Zum Inhalt springen

Multiple Sklerose

Diese Seite befindet sich derzeit im Review-Prozess
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 24. Oktober 2007 um 23:06 Uhr durch Marvin 101 (Diskussion | Beiträge) (Symptomatische Therapie: Aufgeräumt. Fatigue-Therapie aufgeräumt und referenziert.). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Klassifikation nach ICD-10
G35 Multiple Sklerose (Encephalomyelitis disseminata)
{{{02-BEZEICHNUNG}}}
{{{03-BEZEICHNUNG}}}
{{{04-BEZEICHNUNG}}}
{{{05-BEZEICHNUNG}}}
{{{06-BEZEICHNUNG}}}
{{{07-BEZEICHNUNG}}}
{{{08-BEZEICHNUNG}}}
{{{09-BEZEICHNUNG}}}
{{{10-BEZEICHNUNG}}}
{{{11-BEZEICHNUNG}}}
{{{12-BEZEICHNUNG}}}
{{{13-BEZEICHNUNG}}}
{{{14-BEZEICHNUNG}}}
{{{15-BEZEICHNUNG}}}
{{{16-BEZEICHNUNG}}}
{{{17-BEZEICHNUNG}}}
{{{18-BEZEICHNUNG}}}
{{{19-BEZEICHNUNG}}}
{{{20-BEZEICHNUNG}}}
Vorlage:Infobox ICD/Wartung {{{21BEZEICHNUNG}}}
ICD-10 online (WHO-Version 2019)
Datei:MRT Bild Multiple Sklerose Läsion.jpg
Die MRT-Aufnahme zeigt multiple Entmarkungsherde im Marklager des Großhirns (helle Flecken)

Die Multiple Sklerose (MS), auch Encephalomyelitis disseminata ist eine entzündliche demyelinisierende Erkrankung des zentralen Nervensystems. Sie ist mit der Epilepsie eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen im jungen Erwachsenenalter und darum auch von erheblicher sozialmedizinischer Bedeutung.

Bei der Multiplen Sklerose treten im Marklager von Gehirn und Rückenmark verstreut multiple entzündliche Entmarkungsherde auf, die vermutlich durch den Angriff körpereigener Abwehrzellen auf die Myelinscheiden der Nervenzellen verursacht werden. Begleitend kommt es aus verschiedenen Gründen zu einer Schädigung der Axone der Nervenzellen (siehe 4: Neuropathologie und Pathophysiologie).

Die Multiple Sklerose kann prinzipiell fast jedes neurologische Symptom verursachen, da die Entzündungsherde, die die MS charakterisieren, überall im ZNS auftreten können (siehe 5: Symptome). Kribbelparästhesien, Spastiken, Lähmungen, eine schnelle Ermüdbarkeit (Fatigue) sowie insbesondere Sehstörungen gelten als typisch, sind aber keinesfalls spezifisch oder beweisend für diese Erkrankung. Entgegen der landläufigen Meinung führt MS auch nicht zwangsläufig zu schweren Behinderungen. 15 Jahre nach Erkrankungsbeginn sind (ohne Therapie) mindestens 50 % aller Patienten noch gehfähig. Multiple Sklerose ist nicht ansteckend und nur selten tödlich. Weniger als 10 % der MS-Patienten sterben an den direkten Folgen der Erkrankung oder deren Komplikationen.

Epidemiologie

Häufigkeit der MS-Erkrankungen in unterschiedlichen Erdregionen

Die Multiple Sklerose ist in Mitteleuropa die häufigste vermutlich autoimmun-entzündliche Erkrankung des Zentralnervensystems. Die ersten Symptome treten meist bei jungen Menschen zwischen dem 15. und 40. Lebensjahr auf, häufig bleiben sie unentdeckt. Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer. Schätzungen ergeben für Deutschland etwa 100.000, (etwa 120 von 100.000 Einwohnern) (Quelle: DMSG), in Österreich etwa 8500 Erkrankte, wobei die Schätzungen der Erkranktenzahl in Deutschland von etwa 67.000 bis etwa 138.000 reichen.[1] Die hohe Streuung erklärt sich aus der vermuteten hohen Anzahl an nicht diagnostizierten Erkrankten.

In der äquatorialen Zone gibt es weniger MS-Erkrankungen als in den nördlichen oder südlichen Breiten. Auch wenn die Ursache hierfür letztendlich ungeklärt bleibt, könnten eine genetische Disposition (Regionen mit unterschiedlicher Krankheitshäufigkeit sind überwiegend von Menschen unterschiedlicher Hautfarbe besiedelt), unterschiedliche Hygienestandards und deren Einfluss auf das Immunsystem[2], klimatische Einflüsse und eine unterschiedliche Ernährung in den verschiedenen Regionen eine Rolle spielen.

Epidemiologische Studien untersuchten die Erkrankungshäufigkeit von Menschen, die aus MS-reichen Zonen in MS-arme Zonen übergesiedelt sind, zum Beispiel von Europa nach Südafrika oder von Amerika und Europa nach Israel. Aus diesen Untersuchungen ergab sich, dass Menschen, die vor ihrem 15. Lebensjahr übersiedeln, die Krankheitshäufigkeit des Ziellandes übernehmen. Menschen, die nach dem 15. Lebensjahr übersiedeln, jedoch die Krankheitshäufigkeit ihres Herkunftslandes behalten. Aus diesen Ergebnissen wird geschlossen, dass die Krankheitsanlage zur MS bereits vor dem 15. Lebensjahr entstanden sein muss, auch wenn die Krankheit selbst erst viel später ausbricht.[2] Ein Zusammenleben mit Geschwistern in den ersten sechs Lebensjahren reduziert das Risiko an MS zu erkranken deutlich. Dieser Effekt wird durch die vermehrte gegenseitige Ansteckung von Geschwisterkindern mit Infektionskrankheiten und eine dadurch indirekt verminderte Anfälligkeit für MS erklärt[3]. Gegen die Möglichkeit einer direkten Übertragung der MS sprechen Studien an Adoptiv- und Stiefkindern von MS-Patienten, bei denen keine erhöhte Erkrankungswahrscheinlichkeiten nachgewiesen werden konnten[4]. Möglich scheint auch ein Zusammenhang mit dem Vitamin-D-Stoffwechsel[5]. Da Vitamin D beim Menschen hauptsächlich durch UV-B-Sonneneinstrahlung auf die Haut gebildet wird, könnte der beobachtete Zusammenhang zwischen der Sonnenexposition im Kindesalter und dem Risiko eine MS zu entwickeln[6] in diese Richtung deuten und mit dazu beitragen, den Zusammenhang zwischen MS-Häufigkeit und Äquatornähe erklären. Auch als Erklärung für die niedrige Inzidenz der MS bei traditionell lebenden grönländischen Inuit[7] ist deren Vitamin-D-reiche Ernährung[8] als Erklärung herangezogen worden. Tatsächlich konnte in einer norwegischen Studie kürzlich gezeigt werden, dass nicht nur sommerliche Outdoor-Aktivitäten im Kindesalter, sondern auch drei oder mehr Fischmahlzeiten pro Woche mit einer signifikant niedrigeren Wahrscheinlichkeit später an einer MS zu erkranken verbunden waren.[9]

Genetik

Die MS ist keine klassische Erbkrankheit. Momentan geht man von einer Kombination von genetischer Disposition und äußeren Faktoren aus. Bei den Erbfaktoren der MS handelt es sich um polygene Merkmale, das heißt, dass erst mehrere Gene zusammen ein erhöhtes Erkrankungsrisiko bedeuten.

Neben dem bekannten Prädispositionsfaktor HLA-DR2 konnten Forschungsergebnisse aus dem Jahr 2007 Variationen im Interleukin-2 Rezeptor-alpha und Interleukin-7 Receptor-alpha als zwei weitere Risikogene identifizieren [10].

Zwei in Kanada und Großbritannien durchgeführte Studien zeigen folgendes Bild für die Erkrankungswahrscheinlichkeit in Abhängigkeit vom Verwandtschaftsgrad:

Verwandtschaftsgrad Erkrankungsrisiko
Zwillinge ca. 35 %
Geschwister ca. 4 %
Verwandte 1. Grades ca. 3 %
Verwandte 2. Grades ca. 1 %
Verwandte 3. Grades ca. 0,9 %
In der Bevölkerung ca. 0,2 %

Formen

Verlaufsformen der Multiplen Sklerose

Es wird zwischen mehreren Verlaufsformen unterschieden:

  • Schubförmig remittierende MS, englisch: Relapsing-Remitting Multiple Sclerosis (RRMS)
  • Primär progrediente MS
  • Sekundär progrediente MS
  • Fulminant verlaufende MS (selten)

Zu Beginn ist die schubförmige remittierende MS die häufigste Form mit etwa 85%, nur 15% der Patienten werden mit der primär progredienten Form diagnostiziert. Im späteren Krankheitsverlauf - nach ca. 10 bis 15 Jahren - geht die MS in ca. 50% der Fälle in die sekundär progrediente Verlaufsform über. Während die Entzündungen beim schubförmigen Verlauf in akuten Phasen auftreten und nach Abklingen der Entzündung zumindest teilweise auch die Symptome wieder verschwinden, geht die Verstärkung der Symptome beim primär und sekundär progredienten Verlauf schleichend langsam, beim fulminanten Typ kontinuierlich und sehr schnell vor sich.

Neuropathologie und Pathophysiologie

.
Demyelinisierung bei Multipler Sklerose. In der Markscheidenfärbung nach Klüver-Barrera ist eine deutlich Abblassung im Bereich der Läsion erkennbar (Originalvergrößerung 1:10).
.
Demyelinisierung bei Multipler Sklerose. In der immunhistochemischen Färbung für CD68 markieren sich braungefärbt zahlreiche Makrophagen im Bereich dieser Läsion. Originalvergrößerung 1:10

Schädigung der Myelinschicht

Die Ätiologie (Ursache) der MS ist bis heute unklar. Man geht derzeit von einer multifaktorielle Genese (Krankheitsentstehung) von erblichen- und Umweltfaktoren aus.

Die beiden wesentlichen Krankheitskennzeichen: Immunvermitteltes entzündliches Geschehen im ZNS und Zelluläre Schädigung der Axone und Oligodendrozyten, können beide jeweils aus dem Anderen hervorgehen. Eine zentrale Frage ist demnach ob die Entzündung zur Schädigungen an der Neversubstanz führt [11], oder ob der Untergang von Strukturen im ZNS erst zu der Immunreaktion führt [12].

Als sicher gilt, dass eine Autoimmunreaktion gegen die Myelinschicht der Nervenzellen des Zentralnervensystems am Krankheitsgeschehen beteiligt ist. Deren Ablauf wird in folgenden Schritten dargestellt:

  1. Makrophagen patrouillieren durch den Blutstrom und nehmen von allen Stoffen, die ihnen dabei begegnen, Proben in sich auf. Diese werden in ihre Bestandteile (Peptide) zerlegt und mittels des MHC-II Moleküls auf ihrer Oberfläche präsentiert. Unter diesen aufgenommenen Stoffen befindet sich ein mit einem Bestandteil der Myelinschicht kreuzreagierendes Antigen.
  2. Autoreaktive CD-4 T-Helferzellen erkennen das präsentierte Antigen und werden dadurch aktiviert.
  3. Den T-Zellen ist es möglich, durch die Blut-Hirn-Schranke ins ZNS einzuwandern.
  4. Dort stoßen sie auf Dendritische Zellen, die das kreuzreaktive Myelin Autoantigen präsentieren. Dadurch werden die T-Zellen zum Angriff auf körpereigenes Gewebe umprogrammiert.
  5. Daraufhin werden die für eine TH-1 Immunreaktion typischen Botenstoffe Interferon-gamma (IFN-y), TNF-alpha und Interleukin-2 (IL-2) ausgeschüttet. Diese stimulieren B-Zellen-Antikörperproduktion und leiten weitere Immunzellen ins ZNS.

Auf der Suche nach dem erstauslösenden Antigen wird die Hypothese einer Infektion in der frühen Kindheit mit einem Erreger, der Kreuzreaktivität mit Proteinbestandteilen des Myelins zentraler Neurone aufweist, diskutiert (Stichwort: molekulare Mimikry. In Frage kämen zum Beispiel das Epstein-Barr-Virus, HHV6) oder eine bakterielle Infektion mit Chlamydien). Der Nachweis eines spezifischen Erregers oder einer Immunreaktion auf einen spezifischen Erreger konnte jedoch bisher nicht überzeugend geführt werden.

Es hat sich gezeigt, dass in einer Gruppe von MS-Patienten die Immunantwort über sog. Th17-Zellen vermittelt wird. Diese CD4+ T-Zell-Subpopulation ist charakterisiert durch die Ausschüttung von IL-17.

Besonders zu Beginn der Erkrankung ist zumindest teilweise eine Regeneration der Myelinschicht üblich. Außerdem deuten experimentelle Daten darauf hin, dass bereits geschädigte Nervenfasern ihre Leitfähigkeit verbessern können, indem sie vermehrt Natrium-Kanäle in der Zellmembran exprimieren.

Schädigung der Axone

Moderne bildgebende Verfahren, wie etwa die Kernspintomographie, ermöglichen seit einigen Jahren den sicheren Nachweis, dass die Beeinträchtigung der Axone ein, wenn nicht der entscheidende Faktor bei der Entwicklung bleibender Behinderungen ist. Dabei zeigen Untersuchungen, dass die Schädigungen nicht nur in chronischen Verlaufsformen oder späten Stadien der schubförmigen MS passieren, sondern von Anfang an beteiligt sind. Der Untergang der Axone betrifft dabei auch Bereiche des Gehirns, in denen die Myelinschicht noch voll intakt ist, und scheint damit, zumindest teilweise, von der T-Zell-Reaktion gegen Myelin unabhängig zu sein.

Die Mechanismen, die zu dieser Art von Schäden führen, sind noch nicht vollständig geklärt. Diskutiert wird eine Fehlregulation des Gehirn-Botenstoffs Glutamat, außerdem könnte eine vermehrte Freisetzung von Stickstoffmonoxid (NO) eine wichtige Rolle spielen. Denkbar ist auch eine direkte Zerstörung von Axonen durch autoreaktive CD8-T-Zellen sein.

Neueste Forschungsergebnisse (2006) weisen darauf hin, dass B-Zell-Antikörper, die an die Enzyme GAPDH und TPI binden und die Enzyme dadurch deaktivieren, für die Schädigung der Axone zumindest mitverantwortlich sind. Eine verminderte GAPDH-Verfügbarkeit sorgt in den Mitochondrien der Axone dafür, dass geringere Mengen des Zellenergieträgers ATP produziert werden. Diese Unterversorgung kann potentiell zum Untergang der Axone führen. Es ist darüber hinaus bekannt, dass ein Mangel an TPI zu neurodegenerativen Erkrankungen führen kann.[13]

Tierexperimente, in denen Medikamente für den beschleunigten Abbau von Glutamat (im Gehirn) eingesetzt wurden, zeigten eine signifikante Reduktion axonaler Schäden.

Histologische Subtypen

Histologisch wurden von Lassmann und Mitarbeitern vier verschiedene Subtypen definiert, wobei Patienten mit einer primär immunologisch induzierter Entmarkung (Subtypen I und II) und solche mit einer primären Erkrankung der Oligodendrogliazellen, einer sogenannten Oligodendrogliopathie (Subtyp III und IV) unterschieden werden können.[14] Die Ursachen der Oligodendrogliopathie sind bisher ungeklärt. Vermutet wird eine primären Störung des Oligodendrozytenstoffwechsels, aber auch eine virale- (z.B. Epstein-Barr-Virus, HHV6) oder bakterielle (z.B. Chlamydien) Infektion werden diskutiert.

Typ Mechanismus
1 primär immunologisch induziert T-Zell (TH1) vermittelte Entzündung mit Aktivierung von Makrophagen
2 primär immunologisch induziert Antikörper-mediiert; zusätzlich Beteiligung des Komplementsystems
3 Oligodendrogliopathie Apoptose von Oligodendrozyten, Verlust von Myelin-assoziiertes Glykoprotein (MAG), Hypoxiezeichen
4 Oligodendrogliopathie Untergang von Oligodendrozyten im periläsionalen Marklager

Möglicherweise führen also verschiedene immunologische Mechanismen zum Verlust der Markscheiden. Die beschriebenen Subtypen sind bei individuellen Patienten relativ homogen, was für die Dominanz eines bestimmten pathogenetischen Mechanismus bei einem Patienten spricht. Ob sich im Laufe der Chronifizierung der Erkrankung die Ausprägung der Subtypen ändert, ist noch unklar. Auch wenn eine Bestimmung des Läsionstyps möglicherweise zu einer spezifischen, effektiveren Therapie führen könnte, würde dies derzeit eine Biopsie des Gehirns erfordern, was nicht praktikabel erscheint.

Symptome

Die Multiple Sklerose kann prinzipiell fast jedes neurologische Symptom verursachen, da die Entzündungsherde, die die MS charakterisieren, überall im ZNS auftreten können. Häufig handelt es sich um Taubheitsgefühle oder Mißempfindungen in Fingern und Zehen oder um eine Störung des Sehens, die als milchiger Schleier oder als Verschwommensehen beschrieben wird (Sehnerventzündung). Vor allem zu Erkrankungsbeginn bilden sich die Symptome häufig von selbst wieder zurück.

Im weiteren Verlauf treten in der Regel immer wieder neue Probleme auf und es kommt zum Wiederaufflammen alter Symptome. Häufig - insbesondere im späteren Verlauf - bilden sich die bei einem Schub auftretenden Beeinträchtigungen nicht mehr vollständig zurück, so dass es über die Jahre zu einer Anhäufung und Verschlechterung von Symptomen kommt.

Welches Symptom im einzelnen Schub entsteht, ist abhängig von der betroffenen Region im ZNS. Im Folgenden findet sich eine Übersicht häufiger Symptome bei der MS:

  • Durch Entzündungen des Sehnervs (Neuritis nervi optici) kommt es zu Sehstörungen, die sich als Sehunschärfe oder milchiger Schleier bemerkbar machen können. Zusätzlich kann es beim Bewegen der Augen zu einem drückenden Schmerz an den Augäpfeln kommen.
  • Sensibilitätsstörungen und Mißempfindungen (Parästhesien)
  • Auf lange Sicht sind Lähmungserscheinungen (Paresen) der Extremitäten ein sehr häufiges Symptom, welches das Leben der Betroffenen stark beeinträchtigt. Dies ist auch ein wichtiges Kriterium zur Bestimmung des Grades der Behinderung (EDSS-Wert).
  • Durch Spastik (abnorme unwillkürliche Erhöhung des Muskeltonus) kann die Bewegungsfähigkeit des Patienten weiter eingeschränkt sein.
  • Schmerzen können durch Spastiken und schwere Missempfindungen auftreten. Heftige Schmerzen entstehen auch im Gesicht durch die Trigeminusneuralgie.
  • Probleme in der Bewegungskoordination (Ataxie) und Artikulationsstörungen (Dysarthrie)
  • Störungen der Augenbewegungen: Doppeltsehen und Nystagmen
  • Probleme bei der Kontrolle der Blasen- und Darmfunktion.
  • Sexuelle Funktionsstörungen
  • Schwindel
  • Schluckstörungen (Dysphagie)
  • Psychische Störungen
  • Die auftretende bleierne Müdigkeit (Fatigue-Syndrom) führt dazu, dass Betroffene viel mehr und längere Schlaf- und Ruhepausen benötigen und die Leistungsfähigkeit eingeschränkt sein kann.
  • Lhermitte-Zeichen

Diagnose

Als Grundlage für die Diagnosestellung dient die vom internationalen MS-Diagnose-Forum überarbeitete Fassung der McDonald-Kriterien [15] vom November 2005.[16][17]

Das Hauptkriterium einer MS-Diagnose ist der klinische Nachweis von Erkrankungszeichen in unterschiedlichen Systemen (wie z. B. Sehnerv und Motorik) und über einen gewissen Zeitraum hinweg. Es wird ausdrücklich betont, dass die Diagnose einer MS nicht gestellt werden darf, wenn die Symptome und pathologischen Befunde von einer anderen Erkrankung besser erklärt werden können. Da die Analyse der auftretenden Symptome häufig keine zweifelsfreie Diagnosestellung zulässt, werden zusätzliche neurologische und radiologische Untersuchungen durchgeführt:

Neurologische Untersuchungen

Eine Verlängerung der Latenzzeiten bei der Untersuchung von evozierten Potenzialen weist auf eine gestörte Erregungsleitung im Nerv hin, bei fortgeschrittener MS kann es auch zu einer Deformierung, Reduktion oder einem Verlust des Potenzials kommen.

Bei der Untersuchung des Liquor cerebrospinalis ist dieser zu 90 % pathologisch verändert. Daher ist bei Verdacht eine Lumbalpunktion indiziert. Dabei ist zu beachten, dass es keinen nur für die MS spezifischen Liquorbefund gibt. Die folgenden Befunde kommen jedoch häufig vor:

  • Milde Zellvermehrung im Liquor (lymphozytäre Pleozytose)
  • Intrathekale Antikörpersynthese (oligoklonale Banden bei über 90 % der Patienten)
  • Unspezifische polyklonale Aktivierung von Plasmazellen (MRZ-Reaktion: Bildung von Antikörpern gegen Masern, Röteln und Varizella-Zoster-Viren)

Bildgebende Untersuchungen

In den mittels Magnetresonanztomografie (MRT) gewonnenen Schichtbildern des Gehirns und des Rückenmarks können entzündete und vernarbte Gewebebereiche dargestellt werden; mit Hilfe des Kontrastmittels Gadolinium können akute Krankheitsherde nachgewiesen werden. Die MRT-Untersuchung stellt neben der Anamnese und der neurologischen Untersuchung das wichtigste Hilfsmittel zur Diagnose dar. Zwar ist nach den McDonald-Kriterien eine Diagnosestellung auch ohne MRT-Bildgebung möglich (bei zwei Schüben und objektivierbaren Funktionsausfällen in mindestens zwei neurologischen Systemen), bei vielen Patienten mit klinischem Erstereignis ist jedoch zur frühen Diagnosestellung ein MRT notwendig. Mit der MRT-Untersuchung können sowohl die räumliche als auch die zeitliche Dissemination der Entzündungsherde in Gehirn und Rückenmark nachgewiesen werden. Typisch für die MS sind balkennahe Entzündungsherde im Marklager des Gehirns. Grund für die Häufigkeit von Herden in dieser Region ist die hohe Dichte von kleinen Venen, aus denen die Entzündungszellen in das Gehirn einwandern. Die McDonald-Kriterien geben genau an, wieviele Entzündungsherde in welcher Region des ZNS nachweisbar sein müssen, um von einem positiven MRT sprechen zu können. Für den Nachweis einer zeitlichen Dissemination mittels MRT müssen neue Entzündungsherde nach einem Zeitraum von mindestens 3 Monaten nach dem klinischen Erstereignis nachgewiesen werden (optional können auch neue Herde nach einem Monat im Vergleich zu einer Referenzaufnahme die zeitliche Dissemination beweisen).

Laborchemische Untersuchung

Es gibt im Blut keinen für die Multiple-Sklerose-spezifischen Biomarker. Auch gängige Entzündungsparameter wie die Anzahl der weißen Blutkörperchen, die Blutsenkungsgeschwindigkeit oder das CRP sind bei der MS auch während eines Schubereignisses nicht zwangsläufig erhöht. Ob die Bestimmung der Anti-MOG-Antikörper und Anti-MBP-Antikörper zur Diagnosestellung beitragen kann, wird derzeit erforscht.

Differenzialdiagnose

Die Differenzialdiagnose, d. h. die Abgrenzung der MS gegenüber anderen Erkrankungen, umfasst vor allem autoimmune, infektiöse, metabolische und vaskuläre Erkrankungen. Wichtige Differenzialdiagnosen sind Autoimmunkrankheiten wie Systemischer Lupus erythematodes, Sjögren-Syndrom, Neurosarkoidose und Morbus Behçet, weiter Infektionen wie Neuroborreliose, Neurolues, Progressive multifokale Leukenzephalopathie, HIV-bedingte Myelopathie oder Zystizerkose Daneben kommen metabolische (Perniziöse Anämie (Vitamin-B12-Mangel), Leukodystrophien) oder vaskuläre Erkrankungen (der Blutgefäße, wie etwa die isolierte Vaskulitis des ZNS) in Frage.

Therapie

Obwohl eine Heilung von Multipler Sklerose bis jetzt noch nicht möglich ist, sind einige Medikamente verfügbar, die den Verlauf der MS verlangsamen und die bereits aufgetretenen Symptome lindern können.

Therapie akuter Schübe

Ein Schub ist definiert als klinische Veränderung in einem neurologischen System, die länger als 24 Stunden anhält und mindestens 30 Tage nach dem letzten Schub auftritt. Bei MS-Kranken können grippale Infekte, ein Anstieg der Körpertemperatur (Uhthoff-Phänomen) oder starke psychische Belastungen zu einer vorübergehenden symptomatischen Verschlechterung führen, die unter diesen Umständen aber nicht behandlungsbedürftig ist.

Die Gabe von hoch dosierten Corticosteroiden kann während eines akuten Schubes die Entzündungsreaktion binnen kürzester Zeit beenden. Folgende Infusionsdosierungen sind - abhängig von der Schwere des Schubs und der Konstitution des Patienten - üblich:

Jeweils einmal täglich:

  • über 5 Tage 500 mg Methylprednisolon
  • oder über 3 Tage 1000 mg Methylprednisolon
  • oder über 5 Tage 1000 mg Methylprednisolon
  • oder über 5 Tage 2000 mg Methylprednisolon (in sehr schweren Fällen).

Da Kortison sehr gut aus dem Magen-Darmtrakt resorbiert wird, kann die Kortisongabe auch in Tablettenform erfolgen und auf etwa drei Wochen ausgedehnt werden, wobei die tägliche Dosis langsam reduziert wird („Ausschleichen“). Sind nach dem Ausschleichen die Auswirkungen eines Schubes noch immer spürbar, soll nach jüngster Empfehlung der deutschen Gesellschaft für Multiple Sklerose eine zweite Kortison-Pulstherapie mit doppelter Dosierung stattfinden. Allerdings gibt es bis jetzt keine studiengestützten Hinweise, dass Kortison den Langzeitverlauf der Krankheit positiv beeinflussen würde. Eine hoch dosierte und längere Kortison-Behandlung - die speziell bei schweren Schüben oftmals notwendig ist - geht häufig mit unangenehmen Nebenwirkungen wie Schlafstörungen, vorübergehender Sehunschärfe und Stimmungsschwankungen einher.

Beim Versagen der Kortisontherapie kann zur Beendigung eines akuten Schubes eine Plasmapherese erwogen werden, diese ist jedoch nur an spezialisierten Zentren möglich, für den Patienten relativ belastend und sehr kostenintensiv.

Langzeittherapie

Der Entwicklung der Langzeittherapeutika liegt die Annahme zugrunde, dass es sich bei MS um eine Autoimmunerkrankung handelt. Die Wirkstoffe versuchen durch Immunsuppression (Unterdrücken des Immunsystems) oder Immunmodulation (Veränderung der Immunreaktion) in das Krankheitsgeschehen einzugreifen. Eine Schwierigkeit bei diesem Wirkprinzip ist, dass eine zu unspezifische Veränderung des Immunsystems zu einer höheren Infektions- und Krebserkrankungsrate führen kann.

Die zur Verfügung stehenden Medikamente können folgende therapeutische Erfolge erzielen, welche die Progression der Behinderung verzögern (gemessen über den so genannten Expanded Disability Status Score (EDSS)) und die Lebensqualität des Patienten verbessern:

  • Verringerung der Schubfrequenz
  • Schübe verlaufen weniger schwer
  • Schutz vor axonalen und neuronalen Schäden

Grundlage der Behandlung im deutschsprachigen Raum ist die aktuelle Therapieempfehlung vom September 2006, der „Multiple Sklerose Therapie Konsensus Gruppe“ (MSTKG), der führende Forscher und spezialisierte behandelnde Ärzte aus Deutschland, Österreich und der Schweiz angehören.[18]

Schubförmiger Verlauf

Grundsätzlich wird eine frühestmögliche Immunmodulatorische Therapie bei der schubförmigen MS angestrebt. Dadurch soll bereits frühzeitig das entzündliche Geschehen und die axonale Schädigung begrenzt werden. Seit 2006 sind die beiden Interferon-Beta Präparate Betraferon® und Avonex® auch zur Behandlung des Clinically isolated Syndrome zugelassen.

Die Therapie wird im Allgemeinen fortgeführt, solange ein positiver Effekt auf die Entwicklung der MS festzustellen ist und keine schwerwiegenden Nebenwirkungen auftreten. Bei der Behandlung mit Interferon-Beta und Natalizumab kann es zur Entstehung von neutralisierenden Antikörpern (NAB) kommen. Während aktuelle Studien (2007) gezeigt haben, dass die Wirksamkeit der Interferone davon nicht beeinträchtigt wird, ist bei Natalizumab davon auszugehen, dass NAB die Effektivität verringern.

Wird der Wechsel auf ein anderes Medikament erwogen, kann dazu je nach Beurteilung des behandelnden Arztes entweder ein anderes Basistherapeutikum oder ein Arzneistoff aus der Gruppe der Eskalationstherapie gewählt werden. In der Eskalationstherapie wird auf Medikamente zurückgegriffen, die nachweislich über eine höhere Wirksamkeit verfügen, jedoch mit einem ungünstigeren Nebenwirkungsprofil und/oder einer begrenzten Therapiedauer belegt sind.

Folgende Medikamente stehen derzeit zur Verfügung:

Wirkstoff Markenname Publikationen
Basistherapie (nach Leitlinien MSTKG)
Interferone Betaferon®, Avonex®, Rebif® [2]
Glatirameracetat Copaxone® [3]
Alternativtherapie (z.B. bei Therapieversagen der Basistherapie)
Azathioprin Imurek®
Eskalationstherapie
Natalizumab Antegren® = Tysabri® [4]
Mitoxantron Ralenova® [5]
Cyclophosphamid Endoxan® [6]
Methotrexat Metex 7,5®
Immunglobuline Gamunex® 10%, Octagam® [7]

Chronisch progrediente Verlaufsformen

Für die Behandlung der sekundär progredienten MS ist nur der Arzneistoff Mitoxantron seit dem Jahr 2002 zugelassen.

Die primär progrediente Verlaufsform ist leider noch immer kaum zu behandeln. Es ist derzeit kein Medikament zugelassen. In einigen Fällen werden, nach Abwägung des Risiko-Nutzen-Verhältnisses, Heilversuche mit Mitoxantron oder Cyclophosphamid unternommen.

Symptomatische Therapie

Im weiteren Verlauf der MS entstehen bei Patienten oft Symptome, die zwar nicht ursächlich zu behandeln sind, die aber verschiedene Medikamente mildern können. Im Folgenden die wichtigsten Beschwerden mit einigen dazu gängigen Medikamenten:

Wirkstoff Markenname Bemerkung
Behandlung von chronischen neuropathischen Schmerzen
Carbamazepin z. B. Tegretal®
Oxcarbazepin Trileptal®
Gabapentin Neurontin®
Pregabalin Lyrica®
Chronische Müdigkeit und Energielosigkeit (Fatigue-Syndrom)
Acetyl L-Carnitin Symptomreduktion[19]
Amantadin PK-Merz® nur wenig Evidenz zur Wirksamkeit [20]
Acetylsalecylsäure z.B. Aspirin® Symptomreduktion [21]
Modafinil Vigil® Symptomreduktion[22] oder kein Effekt[23]
Pemolin Tradon® Symptomreduktion[24] oder kein Effekt [25]
Schmerzhafte Muskelstarre (Spastik)
Baclofen z. B. Lioresal®
Tizanidin Sirdalud®
Buprenorphin Temgesic® / Subutex®
Tetrahydrocannabinol Dronabinol® / Marinol®
Muskelzittern (Tremor)
Isoniazid z. B. Isozid®
Tiefenhirnstimulation Implantation einer Stimulations-

elektrode im Thalamus

Therapie unterstützende Maßnahmen

Ernährung

Nach Auffassung der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) kann eine geeignete Ernährung den Verlauf der MS günstig beeinflussen. Folgende Ernährungsratschläge werden gegeben:[26]

  1. Die Kalorienzufuhr sollte ausreichend, aber nicht überschüssig sein, das Erreichen und Halten des "Normalgewichtes" ist sinnvoll.
  2. Die Proteinzufuhr sollte bei etwa 50-80 g/Tag liegen. Ein großer Teil davon sollte durch hochwertiges pflanzliches Eiweiß (z. B. Tofu) gedeckt werden bzw. in schmackhaften Eiweißkombinationen (Pellkartoffeln und Quark, Milchreis, Müsli usw.)
  3. Industriell hergestellte, harte, gesättigte Fette und tierische Fette sollten deutlich reduziert werden. Auf verborgene Fette (z. B. in Schokolade, Süßspeisen, Milchreis etc.) ist besonders zu achten.
  4. Vier bis maximal 10 Teelöffel (20-50 g) gutes Öl mit vielen mehrfach ungesättigten Fettsäuren (z. B. Sojaöl, Weizenkeimöl, Leinöl usw.) erlauben eine ausreichende Zufuhr an mehrfach ungesättigten, zum Teil essentiellen Fettsäuren.
  5. Die tägliche zusätzliche Einnahme von sog. Fischölpräparaten könnte möglicherweise einen positiven Einfluss auf die MS haben; ein eindeutiger Beweis fehlt aber. Trotzdem sollte auf den ernährungsphysiologisch hohen Wert von Fischmahlzeiten verwiesen werden, zumal Meeresfische einen hohen Anteil mehrfachungesättigter Fettsäuren und wertvolles Eiweiß enthalten.
  6. Bei den Kohlehydraten sollte der Zuckeranteil niedrig gehalten werden. Nicht raffinierte Getreideprodukte (Vollkornmehl, Vollkornbrot, Naturreis, Haferflocken etc.) sind vorzuziehen.
  7. Der Ballaststoffanteil der Nahrung kann durch Obst, Gemüse und Salate vermehrt werden.
  8. Der Anteil tierischer Nahrungsmittel sollte eventuell auf zwei- bis dreimal pro Woche eingeschränkt werden und sich auf möglichst mageres Fleisch beschränken oder durch Fischmahlzeiten ersetzt werden. Da die meisten Wurstsorten viel versteckte Fette enthalten, sollten sie besser gemieden werden.
  9. Die Ernährung sollte vollwertig sein, industrielle Fertigprodukte sollten nur gelegentlich eingesetzt werden.
  10. Bei Osteoporose oder erhöhtem Risiko (Inaktivität, Kortisontherapie) ist die Einnahme von Vitamin D und die vermehrte Zufuhr von Kalzium (z. B. in Form von Milch) angeraten. Auch körperliche Bewegung vermindert das Osteoporoserisiko.

Therapien außerhalb der evidenzbasierten Medizin

Einige alternative Verfahren zur Behandlung der MS werden diskutiert, jedoch ist keine davon ausreichend untersucht worden. Es fehlen also wissenschaftliche Aussagen über deren Wirksamkeit. Auch hier können erhebliche Nebenwirkungen zu den im Allgemeinen nicht von der Krankenkasse übernommenen Kosten hinzu kommen:

Therapie Quellen
Amalgamentfernung [8] (PDF)
Grüntee-Extrakt EGCG [9] [10]
Omega-3-Fettsäure (z. B. Lachsölkapseln) [11]
Vermeidung von Omega-6-Fettsäure
Vitamin B12 [12]
Cannabis-Produkte [13]
Immuntherapeutikum (z. B. Colibiogen)
Hyperbare Sauerstofftherapie [14]
Uncaria tomentosa - Katzenkralle
Homöopathie [15]
Weihrauch
Ayurveda [16]
Traditionelle Chinesische Medizin
Makrobiotik
Heileurythmie
Ruta-Tee
Fratzer-Diät [17]
Calcium EAP
Elektromagnetfeld-Therapie
Inosin [18]
Nemexin oder LDN [19]
Akupunktur- und homöopathische Therapie nach Dr. Broedersdorff [20]

Etwa die Hälfte aller MS-Patienten versucht neben der evidenzbasiert-medizinischen Therapie ergänzende Behandlungen. Um den Patienten eine kritische Einschätzung dieser Methoden zu ermöglichen, beschreibt die Österreichische MS-Gesellschaft[27] in ihrer Zeitschrift neue horizonte zahlreiche Verfahren und führt die möglichen Vor- und Nachteile für MS-Patienten an.[28] Die folgenden Therapien können unter bestimmten Bedingungen MS-Patienten nützen und werden deshalb als empfehlenswert bezeichnet:

Der Patient soll das gewählte Verfahren jedenfalls mit seinem Neurologen besprechen.

Die folgenden Verfahren werden ausdrücklich als nicht empfehlenswert bezeichnet:

  • Calcium-AEP, Diät nach Evers (damit ist die Evers-Diät in der strengen Form gemeint). Die in der Klinik Dr. Evers aktuell praktizierte, zeitgemäße Evers-Diät orientiert sich an den aktuellen Ernährungsrichtlinien der DGE, der DMSG und den Ernährungsempfehlungen nach Prof. Dr. med. Olaf Adam „Ernährungsrichlinien bei MS“, Eigenblut-Therapie, Magnetfeld-Therapie, Noni-Saft, Thymus-Präparate, Ultraschall, Wiedemann-Kur, Franz-Xaver-Mayr-Kur.

Prognose

Bislang ist es zu Beginn der Erkrankung kaum möglich, eine Prognose über den weiteren Verlauf zu stellen, was die betroffenen Patienten sehr belastet. Die Symptome der Krankheit sind unterschiedlichster Art. Man nennt Multiple Sklerose deshalb auch "die Krankheit mit den tausend Gesichtern". Eine Möglichkeit zur Prognose des Krankheitsverlaufs könnte die Bestimmung von Biomarkern wie etwa der anti-MOG-Antikörper und anti-MBP-Antikörper bieten – siehe Multiple Sklerose (Studien).

In den letzten Jahren wurden einige verhältnismäßig groß angelegte Studien zum Verlauf der Multiplen Sklerose durchgeführt. Die Ergebnisse waren überwiegend überraschend positiv und zeigten, dass der Verlauf der Erkrankung wesentlich milder war als angenommen.[29][30][31]

Eine der Studien hat ergeben, dass nach vierzigjähriger Erkrankungsdauer nur jeder vierte an den Rollstuhl gebunden ist. In einer anderen Studie konnte gezeigt werden, dass selbst in einer Gruppe unbehandelter Patienten nach zehnjähriger Erkrankungsdauer bei mehr als der Hälfte der Personen kein Fortschreiten der Behinderung festzustellen war.

Es sei angemerkt, dass diese Untersuchungen keine Prognosen bezüglich eines Einzelfalles erlauben, sondern lediglich von statistischer Bedeutung sind. Darüber hinaus beziehen sie sich auf bestimmte Bevölkerungsgruppen bzw. bestimmte geographische Gebiete, so dass nicht unbedingt von den Ergebnissen auf die Verhältnisse in anderen geographischen Gebieten bzw. Bevölkerungsgruppen geschlossen werden kann.

Ausblick

Immunmodulatorische und neuroprotektive Langzeittherapie

siehe auch den Hauptartikel Multiple Sklerose (Wirkstoffe in der Erprobung).
Wirkstoff (Markenname) Status Quellen
Statine Phase-III-Studien läuft [21]
Kombination von Glatirameracetat und Interferon Studie läuft
Kombination von Glatirameracetat und Mitoxantron Kleine Studie erfolgreich [22]
Daclizumab (Zenapax®) (ein IL2-Inhibitor) Größere Phase-II erfolgreich [23] [24] [25]
Alemtuzumab (Campath®) (ein anti-CD-52-Antikörper) Phase II erfolgreich, Phase III läuft [26] [27] [28]
Rituximab (Rituxan®) Phase II erfolgreich, Phase III läuft [29]
Nogo A Tierversuch [30]
Cladribin Oral (Mylinax®) Phase-III-Studie läuft [31]
Cyclophosphamid IV (Revimmune®) Phase-III-Studie vorbereitet [32]
Aimspro (Caprivax®) Serum aus Ziegenmilch Phase-II-Studie läuft
MBP8298 Phase-III-Studie läuft [33] [34][35]
FTY-720 (Fingolimod®) Phase-III-Studie läuft [36] [37] [38]
Laquinimod Phase-III in Vorbereitung [39]

[40]

Teraflunomide Phase-III-Studie läuft [41]
ZK811752 CCR1-Antagonist-Tabletten Phase-II-Studie steht kurz vor dem Abschluss
MN-166 Phosphodiesterase-IV-Inhibitor-Tabletten Phase-II-Studie läuft [42]
Tovaxin T-Zell Impfung Phase-I/II-Studie erfolgreich, Phase-II/III läuft [43] [44]
NeuroVax T-Zell Impfung Phase-I/II-Studie läuft [45]
Pirfenidone Phase-II-Studie erfolgreich [46]
BG-12 Phase-III in Vorbereitung [47]
Trichuris suis ova Studie läuft an der Charité
BCG-Tuberkulose-Impfung Phase II/III läuft [48] [49] [50]
Inhibitoren gegen zum Beispiel Glutamat oder freie Radikale unbekannt

Symptomatische Therapie

Wirkstoff Symptomatik Status
4-Aminopyridin Fampridin® Verbessert die Gehfähigkeit Phase-III Studie erfolgreich.
Cannabis Spastik, Schlafstörungen Studien laufen

Remyelinisierung

Ziel der Remyelinisierung ist es, bereits entstandene Schäden bei MS-Patienten durch einen Wiederaufbau der Myelinschicht zu reparieren. Für diesen Zweck steht momentan noch kein Medikament zur Verfügung, es werden aber einige Ansätze verfolgt, die in Tierversuchen bereits zu positiven Resultaten geführt haben.[32][33][34]

Allerdings ist fraglich in wie weit eine Reparatur der Myelinschicht die entstandene Behinderung von Patienten rückgängig machen könnte, da sich vermehrt die Einsicht durchsetzt, dass der Untergang von Axonen für die schweren dauerhaften Einschränkungen verantwortlich ist.

Marktanalyse

Weltweit sind ca. 2,5 Mio. Menschen an Multiple Sklerose erkrankt. Momentan werden im Wesentlichen fünf Medikamente von vier Herstellerfirmen in der immunmodulatorischen Langzeittherapien eingesetzt. Zwischen den Jahren 2004 und 2006 steigerte sich das jährliche Weltmarktvolumen um 15% auf 4,5 Mrd. EUR [35]. Für die Zukunft wird ein jährliches Wachstum im zweistelligen Prozentbereich prognostiziert.

Wirkstoff Handelsname Hersteller Marktanteil 2006
Interferon-beta 1b Betaferon® Schering / Bayer 20%
Interferon-beta 1a Avonex® Biogen Idec 27%
Interferon-beta 1a Rebif® Serono / Pfizer 23%
Glatirameracetat Copaxone® Sanofi-Aventis 30%
Natalizumab Tysabri® Biogen Idec / Elan ca. 14.000 Patienten z.T. in Studien

Die Behandlungskosten pro Patientenjahr liegen für die Interferone und Glatirameracetat bei ca. 15.000 EUR, für Natalizumab bei ca. 28.000 EUR.

Nachdem die Patente für einige der genannten Wirkstoffe bereits abgelaufen sind oder in den nächsten Jahren auslaufen werden, sind bereits kostengünstigere Generika angekündigt:

Wirkstoff Handelsname Hersteller Kostenreduktion gegenüber dem Original
Interferon-beta 1a Biferonex® Biopartners Holdings AG
Glatirameracetat Glatimir® Natco Pharma Indien 60%

Siehe auch

Quellen und weiterführende Informationen

Einzelnachweise

  1. P. Flachenecker, U. K. Zettl: Epidemiologie. In: R. M. Schmidt, F. Hofmann (Hrsg): Multiple Sklerose. Urban & Fischer, München 2002, ISBN 3-437-22080-2, S. 4-11
  2. a b Univ.-Prof. Dr. Eva Maida: Der MS-Ratgeber. TRIAS, Stuttgart 1997, ISBN 3-89373-375-2, S. 221 f.
  3. Ponsonby et al.: Exposure to infant siblings during early life and risk of multiple sclerosis. JAMA. 2005;293:463-9. PMID 1567143 Volltext
  4. Dyment et al.:Multiple sclerosis in stepsiblings: recurrence risk and ascertainment. J Neurol Neurosurg Psychiatry. 2006;77:258-9. PMID 16421134
  5. Munger et al.:Serum 25-hydroxyvitamin D levels and risk of multiple sclerosis. JAMA. 2006;296:2832-8 PMID 17179460
  6. van der Mei et al.: Past exposure to sun, skin phenotype, and risk of multiple sclerosis: case-control study. BMJ. 2003 Aug 9;327(7410):316 PMID 12907484
  7. Kromann & Green: Epidemiological studies in the Upernavik district, Greenland. Incidence of some chronic diseases 1950-1974. Acta Med Scand. 1980;208(5):401-6.PMID 7457208
  8. Deutch et al.: Traditional and modern Greenlandic food - Dietary composition, nutrients and contaminants. Sci Total Environ. 2007;384:106-19. PMID 17629548
  9. Kampman et al.:Outdoor activities and diet in childhood and adolescence relate to MS risk above the Arctic Circle. J Neurol. 2007 Apr;254(4):471-7. PMID 17377831
  10. Identifikation zwei neuer Risikogenen [1]
  11. Evidence for pathogenic heterogeneity in multiple sclerosis PMID 15293289
  12. Anfangsstadium der MS-Läsionsentstehung PMID 15048884
  13. http://www.medicalnewstoday.com/medicalnews.php?newsid=54327
  14. H. Lassmann et al.: Heterogeneity of multiple sclerosis pathogenesis: implications for diagnosis and therapy. In: Trends in Molecular Medicine. 2001;7(3),115-121 PMID 11286782
  15. McDonald WI et al: Recommended diagnostic criteria for multiple sclerosis: guidelines from the International Panel on the diagnosis of multiple sclerosis. Ann Neurol. 2001 Jul;50(1):121-7. PMID 11456302
  16. Polman CH et al: Diagnostic criteria for multiple sclerosis: 2005 revisions to the "McDonald Criteria". Ann Neurol. 2005 Dec;58(6):840-6. PMID 16283615
  17. Übersicht über die Änderungen der überarbeitete Fassung der Mc-Donald-Kriterien bei der DMSG
  18. Therapieempfehlung der "Multiple Sklerose Therapie Konsensus Gruppe"
  19. Tomassini et al.: Comparison of the effects of acetyl L-carnitine and amantadine for the treatment of fatigue in multiple sclerosis: results of a pilot, randomised, double-blind, crossover trial. J Neurol Sci. 2004; 218:103-8. PMID 14759641 ([ Symptomreduktion im Vergleich zu Amantadin; [Randomisierte, kontrollierte Studie|randomisierte]] doppeltblinde klinische Studie)
  20. Pucci et al.: Amantadine for fatigue in multiple sclerosis. Cochrane Database Syst Rev. 2007: CD002818 PMID 17253480 (Metaanyalyse)
  21. Wingerchuk et al.: A randomized controlled crossover trial of aspirin for fatigue in multiple sclerosis. Neurology. 2005;64:1267-9 PMID 15824361 (randomisierte doppeltblinde klinische Studie)
  22. Rammohan et al.: Efficacy and safety of modafinil (Provigil) for the treatment of fatigue in multiple sclerosis: a two centre phase 2 study. J Neurol Neurosurg Psychiatry. 2002;72:179-83 PMID 11796766
  23. Stankoff et al.: Modafinil for fatigue in MS: a randomized placebo-controlled double-blind study. Neurology. 2005;64:1139-43. PMID 15824337 (randomisierte doppeltblinde klinische Studie)
  24. Weinshenker et al.: A double-blind, randomized, crossover trial of pemoline in fatigue associated with multiple sclerosis. Neurology. 1992;42:1468-71. PMID 1641137 (randomisierte doppeltblinde klinische Studie)
  25. Krupp et al.: Fatigue therapy in multiple sclerosis: results of a double-blind, randomized, parallel trial of amantadine, pemoline, and placebo. Neurology. 1995 Nov;45(11):1956-61. PMID 7501140 (randomisierte doppeltblinde klinische Studie)
  26. Ernährungsratschläge der DMSG
  27. Österreichische MS-Gesellschaft
  28. Univ.-Prof. Dr. Harald Kollegger: Multiple Sklerose und Komplementärmedizin. In: neue horizonte. 2 und 3, 2004
  29. http://www.ms-life.de/mslife/aktuelles/news-archiv/content-120251.html
  30. http://www.simmformation.de/html/body_multiple_sklerose.html
  31. http://www.sprechzimmer.ch/sprechzimmer/News/Gesundheit_allgemein/MS_Verlauf_langsamer_als_bisher_angenommen.php
  32. http://www.ms-gateway.de/scripts/pages/1044.php
  33. http://www.ms-gateway.de/scripts/pages/1035.php
  34. http://www.ms-life.de/mslife/aktuelles/content-127366.html
  35. Bayer Healthcare Investor Day 2007

Literatur

  • Jean-Pierre Moreau: Aufrecht leben : Eine unglaubliche Weltreise. Synergia, Darmstadt 2006, ISBN 3-9810894-0-5
  • Vittorio Cavini: Im Rollstuhl durch die Welt. Edition Raetia, Bozen 2006, ISBN 88-7283-269-1
  • Volker Limmroth, Oliver Kastrup: Therapieleitfaden Multiple Sklerose. Thieme, Stuttgart 2003, ISBN 3-13-105682-7
  • Prof. Dr. Ralf Gold, Prof. Dr. Peter Rieckmann: Pathogenese und Therapie der Multiple Sklerose. Uni-Med, Bremen 2004, ISBN 3-89599-785-4
  • Prof. Dr. Hayo Schipper: "Langzeit-Immuntherapie der Multiplen Sklerose." dmv, Münster 2007, ISBN 978-3-936525-37-3

Dachorganisationen

Weiterführende Informationen

Vorlage:Link FA