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Timaios

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Platon (links) mit dem Timaios in Händen; neben ihm Aristoteles mit der Nikomachischen Ethik.
Ausschnitt aus Raffaels Die Schule von Athen (1510-1511), Fresko in der Stanza della Segnatura (Vatikan)

Der Timaios (griechisch Τίμαιος, latinisiert Timaeus; auch Vorlage:Polytonisch perì phýseōs „Über die Natur“ genannt[1]) ist ein um 360 v. Chr. verfasstes theoretisches Spätwerk des griechischen Philosophen Platon. Darin beschreibt er anhand eines Vortrags des literarischen Timaios von Lokri aus theologischer, metaphysischer und teleologischer Sicht die Erschaffung und Gestaltung des Universums als Abbild der ewigen platonischen Ideen durch einen göttlichen Schöpfer, den Demiurgen. Die Thematik des Dialogs setzt beim Werden der Welt ein und beschäfigt sich vom göttlichen Schöpfungsakt ausgehend vorwiegend mit naturphilosophischen, kosmologischen, mathematischen wie auch physiologischen Fragestellungen.

Zusammen mit dem fragmentarisch erhaltenen Kritias und dem geplanten, jedoch niemals tatsächlich geschriebenen Hermokrates war der Timaios vermutlich als erster Teil einer Trilogie konzipiert. Deren Gesamtzweck war es wohl, „einen Bogen von seinem neu entfachten Interesse für Theologie und Kosmologie hin zum [staatsphilosophischen] Themenkomplex seiner früher geschaffenen Politeia zu schlagen.“[2] Neben Timaios von Lokris Rede von der Erschaffung der Welt enthält der Timaios daher auch einen Ausblick auf den dann im Kritias ausgeführten platonischen Mythos vom Kampf zwischen dem idealstaatlich ‚Ur-Athen‘ und der Seemacht Atlantis. Aufgrund dieser inhaltlicher Überschneidungen und der Kürze des fragmentarischen Kritias spricht man in der Forschung häufig zusammenfassend vom Timaios-Kritias und behandelt beide Schriften als Einheit.[3]

Der Timaios ist das Werk Platons, das in der Antike und bis weit ins Mittelalter die meiste Beachtung fand und von bedeutendem Einfluss war. Seine Wirkungsgeschichte lässt sich weiter in die Renaissance, zu Kopernikus, Kepler und Galilei verfolgen, die ebenso wie Denker des 20. Jahrhunderts, z.B. Heisenberg und Whitehead, mit Platons Dialog indirekt in Verbindung gebracht werden können.[4] In neuerer Zeit tritt jedoch vor allem die Rezeption der Politeia in den Vordergrund, wohingegen der Timaios immer noch eine wichtige Position in der Platon-Forschung einnimmt.

Dialogsituation

Die auftretenden Personen

Zu den historischen Personen siehe: Sokrates, Timaios von Lokri, Hermokrates, Kritias

Wie im Kritias stellt auch der Timaios ein fiktives Gespräch zwischen Sokrates, Timaios von Lokri, Kritias und Hermokrates dar. Der Dialog grenzt sich von Platons früheren Werken dadurch ab, dass er nach einem kurzen dialogischen Vorgespräch, welches schemenhaft den Idealstaat der Politeia resümiert, als fast ununterbrochener Monolog der Hauptfigur des Astronomen Timaios geschrieben ist.[5] Die anderen Figuren dienen lediglich als literarische Elemente, um den Rahmen eines Gesprächs zu gestalten. Der Vortrag des Timaios entspricht somit der Konzeption der Trilogie TimaiosKritiasHermokrates, welche jeweils einem referierenden „Experten“ ungeteilte Aufmerksamkeit schenken sollte. In ähnlicher Weise ist die gesamte Dialogsituation vorwiegend aus literarischer Sicht zu sehen, welche von Platon konstruiert worden sein könnte, ohne auf einem historisch authentischen Ereignis zu beruhen.

Timaios

Der Astronom Timaios von Lokri ist der Hauptvortragende und damit der Namensgeber des Timaios. Abgesehen vom Vorgespräch, das als kurzer Dialog zwischen Timaios und Sokrates geschrieben ist, und dem Atlantis-Vortrag des Kritias bleibt Timaios der uneingeschränkte Referent.

Im Gegensatz zu den anderen Hauptfiguren von Timaios-Kritias kann für Timaios von Lokri nicht sicher eine historisch authentische Existenz nachgewiesen werden, zumal keine schriftlichen Werke dieser Person oder Erwähnungen durch Zeitgenossen bekannt sind und Timaios somit ausschließlich in den platonischen Dialogen literarisch belegt ist, wo er aufgrund seiner politischen und philosophischen Errungenschaften Erwähnung findet.[6] Alle Quellen, die ihn als Phythagoreer bezeichnen, sind später zu datieren und nehmen Bezug auf Platons Version.[7] Man nimmt in der Forschung daher an, dass Timaios eine von Platon fingierte Figur ist, die nach der Vorlage verschiedener historischer Personen konzipiert wurde, um als Phythagoreer in den thematischen Kontext des Timaios zu passen.[8] Eine der Personen, die als Vorlage für Timaios von Lokri gedient haben könnten, ist der im 4. Jahrhundert lebende Archytas von Tarent, mit dem Platon befreundet war, der aber – ohne einen Anachronismus eingehen zu müssen – als Dialogpartner nicht in Frage gekommen wäre, da er zum fiktiven Zeitpunkt des Gesprächs noch ein Kind war.[9]

Kritias

Kritias, der Hauptredner des nach ihm benannten Dialogs Kritias, erhält im Timaios eine untergeordnete Rolle. Lediglich im Atlantis-Exkurs wird ihm das Wort erteilt, wobei er einen knappen Ausblick auf den angeblich in seiner Familie tradierten Mythos gewährt und somit eine Vorschau auf seinen eigenen Vortrag im Kritias präsentiert. Außerdem teilt er die einzelnen Redethemen für die kommenden Vorträge den anwesenden Rednern zu: Timaios solle mit seiner kosmologischen Rede beginnen, Kritias anschließend mit staatsphilosophischen Inhalten am Beispiel des nun detaillierter beschriebenen Atlantis-Mythos fortfahren und Hermokrates seinerseits die Trilogie beenden.[10] Der historische Kritias war über seinen Vorfahren Dropides, den Athener Archon in den Jahren 593/92 v. Chr., mit dem Athener Lyriker und Politiker Solon gleichermaßen wie mit Platon selbst verwandt[11] und wurde von Platon als Erzähler der vorzeitlichen Geschichte Athens und Atlantis’ gewählt. Die genaue historische Identität des Kritias gilt jedoch als umstritten, da mehrere Träger gleichen Namens in Frage kommen könnten.[12]

Sokrates

Obwohl Sokrates als Lehrer Platons in vielen Dialogen seines Schülers als Hauptredner und absolute Autorität auftritt, ist seine Funktion im Timaios marginal. Nur im staatsphilosophischen Vorgespräch und der Überleitung zum Atlantis-Exkurs ergreift Sokrates in der Rolle eines „Moderators“ kurz das Wort. Während des eigentlichen Vortrags des Timaios bleibt Sokrates als verwunderter Zuhörer im Hintergrund und wird lediglich einmal als erzählerisches Element eingesetzt, um das einleitende Vorgespräch über Werdendes und Seiendes und die Rolle eines göttlichen Schöpfers vom tatsächlichen Referat gliedernd zu trennen und sein Staunen über Timaios’ Äußerungen zum Ausdruck zu bringen.[13]

Hermokrates

Hermokrates tritt im Timaios lediglich auf, um den Atlantis-Mythos zu erwähnen, von dem Kritias am Nachhauseweg vom gestrigen Gespräch berichtet hätte, und Kritias zu einem kurzen Vortrag darüber aufzufordern.

Fiktive Datierung

Nach Platons Angaben finden die fiktiven Dialoge Timaios und Kritias an den kleinen Panathenäen einen Tag nach einem weiteren Gespräch statt,[14] bei dem Sokrates sein Modell des Idealstaates präsentiert hätte.[15] Dabei knüpft die Dialogsituation des Timaios-Kritias nicht chronologisch, sondern lediglich inhaltlich an die Politeia an, deren fiktiver Vortrag am Festtag zu Ehren der thrakischen Göttin Bendis in Piräus stattfand, also etwa zwei Monate vor dem Fest der kleinen Panathenäen und der Dialogsituation des Timaios-Kritias. Auch muss der Hinweis auf einen staatphilosophischen Vortrag des Sokrates nicht unbedingt als auf die Situation der Politeia selbst bezogen verstanden werden.[16] Indem Platon im Timaios auch die Dialogsituation betreffend auf die Politeia anspielt, transferiert er „mit einem seltsamen Kunstgriff […] die normative Analyse der Politeia in diese Geschichte [des Timaios und der Atlantis-Exkurses] […].“[17]

Eine historische Datierung des Gespräches des Timaios-Kritias im 5. Jahrhundert v. Chr. setzt die Annahme eines realen Timaios von Lokri voraus, die jedoch durchaus umstritten ist. Dieser dürfte als einer der führenden Lokrer wahrscheinlich um 422 v. Chr. in Athen gewesen sein, das sich bemühte, mich den westgriechischen Städten Bündnisse zu schließen.[18] Darüber hinaus könnte Hermokrates ausschließlich zu einem Zeitpunkt vor der Sizilienexpedition 415 bis 413 v. Chr. Athen besucht haben, in deren Verlauf Hermokrates maßgeblich an den militärischen Aktionen gegen das athenische Expeditionskorps beteiligt war.[19] Da sein Besuch etwa kurz vor bzw. nach dem Abschluss des Nikiasfriedens (422 − 421 v. Chr.) stattgefunden haben dürfte und zudem die kleinen Panathenäen als literarischer Hintergrund genannt werden, scheint die Mitte des August 421 v. Chr. als wahrscheinlichstes Datum.[20]

Jedoch vertreten zahlreiche Philologen und Philosophen die Auffassung, dass im Timaios-Kritias – wie in vielen anderen Dialogen Platons auch – eine rein literarische Situation beschrieben wird, die nicht historisch datiert werden kann. Dies hieße, dass „der angebliche Dialog ein Gespräch unter Toten ist, die einander vermutlich nie begegnet waren“.[21] Platon „kam es offenbar mehr auf die versammelten Personen als auf eine widerspruchsfreie Datierung ihres Gesprächs an.“[22]

Inhalt

Gliederung

Der Timaios weist eine Einteilung in das Vorgespräch und drei Hauptabschnitte auf:[23]

  • Das „Vorgespräch“ besteht aus einer Wiederholung der staatsphilosophischen Postulate Platons, die anhand des skizzierten Atlantis-Mythos erläutert werden.[24]
  • „Die Entstehung durch die Vernunft“ beschreibt die metaphysische Schöpfung von Kosmos und Weltseele durch einen göttlichen Schöpfer, den Demiurgen.[25]
  • „Die Entstehung durch die Notwendigkeit“ beschäftigt sich mit dem materiellen Aufbau realer Objekte und der sinnlichen Wahrnehmung des Menschen.[26]
  • „Die Entstehung durch Vernunft und Notwendigkeit“ wendet sich abschließend der psychisch-physischen Ausstattung des Menschen und der Lebewesen mit Funktionen und Eigenschaften zu.[27]

Das Vorgespräch

Der Prolog

Siehe auch: Politeia
Papyrusfragment P.Oxy. 3679 der Politeia Platons aus Grabungen im ägyptischen Oxyrhynchos, 3. Jahrhundert n. Chr., Sackler Library, Oxford.

Auf die Begrüßung der Dialogteilnehmer Sokrates, Timaios, Kritias und Hermokrates folgt eine kurze Rekapitulation des Idealstaates, wobei die Kernpunkte des fiktiven „gestrigen“ Gesprächs wiederholt werden. Im Wesentlichen umreißt der Prolog den äußeren Staatsaufbau in Bezug auf dessen ständestaatliche Gesellschaftsordnung, Erziehung und Lebensweise der Wächter: Timaios fasst zusammen, wie die Bevölkerung nach spezifischen individuellen Veranlagungen (Vorlage:Polytonisch katá phýsin) in Handwerker (δημιουργοί dēmiurgoí), Wächter (φύλακες phýlakes) und Herrscher (Vorlage:Polytonisch árchontes) separiert werden müsse, wobei die Einrichtung des Wehrstandes mit besonderem Augenmerk bedacht wird. Dessen innere Egalität, der Verzicht auf Privateigentum, die Frauen- und Kindergemeinschaft, die eugenischen Maßnahmen zur strengen sozialen Segregation des Nachwuchses wie auch die Abgeschlossenheit nach außen hin bringt nach der platonischen Staatsphilosophie die Elite der archontes hervor.[28] Dabei werden die Erziehung des Wächterstandes als Vorbereitung auf dieses Amt und die „Schau der Idee des Guten“ – trotz der Bedeutung in der Politeia – in der Timaios-Einleitung nicht erwähnt.[29]

Auf die staatsphilosophische Zusammenfassung des Timaios erwidert Sokrates, dass er sich eine paradigmatische Umsetzung dieses Modells wünsche, um in einem Gedankenexperiment die Funktionsfähigkeit seines Idealstaates nachzuweisen. „Denn gern wohl möchte ich etwa jemandem zuhören, wenn er erzählt, wie unser Staat die Wettkämpfe, die ein Staat zu bestehen hat, mit anderen Staaten austrägt und wie er in geziemender Weise in den Krieg eintritt […].“[30] Hermokrates will Sokrates’ Wunsch nachkommen und erwähnt, dass Kritias auf dem Heimweg vom gestrigen Gespräch eine „Sage aus alter Überlieferung“ eingefallen wäre, welche „auf geheimnisvolle Weise durch eine Art Zufall“ zu dem eben rekapitulierten Staatsmodell passe.[31] Kritias gibt darauf in bewusster Angleichung an die Thematik des Prologs einen kurzen Überblick über den Kampf zwischen dem – im Sinne der platonischen Staatsphilosophie – idealen Ur-Athen und der später versunkenen Insel Atlantis neuntausend Jahre vor dem Zeitpunkt des Dialogs.[32]

Der Atlantis-Exkurs

Siehe auch: Atlantis

Kritias erwähnt in einer kurzen Zusammenfassung – damit vorgreifend auf den nach ihm benannten Dialog Kritias – den „gar seltsamen, aber durchaus wahren Logos“ vom Krieg zwischen dem Idealstaat ‚Ur-Athen‘ und der Seemacht Atlantis. Dieser wird, anders als die sonstigen platonischen Mythen, mit einer aufwendig konstruierten Überlieferungsgeschichte ausgestattet. Der Erzähler Kritias habe die Geschichte in seiner Jugend von seinem Großvater gleichen Namens gehört, der sie wiederum von seinem Vater Dropides, dem Athener Archon von 593/92 v. Chr. gehört habe.[33] Jener wiederum war ein Verwandter des berühmten Solon, welcher den Atlantis-Bericht einst von seiner Reise in das ägyptische Sais mitgebracht habe. Solon habe ursprünglich geplant, Atlantis als Sujet einer Dichtung zu nutzen, die die Epen von Homer und Hesiod überstrahlt hätte, doch seine staatsmännischen Aufgaben hätte ihn daran gehindert. So sei der Atlantis-Bericht lediglich mündlich in seiner Familie überliefert worden und so auf Kritias gekommen.

Darin wird zunächst festgestellt, dass die Menschheit regelmäßig von Kataklysmen und Ekpyrosen heimgesucht würde. Einige davon seien den Griechen aus Mythen bekannt, nämlich der Kataklysmos des Deukalion sowie die Ekpyrosis des Phaethon. Dabei würde jeweils ein Großteil der Menschheit ausgerottet, außer jedoch in Ägypten, das aufgrund seiner Lage immer verschohnt bleibe. Deshalb konnte nur in Ägypten die neuntausend Jahre alte Geschichte von Atlantis überliefert werden, während die Griechen nach jeder dieser Katastrophen ihre Kenntnisse der Vergangenheit verlieren würden.[34] Im damaligen Athen, so sei Solon berichtet worden, habe ein Staat existiert, dessen Aufbau dem platonischen Idealstaat glich.[35] Ihm gegenüber stünde die Seemacht Atlantis, die ausgehend von ihrer jenseits der Säulen des Herakles gelegenen Hauptinsel ganz Nordafrika bis einschließlich Ägypten und ganz Europa bis Etrurien erobert hätte, und nun zur Eroberung Griechenlands ansetzte. Doch ‚Ur-Athen‘ habe, obwohl ganz auf sich gestellt, den Angriff abwehren und so die zuvor von Atlantis eroberten griechischen Gebiete befreien können – ein Szenario das sehr deutlich an die Perserkriege erinnert. Wenig später seien sowohl Atlantis wie auch ‚Ur-Athen‘ in einem jener zyklisch auftretenden Kataklysmen versunken, weshalb sich nur in Ägypten die Erinnerung an jene „größte Heldentat der Athener“ erhalten habe.

Der Atlantis-Exkurs bildet wie ein Verweis auf den nachfolgenden Kritias den staatsutopischen Auftakt des Timaios und damit der gesamten Trilogie Timaios - Kritias - Hermokrates. Durch den staatsutopischen Exkurs wird die Naturphilosophie des Timaios mit dem politischen Gedankengut Platons verknüpft und der Zusammenhang zu den anderen Werken der Trilogie betont.[36] Kritias legt anschließend die Reihenfolge der einzelnen Vorträge fest: Timaios solle mit seiner Rede über die „Entstehung der Welt“ bis zum „Ursprung des Menschen“ beginnen, worauf Kritias anschließend den Schwerpunkt der Staatsphilosophie am Beispiel des nun detaillierter beschriebenen Atlantis-Mythos aufgreifen und Hermokrates seinerseits die Trilogie abschließen würde.[10]

Die Entstehung durch die Vernunft

Seiendes und Werdendes

Der eigentliche Vortrag des Timaios über die Erschaffung und Einrichtung des Kosmos und der Weltseele durch die Nous (Vorlage:Polytonisch nūs „Vernunft“) des Demiurgen wird mit einem Götteranruf eröffnet. Inwieweit diese Darstellung wörtlich zu nehmen ist – also ob nach Platons Meinung die Welt wirklich im zeitlichen Sinne nach und nach durch die Lenkung eines personalen Gottes entstand – ist in der Forschung umstritten.[37]

Als Grundlage seines Vortrags über die Entstehung des Univerums führt Timaios zunächst metaphysische und epistemologische Prinzipien ein, indem er grundsätzlich zwischen dem, was „wird und nie ist“, oder dem Werdenden (Vorlage:Polytonisch tò gignómenon) und dem, was „immer ist und nie wird“, oder dem Seienden (Vorlage:Polytonisch tò ón) unterscheidet.[38] Obwohl im Timaios diese Entitäten nicht näher charakterisiert werden, lässt sich das Gegensatzpaar Werdendes-Seiendes als Gegenüberstellung der Wahrnehmung innerhalb der realen Welt einerseits und der kategorialen Prinzipien der platonischen Ideen andererseits verstehen. Wie in der Politeia die Ideenlehre als Grundlage und Vorbild des Idealstaates postuliert wird, so dienen die Ideen in Platons Timaios als das ewige Modell, wonach der Demiurg den wahrnehmbaren Kosmos gestaltet.

Platon fährt fort, dieses dialektische Prinziep mit den epistemologischen Entsprechungen zu verknüpfen: Die sichtbare Natur ist dabei durch „Meinung“ (δόξα dóxa) und „vernunftlose Wahrnehmung“ (Vorlage:Polytonisch aísthēsis álogos) fassbar und dem Werdenden zuzurechnen, während die Welt der Ideen, die als ewige Urformen dem Bereich des Seienden angehören, nur dem Denken (νόησις nóēsis) offen steht.[39] Deshalb ist jeder Vortrag über die beiden unterschiedlichen Bereiche von der jeweiligen Natur ihrer Objekte bedingt: Spricht man also „vom Bleibenden und Festen und von dem, was sich durch die Einsicht erhellen lässt, da sollen es auch bleibende und unumstößliche Worte sein […].“[40] Da die physikalische Welt aber nur als eine Art Abbild Anteil am Seienden hat, kann auch die Rede darüber nur einen bildhaften oder gleichnisähnlichen Charakter annehmen; der direkte Zugang zur Ideenwelt bleibt ihr verschlossen. Daher ist ein diesbezüglicher Vortrag nicht mit der Wahrheit des Seienden identisch, sondern kann nur „wahrscheinlich“ sein (Vorlage:Polytonisch eikṓs lógos); denn „wie zum Werden das Sein, so verhält sich zum Glauben die Wahrheit.“[41]

Da alles Werdende als das Resultat einer Ursache zu sehen ist, postuliert Timaios, dass der Kosmos das Produkt eines Schöpfungsprozesses sein muss, indem ein Demiurg (δημιουργός „Handwerker“) alles Werdende gewissermaßen als Vater des Universums in Nachbildung eines ewigen Ideen-Modells erschuf. Aufgrund der Schönheit und vernunftgemäßen Ordnung des Kosmos folgert Timaios, dem Schöpfergött müsse die Ideenwelt als Vorbild gedient haben. Denn „überall nun, wo der Schöpfer jeweils auf das hinblickt, was mit sich selbst identisch ist, indem er etwas Derartiges als Vorbild verwendet und danach den Gehalt seines Werkes nachschafft, da muss notwendig alles schön sein, was auf diese Weise zustande kommt.“[42] Die metaphyische Prämisse von Werdendem und Seiendem bzw. ihre Bezüge zur Erkenntnistheorie bilden die Grundlage und den Rahmen für die Kosmologie im Timaios.

Die Argumentation und die abgeleiteten Schlüsse in Bezug auf die Ideenlehre und die Rolle des Demiurgen lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:[43]

Argumentationsstruktur


  1. Es gibt Objekte, die existieren, ohne jemals entstanden zu sein (Seiendes).
  2. Es gibt Objekte, die entstehen, ohne jemals zu existieren (Werdendes).
  3. Objekte, die existieren, können durch den Verstand begriffen werden und führen zu wahrer Erkenntnis.
  4. Objekte, die entstehen, können durch die Meinung begriffen werden und führen zu einer vernunftlosen Sinneswahrnehmung.
  5. Das Universum ist entstanden:
    1. Das Universum ist sichtbar und fühlbar bzw. besteht aus Materie.
    2. Wenn ein Objekt sichtbar und fühlbar ist bzw. aus Materie besteht, ist es wahrnehmbar.
    3. Wenn ein Objekt wahrnehmbar ist, ist es entstanden.
    4. → Schluss: Das Universum ist entstanden.
  6. Alles, was entstanden ist, beruht auf einer Ursache.
  7. Weil das Universum entstanden ist, muss es eine Ursache haben.
  8. Die Ursache des Universums ist ein Demiurg, der es nach einer Vorlage erschuf.
  9. Die Vorlage des Universums muss etwas sein, das existiert:
    1. Entweder ist die Vorlage etwas, das immer existiert, oder etwas, das entstanden ist.
    2. Wenn das Universum schön gestaltet ist und der Demiurg gut gehandelt hat, ist die Vorlage etwas, was existiert.
    3. Wenn das Universum nicht schön gestaltet ist und der Demiurg nicht gut gehandelt hat, ist die Vorlage etwas, was entstanden ist.
    4. Das Universum ist schön gestaltet und der Demiurg handelt gut.
    5. → Schluss: Die Vorlage des Universums muss etwas sein, das existiert.
  10. Conclusio: Das Universum ist das Produkt einer Schöpfung, gestaltet vom Demiurgen nach einer ewigen Vorlage.

Ausgehend von der ersten Prämisse, welche die Existenz von Ideen (1) und den danach geformten realen Objekten (2) postuliert, weist die Methodologie Platons logische Züge auf. Lediglich der Übergang von der Notwendigkeit einer Ursache (7) zur Doktrin eines Demiurgen (8) lässt argumentative Lücken entstehen. Da sich der Timaios jedoch nicht ausschließlich der Entstehung des Kosmos selbst, sondern primär dessen vernünftigen und überwiegend „schönen“ Gestaltung (9.4) zuwendet, erscheint eine profane oder zufällige Ursache für die platonische Kosmologie undenkbar, weshalb der teleologisch konzipierte Timaios zwangsläufig zu Gunsten eines göttlichen Schöpfungsursprunges argumentieren muss.[43]

Die Erschaffung des Kosmos

William Blakes The Ancient of Days, 1794.

Timaios fährt mit der Beschreibung der Genesis fort: Gütig und neidlos war der Demiurg bestrebt, die bestmögliche Weltordnung nach dem Vorbild der Ideen aus dem ursprünglichen Chaos zu schaffen. Dabei ordnete er „alles, was sichtbar war und nicht in Ruhe verharrte, sondern sich reglos und ungeordnet bewegte, und brachte es aus der Unordnung zur Ordnung, weil er meinte, dass die Ordnung auf jeden Fall besser sei als die Unordnung.“[44] Aus dem formlosen und unkontrolliert bewegten Chaos der Elemente, das sich für Platon als ein Mangel an homogener Ordnung charakterisiert, geht der geordnete Kosmos hervor, welcher der göttlichen Vorstellung von Schönheit entspricht.

Da sich Schönheit in Vernunft ausdrückt und Vernunft in einer Seele eingebettet sein muss, verlieh der Demiurg der Seele Vernunft und setzte diese der Materie ein, woraus der Kosmos als „beseeltes und vernünftiges Wesen“ hervorging.[45] Diese kosmische Schönheit wäre nicht perfekt, wenn es mehrere Welten gäbe und der bekannte Kosmos nur als Teil, nicht als ein unvergleichliches Unikum existieren würde. Daher erschuf der Demiurg nur eine singuläre Welt.[46]

Der physikalische Anteil des Kosmos entspricht dabei dem göttlichen Streben nach Proportionen: Aus den Elementen Feuer und Erde für das Sichtbare bzw. das Tastbare erschuf der Demiurg nach Platon die Welt und verband sie als entgegen gesetzte Bindeglieder mit Wasser und Luft, woraus sich der dreidimensionale Raum ergibt: „Deswegen also und mit Hilfe dieser Elemente und ihrer Vierzahl wurde der Leib der Welt geschaffen; dank der Proportion stand er mit sich selbst im Einklang und es ergab sich daraus eine solche Befreundetheit (seiner Teile), dass er zu einer homogenen Einheit zusammenwuchs.“[47] Im Streben nach Harmonie wurde die Welt in Kugelform „als ein vollständiges Ganzes“ erschaffen und in Rotation versetzt. Dem Körper des Kosmos setzte der Demiurg die vernunftbegabte Seele ein, welche in der ganzen Schöpfung verteilt Ausdruck der Schönheit des Erschaffenen ist und den Kosmos selbst zur „glückseligen Gottheit“ macht.[48]

Die Erschaffung der Weltseele

Der materielle Körper des Kosmos (σώμα sōma) ist mit der Weltseele (ψυχή psychē) immanent verbunden und ähnelt dabei der dualistischen Vorstellung von Leib und Seele des Menschen. Dabei erschuf der Demiurg die Weltseele zeitlich vor dem Körper und ordnete sie diesem als „Gebieterin“ und „Herrscherin“ hierarchisch über.[49] Bestehend aus den Prinzipien des Selben (Vorlage:Polytonisch to autón) und des Verschiedenen (Vorlage:Polytonisch to héteron) als Ausdruck von Vernunft bzw. Unordnung wurde die Weltseele mit einer „dritten Wesenheit“ verbunden, welche der Demiurg aus beiden Prinzipien mischte. Die entstehende Masse teilte der Schöpfer nach präzisen mathematischen Verhältnissen, die an pythagoreische Zahlenspekulationen erinnern und von diesen auch inspiriert worden sein könnten.[50]

Diese Grundsubstanz zerschnitt der Demiurg anschließend der Länge nach und verband die beiden entstehenden Bänder an einem zentralen Knotenpunkt in Form des Buchstaben Chi Χ. Die Enden der beiden Stränge verschmolz er miteinander, sodass zwei sich schneidende Kreise entstanden. Außerdem versetzte er beide Kreise in Rotation um ihre jeweilige Achse: Dem äußeren Kreis wies er den Bereich des Selben zu und ließ in horizontal nach rechts rotieren, während sich der innere Kreis als Bereich des Verschiedenen diagonal nach links zu bewegen begann.[51] Dabei erhielt der äußere Kreis größere Kraft und blieb ungeteilt, während der innere in sieben ungleiche Kreise mit unterschiedlichen Rotationsrichtungen und -geschwindigkeiten unterteilt wurde.[52] Diese Unterteilung in zwei gegenläufige Kreise erklärt nach Platon auch die kosmologische Organisation des Universums: Als göttliche Wesen werden die Kreise im Bereich des Verschiedenen mit den Himmelskörpern Sonne, Venus, Merkur, dem Mond, Mars, Jupiter und Saturn besetzt und dienen als kalendarische Zeitgeber.[53] Die Fixsterne markieren Tag und Nacht, der Mond das Monat und die Sonne ein Jahr. Die Zeit selbst wurde nach Platon zusammen mit den Bewegungen der Himmelskörper als „Abbild der Ewigkeit“ geschaffen. Abschließend verband der Demiurg Körper und Seele des Kosmos, indem er vom Zentrum aus die unsichtbare Seele in allen Teilen der sichtbaren Materie verteilte und diese damit einhüllte.[54]

Platon überträgt nun die physikalischen Gesetzmäßigkeiten der kosmischen Bewegung auch auf die menschliche Erkenntnis: Tritt die Seele mit Objekten der Wahrnehmung in Kontakt, versetzt dies den Kreis des Verschiedenen in Rotation, woraus „Überzeugungen“ und „Meinungen“ entstehen. Stößt der Intellekt aber „umgekehrt auf das Denkbare und der Kreis des Selben verläuft dabei richtig und gibt diese Kunde, so kommen mit Notwendigkeit Einsicht und Wissen zustande.“[55]

Neben der Erschaffung der sichtbaren Göttern, die Platon als Gestirne bzw. auch als die „glückseligen Gottheit“ des Kosmos selbst charakterisiert, beschreibt der Timaios auch eine Theogonie,[56] die - obwohl Platon gerade mit der Beschreibung eines einzigen personalen Demiurgen mit der griechischen Mythologie bricht - sich auf den traditionellen Götterglauben stützt: Namentlich nennt Timaios in unvollständiger Abfolge Gaia und Uranos sowie drei von ihnen abstammende Göttergenerationen, die u. a. von Okeanos, Kronos, Zeus und Hera vertreten werden. In einer Rede wendet sich der Demiurg anschließend an die von ihm geschaffenen Götter und sichert ihnen zu, dass er weder sie noch der Kosmos jemals wieder zerstören werde, was ihm als der alleinigen Schöpfungsursache zwar möglich, aber auf Grund seiner Güte und der Schönheit des Kosmos ein Frevel wäre.[57]

Die Entstehung durch die Notwendigkeit

Die Notwendigkeit und die „dritte Gattung“

Im zweiten Hauptteil ergänzt Timaios, dass die Entstehung des Universums kausal nicht rein auf das Wirken des Demiurgen zurückgeführt werden kann, sondern auch als Ergebnis von sekundären Kräften (συναίτιαι synaítiai) zu sehen ist.[58] Vor dem Eingreifen des Demiurgen existierten dieser Vorstellung zufolge bereits Strukturen, deren Eigenschaften durch die „Notwendigkeit“ bestimmt wurden und beim Akt der Schöpfung selbst nicht mehr weiter verändert oder vernichtet werden konnten. Dadurch erlaubten diese Urstrukturen dem Demiurgen bestimmte Prozesse und verhinderten andere, wodurch der Kosmos im Timaios keineswegs in Form einer creatio ex nihilo („Schöpfung aus dem Nichts“) entsteht, sondern das Produkt aus „Notwendigkeit“ (Vorlage:Polytonisch anánkē) und der „Vernunft“ ([[Nous|Vorlage:Polytonisch]] nūs) des Demiurgen darstellt: „Denn diese Weltordnung beruht auf einer Mischung, die sich aus der Vereinigung von Notwendigkeit und Vernunft ergab. Indessen regiert die Vernunft über die Notwendigkeit, indem sie sie dazu überreden konnte, das meiste von dem Entstehenden zum Besten zu führen; aus diesem Grund also […] kam dieses All von Anfang an so zustande.“[59]

Das Grundschema der platonischen Ideenlehre nach dem Idee-Abbild-Prinzip ohne Erweiterung um die drite Entität im Timaios.

Der Timaios unterscheidet in der Einleitung übereinstimmend mit der Ideenlehre Platons zwischen dem Seienden (Vorlage:Polytonisch tò ón), den abstrakten Urbildern der kategorialen Ideen, und dem Werdenden (Vorlage:Polytonisch tò gignómenon), also den realen Objekten, welche der Demiurg nach dem Vorbild der Ideen schuf. Erneut wiederholt Timaios diese Differenzierung und schreibt den einzelnen Prinzipien Qualitäten zu, wobei er jedoch nun dieses Modell um ein dritte „unsichtbare und gestaltlose Wesensart“ erweitert,[60] die meistens als Vorlage:Polytonisch (chṓra „Platz, Raum“) bezeichnet wird.[61] Timaios charakterisiert das räumliche Prinzip metaphorisch als „Amme des Werdens“ (γενέσεως τιθήνη genéseōs tithēnē),[62] um zu versinnbildlichen, dass der Raum gewissermaßen die Kinder der Idee aufnimmt und zu real wahrnehmbaren Objekten werden lässt, jedoch nicht ursächlich für deren Entstehung verantwortlich ist. Die „Amme des Werdens“, die in keinem anderen Dialog Platons erwähnt wird, erweitert als dritte Entität somit das Idee-Abbild-Prinzip der platonischen Ideenlehre:

  • Die Ideen oder das Seiende als die „erste Wesensart […], die sich immer gleich verhält, ohne Werden und ohne Vergehen; sie nimmt weder irgendwoher ein anderes in sich auf, noch geht sie selbst irgendwohin in ein anderes ein; sie ist unsichtbar und auch sonst auf keine Weise wahrzunehmen, das also, dessen Betrachtung dem einsichtigen Denken vorbehalten ist.“
  • Das reale Objekt oder das Werdende als „zweite Art […] ist wahrnehmbar, dem Werden unterworden, immerfort in Bewegung, an einem Ort entstehend und von dort wieder verschwindend und durch das Meinen mit Hilfe der Sinneswahrnehmung erfassbar.“
  • Der „Amme des Werdens“ als „dritte Gattung […] lässt keine Vernichtung zu, gewährt aber allem Einsitz, das eine Entstehung hat; sie [die Gattung] selbst aber ist durch keine Wahrnehmung, nur durch falsche Überlegung und kaum zuverlässig fassbar.“

In weiteren Metapher verdeutlicht der Sprecher dieses dreigliedrige Prinzip anhand von Vater, Mutter und Kind:[63] Während der „Vater“ (Idee) die Eigenschaften des „Kindes“ (sinnlich wahrnehmbares Objekt) wie als genetische Vorlage bestimmt, lässt die „Mutter“ es in sich entstehen,[64] woraus dann das „Kind“ als Abbild des Vaters und von der Mutter zur Welt (sinnlich wahrnehmbarer Bereich) gebracht hervorgeht.

Umstritten ist jedoch, ob die dritte Gattung nun primär als räumlich dreidimensionale Ausdehnung eines Objekts oder als Substrat und materielle Grundlage realer Gegenstände verstanden werden soll. Denn einige Bestimmungen der dritten Gattung wie Aufnahme des Werdenden und in diesem Sinne auch Amme, Sitz, Aufnahme wahrnehmbarer Objekte, Unsichtbarkeit und amorphe, beständige Gestalt lassen sich auf den Raum beziehen, während sie anderenorts mit Notwendigkeit als Ursprung des Werdens, Ursache, Bewegungsprinzip, Prägestoff und Mutter charakterisiert wird, was auch eine materielle Funktion impliziert.[65] Die Unsicherheit in dieser Interpretation der zweifachen Funktion geht soweit, dass der französische Philosoph Jacques Derrida die Entität der „Amme des Werdens“ im Timaios für gänzlich bestimmungslos und damit auch weder räumlich noch materiell definiert hält. Eine Übersetzung sei demzufolge nicht möglich, da bereits die Bezeichnung eine Unterscheidung enthalte und die Identitätslosigkeit dieses Prinzips ignoriere, weshalb anstelle einer spekulativen Übersetzung ein x eingefügt werden solle.[66] In Vereinigung beider Aspekte vergleicht eine andere Interpretation die chṓra mit einem angefüllten Raum, der einem wahrnehmbaren Objekt einerseits räumliche Ausdehnung verleiht, jedoch andererseits - auf Grund seiner angefüllten Räumlichkeit - auch als zu Grunde gelegtes, in sich neutrales Substrat oder eine materielle Prägemasse die Objekte konstituiert. Dadurch wird die dritte Entität sowohl als materielles Prinzip, welches Objekte entstehen lässt, wie auch als räumliche Dimension oder Medium verstanden, in welchem diese subsistieren.[67] Andere Interpreten sehen die dritte Gattung in ihrer Funktion als Mittler der platonischen Ideen: So kann man die unterschiedlichen qualitativenKonzeptionen auch vor dem Hintergrund der Unterscheidung in mathematische und nicht-mathematische Ideen sehen. Während reale Objekten nicht-mathematischer Ideen, z.B. der Idee des Feuers, den materiellen, nicht-mathematisch bestimmten Aspekt der chṓra bedingen, verlangen die Abbilder mathematischer Ideen, z.B. der einer geometrischen Figur, nach einem räumlichen Prinzip, in welchem sie umgesetzt werden und sich bewegen.[68]

Die Einführung einer dritten Entität von räumlicher wie auch materieller Qualität in die platonische Ideenlehre versucht damit zu erklären, welche Eigenschaften ein wahrnehmbares Objekt erhalten muss, um überhaupt das Abbild einer Idee sein zu können: Der Gegenstand muss räumliche Ausdehnung und Begrenzung aufweisen und von einer unbestimmten materiellen Komponente gestaltet sein, welche durch die Teilhabe an den Ideen (μέθεξις méthexis) geprägt wird. Dadurch wird das metaphysische Idee-Abbild-Schema der Ideenlehre in den mittleren Dialogen Platons deutlich erweitert.[67]

Die Elemente

Zentraler Bestandteil der platonischen Naturphilosophie ist auch die Lehre von den vier Elementen Erde, Feuer, Wasser und Luft, aus denen anorganische und organische Objekte des Kosmos dem Timaios zufolge zusammengesetzt sind. Platon lässt Timaios in Anspielung auf die Vorsokratiker hinzufügen, dass bisher niemand die Entstehung dieser Elemente thematisiert, sondern sie vielmehr als vermeintliche Anfänge (ἀρχαί archaí) und Urbestandteile (Vorlage:Polytonisch tà stoicheîa) des Alls bezeichnet hätte, ohne tiefere Kenntnisse erlangt zu haben.[69]

Platon selbst beansprucht, auf die Entstehung der Elemente zurückgehen zu können: Denn sollten die Elemente tatsächlich als Anfänge und Urbestandteile bezeichnet werden, müssten sie von dauerhafter Qualität sein, was Timaios anhand physikalischer Prozesse wie Fest- und Flüssigwerden, Auflösung und Entzündung zu widerlegen versucht. Dadurch sind die Elemente selbst werdende, nicht seiende Objekte. Platon vergleicht sein Postulat metaphorisch mit einem Handwerker, der aus Gold verschiedene geometrische Formen gestaltet und sogleich wieder umprägt. Würde man nun fragen, was denn das sei, wäre eine Antwort, welche die momentane Gestalt, also die Akzidenz des Objektes benennt, unbrauchbar, da sie schon falsch wäre, sobald der Handwerker seine Arbeit erneut umformt. Einzig die Antwort „Gold“ ist korrekt, da sie das dauerhaft Seiende, die Substanz bezeichnet.[70]

Der Timaios sieht daher die amorphe Prägemasse der chṓra als Grundlage der Entstehung der Elemente: Im Stadium der Erschaffung durch die Notwendigkeit befand sich die „Amme des Werdens“ in ständiger ungeordneter Bewegung, wodurch die materielle Urstruktur - metaphorisch umschrieben - wie auf einer Rüttelplatte nach ihren Eigenschaften abgesondert wurde und in diesem Zustand bereits „Spuren ihres (späteren) Wesens“ zeigte.[71] Während die chṓra bisher weitgehend unkommentiert sowohl räumliche als auch materielle Qualitäten vereinte, differenziert der Timaios nun die lokalen Absonderung der Urmaterie.[72] Daraus entwickelten sich die eigentlichen Elemente: Platon lässt Timaios referieren, dass der Demiurg jeweils der kleinsten Struktur eines Elements eine bestimmte geometrische Form zuwies: dem Feuer das Tetraeder, der Luft das Oktaeder, dem Wasser das Ikosaeder, der Erde den Würfel und dem gesamten All das Dodekaeder.[73]

Jedes der ersten drei Polyeder wiederum besteht entweder aus gleichschenkeligen orthogonalen „Elementardreiecken“ mit der Winkelanordnung 45°-90°-45° und dem Seitenverhältnis 1:√2:1 oder ungleichschenkeligen orthogonalen Dreiecken mit der Winkelanordnung 30°-90°-60° und dem Seitenverhältnis 1:2:√3. Basierend auf ihrer geometrischen Verwandtschaft begründet Timaios auch die Interaktion der Elemente: Demzufolge können die atomähnlichen Körper der Elemente Feuer, Luft und Wasser durch Zusammenstöße gespalten und entsprechend der Anzahl und geometrischen Eigenschaft der beteiligten Dreiecke wieder kombiniert werden: So wandeln sich z.B. zwei Feuer-Körperchen in Luft oder zwei Luft-Teilchen in vier Bestandteile Feuer um.[74] Die Erde, als einziges Element in Würfelform, kann demnach nicht direkt interagieren oder sich transformieren. Die sinnlich wahrnehmbaren Unterschieden in den Qualitäten realer Objekte - z.B. die Aggregatzustände des Wassers oder die Abstufungen von Erde zu Stein - führt Timaios dabei auf verschiedene Größen und Zusammensetzungen der Element-Körperchen und der Elementardreiecke zurück, um die vielfältigen Eigenschaften des Kosmos zu erklären.

Tetraeder - Feuer Oktaeder - Luft Ikosaeder - Wasser Dodekaeder - Kosmos Würfel - Erde

Die Entstehung durch Vernunft und Notwendigkeit

Die Erschaffung des Menschen

Der dritte Hauptteil des Timaios – nach der Erschaffung des Kosmos und der Weltseele durch die Vernunft ([[Nous|Vorlage:Polytonisch]] nūs) und der Einführung der Notwendigkeit (Vorlage:Polytonisch anánkē) als Einflussfaktor auf die materielle Schöpfung – beschäftigt sich mit dem Zusammenspiel aus Vernunft und Notwendigkeit anhand der psychisch-physischen Ausstattung des Menschen mit Funktionen und Eigenschaften.[75] Dabei relativiert der Timaios diese Vereinigung (Vorlage:Polytonisch sýstasis), da die göttliche Vernunft des Demiurgen durch Überredung die Notwendigkeit dazu veranlasste, das meiste der werdenden Objekte nach dem Vorbild der Ideen bestmöglich zu gestalten.[76]

Zur Belebung des Kosmos teilte der Demiurg nach Platons Timaios den Himmelskörpern Sonne, Venus, Merkur, Mond, Mars, Jupiter und Saturn zunächst die – nun minderwertigen – Überreste der Weltseele zu und schuf aus Feuer andere Götter, die er nach seinem Vorbild anwies, Lebewesen wie auch den Menschen aus den vier Elementen Erde, Feuer, Wasser und Luft zu gestalten. In einem periodischen Zyklus werden nach der Vorstellung Platons die ewigen Seelen von diesen Himmelskörpern ausgehend in physischen Körpern inkarniert und kehren nach dem materiellen Tod zu ihrem ursprünglichen Sitz zurück. Der Mensch wurde somit als das höchste unter den Lebewesen direkt von den Göttern geschaffen; die übrigen Arten entstehen aus ihm durch einen Prozess des Verfalls und der Degeneration. Zunächst entarten manche der nun geformten Männer, „Feiglinge“ und „Unwissende“, deren unsterblichen Seelen nach dieser Auffassung bei einer späteren Inkarnation in Gestalt einer Frau oder eines Tieres wiedergeboren werden.[77] Durch die Fesselung der wandernden Seele an einen sterblichen Körper und die physischen Bewegungen werden zudem die kognitiven Fähigkeiten des Menschen beeinträchtigt; erst durch Nahrung und Erziehung erreicht er im Prozess der Anamnesis wieder Zugang zu seinem Intellekt.

Da die unsterblichen Seelen in einen sterblichen Körper versetzt werden, müssen für Platon auch der Seele sterbliche Anteile beigemengt sein, nämlich Empfindungen wie Lust, Schmerz, Tapferkeit, Furcht, Zorn, Hoffnung und Begierde.[78] Dabei trennt Platon sterbliche und unsterbliche Seelenanteile, indem sie unterschiedlichen Körperregionen zugeordnet werden: Den rationalen und unsterblichen Aspekt der Seele dem Kopf vom Rumpf getrennt durch den Hals als „Landenge zwischen dem Kopf und der Brust“, Mut sowie Zorn der Brust – also näher zur Vernunft – und die Begierden dem Bauch. Die unterschiedlichen Organe unterstützen dabei funktional die in ihnen ansässigen Seelenteile: So weist Timaios der Lunge beispielsweise die Funktion zu, als eine Art Luftpolster um das Herz den dort wütenden Zorn zu kühlen.[79] Anhand verschiedener Organe, der Knochen, Sehnen und des Fleisches demonstriert Timaios, wie die Anatomie des Menschen den ihr von der göttlichen Vernunft zugewiesenen Zweck erfüllt und gleichzeitig auch materiell von der Notwendigkeit einer realen Welt mitbestimmt wird. Der Schädelknochen ist z.B. ein solcher Kompromiss zwischen der Vernunft, welche für einen stärkeren Schutz aus Fleisch und Knochen gesprochen hätte, und der Notwendigkeit, die das als eine Gefahr für die kognitiven Fähigkeiten und die Wahrnehmung des Menschen erwies; deshalb „wurde also dem Rumpfe jedes Menschen ein für Sinneswahrnehmung und Nachdenken empfänglicherer, aber weit schwächlicherer Kopf angefügt.“[80]

Der Timaios beschäftigt sich im Folgenden u. a. auch detailliert mit der Entstehung und Funktion der Atmung und des Kreislaufsystems sowie mit Ursachen und möglichen Behandlungen für psychische und somatische Krankheiten.[81]

Die Seelenwanderung

Kurz vor dem Ende des Dialoges resümiert der Sprecher Timaios: „Und für jetzt scheint nun die uns zu Anfang gestellte Aufgabe, das All bis zur Entstehung des Menschen zu behandeln, beinahe gelöst zu sein; denn wie die übrigen Lebewesen entstanden sind, das haben wir (nur) ganz kurz anzugeben [...]“.[82] Es folgt darauf eine kurze Darstellung der Entstehung der Frauen und der Tierwelt durch einen Prozess der seelischen Degeneration - denn bisher wurde lediglich die Entstehung des Mannes beschrieben -, wodurch die weitere Schöpfung durch die Seelenwanderung mit dem vom göttlichen Demiurgen geschaffenen Kosmos in Verbindung gesetzt wird. Diese Degeneration verläuft vierfach abgestuft,[83] woraus neben dem Mann die Frau, Vögel, Säugetiere und Wasserlebewesen hervorgehen:

  • Feige Männer werden nach ihrem Tod als Frauen wiedergeboren; bei dieser Gelegenheit wird kurz die Fortpflanzung erläutert.[84]
  • Männer, „die harmlos, aber leichtsinnig waren, und sich zwar mit den Erscheinungen am Himmel beschäftigen, aber aus Einfalt meinten, dass die auf diesem Gebiet durch die Augen erbrachten Beweise am zuverlässigsten seien“, werden als Vögel reinkarniert; hiermit sind offenbar materialistische Philosophen gemeint.[85]
  • Diejenigen, die sich im bisherigen Leben nicht mit Philosophie befassten, kommen als Landtiere zur Welt, die „Unverständigsten unter ihnen“ als Kriechtiere.[86]
  • Die „Allerunverständigsten und Unwissendsten“ schließlich lässt der Prozess der Seelenwanderung als Fische und sonstige Wassertiere wiedergeboren werden, da „die Umgestaltenden [sie] nicht einmal mehr reiner Atmung wert erachteten“.[87]

Es ist wahrscheinlich, dass dieser von Franz von Kutschera als „Satyrspiel“ bezeichnete Abschnitt nicht ganz Platons Ernst sein dürfte:[88] Während Platon Totengericht und Seelenwanderungslehre auch noch anderweitig ernsthaft erörtert,[89] sind die angegebenen Kriterien für die Abstufung hier offenbar ironisch formuliert. Die genaue Grenze zwischen Ernst und Scherz ist jedoch schwer zu bestimmen.[90][91]

Timaios beendet seinen Vortrag mit einem Lob auf den Kosmos als ein göttliches Wesen: „Und jetzt dürfen wir wohl endlich behaupten, das Ziel unserer Rede über das All erreicht zu haben. Denn so hat nun diese Welt sterbliche und unsterbliche Wesen in sich aufgenommen und ist von ihnen erfüllt als ein sichtbares, lebendiges Wesen […], ein wahrnehmbarer Gott als ein Abbild des denkbaren, und ist zu diesem größten und besten, zum schönsten und vollkommensten Himmel geworden, wie es keinen anderen geben kann.“[92]

Werkshintergrund und Konzeption

Entstehung des Timaios

Frühneuzeitliche lateinische Ausgabe des Timaios, 1491.

Umstritten zeigt sich – wie in vielen Fällen des Corpus Platonicum – die Frage der Datierung der Dialoge Timaios-Kritias: Allgemein wird angenommen, dass beide Werke Platons Spätwerk zuzurechnen sind. Diese relative Datierung innerhalb des Werkes Platons stützt sich je nach Interpret auf den literarischen Charakter der Schriften[93] wie auch auf den naturphilosophischen Inhalt des Timaios, der als Nachhall der pythagoreischen Schule gesehen werden kann, die Platon im Alter auf seinen drei Reisen nach Sizilien kennen gelernt hatte.[94] Ein anderer Ansatz stützt sich auf den historischen Kontext dieser Lebensphase Platons und sieht besonders in der Staatsphilosophie sowie dem Atlantis-Exkurs des Kritias und des Timaios-Vorgesprächs eine kritische Betrachtung der gescheiterten Seemachtspolitik Athens. Somit boten gerade die Niederlage der Athener im Bundesgenossenkrieg (357–355 v. Chr.) und das damit verbundene Ende des Zweiten Attischen Seebundes 355 v. Chr. einen möglichen Hintergrund wie auch einen Anlass, den Timaios-Kritias zu verfassen.[21]

Einer anderen Theorie zufolge ist das staatsphilosophische Einleitungsgespräch und die „experimentelle“ Umsetzung im Atlantis-Mythos als Antwort auf den um 370 v. Chr. von Isokrates verfassten Busiris zu verstehen, worin der Ständestaat und die Arbeitsteilung, wie sie die Politeia und später auch Timaios-Kritias beschreiben, auf alte ägyptische Einrichtungen zurückgeführt werden.[95] Besonders die Anspielung, manch berühmter Philosoph bediene sich dieser alten Einrichtungen als Vorlage,[96] kritisiert die platonische Staatsphilosophie als Plagiat. Gewissermaßen als Reaktion könnte Platon den Timaios konzipiert haben, der vice versa Sais zu einer um tausend Jahre jüngeren ur-athenischen Kolonie degradiert und somit das beschriebene Staatsmodell im Athen der Vorzeit zu begründen versucht.[97]

Wenn man den Busiris als Terminus post quem für den Timaios versteht und den historischen Kontext in Betracht zieht, ergibt sich dadurch im Wesentlichen die Periode um 355 bis 360 v. Chr. als Entstehungszeitraum des Timaios in Platons Schaffen. Der Einordnung des Dialogs in die Spätphase des Werkes Platons stehen vereinzelt Thesen gegenüber, welche ihn in das Umfeld der Politeia und damit der mittleren Schaffensperiode datieren.[98]

Konzeption der Trilogie Timaios – Kritias – Hermokrates

Zusammen mit dem Fragment Kritias und dem geplanten, jedoch niemals tatsächlich geschriebenen Hermokrates war der Timaios vermutlich als Teil einer Trilogie gedacht. Bereits im Vorgespräch des Timaios findet eine Aufteilung verschiedener Themenbereiche zwischen Timaios, Kritias und Hermokrates statt, die Sokrates auf seinen „gestrigen“ staatsphilosophischen Vortrag ihre eigenen Reden in einem jeweiligen Fachgebiet als „Gastgeschenke“ präsentieren wollen.[10] Dabei dürfte die Trilogie so konzipiert gewesen sein, dass die Schöpfungsgeschichte im Timaios in ihrer theologischen und naturphilosophischen Auslegung mit der Menschheitsgeschichte anhand des Atlantis-Mythos im Kritias und der – höchstwahrscheinlich – staatsphilosophischen Thematik des Hermokrates verknüpft worden wäre.[36]Dieses breite Themenspektrum entsprang „Platons Wunsch, in seinem […] ursprünglich als Trilogie angelegten Dialogstück um die drei Hauptredner […] einen Bogen von seinem neu entfachten Interesse für Theologie und Kosmologie hin zum Themenkomplex seiner früher geschaffenen Politeia zu schlagen. Eine Geschichte der Welt vom Werden des Kosmos bis zur Entwicklung und Degeneration des staatlichen Lebens und ein erhoffter Ausblick auf dessen Wiederherstellung sollte das Werk umfassen.“[2] Diese Konzeption weist deutlich darauf hin, wie eng beide Themenkomplexe - Physis wie auch Staatsphilosophie - im platonischen Verständnis miteinander verbunden sind und ergänzend das Weltbild Platons vervollständigen.[99]

Rezeption und Einfluss

Der Timaios ist das Werk Platons, das in der Antike und bis weit ins Mittelalter die meiste Beachtung fand und von bedeutendem Einfluss war. Seine Wirkungsgeschichte lässt sich weiter in die Renaissance, zu Kopernikus, Kepler und Galilei verfolgen, die ebenso wie Denker des 20. Jahrhunderts, z.B. Heisenberg und Whitehead, mit Platons Dialog indirekt in Verbindung gebracht werden können.[4] In neuerer Zeit tritt jedoch vor allem die Rezeption der Politeia in den Vordergrund, wohingegen der Timaios immer noch eine wichtige Position in der Platon-Forschung einnimmt.

Antike

In der Antike galt spezielle der Frage besondere Aufmerksamkeit, ob Platon tatsächlich die Auffassung vertrat, dass der Kosmos einen zeitlichen Anfang nahm, also nicht von ewigem Bestand ist. Im Wesentlichen bildeten sich unter den antiken Platon-Interpreten zwei Positionen dieser grundlegenden Frage: Auf der einen Seite wurde Platons Darstellung der Weltentstehung im Sinne eines zeitlichen Anfangs wörtlich genommen, was u. a. von Platons Schüler Aristoteles vehement verteidigt wurde. Dennoch kritisiert Aristoteles selbst in seinem Werk De Caelo[100] die platonischen Auffassung einer ewigen Schöpfung des Kosmos, da zwar „jeder gewordene Gegenstand vergänglich“ und „jeder vergängliche Gegenstand geworden“, jedoch „keiner von beiden ewig sein könne“.[101] Auf der Gegenseite, begonnen bei Speusippos und Xenokrates, die nach Platons Tod die Leitung der Akademie übernahmen, negierte man die wörtliche Auffassung des Timaios und argumentierte, Platon selbst hätte den zeitlichen Ursprung des Kosmos in einem anderen Kontext verstanden.[102]

Bis ins 1. Jahrhundert v. Chr. dürfte die Ansicht, Platon vertrete im Timaios wörtlich eine Weltentstehung, vorgeherrscht haben, obwohl sich die Platoniker der Älteren Akademie in der Tradition von Speusippos und Xenokrates stets gegen diese Interpretation aussprachen.[103] Diese Ablehnung gegenüber des wörtlichen Verständnisses von Seiten der antiken Akademie-Mitglieder lag v. a. in der platonischen Seelenlehre begründet, da Platon im Phaidros die Seele als „unentstanden“[104] bezeichnet und damit den Grundgedanken einer ewigen Seele in der Vorstellung des Platonismus formuliert hatte. Indem das philosophische System Platons als kohärent angesehen wurde, konnten daher die Seele und somit auch der Kosmos nicht als real entstanden aufgefasst werden, ohne einen inneren Widerspruch einzugestehen. Andere Gründe waren auch das Postulat der Unveränderlichkeit Gottes, welches in Frage gestellt worden wäre, wenn ein Schöpfergott sich vor bzw. nach dem Schöpfungsakt anders verhalten hätte und sich dadurch ein „Früher“ und „Später“ im Wesen Gottes ergäbe.[105]

Auf der Seite derer, die eine wortwörtliche Interpretation zurückwiesen, herrschen nach Baltes in der Antike im Wesentlichen drei Deutungen vor. Die methodologischen Erklärungen „von Seiten der Platoniker in dieser ersten Auseinandersetzung weisen alle in dieselbe Richtung: Einzig und allein aus didaktischen Gründen und zum Zwecke größerer Deutlichkeit hat Platon die Welt im Entstehen vorgeführt, so wie man mathematische Figuren im Unterricht entstehen lässt, die real nie entstanden sind.“[106] Interpretationen dieses Ansatzes sehen den Timaios als platonischen Mythos, dessen Wahrheitsanspruch nicht belegt werden kann und auch nicht in diesem Sinne konzipiert wurde.[107]

Daneben interpretierten Krantor von Soloi, der den ersten, jedoch lediglich fragmentarisch bei Proklos erhaltenen Timaios-Kommentar verfasste, und die Neuplatoniker Proklos und Plotin den Timaios aus metaphysisch-ontologischer Sicht: Sie erklärten, „die Welt werde im Timaios ‚geworden‘ genannt, weil sie nicht selbstständig und autark sei, sondern von einer höheren Ursache abhänge, die sie immerfort im Sein erhalte, ohne dass es in diesem Prozess je einen Beginn gegeben habe.“[108] Krantor betont vor allem hinsichtlich der platonischen Kosmologie die Zeitlosigkeit der Seinsordnung. Dass Platon im Timaios den Kosmos als eine vom Demiurgen geschaffene Ordnung beschreibt, die von der zeitlichen Dimension abhängt, ist nach Krantors Auffassung also nicht wörtlich als zeitliches Nacheinander zu verstehen, sondern vielmehr als mythische-didaktische Illustration der Abhängigkeit des Bewirkten vom Verursacher.[109]

Oftmals ist die metaphysisch-ontologische Interpretation auch mit der methodologischen Erklärung verbunden zu finden, zum Teil auch mit der physikalischen Variante als „eine ‚gekappte‘ Art der metaphysisch-ontologischen Erklärung“, die sich etwa in der Zeit des Hellenismus oder zu Beginn der römischen Kaiserzeit entwickelte.[110] Die Vertreter dieser Position[111] lehnten einen zeitliche Schöpfungsbegriff, da „die Welt deswegen geworden genannt werden (soll), weil sie ihr Sein in ständigem Werden besitzt und nicht in fertigem, dauerhaften Zustand.“[112] Damit versteht diese Auffassung den Kosmos nicht als geworden in dem Sinne, dass die Welt zu einer bestimmten Zeit nicht existiert hätte, sondern vielmehr als ständig neu werdendes Objekt, das auf eine höhere Ursache seiner Existenz verweist. Die Unvollkommenheit und Unselbstständigkeit der Welt in der physikalischen Interpretation – vermengt mit der metaphysisch-ontologischen Auffassung – bedingt damit eine erhaltende und begründende Ursache, ohne die die Existenz der Welt selbst nicht denkbar ist. Diese Anschauung tritt in inhaltliche Nähe zur so genannten creatio continua („fortwährende Schöpfung“), welche sich im jüdischen und christlichen Denken der Antike als die Vorstellung entwickelte, dass eine einmalige Schöpfung nicht ausreichen würde, um die Existenz der Welt über die Zeit hinweg zu erklären.[113]

Mittelalterliche Handschrift der kommentierten Timaios–Übersetzung des Calcidius.

Insbesondere den Timaios-Kommentaren antiker Autoren sind die verschiedenen Grundpositionen zu entnehmen, die den Timaios zum am häufigsten rezipierten Werk Platons machen. Zu den bedeutendsten zählt der Krantors, worin er sich, wie bei Proklos überliefert, auch mit Atlantis befasste, welches Platon im Timaios im Vorgespräch kurz einleitend erwähnt. Krantor hielt Platons Mythos für eine geschichtliche Tatsache, wofür er als einer der Ersten über Platons Angaben hinausgehende historische Beweise suchte. So behauptet er, auf Stelen im ägyptischen Sais, aus dem die Atlantis-Erzählung laut Platon ursprünglich stammen solle, Aufzeichnungen entdeckt zu haben, welche dies bestätigen würden.[114] Die Existenz derartiger epigraphischer Belege wird jedoch gemeinhin bezweifelt; dennoch ist die Meinung Krantors ein Beweis für eine frühe Diskussion um Fiktion oder Realität der Atlantis-Erzählung.[115]

Ein weiterer früher Kommentator des Timaios ist Numenios von Apamea, dessen Werk jedoch auch nur fragmentarisch bei Proklos und anderen überliefert ist.[116] Im 5. Jahrhundert verfasste der Neuplatoniker Proklos Diadochos den bedeutendsten Kommentar zum Timaios, worin er die bisherigen Stellungnahmen vorwiegend von Neuplatonikern wie Krantor oder Numenios sammelte und die platonische Gedankenwelt – ähnlich wie bei seinen Kommentaren zu Alkibiades, Kratylos, Parmenides und der Politeia – im Sinne der eigenen Hermeneutik interpretierte. Daher stellt der Timaios-Kommentar des Proklos keine rein philologische Deutung dar, sondern bildet den Abschluss der kontroversen Exegese-Tradition des Timaios in der Antike.

Im 4. oder 5. Jahrhundert übersetzte Calcidius den ersten Teil[117] des Timaios ins Lateinische und versah ihn mit einem ausführlichen Kommentar, wobei er als einer der wenigen christlichen Interpreten den Timaios im Sinne einer nicht-zeitlichen Entstehung interpretierte. Seine Übersetzung bildete v. a. eine wichtige Grundlage der neuplatonisch geprägten Kosmologie des Mittelalters.

Mittelalter

Frühe Neuzeit

Gegenwart

Auch in der Gegenwart bildet der Timaios einen der Kernpunkte der Platon-Forschung, obwohl die Politeia das allgemein weitaus bekannteste Werk Platons darstellt. In der modernen wissenschaftshistorischen Forschung wird der Timaios äußerst kontrovers beurteilt, ohne jedoch die Wirkung auf die europäische Geistesgeschichte zu leugnen. Denn während die Kosmologie Platons bisweilen als Pseudowissenschaft bezeichnet wird und manche Forscher von einem unheilvollen Einfluss Platons auf die Entwicklung der Naturwissenschaft oder einem Unglücksfall für die Physik sprechen,[118] setzte sich doch die Meinung durch, dass trotz unwissenschaftlicher Aspekte und überholter Resultate im Detail der Timaios in seinen Grundpositionen - wie z.B. der Annahme der mathematischen Struktur der Natur - bis heute einen fundamentalen Vorläufer der modernen Naturwissenschft bildet.[119]

Ebenso wird ähnlich wie in der antiken Rezeption die Lesart der zeitlichen Schöpfung im Timaios diskutiert, wobei die Auffassung vorherrschend ist, dass dieser Prozess nicht wörtlich verstanden werden darf. So vertritt auch Alfred E. Taylor, der 1928 den umfangreichsten Kommentar zum Timaios verfasste, die Position des Xenokrates, auf den immer wieder Bezug genommen wird, dass die von Platon beschriebene Kosmogonie nicht im wörtlichen, sondern im literarisch-mythischen Sinne konzipiert ist. Zu einem ähnlichen Resultat gelangte der deutsche Theologe und Philosoph Eduard Zeller, der die Argumente und Widersprüche einer wörtlichen Auslegung des Timaios erörterte.[120] Zeller kommentierte zwar, die Form der Darstellung im Timaios impliziere, „dass sie nicht sowohl über den geschichtlichen Hergang der Weltbildung zu berichten, als vielmehr die allgemeinen Ursachen und Bestandteile der Welt, wie sie jetzt ist, aufzuzeigen beabsichtigt.“[121] - jedoch ohne seine Position endgültig festzulegen.[122] Auch Cornford lehnte es in seinem 1937 erschienenen Timaios-Kommentar ab, die Passagen zur Weltentstehung durch den Demiurgen wörtlich zu interpretieren. Vielmehr sieht er darin die mythische Veranschaulichung einer göttlichen Instanz, die Platon anhand des „göttlichen Schöpfers“ („divine maker“) als beinahe menschlichen Handwerker bei seiner Arbeit mit Modellen und Materialien in Aktion treten lässt, um in dieser Form die rationale Ordnung der Elemente im Universum zu analysieren, ohne aber dieses paradigmatische Bild mit der realen Weltentstehung gleichsetzen zu wollen.[123] Auch Harold Cherniss schloss sich der mythisch-literarischen Interpretation des Timaios an, da er Widersprüche hinsichtlich des platonischen Seelenbildes zu anderen Werken wie dem Phaidros oder den Nomoi zu erkennen glaubte, weshalb Platon selbst seinen Schöpfungsbericht als eine „mythische Form der Darstellung“ („mythical form of exposition“) verstanden hätte.[124]

Im Gegensatz zu den modernen Interpreten, die eine wörtliche Lesart bezweifeln, vertrat z.B. Gregory Vlastos den Standpunkt, dass Platon an einen zeitlichen Ursprung des Kosmos und die Schöpfung durch den Demiurgen geglaubt habe, der aus dem Chaos die geordnete Welt und damit eine geordnete Zeit schuf, wodurch ein realer zeitlicher Beginn eingeleitet wurde. Als ein weiterer Vertreter des nicht-fiktiven Verständnisses der Kosmogonie Platons wandte sich Reginald Hackforth in seinem postum publizierten Ausatz Plato's Cosmogony gegen die Auffassung von Xenokrates bzw. der modernen Vertreter Taylor und Cornford, indem er den im Timaios als „erzeugt“ (γεννητόν) bezeichneten Kosmos wörtlich im Sinne einer realen Entstehung deutete.[124]

Ebenso wurde der Timaios in der Gegenwart auch abseits der philologischen bzw. philosophischen Kommentare häufig rezipiert, so z.B. auch durch von Weizsäcker.[125] Auch Heisenberg griff in seinem Aufsatz „Gedanken der antiken Naturphilosophie in der modernen Physik“ zwei Errungenschaften der griechischen Naturphilosophie im Allgemeinen und der platonischen des Timaios im Speziellen auf: zum einen die Mathematisierung der Natur in der Tradition von Pythagoras und Platon sowie zum anderen die Entwicklung von Theorien zu Elementarteilchen v. a. bei Demokrit und Empedokles, aber auch in Form der platonischen Element-Theorie in Form der Polyedertheorie des Timaios, der man nach Heisenberg eine „größere systematische Verwandtschaft zur modernen Atomtheorie zuzubilligen hat, als der zeitlich viel näheren Atomtheorie des 19. Jahrhunderts.“[126][127] Ebenso finden sich Aspekte der Element-Lehre Platons in der modernen Chemie wieder, insbesondere in der Kristallographie und Stereochemie.[128]

Literatur

Editionen und Übersetzungen

  • Benjamin Jowett: The dialogues of Plato, Bd. 3, Oxford 1871.
  • Hieronymus Müller und Friedrich Schleiermacher: Platon. Werke in acht Bänden, Bd. 7 (Timaios, Kritias, Philebos), 2. Auflage, Darmstadt 1990.
  • Albert Rivaud: Plato. Œuvres complètes (gr.-fr.) Bd. X, Timée, Critias, Paris 1925.

Sekundärliteratur

  • Reginald E. Allen (Hg.): Studies in Plato's Metaphysics, London/New York 1965.
  • Matthias Baltes: Die Weltentstehung des Platonischen Timaios nach den antiken Interpreten, 2 Bde., Leiden 1976/78. (= Philosophia antiqua, Bde. 30, 35).
  • Gernot Böhme: Klassiker der Naturphilosophie, München 1989. ISBN 3-406-33613-2
  • Tomás Calvo und Luc Brisson (Hgg.): Interpreting the ‚Timaeus-Critias‘, Sankt Augustin 1997. ISBN 3-89665-004-1
  • Francis Macdonald Cornford: Plato's Cosmology. The Timaeus of Plato, translated with a running commentray, London 1937.
  • Jacques Derrida: „Chora“, in: Ders., Über den Namen. Drei Essays, Wien 2000, S. 125–170. ISBN 3851653750
  • Jairo Escobar Moncada: Chora und Chronos. Logos und Ananke in der Elemententheorie von Platons ‚Timaios‘ (= Deimling wissenschaftliche Monographien, Bd. 7), Wuppertal 1995. ISBN 3-928258-17-6
  • Christopher Gill und M. M. McCabe: Form and Argument in Late Plato, Oxford 1996. ISBN 0-19-824012-0
  • Aryeh Finkelberg: „Plato's Method in Timaeus“, in: American Journal of Philology 117, 1996, S. 391-409.
  • Margot Fleischer: Anfänge europäischen Philosophierens. Heraklit, Parmenides, Platons „Timaios“, Würzburg 2001. ISBN 3-8260-2001-4
  • Dorothea Frede: „The Philosophical Economy of Plato’s Psychology: Rationality and Common Concepts in the Timaeus“, in: M. Frede und G. Striker (Hgg.) Rationality in Greek Thought, Oxford 1996, S. 29-58. ISBN 0-19-824044-9
  • Paul Friedländer: Platon. Die platonischen Schriften. Zweite und dritte Periode, Bd. 3, Berlin/New York 1975.
  • M. L. Gill: „Matter and Flux in Plato’s Timaeus“, in: Phronesis 32, 1987, S. 34–53.
  • Karen Gloy: Studien zur Platonischen Naturphilosophie im Timaios, Würzburg 1986. ISBN 3-88479-247-4
  • Williams K. C. Guthrie: Plato. The man and his dialogues. Earlier period (= A History of Greek Philosophy, Bd. 4), Cambridge 1980.
  • Thomas Kjeller Johansen: Plato's natural philosophy. A study of the Timaeus-Critias, Cambridge [u.a.] 2004. ISBN 0-521-79067-0
  • Gijsbert Jonkers: The manuscript tradition of Plato’s Timaeus and Critias, Amsterdam 1989.
  • Laurence Lampert und Christopher Planeux: „Who’s Who in Plato’s Timaeus-Critias and Why“, in: The Review of Metaphysics 52, 1998, S. 88–125.
  • Thomas Leinkauf und Carlos Steel (Hgg.): Platons Timaios als Grundtext der Kosmologie in Spätantike, Mittelalter und Renaissance (= Ancient and Medieval Philosophy, De Wulf-Mansion Centre ser. 1, vol. XXXIV), Leuven 2005. ISBN 978-90-5867-506-4
  • Thomas Henri Martin: Etudes sur le Timée, Paris 1841.
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  • Richard D. Mohr: The Platonic Cosmology (= Philosophia antiqua, Bd. 42), Leiden 1985. ISBN 90-04-07232-2
  • Harald Morin: Der Begriff des Lebens im ‚Timaios‘ Platons unter Berücksichtigung seiner früheren Philosophie (= Studia philosophica Upsaliensia, Bd. 1), Uppsala 1965.
  • Sousanna-Maria Nikolaou: Die Atomlehre Demokrits und Platons Timaios. Eine vergleichende Untersuchung (= Beiträge zur Altertumskunde, Bd. 112), Stuttgart 1998. ISBN 3-519-07661-6
  • G. E. L. Owen: „The Place of the Timaeus in Plato's Dialogues“, in: R. E. Allen (Hg.), Studies in Plato's Metaphysics, London/New York 1965.
  • John A. Palmer: Plato’s Reception of Parmenides, Oxford 1999. ISBN 0-19-823800-2
  • Mischa von Perger: Die Allseele in Platons ‚Timaios‘ (= Beiträge zur Altertumskunde, Bd. 96), Stuttgart 1997. ISBN 3-519-07645-4
  • E. D. Perl: „The Demiurge and the Forms: A Return to the Ancient Interpretation of Plato’s Timaeus“, in: Ancient Philosophy 18, 1998, S. 81–92.
  • J. F. Phillips: „NeoPlatonic Exegeses of Plato’s Cosmology“, in: Journal of the History of Philosophy 35, 1997, S. 173–197.
  • Gretchen J. Reydams-Schils (Hg.): Plato’s Timaeus as Cultural Icon, Notre Dame 2003. ISBN 0-268-03872-4
  • Wolfgang Scheffel: „Aspekte der platonischen Kosmologie. Untersuchungen zum Dialog Timaios“ (= Philosophia antiqua, Bd. 29), Leiden 1976.
  • Dietrich J. Schulz: Das Problem der Materie in Platons ‚Timaios‘ (= Abhandlungen zur Philosophie, Psychologie und Pädagogik, Bd. 31), Bonn 1966.
  • Allan J. Silverman: The Dialectic of Essence. A Study of Plato’s Metaphysics, Princeton 2002. ISBN 0-691-09179-X
  • Leonardo Tarán: „The Creation Myth in Plato's Timaeus“, in: J. P. Anton und G. Kustas (Hgg.), Essays in Ancient Greek Philosophy Bd. 1, Albany 1971, S. 372-407.
  • Alfred E. Taylor: A commentary on Plato's Timaeus, Oxford 1928.
  • Gregory Vlastos: Plato’s Universe, Seattle 1975. ISBN 0-19-824538-6

Einzelnachweise

  1. Bezeichnung des Timaios in Thrasyllos' Tetralogien der Dialoge Platons
  2. a b Bichler, Athen besiegt Atlantis, S. 74.
  3. So etwa Calvo/Brisson 1997 oder Lampert/Planeux 1998.
  4. a b Fleischer 2001, S. 75.
  5. Hinweis auf den Beruf des Timaios gibt Platon, Timaios, 27 a
  6. Platon, Timaios 20 a: „Denn unser Timaios da, aus Lokris, dem unter allen Staaten Italiens der besten Gesetzgebung sich erfreuenden, stammend, gelangte, an Reichtum und Herkunft keinem seiner Mitbürger nachstehend, zu den größten Würden und Ehrenbezeugungen im Staate; in der ganzen Philosophie aber hat er, meiner Meinung nach, das Höchste erreicht.“
    Platon, Timaios 27 a in Bezug auf seine wissenschaftliche Tätigkeit: Timaios solle die Trilogie eröffnen, da er „mehr als wir alle von der Astronomie versteht und weil er sich am meisten darum bemüht hat, etwas von der Natur des Alls zu wissen […].“
  7. Vidal-Naquet, Atlantis, S. 18
  8. F. M. Cornford: Plato’s cosmology, London 1937, S. 2.
  9. Erich Frank: Plato und die sogenannten Pythagoreer. Ein Kapitel aus der Geschichte des griechischen Geistes, Halle 1923, S. 379.
  10. a b c Platon, Timaios 27 a-b
  11. Platons Mutter Periktione war die Tochter des Glaukon, welcher wiederum Bruder von Kritias' Vater Kallaischros war.
  12. Insbesondere Kritias, das Mitglied der Militärjunta der Dreißig Tyrannen, wie auch dessen Großvater gleichen Namens sind in der Forschung viel diskutierte Optionen.
  13. Platon, Timaios 29 d
  14. Platon, Timaios 26 e
  15. Platon, Timaios 17 b-c
  16. Cornford 1937, S. 4: There was nothing to prevent [Plato] from imagining Socrates describing his ideal state on more than one occasion. He tells us here that Socrates has outlined its institutions, and nothing more, on the previous day. (deutsch: „Es gibt nichts das Platon daran gehindert hätte, den [literarischen] Sokrates seinen Idealstaat mehr als einmal beschreiben zu lassen. Er erzählt uns hier [an dieser Textstelle], dass Sokrates die Institutionen [des Idealstaates], und nichts anderes, am Vortag umrissen hat.“)
  17. Vidal-Naquet, Atlantis, S. 19 f.
  18. vgl. Thukydides V 4-5.
  19. A. E. Taylor: Plato. The man and his work, London 1926, S. 437.
  20. Lampert/Planeux 1998, S. 94f.
  21. a b Vidal-Naquet, Atlantis, S. 18
  22. Nesselrath 2006, S. 59.
  23. Gliederung nach Müller/Schleiermacher-Edition
  24. Platon, Timaios 17 a-27 c
  25. Platon, Timaios 27 c-47 e
  26. Platon, Timaios 47 e-68 d
  27. Platon, Timaios 69 a-92 c
  28. Platon, Timaios 17 c-19 a.
  29. Hans Herter: „Urathen der Idealstaat“, in: Ders., Kleine Schriften, München 1975, S. 290: Eine solche Reduktion kann im Falle der Timaios-Einleitung wie auch der Beschreibung Ur-Athens als unvermeidbar eingeschätzt werden, um „das theoretische Referat auf das für das Verständnis des urathenischen Gemeinwesens unbedingt Notwendige zu beschränken und nicht […] den ganzen Inhalt der Politeia von A bis Z […] zu komprimieren […].“
  30. Platon, Timaios 19 c.
  31. Platon, Timaios 20 b.
  32. Platon, Timaios 20 d ff.
  33. Platon, Timaios 20 d-e. Platon unterlief bei dieser Konstruktion jedoch ein Fehler, da der Erzähler Kritias und der Archon Dropides sechs statt vier Generationen auseinander liegen.
  34. Platon, Timaios 22 b-23 a
  35. Platon, Timaios 24 a-b: Hierbei skizziert der Priester - den Inhalt der Politeia leicht abwandelnd - den Aufbau ‚Ur-Athens‘ in das Klassenschema Handwerker und Landwirte - Krieger - Priester, wobei die Ersetzung der archontes durch Priester als „Konzession an die Erzählsituation“ in Anbetracht der ägyptischen Gesellschaftsstruktur angesehen werden kann, Bichler, Athen besiegt Atlantis, S. 76.
  36. a b Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, 40. Halbband, 2506 (Leisegang).
  37. s. Abschnitt zur Rezeptionsgeschichte
  38. Platon, Timaios 27 d-28a.
  39. Platon, Timaios 28 a.
  40. Platon, Timaios 29 b.
  41. Platon, Timaios 29 c-d.
  42. Platon, Timaios 28 a-b.
  43. a b vgl. Plato's Timaeus, in: Stanford Encyclopedia of Philosophy
  44. Platon, Timaios 30 a.
  45. Platon, Timaios 30 b.
  46. Platon, Timaios 31 a-b.
  47. Platon, Timaios 31-33.
  48. Platon, Timaios 34 b.
  49. Platon, Timaios 34 c.
  50. Pythagoreische Einflüsse sind v.a. im Timaios und Philebos zu erkennen, Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, 40. Halbband, v.a. 2505, 2507 f. (Leisegang).
  51. Platon, Timaios 24 c-36 c.
  52. Platon, Timaios 36 c-d.
  53. Platon, Timaios 38 c-d.
  54. Platon, Timaios 36 e.
  55. Platon, Timaios 37 a-c.
  56. Im Kritias-Götteranruf der Figur Timaios (Platon, Kritias 106 b 3-4) wird der darauf folgende Timaios generell als Theogonie charakterisiert, was nicht ganz passend erscheint: „Damit wir also in Zukunft über die Entstehung der Götter die Wahrheit reden, so flehen wir ihn an, er möge uns als Heilmittel, und zwar als das vollkommenste und beste aller Heilmittel, die Erkenntnis verleihen, und nach dem wir also den Gott angerufen, überlassen wir unser Übereinkunft gemäß dem Kritias die Fortsetzung.“
  57. Platon, Timaios 40 d-41 d
  58. Platon, Timaios 46 c
  59. Platon, Timaios 48 a
  60. Platon, Timaios 49 a ff.
  61. Platon selbst spricht abwechselnd von Vorlage:Polytonisch chṓra „Platz“, Vorlage:Polytonisch hypodochē „Aufnahme“, Vorlage:Polytonisch hédra „Sitz“, Platon, Timaios 49 a5-6, 52 b1
  62. Platon, Timaios 52 d
  63. Platon, Timaios 50 c
  64. Hierbei spiegelt die Metapher die griechische Vorstellung von der untergeordneten Rolle der Mutter bei der Zeugung wider.
  65. Fleischer, Anfänge europäischen Philosophierens, S. 90 f.
  66. Derrida, Chôra, Wien 1990, S. 14, 17 f., 21 f., 24 ff.
  67. a b vgl. Plato's Timaeus, in: Stanford Encyclopedia of Philosophy
  68. Kyung Jik Lee, Der Begriff des Raumes im „Timaios“ im Zusammenhang mit der Naturphilosophie und der Metaphysik Platons, S. 118
  69. Platon, Timaios 48 b-c
  70. Platon, Timaios 49 b-50 b
  71. Platon, Timaios 53 a-b
  72. Fleischer, Anfänge europäischen Philosophierens, S. 93
  73. Platon, Timaios 53 c ff.
  74. andere Transformationen bei Platon, Timaios 56 d-e
  75. Beachte: Die primäre Erschaffung des Menschen durch Verbindung von Seele und Leib ist im Timaios zwar Teil des Abschnittes „Entstehung durch die Vernunft“, wird dann aber in „Entstehung durch Vernunft und Notwendigkeit“ detaillierter ausgeführt und daher an dieser Stelle zusammengefasst behandelt.
  76. Platon, Timaios 48 a
  77. Platon, Timaios 41 d ff. und 90 e–92 c
  78. vgl. die Gliederung der Seele analog zu den Ständen des Staates in vernünftig, mutig und triebhaft, Platon, Politeia 434 d, 439 d–e, 441 d
  79. Platon, Timaios 69 c–71 a
  80. Platon, Timaios 75 b-c
  81. Platon, Timaios 77 c-90 d
  82. Platon, Timaios 90e 1–4
  83. vgl. explizit Platon, Timaios 92 b1: „das vierte Geschlecht endlich“
  84. Platon, Timaios 90 e–91 d
  85. Platon, Timaios 91 d
  86. Platon, Timaios 91 e–92 a
  87. Platon, Timaios 92 a–92 b
  88. Franz von Kutschera, Platons Philosophie, Paderborn 2003, Bd. 3: Die späten Dialoge, S. 84
  89. etwa Platon, Phaidon, v. a. 110 b–115 a; Gorgias 523 a–526 c; überhaupt setzt die Anamnesis-Lehre eine Wiedergeburt voraus.
  90. Vgl. die eben zitierte Arbeit von Kutscheras. Die Kommentare von Taylor und Cornford, aber auch die aktuelle Darstellung von Johansen erörtern diese Passage kaum; Johansen (Plato’s Natural Philosophy, Cambridge 2004, S. 143) nennt sie „a comic exemplification“.
  91. zum platonischen Verständnis von Spiel und Ernst s. Guthrie, Play and Earnest, in: History of Greek Philosophy, Bd. 4, 56 ff.
  92. Platon, Timaios 92 c.
  93. z.B. Schleiermacher aufgrund des „inneren Charakters der höchsten Reife und des ernsten Alters“ beider Dialoge, in: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, 40. Halbband, 2372 (Leisegang)
  94. Als weitere Schrift dieses Typus neben Timaios und Kritias nennt Leisegang den Philebos, in: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, 40. Halbband, 2355 (Leisegang): „Nach seiner Rückkehr [von der dritten Sizilienreise] in die Akademie ließ Platon die im Sophistes und Politikos begonnene Arbeit liegen und wandte sich, wahrscheinlich den Anregungen folgend, die er durch die Pythagoreer erhalten hatte, naturwissenschaftlichen Arbeiten zu, aus denen der Timaios entstand, dem der Kritias und der Philebos folgten.“
  95. Isokrates, Busiris 15-20
  96. Isokrates, Busiris 17
  97. Platon, Timaios 23 d-e
  98. z.B. G. E. L. Owen, The Place of the Timaeus in Plato's Dialogues, zitiert nach: Guthrie, A History of Greek Philosophy, Bd. 5, S. 243: „Until 1953, the Timaeus und its sequel the Critias were universally believed to be, with the possible exception of the Philebus, the latest of Plato's works except the Laws. In that year G. E. L. Owen published his now famous article designed to show that on the contrary it belonged to the middle group of Republic and Phaedo and preceded the ‚ctritical‘ group.“ (deutsch: „Bis 1953 galten der Timaios und die Nachfolgeschrift Kritias allgemein, mit der möglichen Ausnahme des Philebos, als die spätesten der Werke Platons abgesehen von den Nomoi. In diesem Jahr publizierte G. E. L. Owen seinen heute bekannten Aufsatz, der darauf ausgerichtet war zu zeigen, dass er im Gegenteil zur mittleren Gruppe von Politeia und Phaidon gehört und der ‚fraglichen‘ Gruppe vorausgeht.“)
  99. Fleischer, Anfänge europäischen Philosophierens, S. 74
  100. v. a. Aristoteles, De Caelo, 1. Buch, Kapitel 10-12
  101. Baltes 1976, S. 6
  102. Zusammenfassung bei Baltes 1976, S. 208-210f.
  103. Baltes 1976, S. 208
  104. Platon, Phaidros 245 c-d
  105. Baltes 1976, S. 213
  106. Baltes 1976, S. 210f.
  107. Weitere Vertreter dieser Interpretation sind z.B. Speusippos, Xenokrates, Theophrastos, Krantor, Philon, Aetios, Plotin, Iamblichos und Proklos
  108. Baltes 1976, S. 211.
  109. Weitere Vertreter dieser Interpretation sind z.B. Albinos, Plotin, Porphyrios, Calcidius, Iamblichos und Proklos
  110. Baltes 1976, S. 82.
  111. Weitere Vertreter dieser Interpretation sind z.B. Philon, Amonios (Lehrer Plutarchs) und Albinos
  112. Baltes 1976, S. 212.
  113. Baltes 2006, S. 92, 96.
  114. Proklos, Procli Diadochi in Platonis Timaeum Commentaria, I, S. 75, 30 ff. (Diehl), (= FGrHist 665 F 31).
  115. Heinz-Günther Nesselrath: „Atlantis auf ägyptischen Stelen?“, in: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 135, 2001, S. 33.
  116. Matthias Baltes: „Numenios von Apamea und der platonische Timaios“, in: Vigiliae Christianae 29, 1975, S. 241-270. doi:10.2307/1582870
  117. Übersetzung bis Platon, Timaios 53 c, Ausschnitte der Calcidius-Version siehe hier.
  118. So z.B. W. C. Dampier-Whetham, A History of Science, 1930, S. 27
  119. Rey, La science dans l'antiquité, 5 Bde., Paris 1930-1948, Bd. 3, S. 277 ff.; Heisenberg, „Gedanken der antiken Naturphilosophie in der modernen Physik“, in: Die Antike, Bd. 13, 1937; Whitehead, Process and Reality, 1929, New York 31941, S. 142 ff.
  120. Zeller, Die Philosophie der Griechen, 3 Bde., Leipzig 51922, Bd. 2, S. 791-796
  121. Zeller, Die Philosophie der Griechen, Bd. 2, S. 796
  122. Zeller, Die Philosophie der Griechen, Bd. 2, S. 796: „Mögen nun auch diese Widersprüche nicht hinreichen, um zu beweisen, dass Plato die Annahme eines Weltanfangs mit ausdrücklichem Bewusstsein als eine für sich unwahre Vorstellung gebraucht, und seiner eigentlichen Meinung nach die Anfangslosigkeit der Welt ausdrücklich angenommen habe, so können sie doch wenigstens so viel darthun, dass ebensowenig die entgegengesetzte Annahme als ein von Plato mit ausdrücklicher didaktischer Absicht vorgetragener Lehrsatz, sondern höchstens nur als eine von den Vorstellungen betrachtet werden kann [...].“
  123. Cornford, Plato's Cosmology, S. 27: „What is really an analysis of the elements of rational order in the visible universe and of those other elements on which order is imposed, is presented in mythical form as the story of a creation in time.“ (deutsch: „Was in Wahrheit eine Analyse der Elemente von rationaler Ordnung im sichtbaren Universum und der anderen Elemente ist, denen diese Ordnung aufgezwungen wird, ist in mythischer Form als die Geschichte einer zeitlichen Schöpfung präsentiert.“
  124. a b Scheffel, Aspekte der platonischen Kosmologie, S. XIII
  125. von Weizsäcker, Platonische Naturwissenschaft im Laufe der Geschichte (Veröffentlichung der Joachim Jungius-Gesellschaft der Wissenschften), Göttingen 1971
  126. Scheffel, Aspekte der platonischen Kosmologie, S. X
  127. Heisenberg, „Gedanken der antiken Naturphilosophie in der modernen Physik“, in: Die Antike, Bd. 13, 1937, abgedruckt auch in: Wandlungen in den Grundlagen der Naturwissenschaft, Stuttgart 111980 S. 77-84
  128. Gloy, Studien zur Platonischen Naturphilosophie im Timaios, S. 8