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Novemberrevolution

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Revolutionäre Soldaten in Berlin im November 1918

Die Novemberrevolution von 1918 führte am Ende des 1. Weltkriegs zur Abdankung des letzten Deutschen Kaisers Wilhelm II. und zur Umwandlung des Deutschen Reiches von der Monarchie in eine parlamentarisch-demokratische Republik.

Die Revolution, die sich zwischen Anfang November 1918 und Mitte Januar 1919 ereignete, ist eines der wichtigsten und zugleich am wenigsten bekannten Ereignisse der jüngeren deutschen Geschichte. Das Scheitern der aus ihr hervorgegangenen Weimarer Republik und die darauf folgende Zeit des Nationalsozialismus haben den Blick auf die Ereignisse an der Jahreswende 1918/19 für lange Zeit verstellt. Deren Deutung ist im Geschichtsbewusstsein der Deutschen bis heute mehr von Legenden als von Tatsachen geprägt. Dazu trugen alle beteiligten politischen Kräfte bei: So nährten sowohl extreme Rechte als auch extreme Linke - natürlich mit gegensätzlicher Bewertung - die Vorstellung, es habe damals einen kommunistischen Aufstand gegeben mit dem Ziel, Deutschland in eine Rätediktatur nach sowjetrussischem Vorbild zu verwandeln. Auch die Parteien der demokratischen Mitte, besonders die SPD, hatten lange Zeit wenig Interesse an einer gerechten Beurteilung der Ereignisse, die Deutschland zur Republik machten. Denn bei genauerer Betrachtung erweisen sie sich als eine von Sozialdemokraten getragene Revolution, die von den sozialdemokratischen Parteiführern gestoppt wurde.

Die Vorgeschichte

Die bürgerliche Märzrevolution von 1848/1849 war vor allem an dem Problem gescheitert, zugleich nationale Einheit und Demokratisierung Deutschlands schaffen zu sollen. In den folgenden Jahrzehnten arrangierte sich der größte Teil des deutschen Bürgertums mit dem Obrigkeitsstaat: vor allem nach den Einigungskriegen, mit denen Otto von Bismarck 1871 doch noch die kleindeutsche Reichseinigung unter preußischer Führung zustande brachte.

Das Reichstagsgebäude vor 1900

Das neu gegründete Deutsche Reich war eine konstitutionelle Monarchie. Für den Reichstag galt das allgemeine, gleiche und geheime Männerwahlrecht. Der Einfluss der Parteien auf die Reichspolitik war jedoch äußerst begrenzt. Die einzig wichtige Befugnis des Parlaments war, den Etat zu bewilligen. Die Reichsregierung dagegen war nur dem Deutschen Kaiser und König von Preußen verantwortlich, der sie ein- oder absetzen konnte.

Seit 1871 waren auch Sozialdemokraten im Reichstag vertreten. 1875 schlossen sich ihre Parteien, der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV) und die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP), zur Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) zusammen. [1890]] nahm diese endgültig den Namen Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) an. Nur sie trat im Kaiserreich weiter offen für eine republikanische Staatsform ein. Bismarck ließ sie daher von 1878 bis zu seiner Entlassung 1890 auf der Grundlage der Sozialistengesetze verfolgen. Dennoch konnten die Sozialdemokraten ihren Stimmenanteil bei fast jeder Wahl steigern. Im Reichstag von 1912 stellten sie mit 110 Abgeordneten oder 28 Prozent der Stimmen die stärkste Fraktion.

In den 43 Jahren von der Reichsgründung bis zum 1. Weltkrieg nahm die SPD, deren Mitglieder zu den entscheidenden Trägern der Novemberrevolution werden sollten, nicht nur an Bedeutung zu, sondern veränderte auch ihren Charakter. Im Revisionismusstreit, der 1898 in der Partei ausbrach, wollten die so genannten Revisionisten (Reformisten) das Ziel der Revolution aus dem Parteiprogramm streichen. Sie traten stattdessen nur für soziale Reformen auf der Basis der bestehenden Wirtschaftsordnung ein. Dagegen konnte sich der marxistisch orientierte Flügel noch einmal durchsetzen. Doch die weiterhin revolutionäre Rhetorik verdeckte nur mühsam, dass die SPD seit der Aufhebung der Sozialistengesetze 1890 praktisch reformistisch geworden war. Sie bildete nun einen integralen – wenn auch oppositionellen – Bestandteil des Kaiserreichs. Die lange als „vaterlandslose Gesellen“ diffamierten Sozialdemokraten verstanden sich als deutsche Patrioten. Dies wurde zu Beginn des 1. Weltkriegs allgemein erkennbar.

Die SPD und der 1. Weltkrieg

Um 1900 galten die deutsche Sozialdemokratie als führende Kraft der Internationalen Arbeiterbewegung. Auf den gesamteuropäischen Kongressen der Zweiten Sozialistischen Internationale hatte die SPD stets Resolutionen zugestimmt, die ein gemeinsames Handeln der Sozialisten im Falle eines Kriegsausbruchs vorsahen. Noch während der Julikrise, die auf das Attentat von Sarajevo folgte, organisierte sie - wie auch andere sozialistische Parteien in Europa - große Antikriegsdemonstrationen. Dabei rief etwa Rosa Luxemburg, Wortführerin der Parteilinken, im Namen der gesamten SPD zu Kriegs- und Gehorsamsverweigerung auf. Die Reichsregierung plante daher, die Parteiführer sofort nach Beginn der Kampfhandlungen zu verhaften. Friedrich Ebert, seit 1913 einer der beiden Parteivorsitzenden, reiste nach Zürich, um die Parteikasse vor dem Zugriff des Staates in Sicherheit zu bringen.

Doch als am 1. August 1914 die deutsche Kriegserklärung an das zaristische Russland erfolgte, ließ sich die SPD-Mehrheit von der allgemeinen Kriegsbegeisterung anstecken. Sie folgte damit ihrem ersten Vorsitzenden August Bebel, der vor seinem Tod 1913 gesagt hatte: „Wenn es gegen Russland geht, werde ich selbst die Flinte nehmen!“ Dazu kamen Befürchtungen vieler SPD-Abgeordneter vor dem Verlust an Wählerstimmen, an Einfluss im Reichstag und vor einem erneuten SPD-Verbot, wenn sie sich ihrer „patriotischen Pflicht“ entzogen.

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Friedrich Ebert

Parteiführung und Reichtagsfraktion waren in ihrer Haltung zum Krieg gespalten: Mit Friedrich Ebert bejahten 96 Abgeordnete die Kriegskredite an die Reichsregierung. Mit Hugo Haase waren 14 Parlamentarier dagegen, stimmten aber wegen der Fraktionsdisziplin dennoch dafür. So bewilligte die gesamte SPD-Fraktion am 4. August die Kriegskredite, sagte dem Kaiser für die Kriegsdauer einen Streik- und Lohnverzicht der Gewerkschaften zu (den sogenannten "Burgfrieden") und ermöglichte so die volle Mobilisierung des deutschen Heeres. Haase begründete den Beschluss, der gegen seinen Willen gefasst worden war, im Reichstag mit den Worten: "Wir lassen das Vaterland in der Stunde der Gefahr nicht im Stich!" Darauf rief der Kaiser zufrieden aus: "Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche!"

Selbst Karl Liebknecht, die spätere Symbolfigur der Kriegsgegner, folgte zunächst der Parteidisziplin. Zugleich aber gründete er mit einigen Parteilinken, darunter Rosa Luxemburg und Franz Mehring, die "Gruppe Internationale", die später als "Spartakusbund" im Verlauf der Novemberrevolution eine wichtige Rolle spielte. Seit Dezember 1914 verweigerte er - anfangs als einziger Reichstagsabgeordneter - die Zustimmung zu weiteren Kriegskrediten. Er wurde daraufhin 1915 auf Betreiben der Parteiführung als einziges SPD-Fraktionsmitglied zum Militär eingezogen. Nachdem er mit Rosa Luxemburg versucht hatte, die Kriegsgegner innerhalb und außerhalb der Partei zu organisieren, wurden beide im Januar 1916 zu mehrjährigen Zuchthausstrafen verurteilt.

Die Spaltung der SPD

Der Kriegsverlauf verlangte immer mehr Opfer und zeigte immer klarer, dass es der Reichsregierung nicht um nationale Verteidigung, sondern um Eroberungen ging. Nun forderten immer mehr SPD-Mitglieder die Aufkündigung des „Burgfriedens“ von 1914: nicht nur Linke, sondern auch Revisionisten wie Haase und Eduard Bernstein. Sie reagierten damit auf wachsenden Unmut in der Arbeiterschaft.

Denn nach ersten wilden Streiks kam es im März 1917 - nach dem Kriegseintritt der USA im Januar und der russischen Revolution im Februar - zu wochenlangen Massenstreiks, besonders in deutschen Rüstungsbetrieben. Die Streikenden – vor allem die Frauen – wandten sich besonders gegen den 12-Stunden-Tag bei minimalem Lohn und mangelhafter Versorgung. Als Streikführer traten in Berliner Betrieben erstmals die Revolutionären Obleute in Aktion, die auch in der Novemberrevolution eine wichtige Rolle spielen sollten. Kaiser Wilhelm II. versuchte die Proteste mit seiner Osterbotschaft vom 7. April 1917 zu beschwichtigen: Er versprach für die Zeit nach dem Kriegsende allgemeine, gleiche Wahlen auch für Preußen, wo bis dahin das Dreiklassenwahlrecht herrschte.

Am 9. April 1917 spaltete sich die SPD wegen der Haltung zum Krieg in die Mehrheitssozialdemokraten (MSPD) unter Friedrich Ebert und die Unabhängigen Sozialdemokraten (USPD) unter Hugo Haase. Diese verlangte die schnellstmögliche Beendigung des Krieges und die weitere Demokratisierung Deutschlands, hatte ansonsten aber kein konsistentes sozialpolitisches Programm. Der Spartakusbund, der eine Parteispaltung bis dahin abgelehnt hatte, trat nun der USPD bei und bildete auch dort ihren äußersten linken Flügel.

Siegfriede oder Verständigungsfriede?

Seit dem Kriegseintritt der USA im Januar 1917 entwickelte sich die Lage an der Westfront immer mehr zu Ungunsten Deutschlands. Daher bildete die Reichstagsmehrheit von SPD, katholischem Zentrum und liberaler Fortschrittlicher Volkspartei im Sommer 1917 einen interfraktionellen Ausschuss, der einen Verständigungsfrieden ohne Annexionen und Kontributionen forderte. Damit wollte die MSPD zugleich ihre neue Konkurrentin, die USPD, ins Abseits drängen.

Doch die Oberste Heeresleitung(OHL) wies die Reichtagsresolution zurück. Sie wurde damals von den Generälen Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff geführt, wobei letzterer den Ton angab. Sie, nicht die Reichsregierung oder der Kaiser, bestimmten seit 1916 die Richtlinien der deutschen Politik und regierten faktisch als Militärdiktatoren.

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Erich Ludendorff

Obwohl ein militärischer Sieg immer aussichtsloser wurde, strebte die OHL ihn weiter an. Bis September 1918 bestärkte sie die Reichsregierung, die Parteien und die Öffentlichkeit in dem Irrglauben, er sei erreichbar. Noch im März 1918 lehnte sie das 14-Punkte-Friedensprogramm des US-Präsidenten Woodrow Wilson ab und begann statt dessen eine neue Offensive im Westen, die die kriegsentscheidende Wende bringen sollte. Diese scheiterte im Juli, und wenige Wochen später wurde der militärische Zusammenbruch des Verbündeten Österreich-Ungarn absehbar.

Erst jetzt erkannte Ludendorff, was den meisten Soldaten an der Front längst klar war: Ein militärischer Sieg lag außerhalb jeder Reichweite. Wie er damit nun umging, wurde für die weiteren Ereignisse von entscheidender Bedeutung: Am Ende standen weder Sieg noch Verständigung, sondern die bedingungslose Kapitulation – aber auch eine Revolution und ein neues, republikanisches Deutschland.

Auswirkungen der Oktoberrevolution

Ein Jahr zuvor hatten Elend und Kriegsmüdigkeit im Gefolge der Februarrevolution in Russland am 15. März 1917 zum Sturz des letzten Zaren Nikolaus II. geführt. Die neue russische Regierung der sozialdemokratischen Menschewiki unter Alexander Kerenski führte den Krieg jedoch an der Seite der Ententemächte weiter. Um die Antikriegsstimmung im Land des Kriegsgegners zu verstärken, ließ die deutsche Reichsregierung den Führer der russischen Bolschewiki, Wladimir Iljitsch Lenin, von seinem Exil in der Schweiz in einem versiegelten Waggon über Schweden und Finnland nach St. Petersburg schleusen.

In der Oktoberrevolution konnten Lenin und seine Bolschewiki die Macht in Russland erobern. Damit wuchs im Bürgertum die Furcht, auch in Deutschland könne eine Revolution nach russischem Vorbild ausbrechen. Auch die SPD-Führung registrierte mit Unbehagen, dass sich die entschlossene Kaderpartei der Bolschewiki gegen die gemäßigten russischen Menschewiki hatte durchsetzen können. Als es im Januar 1918 in vielen deutschen Rüstungsbetrieben erneut zu Massenstreiks kam, nahm sie daher auf die Streikleitung Einfluss, um die eigenständigen Arbeitervertreter zu schwächen. Ihre Furcht vor dem Übergreifen des sowjetischen Musters bestimmte auch den Verlauf der späteren Novemberrevolution mit.

Doch die Oktoberrevolution schien der OHL zunächst noch einmal die Option auf einen „Siegfrieden“ zu eröffnen. Im März 1918 schloss sie mit der neuen Sowjetregierung unter Leo Trotzki den Frieden von Brest-Litowsk ab, der für Russland viel härter war als später der Versailler Vertrag für Deutschland. Die im Osten frei gewordenen Militäreinheiten wurden nun zum Teil zur Verstärkung der Westfront eingesetzt. Die meisten Deutschen glaubten, dass nach dem Erfolg im Osten nun auch im Westen ein siegreiches Kriegsende bevorstünde.

Die Niederlage wird unausweichlich

Im Sommer 1918 jedoch kam die Frühjahrsoffensive zum Erliegen. Die letzten deutschen Militärreserven waren verbraucht, während jeden Monat ca. 250.000 US-Soldaten die Entente in Frankreich verstärkten. Am 8. August 1918 durchbrachen englische Tanks auf breiter Linie die Westfront. Das deutsche Heer musste sich immer weiter zurückziehen. Mitte September zerbrach auch auf dem Balkan die Frontlinie. Am 27. September kapitulierte Bulgarien, das mit Deutschland und Österreich-Ungarn verbündet war. Die Niederlage war besiegelt und nur noch hinauszuzögern. Nun tat Ludendorff alles, um die Verantwortung dafür von sich, der OHL und vom Heer abzuwälzen.

Waffenstillstandsgesuch und Verfassungsänderung

Für den 29. September baten er und Hindenburg Kaiser Wilhelm II. und Reichskanzler Georg von Hertling in ihr Hauptquartier im belgischen Spa. Dort informierte sie Ludendorff über die hoffnungslose militärische Lage. Er forderte ein sofortiges Waffenstillstandsgesuch an die Entente, da er nicht einmal für 24 Stunden gewährleisten könne, die Front zu halten. Er empfahl ferner, eine der Zentralforderungen des US-Präsidenten Woodrow Wilson zu erfüllen und die Reichsregierung auf eine parlamentarische Basis zu stellen, um günstigere Friedensbedingungen zu erlangen. Damit wollte er demokratischen Kräfte allein für die bevorstehende Kapitulation verantwortlich machen.

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Prinz Max von Baden

Ludendorffs Lagebericht überraschte und schockierte Kaiser und Reichskanzler ebenso wie kurz darauf die Abgeordneten des Reichstags. Die Führer der Mehrheitsparteien, vor allem der SPD, waren dennoch bereit, die Verantwortung, die ihnen in letzter Minute zufiel, zu übernehmen. Da Reichskanzler Hertling als überzeugter Monarchist die Parlamentarisierung nicht mittragen wollte, ernannte Kaiser Wilhelm am 3. Oktober den als liberal geltenden Prinzen Max von Baden zu seinem Nachfolger. In dessen Regierung traten Mitglieder der Mehrheitsparteien ein, unter anderen der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann. Die neue Regierung gab am Tag darauf das von Ludendorff ultimativ geforderte Waffenstillstandsangebot an die Alliierten ab. Immer mehr Soldaten desertierten bereits.

Die deutsche Öffentlichkeit erfuhr nichts von den Vorgängen in Spa und Berlin. Erst am 5. Oktober wurde bekannt, dass es eine neue, von der Parlamentsmehrheit getragene Regierung gebe, die als erste Amtshandlung um Waffenstillstand gebeten habe. Der grundlegende Umbau der Reichsverfassung wurde angesichts des allgemeinen Schocks über die Niederlage von der Bevölkerungsmehrheit kaum wahrgenommen. Hier lag der erste Keim zur späteren Dolchstoßlegende.

Am 28. Oktober beschloss der Reichstag formell die Verfassungsänderungen zur sogenannten Oktoberverfassung, die seit Anfang des Monats bereits praktiziert wurden: Der Kanzler und die Reichsminister waren künftig an das Vertrauen der Reichstagsmehrheit gebunden; der Oberbefehl über die Streitkräfte ging vom Kaiser auf die Reichsregierung über. Damit war das Deutsche Reich von einer konstitutionellen zu einer parlamentarischen Monarchie geworden.

Aus Sicht der SPD-Führung waren damit alle wichtigen verfassungsrechtlichen Ziele erreicht. Friedrich Ebert hatte schon im 5. Oktober die "Geburt der deutschen Demokratie" gesehen. Eine Revolution erschien ihm nach der freiwilligen Kapitulation der kaiserlichen Regierung überflüssig.

Die 3. Wilson-Note und Ludendorffs Entlassung

Auf das Waffenstillstandsgesuch antwortete US-Präsident Wilson in den drei folgenden Wochen mit drei diplomatischen Noten. Darin forderte er als Vorbedingungen für Verhandlungen den Rückzug Deutschlands aus allen besetzten Gebieten, die Einstellung des U-Boot-Kriegs und - wenn auch verklausuliert - die Abdankung des Kaisers, um den demokratischen Prozess in Deutschland unumkehrbar zu machen.

Nach der 3. Wilson-Note vom 24. Oktober bezeichnete Ludendorff plötzlich die Bedingungen der Alliierten als unannehmbar. Er forderte nun die Wiederaufnahme des Krieges, den er einen Monat zuvor noch für verloren erklärt hatte. Diese Forderung war umso unsinniger, da erst das auf sein Verlangen abgegebene Ersuchen den Kriegsgegnern die militärische Schwäche des Reichs in seinem ganzen Ausmaß vor Augen geführt hatte. Auch die Kampfbereitschaft der deutschen Truppen, die sich bereits auf das nahe Ende des Krieges eingestellt hatten und darauf drängten, nach Hause zu kommen, war kaum mehr neu zu wecken.

Die Reichsregierung blieb daher auf dem von Ludendorff selbst eingeschlagenen Weg und ersetzte ihn als Chef der Obersten Heeresleitung durch General Wilhelm Groener. Ludendorff floh mit falschem Pass ins neutrale Schweden. Am 5. November stimmten die Alliierten der Aufnahme von Waffenstillstandsverhandlungen zu. Die 3. Wilson-Note hatte bei vielen Soldaten und in großen Teilen der Bevölkerung den zutreffenden Eindruck erweckt, dass die Weigerung des Kaisers abzudanken, ein Hindernis für den Frieden sei.

Die Revolution

Der Matrosenaufstand

Während die kriegsmüden Truppen und die von der kaiserlichen Regierung enttäuschte Bevölkerung das baldige Ende des Krieges erwarteten, fasste die deutsche Marineleitung unter Admiral Reinhard von Scheer in Kiel den Plan, die Flotte zu einer letzten Schlacht gegen die Royal Navy in den Ärmelkanal zu entsenden. Dieser eigenmächtige Befehl war nicht nur militärisch sinnlos; er stellte im Grunde eine Rebellion der Marineleitung gegen die neue Reichsregierung dar, deren Politik er völlig zuwider lief.

Der Beschluss der Marineleitung löste zunächst eine Meuterei unter den betroffenen Matrosen und dann eine allgemeine Revolution aus, die in wenigen Tagen die Monarchie in Deutschland beseitigte. Den meuternden Matrosen ging es ursprünglich nur darum, nicht im letzten Augenblick des Krieges sinnlos geopfert zu werden. Sie handelten im weiteren Verlauf der Revolution auch in dem Bewusstsein, die Beschlüsse und die Existenz der neuen Regierung gegen die Militärs zu verteidigen.

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Postkarte mit Matrosen zur Zeit des Aufstandes

Der Matrosenaufstand begann auf Schilling-Reede vor Wilhelmshaven, wo die deutsche Hochseeflotte in Erwartung der geplanten Seeschlacht vor Anker gegangen war. Am 29. Oktober verweigerte die Besatzung der Schiffe "Thüringen" und "Helgoland" den Befehl zum Auslaufen. Die Meuterei konnte zwar noch einmal unterdrückt werden, da die übrigen Schiffsbesatzungen sich ihr nicht anschlossen. Aber die Marineleitung ließ ihren ursprünglichen Plan fallen, da sie sich des Gehorsams der Mannschaften nicht mehr sicher war. Das 3. Geschwader, das sich an der Meuterei nicht beteiligt hatte, wurde nach Kiel zurück beordert. Mit an Bord waren rund 1.000 verhaftete Meuterer, die vor ein Kriegsgericht gestellt werden sollten.

Dies wollten die übrigen Matrosen verhindern, da die Meuterer auch in ihrem Interesse gehandelt hatten. Eine Delegation, die um ihre Freilassung bat, wurde am 1. November von der Marineleiting abgewiesen. Am nächsten Tag diskutierten im Kieler Gewerkschaftshaus die Matrosen erstmals gemeinsam mit Werftarbeitern über das weitere Vorgehen. Da das Haus daraufhin geschlossen wurde, kam es am 3. November zu Massenkundgebungen von Soldaten und Arbeitern unter freiem Himmel. Als ein Leutnant namens Steinhäuser auf die Demonstranten schießen ließ und neun Menschen ums Leben kamen, erwiderte ein Matrose das Feuer und tötete den Offizier. Aus dem Massenprotest wurde nun ein allgemeiner Aufstand.

Am Morgen des 4. November wählten die Matrosen des 3. Geschwaders einen Soldatenrat, entwaffneten ihre Offiziere, bemächtigten sich der Schiffe, befreiten die inhaftierten Meuterer und brachten die öffentlichen und militärischen Einrichtungen Kiels unter ihre Kontrolle. Heeressoldaten, die das Standortkommando zur Bekämpfung des Aufstands aus Altona herbeigerufen hatte, verbrüderten sich am Nachmittag mit den Matrosen. Kiel war damit fest in der Hand von ca. 40.000 revoltierenden Matrosen, Soldaten und Arbeitern.

Noch am Abend des 4. November traf der SPD-Reichstagsabgeordnete Gustav Noske in Kiel ein. Er sollte im Auftrag der neuen Reichsregierung und der SPD-Führung den Aufstand unter Kontrolle bringen, um eine Revolution zu verhindern. Der Kieler Arbeiter- und Soldatenrat, der in dem Glauben handelte, die neue Regierung zu unterstützen und von ihr unterstützt zu werden, wählte Noske noch am gleichen Abend zum „Gouverneur“. Es gelang ihm in den nächsten Tagen tatsächlich, die Revolution in Kiel zu beenden. Zu diesem Zeitpunkt aber hatten die Ereignisse schon weit über die Stadt hinausgegriffen.

Die Revolution erfasst ganz Deutschland

Abordnungen der Matrosen schwärmten seit dem 4. November in alle größeren deutschen Städte aus, und schon am 7. November hatte die Revolution alle größeren Küstenstädte sowie Hannover, Braunschweig und Frankfurt am Main erfasst. Am selben Tag zwang ein Arbeiter- und Soldatenrat in München den letzten bayerischen König Ludwig III. zum Thronverzicht. Kurt Eisner von der USPD rief in Bayern, als erstem Land des Reiches, die Republik aus (vgl. Münchner Räterepublik). Auch in den übrigen deutschen Staaten dankten in den nächsten Tagen alle regierenden Fürsten ab, zuletzt Günther von Schwarzburg-Rudolstadt am 23. November.

Die Stoßrichtung der Arbeiter und Soldatenräte, die zum weit überwiegenden Teil aus Anhängern von SPD und USPD bestanden, war demokratisch, pazifistisch und anti-militaristisch. Außer der Herrschaft der deutschen Fürsten setzten sie nur der Macht der bis dahin allmächtigen Generalkommandos ein Ende. Alle zivilen Behörden und Amtsträger des Kaisereichs blieben unangetastet - von der Polizei über die Stadtverwaltungen bis hin zu den Gerichten. Auch Beschlagnahmungen oder Besetzungen von Betrieben fanden kaum statt. Die Räte beanspruchten lediglich die Kontrolle der Behörden im Sinne der neuen Regierung, so wie es während des Krieges die militärischen Generalkommandos getan hatten. Es ging ihnen um die Schaffung einer der Revolution und der neuen Regierung verpflichteten Exekutive. Die SPD erhielt dadurch eine reale Machtbasis auf lokaler Ebene. Während die Räte glaubten, damit im Interesse der neuen Ordnung zu handeln, sah die Parteiführung der SPD, insbesondere Ebert, in ihnen nur störende Elemente für einen friedlichen Machtwechsel, den sie schon vollzogen wähnten.

Ebert und Max von Baden waren sich einig, dass eine soziale Revolution verhindert und die staatliche Ordnung unter allen Umständen aufrecht erhalten bleiben müsse. Ebert fürchtete eine Radikalisierung der Revolution ähnlich wie in Russland im Jahr zuvor. Er glaubte, die SPD werde in Zukunft zwangsläufig parlamentarische Mehrheiten erringen, die sie in die Lage versetzen würden, ihre Reformvorhaben umzusetzen. In der gegebenen Situation ging es ihm darum, die bürgerlichen Parteien, die schon im interfraktionellen Ausschuss mit der SPD zusammengearbeitet hatten – aber auch die alten Eliten des Kaiserreichs – für den Staatsumbau gewinnen zu können. Dazu kam seine Befürchtung, die ohnehin prekäre Versorgungslage, könne zusammenbrechen, wenn an die Stelle der bestehenden Verwaltung die in administrativen Dingen ungeübten Revolutionäre träten. Aus diesen Gründen war er zu Kompromissen mit den alten Mächten und zur Erhaltung der Monarchie bereit.

Wie die Führer der bürgerlichen Parteien forderte auch Ebert möglichst rasche Wahlen zu einer Nationalversammlung, die über die endgültige Staatsform befinden sollte. Dies brachte ihn wenig später in einen Gegensatz zum linken Flügel der Revolutionäre, die erst später Wahlen abhalten wollten, um schon vor dem Zusammentritt einer Nationalversammlung Fakten schaffen zu können.

Um seinen Anhängern einen Erfolg vorweisen zu können, zugleich aber die Monarchie zu retten, forderte Ebert seit dem 6. November den Thronverzicht Kaiser Wilhelms. Am 7. November sagte er zu Max von Baden: „Wenn der Kaiser nicht abdankt, dann ist die soziale Revolution unvermeidlich. Ich aber will sie nicht, ja, ich hasse sie wie die Sünde.“ Der Reichskanzler plante daraufhin, ins Hauptquartier der Obersten Heeresleitung ins belgische Spa zu reisen, wo der Kaiser sich seit Tagen aufhielt, um ihn persönlich von der Notwendigkeit der Abdankung zu überzeugen. Dazu kam es aber nicht mehr, da sich die Situation in Berlin seit dem Abend des 8. November rasch weiter zuspitzte.

Am Abend des 8. November hatte die USPD 26 Versammlungen in Berlin einberufen, auf denen ein Generalstreik und Massendemonstrationen für den nächsten Tag angekündigt wurden. Ebert forderte daraufhin noch einmal ultimativ die Abdankung des Kaisers, um diesen Schritt auf den Versammlungen als Erfolg der SPD verkünden zu können. In Spa dagegen setzte Wilhelm II. auf Zeit. Nachdem die Entente am 6. November der Aufnahme von Waffenstillstandsverhandlungen zugestimmt hatte, hoffte er, an der Spitze der bald frei werdenden Fronttruppen nach Deutschland zurückkehren und die Revolution gewaltsam niederschlagen zu können.

Der 9. November: Das Ende der Monarchie

Die Regierung Max von Baden hatte noch am Abend des 8. November das als besonders zuverlässig geltende 4. Jägerregiment aus Naumburg nach Berlin verlegen lassen, um möglichen Unruhen entgegen zu treten. Doch selbst die Soldaten dieses Regiment waren nicht gewillt, auf Landsleute zu schießen. Als ihre Offiziere ihnen am frühen Morgen des 9. November Handgranaten aushändigten, suchte eine Abordnung des Regiments die Redaktion des sozialdemokratischen Parteiorgans Vorwärts auf, um Aufklärung über die Situation zu verlangen. Dabei traf sie auf den Reichstagsabgeordneten Otto Wels. Ihm gelang es, die Soldaten in einer Rede davon zu überzeugen, die Führung der SPD und ihre Politik zu unterstützen. Diese Rede hielt er erfolgreich vor weiteren Regimentern, so dass sie sich Ebert unterstellten. Damit erhielten die Sozialdemokraten die militärische Kontrolle über die Hauptstadt.

Dennoch fürchtete Ebert, diese könne der SPD wieder entgleiten, wenn es radikalen Kräften gelänge, die Arbeiter auf den angekündigten Demonstrationen auf ihre Seite zu ziehen. Die Möglichkeit dazu bestand seit dem späten Morgen, als sich – dem Aufruf der USPD folgend - mehrere große Demonstrationszüge mit Hunderttausenden Menschen auf den Weg ins Stadtzentrum von Berlin machten. Auf ihren Plakaten und Spruchbändern standen Parolen wie „Einigkeit“, „Recht und Freiheit“ und „Brüder, nicht schießen!“

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Kaiser Wilhelm II.

Zur gleichen Zeit wurde der Kaiser von einer Befragung unter 39 Kommandeuren informiert, die ergeben hatte, dass auch die Frontsoldaten nicht mehr bereit waren, Befehlen des Kaisers Folge zu leisten. Am Abend zuvor hatte erstmals auch ein Garderegiment den Gehorsam verweigert. Obwohl er durch Telegramme aus Berlin darauf hingewiesen wurde, dass die Abdankung sofort erfolgen müsse, wenn sie noch eine Wirkung haben solle, zögerte der Kaiser weiter. Er dachte daran, als Deutscher Kaiser abzudanken, nicht aber als König von Preußen.

In Berlin handelte Prinz Max von Baden schließlich auf eigene Faust: Ohne eine Entscheidung aus Spa abzuwarten gab er am Mittag des 9. November eigenmächtig folgende Erklärung zur Abdankung Wilhelms II. heraus:

„Seine Majestät der Kaiser und König haben sich entschlossen, dem Throne zu entsagen. Der Reichskanzler bleibt noch so lange im Amte, bis die mit der Abdankung seiner Majestät, dem Thronverzichte Seiner Kaiserlichen und Königliche Hoheit des Kronprinzen des Deutschen Reiches und von Preußen und der Einsetzung der Regentschaft verbundenen Fragen geregelt sind.“

Wilhelm II. reagierte auf diese Nachricht mit der Flucht in die Niederlande, wo er bis zu seinem Tod 1941 im Exil leben sollte. Da er erst dort Wochen später die förmliche Abdankungsurkunde unterzeichnen sollte, kam sein Grenzübertritt einer Fahnenflucht gleich, die ihn nun auch die Sympathien seiner Militärs kostete.

Kurz nach Mittag übertrug Prinz Max von Baden Friedrich Ebert auf dessen Forderung hin das Amt des Reichskanzlers. Nur so schien die SPD noch Herrin der Lage bleiben zu können. Ebert betrachtete sich weiterhin als Kanzler des Kaiserreichs, das er als solches bewahren wollte. Eine mögliche Regentschaft - für die Ebert vergeblich Max von Baden zu gewinnen suchte - und das prinzipielle Festhalten an der Monarchie war zu diesem Zeitpunkt jedoch nur noch eine Fiktion.

Die Nachricht vom Thronverzicht des Kaisers war zu spät gekommen, um auf die Demonstranten noch Eindruck zu machen. Niemand befolgte die in Sonderausgaben des "Vorwärts" veröffentlichten Aufrufe, nach Hause oder in die Kasernen zurück zu kehren. Immer mehr Stimmen wurden laut, die die Abschaffung der Monarchie forderten. Karl Liebknecht, der erst wenige Tage zuvor aus dem Gefängnis entlassen worden war, hatte in Berlin mittlerweile den Spartakusbund neu gegründet und plante nun die Ausrufung der sozialistischen Republik. Davon erfuhr am Mittag im Reichstag der stellvertretende SPD-Vorsitzende Philipp Scheidemann, der den Spartakisten nicht die Initiative zu überlassen wollte. Kurz entschlossen trat er auf einen Balkon des Reichstagsgebäudes und rief - gegen den ausdrücklichen Willen Eberts - vor einer demonstrierenden Menschenmenge seinerseits die Republik aus. Im Wortlaut von seiner kurzer Rede hieß es:

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Philipp Scheidemann
Der Kaiser hat abgedankt. Er und seine Freunde sind verschwunden, über sie alle hat das Volk auf der ganzen Linie gesiegt. Prinz Max von Baden hat sein Reichskanzleramt dem Abgeordneten Ebert übergeben. Unser Freund wird eine Arbeiterregierung bilden, der alle sozialistischen Parteien angehören werden. Die neue Regierung darf nicht gestört werden, in ihrer Arbeit für den Frieden und der Sorge um Arbeit und Brot. Arbeiter und Soldaten, seid euch der geschichtlichen Bedeutung dieses Tages bewußt: Unerhörtes ist geschehen. Große und unübersehbare Arbeit steht uns bevor. Alles für das Volk. Alles durch das Volk. Nichts darf geschehen, was der Arbeiterbewegung zur Unehre gereicht. Seid einig, treu und pflichtbewußt. Das alte und morsche, die Monarchie ist zusammengebrochen. Es lebe das Neue. Es lebe die deutsche Republik!

Wahrscheinlich fast zeitgleich, aber erst Stunden später in Berliner Zeitungen veröffentlicht, proklamierte Liebknecht im Berliner Tiergarten die Freie Sozialistische Republik Deutschland, auf die er gegen 16 Uhr eine am Berliner Stadtschloss versammelte riesige Menge nochmals einschwor. Welche Vorstellungen damit verbunden waren, war zu diesem Zeitpunkt noch weitgehend ungeklärt.

Um der revolutionären Stimmung die Spitze zu nehmen und die Forderung der Demonstranten nach Einigkeit der Arbeiterparteien zu erfüllen, bot Ebert der USPD nun den Eintritt in die Regierung an und erklärte sich bereit, sogar Karl Liebknecht als Minister zu akzeptieren. Die USPD-Reichstagsfraktion konnte sich jedoch am 9. November nicht mehr über das Angebot einigen, da der Parteivorsitzende Haase sich in Kiel aufhielt und weil Liebknecht die Kontrolle der Arbeiterräte über die Soldaten forderte und seine Regierungsbeteiligung davon abhängig machte.

Weder die Verkündung des - nicht einmal erfolgten - kaiserlichen Thronverzichts durch Max von Baden, noch seine Übergabe des Kanzleramts an Ebert, noch die Ausrufung der Republik durch Scheidemann waren verfassungsrechtlich gedeckt. All dies waren im Grunde revolutionäre Handlungen von Akteuren, die die Revolution nicht wollten, damit aber dauerhafte Fakten schufen. Noch am selben Abend fand dagegen eine wirklich revolutionäre Aktion statt, die sich jedoch am Ende als vergeblich erweisen sollte.

Gegen 20 Uhr besetzte eine Gruppe von 100 Personen den Reichstag und bildete ein Revolutionsparlament. Es handelte sich dabei um jene Revolutionären Obleute aus den Berliner Großbetrieben, die schon 1917 als Streikführer aufgetreten waren und der SPD-Führung misstrauten. Sie hatten unabhängig vom Matrosenaufstand einen Umsturz für den 11. November geplant, waren aber von den revolutionären Ereignissen seit Kiel überrascht worden. Um Ebert die Initiative zu entreißen, beschlossen sie nun, Wahlen für den nächsten Tag, einem Sonntag, auszurufen: Jeder Berliner Betrieb und jedes Regiment sollte Arbeiter- und Soldatenräte bestimmen, die dann eine aus beiden Arbeiterparteien bestehende Revolutionsregierung, wählen sollten, den Rat der Volksbeauftragten. Dieser sollte die Beschlüsse des Revolutionsparlaments ausführen und Eberts Funktion als Reichskanzler ersetzen.

Der 10. November: SPD-Führung gegen Revolutionäre Obleute

Die SPD-Führung erfuhr noch am Abend des 9. November von den Vorhaben der Revolutionären Obleute. Da die Wahlen und die folgende Räteversammlung nicht mehr zu verhindern waren, schickte Ebert noch in der Nacht und am folgenden frühen Morgen Redner zu allen Berliner Regimentern und in die Betriebe, um die Wahlen zu Gunsten der SPD zu beeinflussen. Die ohnehin geplante Regierungsbeteiligung der USPD sollte nun eben im Rahmen des Rats der Volksbeauftragten erfolgen.

Diese Aktivitäten entgingen wiederum den Obleuten nicht. Als sie erkannten, dass auch in der neuen Regierung die SPD den Ton angeben würde, planten sie, der Versammlung außer der Wahl einer Regierung auch die Einsetzung eines Aktionsausschusses vorzuschlagen, der die Tätigkeit der Arbeiter- und Soldatenräte koordinieren sollte. Dafür hielten sie bereits eine fertige Liste bereit, auf der die SPD nicht vertreten war. So hofften sie, eine Kontrollinstanz über der Regierung installieren zu können.

In der Versammlung, die am Nachmittag des 10. November im Zirkus Busch zusammentrat, gewannen die SPD die Mehrheit. Die Soldatenräte waren fast ausnahmslos auf ihrer Seite; dazu kam ein Großteil der Arbeitervertreter. Sie wiederholten nun die Forderung nach „Einigkeit der Arbeiterklasse“, die am Vortag von den Revolutionären aufgestellt worden war und setzten damit Eberts Linie durch. Die USPD nahm wie schon geplant an der Regierungsbildung teil und entsandte drei ihrer Vertreter in den neugewählten sechsköpfigen Rat der Volksbeauftragten: ihren Vorsitzenden Hugo Haase, den Reichstagsabgeordneten Wilhelm Dittmann und Emil Barth für die Revolutionären Obleute. Die drei SPD-Vertreter waren Ebert, Scheidemann und der Magdeburger Reichstagsabgeordnete Otto Landsberg.

Schließlich kam es noch zu hitzigen Debatten über den für die SPD-Führung überraschenden Vorschlag der Obleute, noch einen Aktionsausschuss als Kontrollorgan der neuen Regierung zu wählen. Ebert erreichte schließlich, dass auch der 20-köpfige Vollzugsrat der Arbeiter- und Soldatenräte je zur Hälfte aus SPD- und USPD-Mitgliedern gebildet wurde. Der Vollzugsrat beschloss, für Dezember einen Reichsrätekongress nach Berlin einzuberufen.

Obwohl sich Ebert auf ganzer Linie durchgesetzt hatte, war er mit den Ergebnissen des 10. November alles andere als zufrieden. Er betrachtete die Räte und die neu geschaffenen Institutionen nur als Hindernisse auf dem Weg zu einer Staatsordnung, die nahtlos an das Kaiserreich anknüpfen sollte. Er und viele führende Sozialdemokraten sahen die Räte als Gefahr, unterschätzten dabei aber völlig die Bedrohung durch die alten Eliten aus Militär und Verwaltung. Ebert störte insbesondere, dass er vor diesen Eliten, die er für loyal hielt, nach dem 10. November nicht mehr als Reichskanzler auftreten konnte, sondern nur noch als Vorsitzender einer Revolutionsregierung. In der Tat betrachteten viele Konservative Eberts Beteiligung am Rat der Volksbeauftragten als Verrat, obwohl diese nur erfolgt war, um die Revolution bremsen zu können.

In der kurzen Zeit der Doppelherrschaft von Räten und Reichsregierung hatte letztere immer das Übergewicht. Die Ministerialbürokratie arbeitete allein Ebert zu, obwohl Haase ihm im Vorsitz des Rats formell gleichgestellt war. Den Ausschlag in der Machtfrage gab noch am Abend des 10. November ein Telefonat Eberts mit General Wilhelm Groener, dem Chef der Obersten Heeresleitung im belgischen Spa. Groener sicherte Ebert die Unterstützung des Heeres zu. Als Gegenleistung erhielt er von Ebert die Zusicherung, die militärische Rangordnung wieder herzustellen und gegen die Räte vorzugehen.
(siehe auch Ebert-Groener-Pakt)

Aus der Befürchtung, die Revolution könne in eine Räterepublik nach russischem Vorbild münden, war Ebert bereit, dieses geheime Bündnis mit den konterrevolutionär gesinnten Militärs einzugehen. Dies sollte sich als verhängnisvoll erweisen, da das Gros der Militärs sich auch in Zukunft - anders als Ebert erwartet hatte - nicht für die neue demokratische Ordnung gewinnen ließ. Gleichzeitig büßte die SPD-Führung immer mehr Vertrauen bei den revolutionären Arbeitern und Soldaten ein, denen ihr Vorgehen zunehmend unverständlich erschien.

In den Turbulenzen des 10. November war fast untergegangen, dass die alte Regierung am Morgen des selben Tages der Forderung Paul von Hindenburgs und Groeners nachgekommen war, die harten Bedingungen der Entente für einen Waffenstillstand zu akzeptieren. Der Zentrumsabgeordnete Matthias Erzberger wurde nach Compiègne entsandt, wo er am 11. November das Waffenstillstandsabkommen unterzeichnete. Damit endeten die Kampfhandlungen des Ersten Weltkriegs.

Das Stinnes-Legien-Abkommen

Wie über die künftige Staatsordnung so herrschten unter den verschiedenen revolutionären Lagern auch über die künftige Wirtschaftsordnung sehr heterogene Vorstellungen. Weit verbreitet - sowohl unter Anhängern der SPD wie der USPD - war die sozialistische Forderung, zumindest die kriegswichtige Schwerindustrie demokratischer Kontrolle zu unterstellen. Die Revolutionären Obleute wollten noch weiter gehen und eine direkte Demokratie im Produktionsbereich etablieren, deren Delegierte im politischen Bereich führende Machtkontrolle ausüben sollten (Räterepublik). Diese Bestrebungen einzudämmen, lag nicht nur im Interesse der SPD sondern auch der Gewerkschaften, die durch die Räte überflüssig zu werden drohten.

Parallel zu den Revolutionsereignissen trafen sich daher vom 9. bis 12. November in Berlin die Führer der deutschen Gewerkschaften unter Carl Legien mit den Vertretern der Großindustrie unter Hugo Stinnes und Carl Friedrich von Siemens. Sie unterzeichneten am 15. November ein „Arbeitsgemeinschaftsabkommen“ mit Vorteilen für beide Seiten: Die Gewerkschaftsvertreter sicherten zu, einen geordneten Produktionsverlauf zu garantieren, wilde Streiks zu beenden, den Einfluss der Räte zurückzudrängen und eine Sozialisierung von Produktiveigentum zu verhindern. Die Arbeitgeber sicherten im Gegenzug der Einführung des 8-Stunden-Tages zu, den die Arbeiter schon seit Jahren verlangt hatten. Sie garantierten den Gewerkschaften den Alleinvertretungsanspruch und ihre dauerhafte Anerkennung anstelle der Räte zu. Beide Seiten bildeten einen „Zentralausschuss zur Aufrechterhaltung der Wirtschaft“. Ein „Schlichtungsausschuss“ sollte bei künftigen Konflikten vermitteln. Ausschüsse für jeden Betrieb mit mehr als 50 Arbeitern sollten ab jetzt gemeinsam mit der Unternehmensleitung die Einhaltung von Tarifverträgen überwachen.

Damit hatten die Gewerkschaften alle Bestrebungen nach Sozialisierung von Produktionsmitteln unterlaufen und die Räte von vorneherein überflüssig gemacht.


Die Übergangsregierung und die Rätebewegung

Am 12. November veröffentlichte der Rat der Volksbeauftragten sein Regierungsprogramm. Es hob den Belagerungszustand und die Zensur auf, schaffte die Gesindeordnung ab und führte das allgemeine Wahlrecht ab 20 Jahren ein. Erstmals durften auch Frauen wählen. Alle politisch Inhaftierten erhielten Amnestie. Die Vereins-, Versammlungs- und Pressefreiheit wurden erlassen. Auf der Basis des Arbeitsgemeinschaftsabkommens wurde der Acht-Stunden-Tag vorgeschrieben und Leistungen der Erwerbslosenfürsorge, der Sozial- und Unfallversicherung ausgeweitet.

Die kleinen bürgerlichen Parteien, die sich alle für die baldige Einberufung einer Nationalversammlung aussprachen, organisierten sich nun neu in Großverbänden. So entstanden zwischen November 1918 und Januar 1919 die Deutsche Volkspartei (DVP), die Deutsche Demokratische Partei (DDP) und die Deutsch-Nationale Volkspartei (DNVP).

Der Reichstag wurde seit dem 9. November nicht mehr einberufen. Die alte Regierung hatte sich aufgelöst und war durch den Rat der Volksbeauftragten und den Vollzugsrat ersetzt worden. Dennoch bestand die alte Verwaltung fast unverändert fort: Alle Staatssekretäre, Abgeordneten, Polizisten, Beamten, Offiziere usw. behielten ihre Ämter und setzten ihre Arbeit fort, als sei nichts geschehen. Die überwiegend adeligen Beamten des Auswärtigen Amtes z.B. wiesen nach alter Tradition sogar russische Getreidehilfslieferungen an der Grenze zurück, obwohl sie bei dem herrschenden Notstand dringend gebraucht wurden. Denn am 4. November hatte man die diplomatischen Beziehungen mit Russland abgebrochen und konnte dessen "bolschewistische Geschenke" daher nicht einfach annehmen.

Am 21. November setzte der Rat der Volksbeauftragten auf Druck der USPD-Mitglieder eine "Sozialisierungskommission" ein. Zu ihr gehörten u.a. Karl Kautsky, Rudolf Hilferding und Otto Hue. Sie sollte prüfen, welche Industrien "sozialisierungstauglich" seien und eine Verstaatlichung der Montanindustrie vorbereiten. Sie tagte bis zum 7. 4. 1919 ohne jedes greifbare Ergebnis. Nur im Kohlen- und Kalibergbau sowie in der Stahlindustrie wurden "Selbstverwaltungskörperschaften" eingesetzt. Doch auch diese strebten keinerlei sozialistische Enteignung an.

Die SPD-Führung arbeitete viel lieber mit der alten Verwaltung zusammen als den neuen Arbeiter- und Soldatenräten Zugeständnisse zu machen. Das führte seit Mitte November ständig zu Konflikten mit dem Vollzugsrat. Er wechselte seine Position laufend, je nach den Interessen der Menschen, die er vertrat. Ebert entzog ihm daraufhin mehr und mehr Kompetenzen mit dem Ziel, das "Herum- und Hereinregieren der Räte in Deutschland" endgültig zu beenden. Er und die SPD-Führung überschätzten die Macht der Revolutionäre, besonders des Spartakusbundes, bei weitem und glaubten zu Unrecht, dass diese die Rätebewegung im Reich kontrollierten.

Zwar lösten die Arbeiter- und Soldatenräte u.a. in Leipzig, Hamburg, Bremen, Chemnitz und Gotha die Stadtverwaltungen auf und unterstellten sie ihrer Kontrolle. In Braunschweig, Düsseldorf, Mühlheim a.d.R. und Zwickau wurden außerdem alle kaisertreuen Beamten verhaftet. In Hamburg und Bremen wurden "Rote Garden" gebildet, die die Revolution schützen sollten. In den Leunawerken bei Merseburg setzten Räte die Konzerndirektion ab.

Aber sehr oft wurden die neuen Räte spontan und willkürlich bestimmt und besaßen keine Führungserfahrung. In der allgemeinen Not handelten viele auch geldgierig und eigennützig. Dem stand aber eine große Mehrheit an gemäßigten Räten gegenüber, die sich sofort mit der alten Verwaltung arrangierten und gemeinsam mit ihr dafür sorgten, dass in Betrieben und Städten schnell wieder Ruhe einkehrte. Sie übernahmen die Verteilung der Nahrungsmittel, die Polizeigewalt und die Unterbringung und Verpflegung der allmählich heimkehrenden Frontsoldaten.

Verwaltung und Räte waren aufeinander angewiesen: Die einen hatten Wissen und Erfahrung, die anderen Einfluss, diese umzusetzen. Meist waren SPD-Mitglieder in die Räte gewählt worden, die sich auch nur als Übergangslösung betrachteten. Alles in allem stand in Deutschland 1918/19 keine Räterepublik zur Debatte. Man wollte die durch die Revolution zur Macht gelangte neue Regierung stützen und erwartete von ihr die Abschaffung des Militarismus und des Obrigkeitsstaates. Die Kriegsmüdigkeit und Not trug zur verbreiteten Selbsttäuschung über das Erreichte bei.

Der Reichsrätekongress

Wie vom Vollzugsrat beschlossen, schickten die Arbeiter- und Soldatenräte im ganzen Reich Abgeordnete nach Berlin, der am 16. Dezember im Zirkus Busch zum Reichsrätekongress zusammentreten sollte. Um dies zu verhindern, planten Ebert und Groener mit Hilfe von nach Berlin beorderten Fronttruppen am 15. Dezember die Kontrolle über die Hauptstadt zurück zu gewinnen. Eines der dafür vorgesehenen Regimenter schlug am 6. Dezember zu früh los. Bei dem Versuch, den Vollzugsrat zu verhaften, feuerte die Truppe in einen Demonstrationszug von unbewaffneten "Roten Garden" (den Spartakisten nahestehende Soldatenräte) und tötete 16 Menschen.

Hier wurde das Gewaltpotential und die Putschgefahr von Rechts bereits sichtbar. Aus dieser Erfahrung heraus forderte Rosa Luxemburg am 12. Dezember in der "Roten Fahne", der täglich erscheinenden Zeitung des Spartakusbundes, die friedliche Entwaffnung der heimgekehrten Militäreinheiten durch die Berliner Arbeiterschaft, die Unterstellung der Soldatenräte unter das Revolutionsparlament und die Umerziehung der Soldaten.

Am 10. Dezember begrüßte Ebert zehn von der Front heimkehrende Divisionen. Es stellte sich jedoch heraus, dass auch diese Truppen nicht mehr gewillt waren, weiter zu kämpfen. Der Krieg war zu Ende, Weihnachten stand vor der Tür, und die meisten Soldaten wollten nur noch nach Hause zu ihren Familien. So liefen sie kurz nach ihrem Einzug in Berlin auseinander. Der geplante Schlag gegen den Rätekongress fand nicht statt.

Er wäre ohnehin unnötig gewesen. Denn der Kongress, der am 16. Dezember im Preußischen Abgeordnetenhaus seine Arbeit aufnahm, bestand in seiner Mehrheit ebenfalls aus Anhängern der SPD. Nicht einmal Karl Liebknecht war es gelungen, dort ein Mandat zu erlangen. Seinem Spartakusbund wurde keine Einflussnahme zugebilligt. Die Räte unterstützten vielmehr den Regierungsbeschluss, so bald wie möglich Wahlen zu einer verfassunggebenden Nationalversammlung durchzuführen, die über die endgültige Staatsform entscheiden sollte. Der einzige Streitpunkt zwischen Ebert und dem Kongress bestand in der Frage der Kontrolle über das Militär.

Der Kongress verlangte unter anderem ein Mitspracherecht des von ihm gewählten Zentralrats im Oberbefehl über die Streitkräfte, die freie Offizierswahl und die Disziplinargewalt für die Soldatenräte. Dies aber lief der geheimen Abmachung zwischen Ebert und Groener zuwider. Beide setzten alles daran, den Beschluss ungeschehen zu machen. Die Oberste Heeresleitung, die inzwischen nach Kassel umgezogen war, begann mit der Aufstellung ihr loyal ergebener Freikorps, die sie gegen die vermeintlich drohende bolschewistische Gefahr einzusetzen gedachte. Bei diesen Truppen handelte es sich - anders als bei den revolutionären Soldaten vom November - um monarchistisch gesonnene Offiziere und Mannschaften, die den Weg zurück ins Zivilleben fürchteten.

Die Weihnachtskrise

Nach dem 9. November hatte die Regierung zu ihrem Schutz die neu gebildete Volksmarinedivision von Kiel nach Berlin beordert und im dortigen Stadtschloss stationiert. Sie galt als absolut loyal und verweigerte infolge dessen die Teilnahme an dem Putschversuch vom 6. Dezember. Die Matrosen setzten sogar ihren Befehlshaber ab, weil sie ihn in die Affäre verwickelt sahen. Gerade diese Loyalität aber brachte die Truppe nun in den Ruf, spartakistisch eingestellt zu sein. Ebert verlangte ihre Auflösung und ihren Abzug aus dem Schloss, und Otto Wels, seit dem 9. November Stadtkommandant von Berlin, verweigerte den Matrosen die ausstehende Löhnung.

Der Streit eskalierte am 23. Dezember. Nachdem man sie tagelang hingehalten hatte, besetzten die Matrosen die Reichskanzlei, kappten die Telefonleitungen, stellten den Rat der Volksbeauftragten unter Hausarrest und nahmen Otto Wels gefangen. Anders als von spartakistischen Revolutionären zu erwarten gewesen wäre, nutzten sie die Situation aber nicht, um die Regierung Ebert ein für allemal auszuschalten, sondern bestanden nur weiterhin auf ihrem Sold. Dennoch - und obwohl Wels inzwischen wieder frei gelassen worden war - gab Ebert, der über eine geheime Telefonleitung mit der Obersten Heeresleitung in Kassel in Kontakt stand, am Morgen des 24. Dezember den Befehl, das Schloss mit regierungstreuen Truppen anzugreifen. Diesen Angriff aber schlugen die Matrosen unter ihrem Kommandanten Heinrich Dorrenbach erfolgreich zurück. Dabei verloren etwa 30 Soldaten und Zivilisten ihr Leben. Die Regierungstruppen mussten die Innenstadt räumen. Sie wurden nun ihrerseits teilweise aufgelöst, teilweise in ein Freikorps integriert. Um den Gesichtsverlust auszugleichen, besetzten sie vorübergehend die Redaktionsräume der "Roten Fahne". Doch die militärische Macht in Berlin lag nun erneut in den Händen der Volksmarinedivision, und erneut nutzte sie diese nicht aus.

Das zeigt zum einen, dass die Matrosen keine Spartakisten waren, zum anderen, dass die Revolution keine Führung hatte. Selbst wenn Liebknecht der revolutionäre Führer im Sinne Lenins gewesen wäre, den die Legende später aus ihm gemacht hat, hätten ihn die Matrosen wie auch die Räte kaum als solchen akzeptiert. So hatte die Weihnachtskrise, die von den Spartakisten als "Eberts Blutweihnacht" bezeichnet wurde, lediglich zur Folge, dass die Revolutionären Obleute für den 1. Weihnachtstag zu einer Demonstration aufriefen und die USPD am 29. Dezember aus der Regierung austrat. Dies aber war dem SPD-Vorsitzenden nur Recht, hatte er die Unabhängigen doch nur unter dem Druck der revolutionären Ereignisse an der Regierung beteiligt. Innerhalb weniger Tage wurde aus einer militärischen Niederlage der Regierung Ebert ein politischer Sieg.

Die Gründung der KPD und der Januaraufstand

Nach den Erfahrungen mit der SPD seit 1914 wurde es für die Spartakisten immer klarer, dass nur eine eigene Partei ihre Ziele längerfristig vertreten und die Unzufriedenheit der Arbeiter mit dem bisherigen Revolutionsverlauf auffangen konnte. Daher gründeten sie nun zusammen mit anderen linkssozialistischen Gruppen aus dem ganzen Reich die KPD.

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Rosa Luxemburg

Rosa Luxemburg verfasste ihr Gründungsprogramm und trug es am 31. Dezember 1918 vor: Darin hielt sie fest, dass eine Machtergreifung der Kommunisten niemals ohne klaren mehrheitlichen Volkswillen zustande kommen könne und werde. Am 1. Januar 1919 forderte sie nochmals die Teilnahme der KPD an den geplanten Parlamentswahlen, wurde aber überstimmt. Die Mehrheit hoffte noch immer, die Macht durch fortgesetzte Agitation in den Betrieben und den Druck der "Straße" erringen zu können. Die "Revolutionären Obleute" entschieden sich nach Verhandlungen mit den Spartakisten jedoch für den Verbleib in der USPD.

Die entscheidende Niederlage der Novemberrevolutionäre ereignete sich in den ersten Tagen des neuen Jahres 1919. Nun entstand wie im November des Vorjahres fast spontan eine zweite Revolutionswelle, die diesmal aber gewaltsam unterdrückt wurde. Auslöser in Berlin war, dass die Regierung am 4. Januar den Polizeipräsidenten von Berlin, das USPD-Mitglied Emil Eichhorn entließ, nachdem dieser sich zuvor geweigert hatte, gegen demonstrierende Arbeiter vorzugehen. Diese Maßnahme nahmen USPD, Revolutionäre Obleute und die zwei KPD-Führer Karl Liebknecht und Wilhelm Pieck zum Anlass, für den nächsten Tag zu einer Protestaktion aufzurufen.

Was als Demonstration geplant war, entwickelte sich zu einem Massenaufmarsch, mit dem die Veranstalter selbst nicht gerechnet hatten. Wie am 9. November 1918 strömten am Sonntag, dem 5. Januar 1919, Hunderttausende ins Zentrum Berlins, darunter viele Bewaffnete. Die Demonstranten waren im Wesentlichen dieselben wie 2 Monate zuvor. Sie forderten jetzt die Einlösung dessen, was sie sich damals erhofft hatten. Daran waren die Spartakisten keineswegs führend beteiligt: Die Forderungen kamen aus der Masse selber und wurden von den verschiedenen Gruppen links von der SPD auf verschiedene Weise unterstützt.

Auch der nun folgende so genannte "Spartakusaufstand" ging nur zum Teil von den KPD-Anhängern aus. Diese bildeten darin sogar die Minderheit. Am Nachmittag wurden die Berliner Bahnhöfe und das Zeitungsviertel mit den Redaktionsgebäuden der bürgerlichen Presse sowie des "Vorwärts" besetzt. Von dort aus war in den Tagen zuvor nicht nur zum Aufstellen weiterer Freikorps, sondern auch zum Mord an den Spartakisten aufgerufen worden. Die Hausbesetzer wählten einen 53-köpfigen "Provisorischen Revolutionsausschuss", der aber mit seiner Macht nichts anzufangen und dem Aufstand keine klare Richtung zu geben wusste. Liebknecht forderte den Sturz der Regierung und schloss sich der Mehrheitsmeinung im Ausschuss an, die den bewaffneten Kampf propagierte. Rosa Luxemburg, Mitbegründerin der KPD, hielt - wie die Mehrheit der Parteiführung - einen Aufstand zu diesem Zeitpunkt für eine Katastrophe und sprach sich ausdrücklich dagegen aus.

Für den 6. Januar rief der Ausschuss zu einer erneuten Massendemonstration auf. Diesem Aufruf folgten nun noch mehr Menschen. Sie trugen erneut Plakate mit der Aufschrift "Brüder, nicht schießen!" und verharrten wartend auf einem Versammlungsplatz. Doch die Bemühungen der KPD-Aktivisten, die Truppen auf ihre Seite zu ziehen, blieben weitgehend erfolglos. Vielmehr zeigte sich, dass selbst Einheiten wie die Volksmarinedivision nicht bereit waren, den bewaffneten Aufstand mit zu tragen. Sie erklärte sich für neutral.

Die übrigen in Berlin stationierten Regimenter standen weiterhin mehrheitlich zur Regierung. Dennoch akzeptierte Ebert einen Vermittlungsversuch der USPD. Der Revolutionsausschuss jedoch lehnte diesen in Verkennung der tatsächlichen Machtverhältnisse ab. Das nahm Ebert nun zum Anlass, die in Berlin stationierten Truppen gegen die Besetzer einzusetzen. Vom 9. Januar an schlugen sie deren improvisierten Aufstandsversuch gewaltsam nieder. Vom 12. Januar an rückten zudem die republikfeindlichen Freikorps in die Stadt ein, die seit Anfang Dezember aufgestellt worden waren. Den Oberbefehl über diese Truppen hatte Gustav Noske mit den Worten akzeptiert: "Meinetwegen, einer muss ja der Bluthund sein."

Nachdem die Freikorps mehrere Gebäude brutal geräumt und die Besetzer standrechtlich erschossen hatten, ergaben sich die übrigen rasch. Ein Teil von ihnen wurde dennoch ebenso erschossen. Diesem Vorgehen fielen allein in Berlin Hunderte von Menschen zum Opfer.

Die Ermordung der Spartakusführer

Die angeblichen "Drahtzieher" des Januaraufstands mussten untertauchen und wurden von ihren Genossen dringend gebeten, Berlin zu verlassen. Doch sie weigerten sich. Am Abend des 15. Januar 1919 wurden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht in einer Wilmersdorfer Wohnung entdeckt, verhaftet und an das größte der Freikorps, die schwer bewaffnete "Garde-Kavallerie-Schützendivision" übergeben. Deren Anführer, der Offizier Waldemar Papst, ließ sie verhören und schwer misshandeln. Um seinen Mordplan von der Regierung absegnen zu lassen, telefonierte er mit Noske. Dabei war Ebert anwesend. Anschließend wurden die beiden Gefangenen mit einem Gewehrkolben bewusstlos geschlagen und mit einem Schläfenschuss ermordet. Rosa Luxemburgs Leiche wurde in den Berliner Landwehrkanal geworfen, wo sie erst Anfang Mai entdeckt wurde. Ebert soll beim Erhalt der Nachricht vom Tod seiner linken Gegner befriedigt gesagt haben: "Das war der Sieg."

Mit den Morden des 15. 1. war die Feindschaft zwischen SPD und KPD für Jahrzehnte besiegelt, so dass sie später nicht zu rechtzeitigem gemeinsamen Handeln gegen die aufkommende NSDAP fähig waren. Die Mörder gingen weitgehend, ihre Auftraggeber völlig straffrei aus. Ein Großteil der Gardekavallerie wurde in die spätere SA überführt (siehe dazu: Rosa Luxemburg).

Weitere Aufstände im Gefolge der Revolution

Auch in anderen Gegenden Deutschlands - beispielsweise im Ruhrgebiet und in Sachsen - kam es in den ersten Monaten des Jahres 1919 zu bewaffneten Aufstandsversuchen. In einigen Regionen wurden vorübergehend Räterepubliken ausgerufen. Am längsten hielt sich die Münchner Räterepublik, der preußische, württembergische und Freikorps-Truppen erst am 2. Mai 1919 ein gewaltsames Ende setzten.

Eine reale Gefahr, dass in Deutschland eine bolschewistische Diktatur nach sowjet-russischem Vorbild hätte installiert werden können, hat nie bestanden. Das Bündnis zwischen der Regierung Ebert und der Obersten Heeresleitung und deren brutales Vorgehen während der verschiedenen Aufstände hat jedoch viele linke Demokraten der SPD entfremdet. Viele von ihnen betrachteten das Verhalten Eberts, Noskes und anderer SPD-Führer während der Revolution als Verrat an ihren eigenen Anhängern. Dies sollte sich für die Entwicklung der Weimarer Republik als schwere Hypothek erweisen.

Die Nationalversammlung

Am 19. Januar 1919 fanden schließlich die Wahlen zur verfassungsgebenden Nationalversammlung statt. Dabei wurde die SPD mit 37,4 % der Stimmen stärkste Partei und ging eine Koalition mit dem Zentrum und der DDP ein. Die Nationalversammlung trat, um den revolutionären Nachwirren in Berlin zu entgehen, am 6. Februar in Weimar zusammen. Dort wurde am 11. August die neue Reichsverfassung verabschiedet, die das Deutsche Reich zu einer demokratischen Republik machte.

Historische Einordnung

Die Revolution war beendet und der Übergang zur demokratischen Republik schien gesichert. Dass die Weimarer Republik sich dann als schwache Demokratie erwies und schon 14 Jahre später unterging, hat auch mit ihren Geburtsfehlern während der Novemberrevolution zu tun.

Von großer Bedeutung war die Tatsache, dass die kaiserliche Regierung und die Oberste Heeresleitung sich frühzeitig der Verantwortung entzogen und die Bewältigung der von ihnen verschuldeten Niederlage im 1. Weltkrieg den Mehrheitsparteien des Reichstags aufbürdeten. Welches Kalkül dahinter steckte, belegt ein Zitat aus der Autobiographie des Ludendorff-Nachfolgers Groener:

Mir konnte es nur lieb sein, wenn bei diesen unglückseeligen [Waffenstillstands-]Verhandlungen, von denen nichts Gutes zu erwarten war, das Heer und die Heeresleitung so unbelastet wie möglich blieb. (zit. nach Schulze, s.u., S. 149)

So entstand die so genannte Dolchstoßlegende, nach der die Revolutionäre dem "im Felde unbesiegten" Heer in den Rücken gefallen seien und erst damit den fast sicheren Sieg in eine Niederlage verwandelt hätten. Zur Verbreitung dieser Geschichtsfälschung trug wesentlich Erich Ludendorff bei, der sein eigenes Versagen damit kaschieren wollte. In nationalistischen und völkischen Kreisen fiel die Legende auf fruchtbaren Boden. Dort wurden die Revolutionäre und selbst Politiker wie Ebert - der die Revolution gar nicht gewollt und alles getan hatte, um sie zu kanalisieren und einzudämmen - bald als "Novemberverbrecher" diffamiert. Selbst vor politischen Morden, etwa an Matthias Erzberger, schreckte die radikale Rechte nicht zurück, und es war eine bewusste Symbolik, dass Hitler und Ludendorff ihren Putschversuch von 1923 ebenfalls an einem 9. November unternahmen.

Die Republik war vom Zeitpunkt ihrer Geburt an mit dem Stigma der Niederlage behaftet. Ein Großteil des Bürgertums und der alten Eliten aus Militär, Justiz und Verwaltung akzeptierten die neue Staatsform nie, sondern sahen in der demokratischen Republik ein Gebilde, das bei erster Gelegenheit wieder beseitigt werden sollte. Auf der Linken dagegen trieb das Verhalten der SPD-Führung während der Revolution viele ihrer einstigen Anhänger den Kommunisten zu. Die gebremste Novemberrevolution führte dazu, dass Weimar eine "Demokratie ohne Demokraten" wurde.

Aussagen von Zeitzeugen

"Der innere Marschrhythmus hat der deutschen Demokratie gefehlt vom ersten Tag an, und wo sie ihn hämmern fühlte, hat sie ihn unbarmherzig erstickt. Deshalb können die Republikaner noch heute nichts mit der Revolution anfangen, deshalb sprechen sie lieber von Max von Baden als von den Kieler Matrosen, und ihre Helden stammen aus einer Kategorie von halben Liberalen, die, durch die Ereignisse emporgehoben, ihre Stellung benutzten, um die alten Mächte zu konservieren. ... So schreiben jetzt die Demo-Blätter, daß Deutschland elend in Scherben gegangen wäre ohne den General Wilhelm Groener. ... Herr Groener ist übrigens an dieser Berühmtheit nicht ganz unschuldig. Im Münchner Dolchstoßprozess hat er zuerst den Novemberpakt zwischen dem Volksbeauftragten Ebert und der OHL als schallenden Trumpf ausgespielt und in einem Nachruf auf Friedrich Ebert dessen unerschrockenen Patriotismus gelobt: "Er war jederzeit und vorbehaltlos bereit, seine persönlichen und politischen Anschauungen und Wünsche zurückzustellen, wenn es galt, der Not des Vaterlandes gerecht zu werden. Auf diesem gemeinsamen Boden haben sich die damalige Oberste Heeresleitung und Friedrich Ebert zum festen Bunde die Hände gereicht, um der Revolution Herr zu werden und dem deutschen Volke Recht und Gesetz wiederzugeben."
Wäre Herr Groener der große Politiker, so hätte er diese Konfessionen hübsch bei den Akten liegengelassen als historisches Material für eine spätere Generation...Herr Groener ist kein großer Staatsmann, aber er hat Geruch für effektvolle Demagogie. Glaubt er wirklich, mit dem patriotischen Führungsattest für Ebert auch nur einen einzigen Konservativen zu überzeugen? Die Leute wollen alle Gewalt, und sie pfeifen darauf, ob Ebert ein guter oder schlechter Patriot gewesen ist. Wohl aber muss solche Eröffnung erschütternd auf die Arbeiterschaft wirken...Man sollte sich auf ein Ebert-Groener-Denkmal beschränken, das die beiden darstellt, so wie sie sich im Novemberpakt die Hände reichen. Das Schicksal der Republik von gestern und heut und für das ungewisse Morgen liegt in diesem Händedruck."
"Die deutsche Revolution hat im Jahre 1918 im Saale stattgefunden.
Das, was sich damals abgespielt hat, ist keine Revolution gewesen: keine geistige Vorbereitung war da, keine Führer standen sprungbereit im Dunkel; keine revolutionären Ziele sind vorhanden gewesen. Die Mutter dieser Revolution war die Sehnsucht der Soldaten, zu Weihnachten nach Hause zu kommen. Und Müdigkeit, Ekel und Müdigkeit.
Die Möglichkeiten, die trotzdem auf der Straße gelegen haben, sind von Ebert und den Seinen verraten worden. Fritz Ebert, den man nicht dadurch zu einer Persönlichkeit steigern kann, daß man ihn Friedrich nennt, ist so lange gegen die Errichtung einer Republik gewesen, als er nicht merkte, daß hier ein Posten als Vorsitzender zu holen war; der Genosse Scheidemann e` tutti quanti sind verhinderte Regierungsräte gewesen.
Weisen wir auf diesen Verrat an der eigenen Klasse hin, so wird uns ununterbrochen versichert, Ebert habe keine silbernen Löffel gestohlen. Wenn man so unbegabt ist, hat man ehrlich zu sein - das wäre ja noch schöner!
Es ist auch nicht richtig, dass damals nichts zu machen gewesen ist. Die SPD hat nicht gewollt, weil sie keinen Mut hatte, keine Charakterstärke, keine Tradition mehr hatte - wer vier Jahre hindurch Kriegskredite bewilligen mußte, konnte das freilich nicht mehr haben.
Folgende Möglichkeiten sind damals ausgelassen worden:
Zerschlagung der Bundesstaaten;
Aufteilung des Großgrundbesitzes;
Revolutionäre Sozialisierung der Industrie;
Personalreform der Verwaltung und der Justiz.
Eine republikanische Verfassung, die in jedem Satz den nächsten aufhebt, eine Revolution, die von wohlerworbenen Rechten des Beamten des alten Regimes spricht, sind wert, daß sie ausgelacht werden.
Die deutsche Revolution steht noch aus. Bereiten wir sie gegen alle jene Parteien vor, die ein wirtschaftliches oder ideologisches Interesse haben, sie zu verhindern - die gefährlicheren unter ihnen sind die, die so tun als ob -, und die unter alten Flaggen neue, aber verfaulte Ware verkaufen: überaltert, feige, verlogen und seelisch korrupt.
Gesetze fallen nicht vom Himmel. Erst, wenn dem Deutschen die revolutionäre Idee über das Gesetz, über die Bestimmung und über die eigene Wichtigkeit geht, werden wir einen 9. November erleben, der keinen Noske, keinen Ludendorff und keinen Otto Wels übrigläßt. Nieder mit den lebenden Leichnamen!
Es lebe die Revolution!"

Literatur

Regionale Darstellungen

  • Günter Cordes, Das Revolutionsjahr 1918/19 in Württemberg und die Ereignisse in Ludwigsburg (Ludwigsburger Geschichtsblätter, Heft 32), Ludwigsburg 1980
  • Eberhard Kolb und Klaus Schönhoven, Regionale und Lokale Räteorganisationen in Württemberg 1918/19, Düsseldorf 1976 ISBN-3-7700-5084-3
  • Klaus Schönhoven, Die württembergischen Soldatenräte in der Revolution von 1918/19 (Zeitschrift für Württembergische Landesgeschicte, Jg. 33, 1974), Stuttgart 1976

siehe auch