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Kernfusionsreaktor

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Ein Deuterium- und ein Tritium-Atomkern verschmelzen zu einem Heliumkern unter Freisetzung eines schnellen Neutrons.
Diese Energiequelle kann den Bedarf der Menschheit auf Jahrtausende decken.

Als Kernfusionsreaktor bezeichnet man nukleare Reaktoren, die durch Fusion leichter Atomkerne in einer energetischen Kettenreaktion Wärmeenergie gewinnen, mit der beispielsweise elektrischer Strom erzeugt werden kann.

Die technologische Entwicklung der Kernfusionsreaktoren ist in den größeren Industrieländern im Gange. Ein solches Reaktorkraftwerk könnte mit vergleichsweise geringem Brennstoffverbrauch und mäßigem Anfall radioaktiven Abfalls große Mengen an elektrischer Energie liefern.

Die physikalischen Grundlagen von vielen einzelnen Kernfusionsreaktionen sind durch die Kernphysik bekannt. Die Bedingungen, unter denen eine solche Reaktion kettenreaktionsartig, aber kontrolliert in technischem Maßstab ablaufen kann, hat die Plasmaphysik erforscht (es handelt sich dabei um eine Kettenreaktion im energetischen Sinne wie bei chemischen Kettenreaktionen, nicht um eine Weitergabe von Teilchen wie bei der Kernspaltungs-Kettenreaktion). Die Möglichkeit zur Freisetzung großer Energiemengen durch Kernfusion wird durch die Wasserstoffbombe demonstriert, in der diese Reaktion explosionsartig abläuft. Intensive Forschungsarbeiten für Kernfusionsreaktoren laufen seit etwa 1960. Die erste kontrollierte Fusions-Kettenreaktion gelang 1970 mit der Anlage Tokamak-3 in der Sowjetunion.

Auch die von der Sonne abgestrahlte Energie wird durch Kernfusion erzeugt, allerdings mit anderen Kernreaktionen, die für eine technische Nutzung auf der Erde aussichtslos sind.

Nach Ansicht der meisten Experten ist eine kommerzielle Nutzung von Kernfusionsreaktoren frühestens etwa 2050 zu erwarten. Der erste Versuchsreaktor, dessen Fusionsplasma mehr Energie abgeben als aufnehmen wird, ist ITER. Er wird (außer dieser Demonstration des Prinzips) zur Erprobung und Entwicklung vieler technischer Einzelheiten dienen, jedoch noch keine Nutzenergie (Strom) liefern. Der Fusionsbetrieb in ITER soll 2016 beginnen. Die Europäische Union, die USA, Japan, die Volksrepublik China, Russland, Indien und Südkorea haben sich Mitte 2005 nach langen Verhandlungen auf den Bau dieser Versuchsanlage in Cadarache in Südfrankreich geeinigt. Sie soll mit Kosten von insgesamt 9,6 Milliarden Euro aufgebaut und 20 Jahre lang betrieben werden.


Physikalisches Prinzip

Das physikalische Grundproblem ist die gegenseitige elektrische Abstoßung zwischen den (immer positiv geladenen) Atomkernen (Ionen), die zur Reaktion überwunden werden muss. Die notwendige kinetische Energie der Ionen für das Auftreten genügend vieler Fusionsreaktionen entspricht einer Temperatur von über 100 Mio. Grad Celsius. Materie befindet sich bei diesen Temperaturen im Plasma-Zustand, in dem die Atomkerne von ihren Elektronen vollkommen getrennt sind. Um die Fusion der Kerne einzuleiten, muss zunächst das Plasma hergestellt und auf die nötige Temperatur gebracht werden, also Energie von außen zugeführt werden. Bei genügender Temperatur „zündet“ dann die Kettenreaktion, d. h., ein Teil der bei den Verschmelzungen gewonnenen Energie leitet jeweils durch Teilchenstöße weitere Verschmelzungen ein.

Brennstoff Deuterium-Tritium

Am geringsten ist die Abstoßung offensichtlich zwischen Atomkernen, die nur je 1 Elementarladung tragen. Dies sind die Isotope des Wasserstoffs. Die Fusionsreaktion zwischen den Wasserstoffisotopen Deuterium und Tritium,

(siehe auch Kernfusion) zeichnet sich aus durch einen hohen Energiegewinn und einen ausreichenden Wirkungsquerschnitt (Reaktionswahrscheinlichkeit) bei technisch erreichbaren Plasmatemperaturen. Deuterium-Tritium-Gemisch, im Folgenden kurz „DT“, ist daher der Fusionsbrennstoff, auf den sich bis jetzt die gesamte in Entwicklung befindliche Fusionstechnologie bezieht.

Bestimmte andere Fusionsreaktionen und damit -brennstoffe (siehe Abschnitt „Andere Brennstoffe als Deuterium-Tritium“) hätten gegenüber DT verschiedene Vorteile, z. B. hinsichtlich Radioaktivität und Auskopplung der gewonnenen Energie. Sie stellen aber – wegen geringeren Energiegewinns, viel höherer nötiger Plasmatemperaturen oder mangelnder Verfügbarkeit auf der Erde – bis auf Weiteres nur rein theoretische Möglichkeiten dar.

Allgemeine Probleme bei Deuterium-Tritium-Reaktoren

Ein DT-Fusionsreaktor muss neben der Gewinnung und technischen Nutzbarmachung der Energie auch, ähnlich einem Brutreaktor, den Brennstoff Tritium aus Lithium erbrüten, da Tritium als natürliche Ressource nicht vorhanden ist. Dies wird im Artikel Blanket beschrieben.

Die Nutzenergie des DT-Reaktors tritt in Form sehr schneller Neutronen auf. Die hohe Energie der Neutronen (14,1  MeV) und die hohe Neutronenflussdichte stellen eine technische Herausforderung dar, denn die Materialien des Reaktors altern dadurch verstärkt; außerdem werden durch Kernreaktionen zwischen den schnellen Neutronen und den Materialien radioaktive Nuklide gebildet. Bei der Wahl der Materialien muss dies berücksichtigt werden, um möglichst wenig Radioaktivität und diese mit möglichst geringer Lebensdauer zu erzeugen. Übliche Chrom-Nickel-Edelstähle sind z. B. auf die Dauer nicht brauchbar, weil aus dem Nickelanteil große Mengen des relativ langlebigen und stark gammastrahlenden Cobalt-60 entstehen würden. Die Werkstoffentwicklung ist daher ein entscheidend wichtiger Teil der Fusions-Entwicklungsprogramme.

Plasmaeinschluss und Lawson-Kriterium

Für eine selbsterhaltende energetische Kettenreaktion, die mehr Energie liefert, als zu ihrer Einleitung aufgewendet wurde, muss bei gegebener Temperatur des DT-Plasmas das Produkt aus der Plasmadichte und der Einschlussdauer, während der diese Dichte und Temperatur aufrechterhalten bleiben, einen bestimmten Mindestwert übersteigen (Lawson-Kriterium). Das Plasma muss dabei so eingeschlossen werden, dass es nicht mit der Gefäßwand zusammenstößt, weil es dann sofort auskühlen würde.

Die Erfüllung der Bedingung ist auf zwei ganz verschiedenen Wegen möglich:

  • Reaktorkonzepte mit mäßig hoher Plasmadichte und dauerhaftem – mindestens minutenlangem – Einschluss des Plasmas durch Magnetfelder;
  • Reaktorkonzepte mit extrem hoher Plasmadichte und sehr kurz dauerndem Einschluss (Nanosekunden), der durch die Massenträgheit des Plasmas selbst bewirkt wird.

Die technologische Entwicklung zur zivilen Nutzung der Fusionsenergie umfasst bis heute fast nur die magnetische Einschlussmethode.

Reaktorkonzepte mit magnetischem Einschluss

Ausführlichere Darstellung unter Fusion mittels magnetischen Einschlusses

In Tokamaks und Stellaratoren schließt ein torusförmiges, verdrilltes Magnetfeld das Plasma ein. Tokamaks erzeugen die Verdrillung durch Induzieren eines elektrischen Stroms in das Plasma, Stellaratoren haben stattdessen spezielle, komplizierte Formen der Magnetfeldspulen.

Der Tokamak ist das heute am weitesten fortgeschrittene und international mit ITER (siehe oben) verfolgte Konzept. Er hat jedoch den prinzipbedingten Nachteil, dass sein Betrieb nicht kontinuierlich, sondern nur gepulst, d. h. mit regelmäßigen kurzen Unterbrechungen, möglich ist. Deshalb wird als Alternative auch die Stellarator-Entwicklungslinie mit öffentlichen Forschungsmitteln unterstützt.

Eine Netto-Energiegewinnung erfordert

  • relativ große Reaktorgefäße (siehe Abbildung unten), da nur in diesen genügende Plasmatemperaturen erreicht und gehalten werden können,
  • und den Einsatz supraleitender Magnetspulen, damit deren elektrischer Energieverbrauch gering bleibt.

Auch einige existierende Versuchsanlagen und die im Bau befindlichen Wendelstein 7-X und ITER verwenden bereits supraleitende Spulen.

Das Plasma ist empfindlich auf Verunreinigungen. Es kann und muss von diesen durch den Einsatz eines Divertors gereinigt werden.

Bemerkung zur Terminologie: Mit der Bezeichnung „Reaktor“ ist meist die Gesamtanlage gemeint, die schon bei den heutigen Versuchseinrichtungen aus vielen Teilen besteht: mindestens aus dem Plasmagefäß, der Magnetspulenanordnung mit Stromversorgung und ggf. kryotechnischer Anlage, Plasma-Heizeinrichtungen sowie Meßeinrichtungen. Beim zukünftigen Fusionskraftwerk kommen dazu noch das Blanket mit Anlage zur Tritiumaufarbeitung, der/die Dampferzeuger und Turbinen-Generator-Sätze.

Aufheizen des Plasmas

Wenn die Fusionsreaktion als energetische Kettenreaktion abläuft, geben die gebildeten Heliumkerne ihre Energie durch Stöße an Deuterium- und Tritiumkerne ab und erhalten so die notwendige Temperatur aufrecht. Um den Prozess in Gang zu bringen, muss das Wasserstoffplasma jedoch „von außen“ auf etwa 100 Millionen Grad aufgeheizt werden. Hierfür werden verschiedene Methoden entwickelt:

  • Elektrisches Aufheizen: Plasma ist ein elektrischer Leiter und kann mittels eines induzierten elektrischen Stromes erwärmt werden. Allerdings steigt die Leitfähigkeit des Plasmas mit steigender Temperatur, so dass der dem Strom entgegengesetzte Widerstand ab etwa 20-30 Millionen Grad nicht mehr ausreicht, das Plasma stärker zu erwärmen.
  • Neutralteilchen-Einschuss: Beim Einschießen schneller neutraler Atome in das Plasma („neutral beam injection“, kurz NBI) bewirkt die kinetische Energie der Atome – die im Plasma sofort ionisiert werden – das Aufheizen des Plasmas.
  • Ionen-Einschuss: Ionen- oder Schwerionenstrahlen werden in das Plasma geschossen. Diese lassen sich relativ leicht erzeugen und beschleunigen und tragen eine sehr hohe Energie in das Plasma.
  • Magnetische Kompression: Das Plasma kann wie ein Gas durch schnelles („adiabatisches“) Zusammenpressen erwärmt werden. Ein Magnetfeld ist geeignet, das Plasma zusammenzupressen. Ein zusätzlicher Vorteil dieser Methode ist, dass zugleich die Plasmadichte erhöht wird. Nachteilig ist, dass das komprimierte Plasma unter Umständen nur noch einen kleinen Teil des Volumens des Reaktionsgefäßes einnimmt.
  • Elektromagnetische Wellen: Mikrowellen können die Ionen und Elektronen im Plasma auf ihren Resonanzfrequenzen anregen und somit Energie in das Plasma übertragen. Diese Methoden des Aufheizens nennt man „ion cyclotron radio frequency“ (ICRF) und „electron cyclotron resonance heating“ (ECRH).

Nachfüllen des Brennstoffs

Brennstoff wird während der Brenndauer des Plasmas nachgefüllt, indem „Pellets“ aus gefrorenem Deuterium-Tritium-Gemisch in das Gefäß hineingeschossen werden.

Abfuhr und Nutzung der freigesetzten Energie

Vier Fünftel der Energieausbeute der Kernreaktion (14,1 MeV, s. oben) finden sich in der Bewegungsenergie des erzeugten Neutrons. Dieses wird vom Magnetfeld nicht beeinflusst, durchdringt leicht die Wand des Plasmagefäßes und gelangt damit in das Blanket, wo es durch Stöße seine Energie als Wärme abgibt und danach zum Erbrüten eines Tritiumatoms dient.

Reaktoren mit inertiellem oder Trägheitseinschluss

Ausführlichere Darstellung unter Trägheitsfusion

In einem Trägheitseinschluss-Fusionsreaktor würden, stark vereinfacht gesagt, sehr kleine Wasserstoffbomben in einem Reaktorgefäß gezündet werden. Das Problem, die nötige Zündenergie genügend schnell (innerhalb weniger Nanosekunden) in ein Zielvolumen von weniger als 1 Kubikzentimeter zu bringen, lässt sich mittels Laserstrahlen oder Ionenstrahlen aus Teilchenbeschleunigern lösen. Der dadurch extrem schnell aufgeheizte Brennstoff – beispielsweise 2,5 Milligramm DT, also rund 3 · 1020 Atompaare – wird durch Rückstoßeffekte zu einem Plasma sehr hoher Dichte, dessen Fusionsprozess insgesamt eine Energie von 1 GJ freisetzt. Die Reaktion läuft nur so lange ab, wie der Brennstoff durch seine Massenträgheit zusammenhält (Picosekunden), aber wegen der Dichte genügt dies für einen Netto-Energiegewinn. In einem Reaktor dieser Art würden pro Sekunde mehrere eingeschossene DT-„Targets“ abbrennen.

Da bei der Trägheitseinschluss-Fusionstechnik militärrelevante Technologien eingesetzt werden, findet internationale Zusammenarbeit mit ihrem zwangsläufigen Wissenstransfer nur in geringem Maße statt. Hochleistungslaser wurden z.B. im Rahmen des SDI-Projektes entwickelt, während das Implosionsverfahren zur Optimierung von Kernwaffen Verwendung findet. Bisher ist nur die Lasermethode bis zum Beschuss von DT-Targets gelangt. Für die zivile Reaktoranwendung, also einen Netto-Energiegewinn, ist jedoch gerade sie wegen der geringen Wirkungsgrade von Lasern kaum geeignet.

Alternative Konzepte der DT-Fusionsenergiegewinnung

Weitere, alternative und z. T. umstrittene Konzepte zum Plasmaeinschluss oder zur Fusionsenergiegewinnung ohne Plasma sind unter Farnsworth-Hirsch-Fusor, Kalte Fusion und Bläschenfusion beschrieben.

Liste von Versuchsanlagen

Datei:Tokmak - ITER cut.jpg
ITER-Modell
(zum Größenvergleich links unten ein Mensch)

Tokamaks

Im Betrieb befindliche größere Tokamaks:

Geplante Tokamaks:

Stellaratoren

Trägheitseinschluss (Laserfusion)

Andere

Für und Wider

Machbarkeit und Kosten

Es ist noch nicht klar, inwiefern die Kernfusion mit herkömmlichen Energiequellen konkurrieren könnte, da zwar mit vernachlässigbar geringen Kosten für den Brennstoff gerechnet werden kann, der Bau des eigentlichen Reaktors jedoch eine große Investition bedeutet. Aktuelle Berechnungen (2005) gehen von einem Kostenaufwand von rund 4,8 Mrd. EUR aus, um einen funktionstüchtigen Kernfusionsreaktor zu etablieren. Die Betriebskosten hochgerechnet auf 30 Jahre würden nochmals den gleichen Betrag erfordern. Kalkulationen ergeben Stromkosten von ca. 5–10 Cent je kWh für Reaktoren der ersten Generation.

Andererseits wird bei einer weiteren Verknappung der fossilen Energieträger der Preis dieser Brennstoffe weiter steigen. Es ist zweifelhaft, ob regenerative Methoden der Stromerzeugung wie z. B. die Solar-, Wind- oder Wasserenergie so ausgebaut werden können, dass mit ihnen alleine dauerhaft der gesamte Welt-Energiebedarf gedeckt werden wird. Somit wird die Fusion, wenn sie operativ einsatzfähig ist, möglicherweise sogar wesentlich günstiger sein, als es herkömmliche Stromerzeugungsmethoden dann sein werden.

Zwischen den bisherigen Kenntnissen und einem funktionierenden Prototypkraftwerk stehen noch bedeutende technische Probleme. Es ist nicht endgültig geklärt, ob ein Fusionsreaktor kommerziell nutzbare Energie liefern kann. Mit ITER soll gezeigt werden, dass die Vergrößerung des Reaktors das erhoffte bessere Verhältnis von aufgewendeter zu gewonnener Energie liefert. Der Nachfolger von ITER, DEMO, soll um das Jahr 2040 schließlich kommerziell nutzbare Energiegewinnung demonstrieren.

Datei:Brennstoff Kernfusion.png
Vergleich der in einem Kraftwerk jährlich einzusetzenden Brennstoffmengen für die Erzeugung der gleichen Energiemenge: Kohle, Öl, Kernspaltung, Kernfusion

Um wirtschaftlich arbeiten zu können, müssen Fusionskraftwerke eine gewisse Mindestbaugröße aufweisen, welche etwa den heutigen Kernspaltungskraftwerken entspricht (im Bereich zwischen 1000 und 2000 MW pro Block). Eine Integration solcher Anlagen in das bestehende europäische Verbundstromnetz, z. B. anstelle abgeschalteter Kernkraftwerke, wäre ohne größere Probleme zu realisieren.

Der Jahresverbrauch eines Fusionskraftwerks mit einer Leistung von 1000 MW beträgt 100 kg Deuterium und 150 kg Tritium (aus 300 kg Lithium erbrütet). Für die Brennstoffversorgung fallen also nur geringfügige Kosten und kaum Transporte an.

Verfügbarkeit des Brennstoffs

Deuterium ist zu ca. 0,015 % im natürlichen Wasser enthalten und somit fast unbegrenzt verfügbar. Tritium ist in der Natur fast nicht verfügbar, muss also erzeugt werden. Es wird im Blanket des Reaktors nach folgender Reaktionsgleichung aus Lithium erbrütet:

Da Lithium seltener vorkommt als Deuterium, stellt es den begrenzenden Faktor dar. Die technisch nutzbaren Lithiumvorkommen reichen jedoch aus, um den Energiebedarf der Menschheit für einige tausend Jahre zu decken. Der Brennstoff ist

  • langfristig vorhanden,
  • leicht zu gewinnen,
  • preiswert und
  • weltweit verteilt (so dass keine politischen Abhängigkeiten auftreten).

Umweltaspekte und Sicherheit

Fusionskraftwerke haben

  • keinen Ausstoß von Abgasen, insbesondere von Treibhausabgasen wie CO2;
  • keine Reaktion, die außer Kontrolle geraten (überkritisch werden) kann, da die Zündbedingungen mit großem Aufwand aufrechterhalten werden müssen und die Fusion bei der kleinsten Störung abbricht;
  • ein sehr kleines Brennstoffinventar an radioaktivem Tritium im Plasmagefäß mit etwa 0,5 g (im gesamten Reaktor <500 g);
  • im Gegensatz zur Kernspaltung keine Transporte radioaktiven Brennstoffs nötig, da die Ausgangsstoffe Lithium und Deuterium nicht radioaktiv sind (Tritium wird in der Anlage aus Lithium erbrütet);
  • als radioaktives Inventar Tritium und aktivierte Reaktorbestandteile.

Sobald ein DT-Fusionsreaktor einige Jahre in Betrieb gewesen ist, wird sein Radioaktivitäts-„Inventar“ von gleicher Größenordnung wie bei einem Spaltungs-Kernkraftwerk gleicher Leistung sein. Es stammt aber, anders als dort, fast nur aus der Aktivierung von Reaktorbestandteilen durch die schnellen Neutronen (die Aktivität des Tritiums in der Anlage ist dann nur noch ein kleiner Anteil). Durch Verwendung geeigneter Materialien, die allerdings zur Zeit erst entwickelt werden, kann erreicht werden, dass die Halbwertszeiten der entstehenden Nuklide ganz überwiegend kurz sind. Entsprechend verringert sich die Problematik der Endlagerung; angestrebt wird, dass der allergrößte Teil des Restmaterials nach Ende der Nutzungsdauer eines Fusionskraftwerks nur für etwa 100 Jahre kontrolliert gelagert werden muss. Reparaturen und Wartungsarbeiten während der Nutzungsdauer des Reaktors müssen aber großenteils ferngesteuert ausgeführt werden. Die Freisetzung von Radionukliden aus der Anlage lässt sich zwar weitgehend reduzieren, kann aber aus physikalischen Gründen niemals vollständig verhindert werden.

Kritiker weisen auf die in weiter Zukunft liegende Verfügbarkeit hin und geben zu bedenken, dass Fragen der Sicherheit und Umweltverträglichkeit erst bei einem voll entwickelten Konzept beantwortbar seien.

DT-Fusionsreaktoren wären demnach eine Verbesserung gegenüber herkömmlichen Kernreaktoren, aber keineswegs frei von Radioaktivitätsproblemen. Eine Verringerung des radioaktiven Inventars um Größenordnungen wäre erst mit anderen, heute noch utopischen Fusionsbrennstoffen möglich (siehe unten).

Risiken hinsichtlich Kernwaffenverbreitung

DT-Fusionskraftwerke können die Verbreitungsgefahr von Kernwaffen erhöhen. Jede solche Anlage würde so viele schnelle Neutronen produzieren, dass mit ihrer Hilfe im laufenden Betrieb relativ rasch isotopenreines spaltbares Material erzeugt (erbrütet) werden kann, das in Spaltungsbomben einsetzbar ist.

Weiterhin kann bereits eine geringe Menge Tritium oder ein Deuterium-Tritium-Gemisch im Inneren einer herkömmlichen Atombombe deren Energieproduktion und Zerstörungskraft deutlich steigern, da die bei der Fusion zahlreich erzeugten Neutronen die Kettenreaktion im Uran- oder Plutonium-Kernsprengstoff entsprechend intensivieren. Einfache Kernwaffenkonstruktionen mit nur gering überkritischer Spaltstoffanordnung zum Zeitpunkt der Zündung, wie sie einer terroristischen Gruppe noch am ehesten zuzutrauen sind, profitieren jedoch am wenigsten von einem solchen „Fusions-Booster“.

Schließlich kann Wissen aus der Kernfusionsforschung (etwa Wirkungsquerschnitte für die Fusions-Reaktion, das Gasverhalten bei hohen Temperaturen und Drücken oder numerische Simulationsmodelle) im Prinzip auch für Bau und Optimierung von Wasserstoffbomben genutzt werden. Allerdings wäre eine Waffe mit DT-Brennstoff praktisch kaum brauchbar.[4]

Andere Brennstoffe als Deuterium-Tritium

Wie oben bemerkt, sind bei den folgend erwähnten Fusionsreaktionen die Energieausbeuten und/oder die Wirkungsquerschnitte bei realistischen Plasmatemperaturen zu klein, um eine wirtschaftliche technische Nutzung heute absehen zu können, oder die Stoffe sind auf der Erde nicht in genügender Menge verfügbar. Die Brennstoffe sind aber grundsätzlich interessant als Möglichkeiten in einer fernen Zukunft.

Deuterium-Deuterium

Reines Deuterium ist der fast ausschließlich verwendete Brennstoff der bisherigen Versuchsanlagen, denn die meisten technischen Probleme des Fusionsplasmas können auch damit statt mit DT-Brennstoff untersucht werden. Für die DD-Fusion ist kein Erbrüten des Brennstoffs nötig, der Brennstoff ist nicht radioaktiv, und die Abstoßung zwischen den Reaktionspartnern ist nicht größer als bei der DT-Reaktion. Zwei Reaktionsverläufe sind möglich:

Für eine Kraftwerksnutzung sind die Nachteile gegenüber DT der viel kleinere Energiegewinn und der viel kleinere Wirkungsquerschnitt, was die erforderliche Einschlusszeit erhöht. Das Plasma ist durch das entstehende Tritium nicht ganz frei von Radioaktivität. Als Folgereaktionen treten im DD-Plasma zusätzlich auf:

Deuterium - Helium-3 und Helium-3 - Helium-3

Der Helium-3-Kern ähnelt dem Tritiumkern, wenn man Neutronen und Protonen miteinander vertauscht. Die D-3He-Reaktion (oben als Folgereaktion der Deuterium-Deuterium-Fusion erwähnt) liefert dementsprechend einen He-4-Kern und ein Proton von etwa 14 MeV Energie. Allerdings muss die höhere Abstoßung des doppelt geladenen He-3-Kerns überwunden werden. Die Umsetzung der kinetischen Energie des Protons in nutzbare Form wäre einfacher als beim Neutron aus der DT-Reaktion. In geringem Maße würden auch Deuteriumionen untereinander reagieren, es entstünden also auch Neutronen und Tritium, aber die Strahlenschadens- und Radioaktivitätsprobleme wären um Größenordnungen geringer.

In einem allein mit He-3 betriebenen Fusionsreaktor gäbe es so gut wie keine Radioaktivität. Allerdings müssten für die Reaktion

noch größere Abstoßungskräfte überwunden werden.

Eine grundsätzliche Schwierigkeit liegt in der Verfügbarkeit von He-3, das auf der Erde nur in geringer Menge vorhanden ist.

Schwerere Brennstoffe

Es ist vorgeschlagen worden, Nuklide wie Lithium, Beryllium oder Bor zu fusionieren. Derartige Reaktionen würden wenige Neutronen freisetzen und - wie auch D + 3He - die Energie stattdessen in Form geladener Teilchen abgeben, also leichter zu nutzen sein.

Allerdings sind die erforderlichen Bedingungen für diese Reaktionen noch viel schwieriger zu erreichen, weil es sich um mehrfach geladene Atomkerne mit entsprechend stärkerer Abstoßung handelt. Zum Beispiel müsste für die Bor-Reaktion, 11B + p --> 3 4He, im Vergleich zur Tritium-Reaktion die Temperatur 10-mal höher und die Einschlusszeit 500-mal länger sein. Selbst dann ist die Leistungsdichte 2500-mal niedriger.


Siehe auch

Literatur

Einführung in die Kernfusion, IPP-Berichte (PDF, 9 MB)

A. Bradshaw, T. Hamacher: Kernfusion - Eine nachhaltige Energiequelle der Zukunft; in: Naturwissenschaftliche Rundschau 12/2005, S. 629

Quellen

  1. Xinhua: Nuke fusion reactor completes test, 24. März 2006
  2. Japan Atomic Energy Agency, Naka Fusion Institute, JT-60 Research Program
  3. The Yomiuri Shimbun: JT-60 smashes record plasma duration time, 11. Mai 2006
  4. Wasserstoffbombe auf der Basis von Deuterium-Tritium wenig praxistauglich

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