auftrat. Politisch gesehen sind die Verhältnisse dieser Zeit, gerade auf Hinblick Hannover, etwas verwickelt, und es fällt nicht leicht, einen kurzen Ablauf darzustellen:
Anfänglich befand sich das revolutionäre Frankreich zunächst in Abwehr ausländischer Interventionsheere, in denen auch Einwohner aus Osterholz und Scharmbeck dienten: 1794–1797 starben 10 Personen für die Briten ohne deren Niederlage verhindern zu können. Auf den Friedenskonferenzen scheiden 1795 Preußen und 1797 Hannover aus der Koalition gegen Napoleon aus. Als Hauptgegner von Frankreich blieb so nur noch Großbritannien übrig, und nachdem die direkte Bedrohung abgewendet worden war, entschließt Frankreich sich nun selbst, in die Offensive zu gehen.
Napoleon überzeugt 1798 das französische Revolutionskomitee, in Ägypten vorzugehen, da eine direkte Attacke der britischen Insel auf Grund der überlegenen britischen Seestreitkräfte als nicht möglich eingeschätzt wird. Diese 'auswärtige' Auseinandersetzung der beiden Großmächte versuchen andere europäische Staaten zu nutzen, um ihren Einflussbereich in Zentraleuropa auszubauen: so hatte sich Preußen 1800 der von Russland kontrollierten Nordische Seeneutralität angeschlossen, die sich gegen die Briten richtet. Da der verwundbarste (weil erreichbare) Teil des britischen Empire nun eben Hannover ist, dringen 1801 preußische Truppen dort ein. Am 19. April besetzen Preußen auch die Osterholzer Geest. Die Truppen rückten jedoch schnell weiter vor, und im Sommer ist das Gebiet bereits wieder von ihnen frei. Da nun England und Frankreich 1801 den Friede von Lunéville) unterschrieben hatten, zogen die Preußen sich aus dem Herrschaftsbereich von Hannover wieder über die altbekannte Heerstraße Bremen-Bremervörde zurück und passierten so das Gebiet von Osterholz erneut.
Französische Revolution bis Waterloo 1789–1815
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Waterloo
Zwar war am 3. November 1813 das Herzogtum Hannover wieder eingesetzt worden, aber das stellte zunächst allenfalls einen Verwaltungsakt dar, denn Hannover verfügte kaum über bewaffnete Einheiten um seinen Anspruch auch physisch durchzusetzen: Napoleon war zwar zurückgetrieben worden, musste aber noch endgültig geschlagen werden.
Deshalb wurden - nach preußischem Vorbild - auch in Bereich Osterholz einige Jahrgänge ‚ausgehoben‘. Davon waren die 18-30jährigen am 31. Dezember 1813 und am 4. Januar 1814 sogar die 30-40jährigen betroffen. Zwar hatten inzwischen die ‘Alliierten’ auch in Frankreich die napoleonischen Heere geschlagen, hatten am 31. März 1813 Paris besetzt und am 30. Mai 1813 Frieden geschlossen, aber die militärische Ausbildung in Osterholz ging unvermindert weiter.
Als Napoleon aus seiner Internierung auf Elba zurückkehrte, rückte auch das Osterholzer Regiment ab und nahm am 18. Juni 1815 an der Schlacht bei Waterloo unter Wellington teil. Das Osterholzer Regiment gehörte also nicht zu den "verspätet" eintreffenden Preußen, sondern kämpfte auf Grund der britisch-hannoverschen Personalunion direkt unter Wellington. Weitere Einsätze führten das Osterholzer Regiment nach Oostende und im selben Jahr noch weiter tief in Belgien hinein, bevor die Soldaten zurückkehren durften.
Geschichte von Nachbarregionen bei Wikipedia
Vom Königreich Hannover zu Preußen 1815–1871
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Hannoversches Königreich 1815–1866
1815 wurde das Herzogtum Hannover ein Königreich, die Personalunion mit Großbritannien blieb bis 1837 erhalten, dann starb König Wilhelm IV.. In Hannover war eine Frau auf dem Thron nicht zulässig, und so konnte die neue englische Königin Victoria den Thron in Hannover nicht einnehmen. Damit war die Personalunion beendet, Ernst August Herzog von Cumberland wurde König von Hannover.
Vor Ort hatte das allerdings keine spürbaren Auswirkungen; allenfalls die Ablösung des Zehnten und anderer feudalistischer Lasten waren vor Ort von Interesse. Durch Auszahlung der Fronlast bzw. deren Umlage als Hypothek konnte diese Problematik jedoch zwischen 1831 und 1890 friedlich geregelt werden; als Berechnungsgrundlage dient dabei das 25fache des jährlichen Ertragwertes.
Auch die Ereignisse der Revolution von 1848 hatten keine direkten Auswirkungen; es wird lediglich von zwei Betrunkenen berichtet, die unter dem Revolutionsmotto „Gleichheit und Brüderlichkeit“ als Zechpreller auftraten, einen Zeche fordernden Wirt verprügelten und auf ihrem Weg ein paar einfachere Gemüter erschreckten, weshalb sich in Scharmbeck eine Bürgerwehr gründete, die sich später friedlich in einen Schützenverein umwandelte. Am 7. August 1862 besuchte der neue König Georg V. Osterholz und Scharmbeck, da es gilt, die Eisenbahnlinie zwischen Bremen und Geestmünde (Bremerhaven) in Betrieb zu nehmen. Da sich Osterholz und Scharmbeck nicht auf eine gemeinsame Lösung einigen konnten, wurde der Bahnhof genau zwischen den beiden Flecken errichtet, und dort wurde als Stationsbezeichnung bereits die später gemeinsame Bezeichnung Osterholz-Scharmbeck angebracht.
Es blieb nicht lange friedlich. In Preußen drohte ein Verfassungskonflikt zwischen Militär und Bürgertum, da das Parlament die Ronn’sche Heeresreform nicht mittragen wollte. Um eine erneute Revolution des Bürgertums à la 1848 zu verhindern, liebäugelten Militärs (von Manteuffel) bereits mit einem Putsch, als Otto von Bismarck einen ‘außenpolitischen’ Ausweg fand. Die bürgerliche Forderung nach Nationaler Einheit wurde übernommen, damit konnte das nationale vom liberalen Bürgertum abgespalten werden. Da Bismarck nun die Vereinigung militärisch betreiben wollte, war damit auch der Weg für die Heeresreform geebnet.
Bereits 1848-1851 wurde im Schleswig-Hollstein Krieg der Norden Deutschlands von den Dänen „befreit“, und Hannover (damit auch hiesige Bürger) hatte daran mitgewirkt, um dann das nächste „Fusions-Opfer“ der preußischen ‘Nationalen Vereinigung’ zu werden. Hannover widersetzte sich zunächst und dabei wurde die neue Verkehrsanbindung genutzt, um hannoversche Truppen auf die Eisenbahn zu verladen; allerdings zeigten sich die Preußen wohl wenig beeindruckt, denn am 27/28.Juni 1866 bei Langensalza wurde Hannover noch im wesentlichen „per pedes“ besiegt; Osterholz und Scharmbeck kamen unter preußische Verwaltung.
Bereits 1870 wurden die 1866 entlassenen ehemaligen Soldaten wieder ‘in Dienst’ gestellt; der Deutsch-französische Krieg von 1870–1871 wurde ausgefochten und endete mit dem Friedensvertrag inklusive Reichsgründung in Versailles am 18. Januar 1871.
Zum Andenken an die Gefallen errichtete die Amtsversammlung des Flecken Scharmbeck ein Denkmal (Kreuzung Osterholzer Str./Bahnhofstr.) mit den Namen der Toten.
Deutsches Reich 1871-1918
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Stadtwerdung
1885 stellten die Preußen die Verwaltung um, so wurde u.a. der Regierungsbezirk Stade geschaffen, und der Landkreis Osterholz wurde durch Zusammenlegung des Amts Lilienthal mit Osterholz gebildet. Osterholz und Scharmbeck begannen aufeinander zuzuwachsen, und schon früh kam bei der preußischen Verwaltung der Wunsch nach weiteren Reformen; u.a. auch die Bildung eines Zusammenschlusses von Osterholz und Scharmbeck zur Stadt.
Derartige Überlegungen wurden allerdings wohl durch den Ersten Weltkrieg (1914-1918) zurückgestellt, in dem 213 Personen aus Osterholz-Scharmbeck und den späteren Stadtgebieten umkamen.
Ihnen wurde in Scharmbeck (Marktplatz) und am Friedhof in Osterholz ein Ehrenmal errichtet. Allerdings wurde die kleinere Scharmbecker Denkstätte auf dem Marktplatz am 8. Dezember 1964 durch einen Lastkraftwagen gerammt und zerstört. Ein Neubau wurde dann sicherheitshalber 1966 am Volkstrauertag im Neuen Stadtpark errichtet.
Weimarer Republik: Stadtwerdung 1918–1932
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Trotz anhaltender Not mit Bezugsscheinen und Inflation konnte 1922 mit der Besiedelung im Gebiet der heutigen „Karlstr.“ und der „Langen Str.“ begonnen werden. Weitere Besiedlungen mit Einfamilienhäusern in Vor- und Hintergärten, schufen die Straßen: Klosterkamp, Auf dem Kamp, Gartenstr, Schillerstr., Goethestr., etc., wodurch die Grundlage für den späteren Slogan „Gartenstadt am Teufelsmoor“ gelegt wurde, der allerdings inzwischen durch den Satz „offen und sympathisch“ abgelöst wurde.
Mit der Gemeindereform von 1927 sollte die Idee einer gemeinsamen Stadt wieder aufgenommen werden; Blumenthal und andere Gemeinden gingen an Bremen, und eine neue tragfähige Gemeinde musste gebildet werden, um als Verwaltungssitz hergerichtet werden zu können. In einem Volksentscheid verweigerten sich jedoch die Osterholzer einem Zusammenschluss mit den Scharmbeckern.
Der Landkreis Osterholz und der Bezirksausschuss Stade begannen deshalb administrativen Druck auszuüben; und gleichzeitig nutzte der Preußische Landtag seine legislativen und exekutiven Möglichkeiten, indem er am 24. Mai 1927 die Zusammenlegung zu einem gemeinsamen Flecken von 2.200 ha mit 5.680 Einwohnern beschloss. Am 25. Oktober 1929 wurde Osterholz-Scharmbeck zur Stadt erhoben und erhielt am 12. Februar 1930 die Genehmigung zur Führung eines Stadtwappens. Im September 1936 vergrößerte sich dann noch einmal das Stadtgebiet, da Buschhausen, Lintel, Scharmbeckstotel, Westerbeck und ein Teil von Hülseberg eingegliedert wurden, wodurch bis 1939 die Einwohnerzahl etwa 7.500 Personen betrug.
Der Weg in den Krieg 1933-1939
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Arbeitslosigkeit und Nationalsozialismus
Osterholz-Scharmbeck war in den 1930er Jahren eine beschauliche Kleinstadt mit etwa 7.000 Einwohnern. Insbesondere, als 1931 die Frerichs-Werke geschlossen wurden, schoss die Anzahl der Arbeitslosen in die Höhe, am 1. Januar 1933 waren rund 700 (etwa 10 %) der Osterholz-Scharmbecker ohne Arbeit. Allerdings hatte dies zunächst keine Auswirkungen auf die Mitgliederstärke der NSDAP. Die viel benutzte Formel „Arbeitslosigkeit gleich Mitgliederzuwachs“ erweist sich auch für Osterholz-Scharmbeck als zu einfach.
Hatte die NSDAP 1931 etwa 31 Mitglieder in Osterholz-Scharmbeck, so konnte sie ihre Stärke bis Ende 1932 verdoppeln, doch erst der Zuwachs von 1933 von rund 153 auf 229 Mitglieder bewirkte einen ersten deutlichen Schub, nachdem Adolf Hitler am 31. Januar 1933 durch Hindenburg zum Reichskanzler ernannt wurde und im selben Jahr das Ermächtigungsgesetz den Beginn der Diktatur des Dritten Reichs eingeläutet hatte. Vielen Neumitgliedern kann demzufolge ein gewisser Opportunismus nicht abgesprochen werden. 1937 verfügte die Partei in Osterholz-Scharmbeck über 793 Mitglieder, und es wurde eine Teilung in eine Osterholzer und eine Scharmbecker Ortsgruppe vorgenommen.
Auch in Osterholz-Scharmbeck wurden die Geschäfte der mittelständischen Kaufleute und Handwerker durch Arbeitslosigkeit, anhaltende Wirtschaftskrise und dem Verfall der Kaufkraft zunehmend bedroht. Aus diesem dem sozialem Abstieg ausgesetzten Mittelstand entwickelte sich das Rückgrat des Nationalsozialismus. So wurde die Scharmbecker Ortsgruppe der NSDAP durch einen Schlachtermeister und die Osterholzer Ortsgruppe durch einen Klempnermeister geleitet, der „Führer“ der SS war Uhrmachermeister. Noch heute gibt es Schwierigkeiten, die Namen öffentlich – etwa in der Presse – zu nennen, da die Nachfahren in der Stadt leben.
Im wesentlichen lassen sich folgende Punkte bei der Beseitigung der damaligen Arbeitslosigkeit herausstellen.
- Erstens fungierte das beispiellose Aufrüstungsprogramm als quasi präkeynesianisches Beschäftigungs- und Konjunkturprogramm. Da aber die Herstellung eines riesigen Zerstörungs-Potentials keinen selbsttragenden Aufschwung auslösen kann, stellte sich der Krieg tatsächlich als unausweichlich dar, und „Mein Kampf“ wurde so zur „Selbsterfüllende Prophezeiung“.
- Zweitens bot die ideologische Manifestierung alter Familien- und Rollenbilder, in dem die Frau als Reproduktionsfaktor vor Erwerbsleben ‚verschont‘ bleibt, praktische Ansätze, das Angebot an Arbeitskräften zu reduzieren. So wurden 1933 Eheleute mit einem „Ehestandsdarlehen“ von 1000 Reichsmark belohnt, wenn die zukünftige Braut ihren alten Arbeitsplatz räumte.
- Drittens war die Aufhebung des Versailler Vertrag mit dem Wegfall der Rüstungsbeschränkungen verbunden; es bot sich nun die Möglichkeit zur Aufstellung eines großen Heeres.
Neben der Möglichkeit der nun ungehemmten Waffenproduktion wurde im Prinzip die gesamte Bevölkerung mehr oder minder militarisiert; d.h. Uniformen und paramilitärisches Verhalten in entsprechenden Verbänden und Organisationen breiteten sich aus. Allein die SA zählte 1938 in Osterholz-Scharmbeck rund 238 Mitglieder; im selben Jahr (3. Juli 1938) marschierten 5.500 Uniformierte (SA, SS, Wehrmacht, Reichsarbeitsdienst (RAD}, HJ etc.), am „Tag des Kreises“ durch die Stadt.
Auch die Kasernierung der Bevölkerung nahm zu, wurden doch die Arbeitslosen im wahrsten Sinne des Wortes von der Straße geholt und befanden sich nun zum Beispiel in Lagern des RAD in Hüttenbusch (Mühlendamm).
Dort konnten – auf einer 1 ha großen Fläche – vor und während des Krieges in zwölf U-förmig angeordneten Baracken 200–300 Menschen untergebracht werden, die eigentlich zur Kultivierung des Moores eingesetzt wurden. Tatsächlich baute aber zum Beispiel die ABT. 4/171 (später 177), bis zu ihrer Verlegung im Jahr 1938, Häuser und Gebäude.
Kindheit und Schulunterricht
Die Erziehung im gesamten Reichsgebiet muss als gleichgeschaltet bezeichnet werden. „Hände falten, Köpfchen senken – immer an Adolf Hitler denken“ wurde auch in den Kindergärten der NSV (Nationalsozialistische Volksfürsorge) in Osterholz-Scharmbeck gelehrt. Insbesondere Parteimitglieder traten aus der Kirche aus und schickten ihre Kinder in diese Kindergärten. Gerade aber durch außerschulische Aktivitäten versuchte das Regime die Jugend unter Kontrolle zu bekommen: Zwei Nachmittage in der Woche verbrachten die 10- bis 13-jährigen Jungen im Jungvolk und die Mädchen in dem Jungmädelbund. Die HJ war 1926 als Parteijugend gegründet worden und avanciert am 1. Dezember 1936 offiziell zur „Staatsjugend“, die als Dachorganisation der erstgenannten Organisationen fungierte; das heißt mit 14 bis 18 Jahren kommen die Jugendlichen dann in die ‚eigentliche‘ HJ (bzw. die Mädchen in den BDM - Bund Deutscher Mädel), um endgültig im Sinne des Regimes sozialisiert zu werden. Aus Rücksicht auf diese Nachmittagsveranstaltungen gab es für die 10- bis 14-Jährigen am Mittwoch und am Sonnabend auch in Osterholz-Scharmbeck keine Hausaufgaben, was die Beliebtheit dieser Organisationen bei den Kindern und Jugendlichen gesteigert haben dürfte.
Insbesondere in den „Reichsfilmstunden“ der HJ im Centralkino (Poststr.) oder „Atlantic-Kino“ der „Bahnhofstr.“ nutzten die Nazis die Möglichkeit, die Jugend propagandistisch zu gewinnen: Filme wie „Der ewige Jude“ nährten den Antisemitismus, später „Junge Adler“ die Kriegsbegeisterung, etc. Da die NSDAP mit steigenden Mitgliederzahlen in eine Osterholzer und eine Scharmbecker Ortsgruppe aufgeteilt wurde, gilt diese Aufteilung auch für die Jugendorganisationen.
Abgesehen davon, wurden im Sinne der Hitler-Doktrin: „Flink wie Windhunde, zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl“ die Jugendlichen ohnehin nicht ‚verzärtelt‘ und so bekämpften sich diese beiden Ortsgruppen (im Sinne der alten ‚Feindschaft‘ der Ortsteile) ebenfalls, Rangeleien zum Beispiel im Osterholzer Stadtwald wurden genannt.
Diese „lautstarken Übungen“ endeten jedoch bald, und mit zunehmender Kriegsdauer wurden generell die organisierten Veranstaltungen selten. An ihre Stelle traten die Luftschutzkurse- und Übungen, die (wohl etwa ab Mitte 1943) abends und sonntags stattfanden. Der Unterricht wurde stark gekürzt, insbesondere im Luftraum über Heißenbüttel sind die Kinder morgens unausgeschlafen, da fast jede Nacht Luftkämpfe über den Häusern stattfanden, während in Hambergen die Aktivität der nahen FLAK keinen Schlaf zuließ. Aber auch im Kern von Osterholz-Scharmbeck zerrten die ständigen Luftalarme an der Konzentrationsfähigkeit, weshalb ganze Schulklassen im Sinne der Kinderlandverschickung nach Polen/Zakopane) gebracht wurden. Nachdem aber auch dort die Front näher rückte, setzte der Rücktransport ein.
Trotzdem wurde auch 1944, als bereits viele Familien Angehörige im Krieg verloren hatten, die Begeisterung der Jugendlichen in der Regel ungebrochen. Im Spätherbst wurden auch die 12– bis 14-Jährigen aus Osterholz-Scharmbeck in Ritterhude im Reichsarbeitslager der „Delta-Str.“ an Panzerfäusten und Gewehren ausgebildet. Auf Grund der schnell fortschreitenden militärischen Lage blieb ihnen jedoch ein Einsatz erspart, was zum damaligen Zeitpunkt die Betroffenen möglicherweise, mit einer nachweislichen Ausnahme, bedauert haben mögen. Am 28. April 1945 wurde der 17-Jährige Kurt Albrecht auf dem "Schützenplatz" erschossen, da er sich vom Volkssturm unerlaubt entfernt hatte.
Politische Verfolgung
Generell konnte jeder Opfer des neuen Regimes werden. Insbesondere (im Zusammenhang mit der so genannten Machtergreifung) wurden im März 1933 Mitglieder der KPD verhaftet, dann folgten die Sozialdemokraten der SPD und schließlich auch andere Personengruppen:
- Heinrich Horstmann (SPD) wurde monatelang in einem Arbeitslager interniert.
- Der parteilose (nach dem Krieg CDU) Worpsweder Maler Bernhard Huys (1895–1973) erhielt wegen „Abhörens ausländischer Sender“ und „Verächtlichmachung des Führers“ zwei Jahre Zuchthaus.
- Der Lilienthaler Superintendent Friedrich Frerichs erhält eine mehrwöchige Haftstrafe, da er trotz Gestapo-Verbots die Glocken bei der Beerdigung der hingerichteten Cato Bontjes van Beek hatte läuten lassen.
Beginn der Diskriminierung und des Antisemitismus
Ist die Erziehung und Gleichschaltung der Gesellschaft als konsequente Umsetzung des Führerkults zu verstehen, gibt es daneben nur noch ein wirklich übergreifendes ideologisches Prinzip der Nazi-Diktatur: den Antisemitismus. Dieser wird systematisch in die Köpfe der Bevölkerung projiziert, daneben wird jedoch die Desintegration von Juden vor allem administrativ vorangetrieben.
Das erste jüdische Opfer der Stadt war 1933 der Kaufmann Moriz Meiberg, der sich auf Geschäfstreise befand und in Ahlhorn von SA-Angehörigen erschlagen wurde. [1]
In Osterholz-Scharmbeck befand sich die größte jüdische Gemeinde im Regierungsbezirk Stade, die - für Deutschland eigentlich üblich - fast vollständig integriert in den städtischen Gemeinschaften eingebettet waren. Viele besaßen hohe Auszeichnungen aus dem Ersten Weltkrieg. Am Fall von Annelie Müller wird die Systematik der Desintegration deutlich; am 15. September 1935 wird mit den „Nürnberger Gesetzen“ zur „Reinhaltung der arischen Rasse“ eine „Definition“ vorgenommen, der nun die konkrete Diskriminierung folgte; so erhalten 1937 die Eltern von Annlie Müller einen Brief, in dem der Zwölfjährigen die Teilnahme am Turnunterricht ihrer Klasse untersagt wurde. Da im Juni 1936 das Gesetz über die Enteignung der Juden folgte, musste die gesamte Familie kurze Zeit später in das so genannte „Judenhaus“ (Bördestr. 20) umziehen. Dort erlebt sie am 9. November 1938 die „Reichskristallnacht“, in der auch in Osterholz-Scharmbeck SA-Schlägertrupps die gesamte Palette an Demütigungen exekutiert: Häuser und Menschen werden überfallen, letztere sind schwersten Körperverletzungen ausgesetzt, Eigentum und Inventar wurden zerstört.
Anneliese Müller schilderte später die Ereignisse im „Judenhaus“ folgendermaßen: „Vier oder fünf SA-Leute hätten unten [dort war die Familie Meyer-Rosenhoff untergebracht worden] alles kurz und klein geschlagen. Fenster, Möbel, alles war kaputt. Wie sie den Meyer-Rosenhoff verprügelt haben – furchtbar“.
Auch in Osterholz-Scharmbeck wurde in dieser Nacht die Synagoge angezündet und niedergebrannt, ein Wiederaufbau erfolgte bis heute nicht. Auch eine Berufsausbildung von Annelie Müller wurde verhindert, da nach dem ‘Rassegesetz’ (Reichsbürgergesetz) auch so genannten ‘Halbjuden’ die Berufsausbildung zur Verkäuferin verboten war. Eine ‘Besserbehandlung’ als ‘Halbjuden’ ist nur insofern vorhanden, als das der Vater Wilhelm Aron nicht in ein osteuropäisches Vernichtungslager deportiert wurde, sondern sogar aus dem KZ Buchenwald zurückkehrte.
Zweiter Weltkrieg/Alliierter Vormarsch auf Osterholz 1939–1945
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Luftkrieg über Osterholz-Scharmbeck
Vor allem die Erhebungen in Worpswede und der Weyerberg gehören zum Abwehrgürtel um Bremen, aber auch in dem heutigen Stadtgebiet in Scharmbeckstotel (Settenbeck) und Wümmesiel wurden bald FLAK-Batterien der 8. Flakdivision aus Bremen aufgestellt.
Im Sommer 1940 gehörten Bahnhöfe in Norddeutschland zu den Zielen der Briten, um einen möglichen Landungsversuch - es fand gerade die so genannte „Luftschlacht um England“ statt – zu erschweren, und am 22. August 1940 (2:35 Uhr) wurde auch der Schienenstrang von Osterholz-Scharmbeck angegriffen. Folgen: ein Bahnangestellter wurde durch Bombensplitter verletzt, an den Bahnhofsgebäuden und angrenzenden Häusern entsteht erheblicher Schaden.
Bremen selbst war bereits am 18. Mai 1940 angegriffen worden; bei den insgesamt 192 „Raids“ auf Bremen, insbesondere den großen Angriffen, musste auch die Osterholz-Scharmbecker Feuerwehr zu Einsätzen nach Bremen. Und natürlich auch zum Feuersturm nach dem vernichtenden Angriff in Hamburg von 1944.
Zwar blieb auch der Landkreis Osterholz selbst Ziel von Luftattacken, aber insbesondere der Stadtkern von Osterholz-Scharmbeck wurde im wesentlichen von Treffern verschont. Am Anfang des Krieges waren allenfalls einzelne Notabwürfe angeschossener Maschinen auf das Stadt- und Kreisgebiet zu verzeichnen: eine Bombe zerstörte dabei die Badeanstalt "Am Deich", eine andere ging beim Alten Gaswerk nieder. eine dritte riss in Westerbeck einen tiefen Krater auf. Vor allem gingen aber zahlreiche dieser Bomben in den Hammewiesen nieder. Ein gewisser Höhepunkt war der 22. September 1943, da durch die Flak in Scharmbeckstotel und Wümmesiel ein viermotoriger Bomber - vermutlich eine Boeing B-17 im Anflug auf Hannover - abgeschossen wurde.[2] Der Absturzkrater in Lintel ist einige Meter tief, da die Maschine mit kompletter Bombenladung abstürzte. Folge: sieben Gehöfte brannten mit ihrem Viehbestand ab, die neun kanadischen Besatzungsmitglieder kamen alle ums Leben, wobei der letzte Tote erst einige Tage später in einem Gebüsch gefunden wurde.[3]
Eine besondere Gefahr stellten die Tiefflieger dar, die in Norddeutschland immer mehr zu einer Plage für die Zivilbevölkerung wurden und beispielsweise den Eisenbahnverkehr stark behinderten. Der notwendige Verkehr musste in unregelmäßigen Intervallen mit Waggons durchgeführt werden, die schon mehrfach Angriffen ausgesetzt waren und deshalb keine intakte Verglasung mehr aufwiesen. Um die notwendige Fahrten durchzuführen, wurden die Züge bewaffnet; das heißt auf je einem offenem Waggon vorne und hinten wird nun eine Vierling-Flak mitgeführt.
Der SD der SS zitierte am 4. Mai 1944 aus Berichten der Gestapo, wonach die Bevölkerung auch in der Region um Bremen schlimmes befürchten, wenn etwa im Sommer sich das Vieh auf den Weiden ist; auch kleine Städte rechnen jetzt mit schweren Angriffen aus der Luft.
In Osterholz-Scharmbeck waren die Drettmanwerke neben dem Bahnhof ein solches Ziel und am 23. April 1945 griffen tatsächlich acht englische Tiefflieger mit 30 Splitterbomben dort an: zwei Frauen und ein Mann wurden getötet, vier weitere Personen verletzt.
Ein ähnlicher Angriff hatte drei Tage vorher auf die Munitionsanstalt Lw. 2/IX, Muna Lübberstedt stattgefunden, dort wurde ein russischer Zwangsarbeiter getötet und drei weitere verletzt.
Statistik der Luftalarme im Landkreis Osterholz 1940-1945
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Quelle: Osterholzer Kreisblatt Nr. 17; S. 5: „Erste Bilanz eines verlorenes Krieges“ Die Zahlen für 1943 mussten anhand der Gesamtzahl korrigiert werden, da offensichtlich ein Druckfehler vorlag.
Bodenkrieg um Osterholz und Befreiung
Ab 19. April 1945 wurde es kritisch für Osterholz-Scharmbeck, am Niederrhein war die Verteidigung der Wehrmacht zusammengebrochen und alliierte Truppen konnten nun ungehindert auch nach Norden vordringen. Ab dem 20. April 1945 nahmen die Aktivitäten der Tiefflieger im Kreisgebiet deshalb eine noch größere Intensität an.
Am 23. April eroberten die Briten Bremen, die abziehenden Wehrmachtsreste sollten von General Gilbert n eine neue Division eingefügt werden, um mit dieser das Gebiet Weser-Lesum-Oste zu verteidigen. Es handelt sich ziemlich genau um die Linie, die schon im Dreißigjährigen Krieg und später eine strategische Rolle spielte.
Trotzdem wurde es mit dem Gefechtsstand in Osterholz-Scharmbeck dann nichts; das Stabsquartier befand sich bereits in Buschausen und fand sich in der Gastwirtschaft Böttcher zusammen. Als dann am 26. April auf zweimaligem Befehl, der erste kam um 16 Uhr, um 18 Uhr die Hamme-Brücken gesprengt wurden und die zurückweichenden deutschen Truppenreste das Stadtgebiet damit nicht mehr erreichen konnten, nahmen diese einen anderen Weg.
Die verbleibenden Reste der Wehrmacht leisteten aber noch weiter Widerstand. Am 28. April erging der Befehl an die Bevölkerung sich in den Kellern in Sicherheit zu bringen und am Stadtrand von Osterholz-Scharmbeck nahm ein schweres Eisenbahngeschütz auf der Kleinbahnlinie (Moorexpress) vom Stadtrand (an der Laubenstraße) aus britische Soldaten im Viehland unter Feuer, die zurückschossen und in der Ahrensfelder Str. ein Haus getroffen haben. Auch die Flak des Stadtgebietes wurde nun dorthin verlegt, um den Panzerkampf aufnehmen zu können, da trotz des Freitodes von Adolf Hitler am 30. April 1945 in Berlin weiterhin die Verteidigung des Raumes zwischen Bremen und Bremerhaven proklamiert worden war. Der Durchhaltewille wurde auch mit Gewalt befördert; am 28. April 1945 wurde der 17-Jährige Kurt Albrecht auf dem "Schützenplatz" erschossen, da er sich vom Volkssturm unerlaubt entfernt hatte.
Angesichts der Aussichtslosigkeit weigerte sich General Gilbert schließlich und am 3. Mai 1945 zogen die restlichen deutschen Soldaten der Wehrmacht nach Norden ab, inklusive der FLAK der Luftwaffe, die seit Kriegsbeginn in und um Osterholz-Scharmbeck stationiert waren.
Britische Flugzeuge beobachteten diese Truppenverlagerung ohne anzugreifen. Offensichtlich war bereits eine Art von Teil-Waffenstillstand (offizieller Sprachgebrauch: „Waffenruhe“) mit den Briten ausgehandelt worden, die sich seit 1. Mai 1945 an der Hamme-Linie bei Tietjens Hütte, Worpswede und Hüttenbusch befanden.
Über die Eisenbahnbrücke der Kleinbahnlinie Moorexpress rückte dann auch ein erster Spähtrupp der Alliierten über die Rübhofstr. bis an die Ahrensfelder Str. heran. Es handelt sich dabei um schottische Soldaten einer 700 Mann starken Kompanie, den 52. Division „Kings own Scotch Borderers“. Die Anwesenheit alliierter Truppen nahm die Osterholzer Verwaltung als Anlass, die letzten Verpflegungsdepots aufzulösen und den Inhalt an die Bevölkerung zu verteilen, hinter dem NSDAP-Gebäude „Haus des Reichs“ in der „Bahnhofstr.“ wurden Akten verbrannt. Erst am 7. Mai 1945 (16 Uhr) rollten dann die Panzer der besagten schottischen Truppe in den Kern von Osterholz-Scharmbeck ein.
Deportation und Vernichtung: „Ab nach Farge“
Mit der Wannseekonferenz von 1942 ist die so genannte „Endlösung der Judenfrage“ beschlossen worden. Die physische Vernichtung wurde unerbittlich durchgeführt und erreicht Osterholz-Scharmbeck im September 1944. Insbesondere wurden davon folgende Familien mit insgesamt achtzehn Angehörigen betroffen, von denen zwölf nicht überlebten:
- Der Kaufmann Hugo Meyer-Rosenhoff (ein Onkel von Annelie Aron) wurde 1941 verschleppt, er starb mit seiner Frau Selam und seinen beiden Töchtern Ruth und Claire in einem Lager bei Minsk.
- Clara, Hanna und Henny Cohen wurden ebenfalls in Minsk ermordet; Sigmund Cohen war bereits 1939 seinen schweren Verletzungen aus der „Reichskristallnacht“ erlegen. Der Großvater Alfred Cohen starb im KZ Theresienstadt, seine Frau überlebte und immigrierte später nach Brasilien.
- Ilse und Toni Davidson wurden ebenfalls nach Minsk verschleppt; Alfred Cohen dagegen nach Theresienstadt.
- Ebenfalls nach Theresienstadt kamen die Eheleute Josef und Irma, Alfred und Irma Heidemann sowie Moritz Aron.
- Vater Wilhelm und Bruder Willi von Annelie Aron wurden im September 1944 zur Gestapo nach Bremen (Am Wall) bestellt und dort verhaftet um in Farge eingesetzt zu werden.
„Ab nach Farge“ war wohl das gefürchtetste Wort der Gestapo in Bremen, die seit 1940 ein Arbeitslager ein Arbeitslagereingerichtet hat, welches eine wesentliche Rolle beim Bau des U-Bootbunker Valentin in Bremen-Vegesack spielt.
Annelie Müller selbst kam zunächst in ein Lager bei Oldenburg, wurde dann im November 1944 nach Bremen zurückkommandiert, als Zwangsarbeiterin bei Krupp in Oslebshausen eingesetzt oder beseitigte Bombentrümmer in Bremen. Als "Halbjude" durfte sie in Osterholz-Scharmbeck bei ihrer ‘arischen’ Mutter übernachten.
Fast noch typischer für die systematische Desintegration der Juden war die Geschichte ihres Bruders Willi Aron. Älter als Annelie hat er noch eine Bäckerausbildung absolvieren können und musste deshalb sogar Mitglied der HJ werden. 1939 wird er zum Reichsarbeitsdienst (RAD) eingezogen und wurde als Panzerjäger zur Wehrmacht eingezogen, die ihn 1942 wegen seiner jüdischen Herkunft wieder ausschloss. Willi Aron arbeitete vor seiner Verhaftung und seinem Einsatz in Bremen-Farge (U-Bootbunker Valentin) als Bäcker in Osterholz-Scharmbeck. Nach sechs Monaten Farge kam sein Vater Wilhelm in das KZ Theresienstadt, überlebte allerdings, während Willi in einem Lager bei Holzminden und dann bei Eschenbach interniert wurde. Die Bewacher flüchten dort, als die Alliierten dem Lager näherrückten und die Gefangenen machten sich auf dem Heimweg. Willi Aron wurde dabei in der "Bahnhofstr." von einer Wehrmachtsstreife gestellt, die ihn für einen Deserteur hielt, ihn allerdings dann laufen lässt, weil er von einer Osterholz-Scharmbecker Gastwirtin identifiziert werden konnte.
Zwangsarbeiter in Osterholz [4]
Insbesondere Niedersachsen versuchte kurz vor Kriegsanfang von einem Vier-Jahres-Plan zu profitieren, der in Nachbarländern Arbeitskräfte (vor allem Niederländer, Belgier, Italiener aber auch Polen) anwarb, dadurch kamen in Niedersachsen bereits 1939 auf einhundert einheimische Arbeitskräfte vierzehn angeworbene "Fremdarbeiter". Mit zunehmender Kriegsdauer fehlte dann auch in Osterholz-Scharmbeck fast die gesamte wehrfähige männliche Bevölkerung; 256 kehren nicht mehr zurück und einige Hundert geraten in Kriegsgefangenschaft.
Die dadurch fehlende Arbeitskräfte können bald auch nicht mehr durch die Mobilisierung der weiblichen Bevölkerung kompensiert werden, weshalb gefangene feindliche Soldaten, verschleppten Zivilisten und (mehr oder minder) ‘Freiwillige’ aus den besetzten Gebieten hergezogen wurden. Das Internationale Militär Tribunal (IMT] in Nürnberg errechnete rund 12 Mio. Kriegsgefangene oder deportierte Zivilarbeiter/innen, die im Herbst 1944 fast jeden dritten Arbeitsplatz einnahmen, um die Kriegsproduktion weiter aufrecht zuerhalten. Dabei wurden die Kriegsgefangenen in Niedersachsen überwiegend in der Landwirtschaft eingesetzt; zuständig für den Bereich Osterholz war das Arbeitsamt Wesermünde (Bremerhaven). In der ‘Produktion’ wurden die Gefangen natürlich vor allem in Bremen benötigt, d.h. bei Focke-Wulff, Borgward, den Werften und beim Bau des U-Bootbunker Valentin.
In Osterholz-Scharmbeck selbst boten sich lediglich hierfür die Drettmannwerke an; weiterer Produktionsstandort auf Kreisgebiet war die Munitionsanstalt Lw. 2/ IX, Muna Lübberstedt Andere Aufgaben waren Hilfestellungen für die Zivilverteidigung, u.a. wurde unter dem Marktplatz in Osterholz-Scharmbeck (zwischen Stagges Hotel, Kirche und Feuerwehrturm) von russischen Zwangsarbeitern ein Luftschutzkeller errichtet.
Die Kriegsakten der Stadt, die der britischen Militärverwaltung 1947 übergeben wurden, ergeben dabei folgende Zahlenverhältnisse für den Zeitraum 1940-1945:
- Russen: 485
- Holländer: 219
- Tschechen: 205
- Polen: 134
- Belgier: 90
- Franzosen: 69
Allerdings kehrten nicht alle diese Menschen in ihre Heimat zurück:
- Auf dem Friedhof "Lange Straße" liegen neun Russen und fünf Polen begraben; darunter ein 15-jähriger, der sich 1942 erhängt hatte.
- Ein Russe beging in Scharmbeck Selbstmord.
- Ein Russe starb in einem Hospital in Bremen-Oberneuland.
- Ein Pole wurde auf dem "Tinzenberg" nach einem Fluchtversuch 1945 erhängt.
- Ein Pole brachte ‘seinen’ Bauern 1945 nach Kriegsende um und wurde von einem alliierten Militärgericht zu 15 Jahren Haft verurteilt.
Nachkriegszeit 1945–1949
NeuanfangDie schottische Einheit, die mit Erstaunen das englisch-königliche Wappen in der Klosterkirche registrierten (ehemalige Personalunion des Hauses Hannover mit dem britischen Königsthron), verließen nach etwa einer Woche Osterholz-Scharmbeck, da die Amerikaner Bremen und Bremerhaven als wichtige Häfen verwalteten und Osterholz-Scharmbeck als Einzugsgebiet im Juni 1945 in ihre Obhut übernahmen. Die Amerikaner waren entschlossen in Deutschland gründlich aufzuräumen, und auch in Osterholz-Scharmbeck fuhr ein Jeep – gefolgt von einem Lastwagen – durch die „Bahnhofstr.“, um alle Träger des Regimes festzunehmen und in die Letow-Vorbeck-Schule in Bremen (Nähe Bürgerweide) zu bringen. Die Amerikaner setzten auch in Osterholz-Scharmbeck zunächst auf die Verfolgten des alten Regimes, und so wurde 1945 der Alt-SPDler Helmut Lange vom amerikanischen Kreiskommandanten Ltd. Colonel Reed als erster Kreisdirektor und stellvertretender Bürgermeister eingesetzt. 1946 schied Helmut Lange, der im Ersten Weltkrieg ein Bein verloren hatte, aus gesundheitlichen Gründen aus und Louis Biester wurde sein Nachfolger. Die Probleme durch die zahlreichen Flüchtlinge waren riesengroß; die Zusammenarbeit mit der Militärregierung klappt nicht von Anfang an. Mit seinen nur 30 Mitarbeitern war die Kreisverwaltung vollständig überfordert. Zudem stellte die Militärregierung alle Zahlungen der Reichszuschüsse ein. Dies bedeutete, dass bald 1,8 Mio. Reichsmark dieser Reichszuschüsse fehlten; um die Renten und Sozialausgaben (auch an Flüchtlinge) in Osterholz-Scharmbeck auszubezahlen. Das Geld musste in Bremen von den Amerikanern "besorgt" werden. Anfänge der PolitikDie erste öffentliche politische Versammlung hielten die Kommunisten am 23. September 1945 im Tivoli Hotel ab; deren Stammkneipe ist die Gaststätte an der Ecke "Bahnhofsr./Lindenstr." (heute ein italienisches Restaurant), die bereits vorher eine typisch proletarische Kneipe gewesen sein soll, in der ursprünglich vor allem die Reiswerkearbeiter verkehrt hatten. Die SPD zog am 5. Oktober am gleichen Ort nach und ihr Ortsverein hält am 28. Oktober 1945 in der Gaststätte Lohoff seine erste öffentliche Versammlung ab. Die Amerikaner hatten sogar Überlegungen angestellt, ein geschlossenes Gebiet Bremen-Bremerhaven herzustellen, aber der erste bremische Bürgermeister Wilhelm Kaisen soll mit den Worten abgelehnt haben, er sei nicht auf Beute in den umliegenden Gemeinden aus. (So gesehen ist der Erste Bürgermeister Bremens im Nachhinein mitverantwortlich für die aktuelle Finanzkrise des Bundeslandes Bremen, die wesentlich 1973 durch das Splitting der Einkommenssteuer nach dem Wohnortprinzip ausgelöst wurde, auf die Bremen als Stadtstaat nicht mit Eingemeindung reagieren kann.) Jedenfalls wurde Osterholz-Scharmbeck deshalb am 10. Dezember 1945 der britischen Besatzungszone zugesprochen. Die Briten hoben die Zweiteiligkeit der örtlichen Verwaltung in einen staatlichen und einen kommunalen Teil auf. Außerdem sollen die Kommunalpolitiker gewählt und demokratisch kontrolliert werden; das heißt der durch die Amerikaner eingesetzte sollte nun durch einen gewählten Kreistag abgelöst werden, und im Februar 1946 ging der Erlass aus, einen Kreistag mit 32 Mitgliedern wählen zu lassen. Dieser konnte dann am 8. Februar 1946 seine erste Sitzung abhalten. EntnazifizierungAuch die Briten hatten bestimmte Vorstellungen über die Durchführung einer Entnazifizierung und so wurden 16 Verwaltungsangestellte entlassen, obwohl nichts gegen sie vorlag. Da niemand eingestellt wurde, der nicht ‘entnazifiziert’ war, wurde der Aufbau der Verwaltung verzögert. Eine wichtige Aufgabe war dabei die Bildung eines Hauptentnazifizierungsausschusses (Mai 1946), mit folgender Zusammensetzung: KPD (1), SPD (3) und NLP (2), der jedoch nur Gutachten der niedrigerer Kategorien verfasst, die allerdings in der Regel von der britischen Militärregierung akzeptiert wurden, die sich selbst vorbehielten, Kategorien I und II auf einer Fünfer-Skala zu behandeln. War jemand nicht mit dem Ergebnis durch den Ausschuss einverstanden, gab es eine Berufungskammer in Stade. Dieses Verfahren war sehr mühsam, und junge Männer, die als 18jährige zum Kriegsende noch schnell zur Wehrmacht eingezogen worden waren, konnten jahrelang kein Studium aufnehmen, da ihnen die Entnazifizierung fehlte. ErnährungslageDie Ernährungslage wurde 1946 auch in Osterholz-Scharmbeck langsam kritisch; in den Gebieten der britischen Zone wurden die Rationen auf 1014 Kalorien pro Person und Tag festgelegt. Die Not der Bevölkerung hat bis heute ihre Spuren in Osterholz-Scharmbeck hinterlassen. Auf Grund des Brennholzmangels wurden sämtliche Lindenbäume der „Bahnhofstr.“ abgeholzt, und auch im Klosterholz fehlte bald so mancher Baum. Damit wurden die Alleen vernichtet, die einst so viele Bremer nach Osterholz-Scharmbeck zum Flanieren gelockt hatten. 1950–1971 Wiederaufbau, „Baby-Boom“ , Erste Modernisierung
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