Friedrich Ebert
Dieser Artikel befasst sich mit dem sozialdemokratischen Reichspräsidenten Friedrich Ebert. Über seinen Sohn, der SED-Funktionär in der DDR war, siehe: Friedrich Ebert (Sohn).
Friedrich Ebert (* 4. Februar 1871 in Heidelberg, † 28. Februar 1925 in Berlin) war der erste Reichspräsident der Weimarer Republik.
Leben und politische Laufbahn in seiner Zeit
Friedrich Ebert wurde am 4. Februar 1871 in Heidelberg als siebtes von neun Kindern geboren. Sein Vater Karl war Schneidermeister. Friedrich besuchte die Volksschule und lernte dann von 1885 bis 1888 das Handwerk des Sattlers. Als ausgelernter Geselle ging er - wie damals oft üblich - auf Wanderschaft. Unterwegs engagierte er sich für den Zusammenschluss von Handwerkern in Gewerkschaften und Fachvereinen. Er war zeitweise von Arbeitslosigkeit betroffen.
In Mannheim lernte er Sozialisten kennen und trat um 1889 – das genaue Datum ist unbekannt - in die Sozialistische Arbeiterpartei (SAP) ein, die 1890 endgültig in Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) umbenannt wurde. Im selben Jahr wurde er Schriftführer des Sattlerverbandes in Hannover. Für diesen gründete er örtliche Büros in einigen Großstädten. Er musste seinen Wohnsitz oft wechseln, da die Staatsbehörden gewerkschaftlich aktive SPD-Mitglieder im Rahmen der Sozialistengesetze noch bis 1890 überwachten.
1891 kam Ebert nach Bremen, wo er 14 Jahre lang lebte. Zunächst versuchte er als selbstständiger Handwerker und Gelegenheitsarbeiter zu existieren. 1893 wurde er Lokalredakteur der „Bremer Bürgerzeitung“, der Zeitung der Bremer SPD. Diese wählte ihn 1894 zu ihrem regionalen Vorsitzenden. In der Bremer Bürgerschaft sammelte er erste parlamentarische Erfahrung. Im selben Jahr heiratete er die Arbeiterin Louise Rump, die ihn fortan bis zu seinem Tod begleitete und unterstützte. Er übernahm eine Gastwirtschaft, machte sie zum Treffpunkt für Bremer Gewerkschaftsarbeit und intensivierte sein diesbezügliches Engagement, bis er 1900 eine bezahlte Stelle als Arbeitersekretär erhielt. 1902 legte er zusammen mit Hermann Müller eine soziale Statistik vor, die Aufschluss über die Arbeits- und Lebensbedingungen der Bremer Arbeiter gab.
1904 tagte der Reichsparteitag der SPD in Bremen: Als dessen Präsident wurde Ebert öffentlich bekannt. 1905 bekam er eine Stelle als Sekretär des SPD-Reichsvorstands und zog deshalb nach Berlin um. Er besuchte die Parteischule und war dort Schüler der Dozentin für Marxismus und Ökonomie, Rosa Luxemburg.
In diesen Jahren wuchs die SPD ständig und versuchte, sich vom Image der "Vaterlandsverräter" zu lösen. Sie vertrat nach außen weiter marxistische Positionen, ließ sich aber immer stärker in die Reichstagspolitik einbinden, die kaum oppositionelle Spielräume gegenüber der Regierung ließ. Als das Kaiserreich als neue Kolonialmacht längst offene imperialistische Ansprüche erhob, war die SPD über die richtige Antwort darauf zerstritten. 1907 verlor sie auch infolge ihrer offenen Kritik am Völkermord an den Hereros in Südwestafrika die Hälfte ihrer Reichstagsmandate. Danach gewannen diejenigen SPD-Abgeordneten im Reichstag ein Übergewicht, die zugunsten kleiner Vorteile Kompromisse mit der kaiserlichen Regierung zu machen bereit waren.
1912 wurde Ebert für den Wahlkreis Elberfeld-Barmen in den Reichstag gewählt. Bei diesen Wahlen wurde die SPD mit 27,7% der Stimmen erstmals stärkste Fraktion der im Reichstag vertretenen Parteien und erhielt 110 von 397 Sitzen. 1913 starb der bisherige Parteiführer August Bebel. Noch vor seinem Tod billigte die SPD-Fraktion erstmals eine Finanzierung der Aufrüstung des Kaiserreichs aus direkten Steuern, um der SPD im Bürgertum Anerkennung als staatstragende Partei zu verschaffen.
Am 20. September 1913 wählte der Parteitag in Jena Ebert mit 91,5 % zum neuen Parteivorsitzenden, zusammen mit Hugo Haase. Die Aufteilung des Amtes war bereits Ausdruck der verschärften Flügelkämpfe innerhalb der SPD. Ebert vertrat die Mehrheit der SPD-Reichtagsfraktion, die sich entgegen dem Erfurter Programm von 1891 immer stärker revisionistischen Positionen angenähert hatte.
1914 wurde er im Urlaub von der "Juli-Krise" überrascht, die auf das Attentat von Sarajevo folgte. Er reiste nach Zürich, um im Fall eines SPD-Verbots eine Auslandsleitung aufzubauen. Während die SPD in allen deutschen Großstädten riesige Antikriegsdemonstrationen veranstaltete, verhandelten Eberts Stellvertreter bereits mit der Reichsregierung über ein "diszipliniertes" gemeinsames Vorgehen im Kriegsfall, um dem befürchteten erneuten Parteiverbot zu entgehen. Bei der entscheidenden Abstimmung am 4. 8. 1914 über die Kriegskredite war Ebert nicht in Berlin; doch er befürwortete sie, während Haase sie ablehnte. So musste dieser die Fraktionsmehrheit entgegen seiner eigenen Haltung vertreten und tat dies mit den Worten: "Wir lassen das Vaterland in der Stunde der Gefahr nicht im Stich".
Damit drückte er nun bereits die Mehrheitsmeinung der Parteibasis aus, die in Deutschland wie fast überall in Europa innerhalb von wenigen Tagen von massenhafter Ablehnung zu begeisterter Zustimmung umgekippt war. Fast alle Arbeiterparteien Europas glaubten der nationalen Propaganda, hielten das Verhalten der eigenen Regierungen für "Verteidigung", das der anderen für "Angriff" und stellten die innenpolitischen Gegensätze zugunsten der "nationalen Einheit" zurück. Daran zerbrach die 2. Internationale, die keine praktisch wirksame Antwort auf die drohende Kriegsgefahr gefunden hatte.
Ebert kehrte am 7. 8. nach Berlin zurück und übernahm mit Haase die Fraktionsführung. In dieser Funktion vertrat er im ganzen 1. Weltkrieg die so genannte Burgfriedenspolitik, die die Kriegspolitik des Kaiserreiches billigte und stützte. Damit wurde er zum erklärten Gegner der Parteimitglieder, die diese Politik entschieden ablehnten und darin einen Verrat am SPD-Programm und an den eigenen Wählern sahen. Sie waren ihrerseits gespalten in Revisionisten wie Eduard Bernstein, marxistische Theoretiker wie Karl Kautsky und Revolutionäre wie Karl Liebknecht, die nur die Ablehnung des Kriegskurses einte. Sie vertraten dies anfangs nur in der SPD und unterwarfen sich bis 1916 der Fraktionsdisziplin. Als erster und zunächst einziger Reichstagsabgeordneter stimmte Liebknecht jedoch schon im Dezember 1914 offen gegen die Fortsetzung der Kriegskredite. Zusammen mit Rosa Luxemburg, Clara Zetkin und Franz Mehring hatte er sofort nach dem 4. August 1914 die revolutionäre "Gruppe Internationale" gegründet. Sie bestand anfangs nur aus einer Handvoll Sozialisten, die an den international orientierten Vorkriegsbeschlüssen der SPD festhielten. Erst im Verlauf der Novemberrevolution wurde daraus der Spartakusbund als Vorläufer der KPD.
Das Ausbleiben eines schnellen Sieges, hohe Kriegsopferzahlen, Hungerwinter und der sichtbare Angriffscharakter der deutschen Kriegsführung verschärften die innerparteilichen Spannungen zunehmend. Im Dezember 1915 stimmten 20 SPD-Abgeordnete gegen neue Kriegskredite. Damit war die Parteispaltung eingeleitet. Am 11. Januar 1916 trat Haase als Partei- und Fraktionsvorsitzender zurück, so dass Ebert auch den Fraktionsvorsitz der SPD übernahm. Philipp Scheidemann wurde zu seinem Stellvertreter gewählt. Unter ihrer Führung vertrat die Mehrheits-SPD nun eine eindeutig revisionistische, jedes revolutionäre Ziel ablehnende Politik in enger Anlehnung an die konservativen Gewerkschaftsführer. Sie betrieben nun den Ausschluss der Kriegsgegner aus der SPD. Am 16. März 1916 wurden diese aus der gemeinsamen Fraktion, im Januar 1917 auch aus der Partei ausgeschlossen. Nach einem weiteren verlustreichen Hungerwinter und ersten spontanen Massenstreiks gründeten sie im April 1917 die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD).
Ebert verlor in diesem Jahr zwei seiner Söhne, die als Soldaten umkamen. Er bemühte sich fortan um verstärkte Zusammenarbeit mit bürgerlichen Parteien, um einen Verständigungsfrieden mit den alliierten Kriegsgegnern anzubahnen. So kam es im Juli 1917 zu einer gemeinsamen Resolution im Reichstag, die einen "Frieden ohne Annexionen" forderte. Dabei wurde die USPD-Fraktion nun ihrerseits von der SPD als "Vaterlandsverräter" gebrandmarkt und geschwächt. Dies hing damit zusammen, dass die Menschewiki in Russland nach dem Sturz des Zaren den Krieg gegen Deutschland fortsetzten. Erst die Oktoberrevolution der Bolschewiki unter Lenin gab der USPD entscheidenden Auftrieb, so dass sie zu einer fast gleichstarken Konkurrenz zur SPD heranwuchs.
Nach völlig überzogenen deutschen Forderungen scheiterten separate Friedensverhandlungen mit dem Außenminister der neuen Sowjetregierung, Leo Trotzki. Daraufhin kam es im Januar 1918 zu einer nun wochenlang anhaltenden und stark verbreiterten Streikwelle im ganzen Reich. Diese wurde vor allem von den "Revolutionären Obleuten" besonders der Rüstungsindustrie in den Großstädten getragen. Diese standen sehr kritisch gegen ihre eigenen Gewerkschaftsführer, aber auch gegen die Abgeordneten von SPD und USPD, denen sie vorwarfen, gegen die Arbeiterinteressen an ihren Mandaten zu kleben. Dennoch war das Vertrauen der Belegschaften in Ebert noch so groß, dass er in die Streikleitung gewählt und als Schlichter akzeptiert wurde. In dieser Funktion erreichte er ein vorzeitiges Streikende. Er wurde fortan von rechts wie links als "Verräter" angesehen, der die Streikenden bzw. die Regierung "betrogen" habe. - 1925 verteidigte Ebert sich im "Dolchstoßprozess" damit, er habe sich nur in die Streikkommission wählen lassen, um den Streik so schnell wie möglich zu beenden. - Viele unabhängige Arbeitervertreter glaubten nun, ihre Ziele nur gegen die Gewerkschaften und außerhalb von ihnen erreichen zu können. Sie nannten ihre ad hoc gewählten Streikführer "Räte" analog zum russischen Vorbild. Das wiederum verstärkte im Bürgertum die Furcht vor einer "bolschewistischen" Revolution auch in Deutschland.
Nach dem Diktatfrieden von Brest-Litowsk am 3. März 1918 startete die Oberste Heeresleitung ihre Frühjahrsoffensive, die wiederum Millionen Leben forderte und die militärische Niederlage endgültig machte. Sie rückte auch im Osten vor und leitete damit den russischen Bürgerkrieg und Lenins Einparteien-Regierung ein. Denn nun lehnte ein Teil der Revolutionäre, auf die Lenin sich gestützt hatte, Russlands Kapitulation ab und stieg aus der Koalition mit den Bolschewiki aus, um weiter gegen das Deutsche Reich zu kämpfen.
Erst mit der Einsicht in die unausweichliche Niederlage nach dem 8. August 1918 übernahm Erich Ludendorff, oberster deutscher Heeresgeneral, plötzlich die SPD-Forderungen nach Demokratisierung Deutschlands und forderte eine entsprechende Verfassungsänderung. Er wollte, dass die SPD die Niederlage zu verantworten und die Kriegsfolgen zu tragen habe. Ebert und Scheidemann traten wunschgemäß am 24. September 1918 in das neugebildete Kabinett des Kronprinzen und neuen Reichskanzlers Max von Baden ein. Ebert sah dies ausdrücklich als vorauseilende Abwehrmaßnahme gegen die befürchtete Revolution.
Nach der Matrosenmeuterei in Kiel kam es zu Entwaffnungen, Rathausbesetzungen, Massendemonstrationen und Verbrüderungen von Arbeitern und desertierten Soldaten im ganzen Reich. Die Novemberrevolution griff in wenigen Tagen auf alle deutschen Städte über. Ebert versuchte erfolglos, dies durch Entsendung Gustav Noskes nach Kiel aufzuhalten. Am 9. November 1918 begannen spontane Ausstände in Berlin: Nun drängte Ebert Max von Baden, ihn zum neuen Reichskanzler zu ernennen. Der Kronprinz tat es und verkündete zugleich die Abdankung von Kaiser Wilhelm II. ohne dessen Zustimmung. Scheidemann rief Ebert daraufhin - ebenfalls gegen dessen Willen - öffentlich als Reichskanzler aus. Der Kaiser floh in die Niederlande. Die Berliner Obleute besetzten den Reichstag.
Ebert fühlte sich jedoch nach wie vor der Monarchie verpflichtet. Er stellte sich nun an die Spitze der Revolution, um sie aufzuhalten und letztlich ungeschehen zu machen. Dazu ließ er sich am 10. November im Zirkus Busch von den versammelten Arbeiter- und Soldatenräten in die neue Reichsregierung, den Rat der Volksbeauftragten wählen. Den Vorsitz teilte er sich zunächst mit Hugo Haase von der USPD. Schon am selben Abend verhandelte er mit Wilhelm Groener, dem neuen General des kaiserlichen Heeres, über gegenseitige Unterstützung gegen die Revolutionäre.
Dieser Geheimpakt war der Grund, dass Ebert beim Reichsrätekongress vom 16. bis 20. Dezember jede wirksame Demokratisierung und Entmachtung der Militärs verhinderte. Danach unterstützte er einen Putschversuch von kaisertreuen Reichswehreinheiten gegen die zum Schutz der Revolution nach Berlin beorderte Volksmarinedivision, die sich ihrer Auflösung zunächst erfolgreich widersetzte. Bei den Schießereien kam es zu 30-50 Toten. Da Ebert sich seiner Macht nicht sicher genug war, setzte er nun Gustav Noske zum Reichswehrminister ein und ließ ihn Freikorps aus unzufriedenen, antirevolutionär gesinnten Frontsoldaten aufstellen. In den folgenden Wochen wurden zahlreiche alte und neue Truppenverbände um Berlin zusammengezogen.
Daraufhin trat die USPD unter Protest gegen diese Maßnahmen am 29. Dezember 1918 aus der gemeinsamen Übergangsregierung aus und rief zu neuen Massenaktionen auf. Der Spartakusbund gründete seinerseits eine neue Arbeiterpartei, die KPD. Als Preußens SPD-Verwaltung den Berliner Polizeipräsidenten Emil Eichhorn von der USPD absetzte, kam es zu spontaner Empörung unter der Berliner Bevölkerung. Neue Massenstreiks verlangten Eichhorns Wiedereinsetzung und die Fortsetzung der Revolution. Teile der Protestierenden bewaffneten sich in Erwartung eines Kampfes mit den Freikorps. Weder USPD noch KPD hatten dies organisiert und gebilligt. Doch nun unterstützten sie die Forderungen der Menge, um Einfluss auf sie zu behalten.
So kam es zum sogenannten "Spartakusaufstand": So nennt die bürgerliche Geschichtsschreibung die Ereignisse vom 5. bis 12. Januar bis heute, obwohl gerade die Führer des Spartakusbundes, allen voran Rosa Luxemburg, den KPD-Anhängern zur Teilnahme an den nun einmal beschlossenen Wahlen geraten und entschieden vor verfrühten Aufständen und dem Einsatz von Waffen gewarnt hatten. Ebert nahm die Besetzung des Berliner Zeitungsviertels zum Anlass, die Freikorps zur gewaltsamen Niederschlagung des Aufstands zu senden. Dabei nahm er die Ermordung vieler Zivilisten und der profiliertesten Spartakusführer am 15. Januar 1919 billigend in Kauf. Eventuell gab er diese Morde sogar in Auftrag (siehe Rosa Luxemburg).
Eberts politische Prägung war im Kaiserreich gewachsen: Er war eigentlich ein Monarchist, der im Bann "legaler", von den Staatsbehörden abgesegneter Machtübergabe stand. Das einzig denkbare Mittel dazu war für ihn die allmähliche Erweiterung parlamentarischer Rechte seiner Partei. Die Revolution erwischte ihn ebenso unvorbereitet wie die alten Eliten des Kaiserreichs. In dieser Situation tat Ebert alles, um seine Vorstellungen über die künftige Staatsform durchzusetzen. Er wollte schnelle Wahlen, von denen er sich eine SPD-Mehrheit und somit seine Reichkanzlerschaft versprach. Ansonsten wollte er den gesamten Staatsaufbau des Kaiserreichs beibehalten. Dabei konnte er auf eine Mehrheit der kriegsmüden SPD-Anhänger bauen, die die Räte nur als Übergang bis zu den Wahlen betrachteten.
Die USPD hingegen erkannte zu spät, dass Ebert gegen die revolutionären Erfolge arbeitete. Sie war bemüht, nicht mit den "Bolschewisten" in einen Topf geworfen zu werden, und unterstützte spartakistische Versuche, Massenstreiks zu organisieren, nur halbherzig. Die unabhängigen Arbeiter- und Soldatenräte wiederum waren zu uneins und desorganisiert, um maßgeblichen Einfluss auf den Gang der Dinge zu nehmen. So setzte sich Eberts Kurs insgesamt durch: Die Wahlen fanden am 19. Januar 1919 statt. Die SPD verfehlte trotz oder wegen des Wahlboykotts der KPD die absolute Mehrheit und war fortan auf Koalitionen mit bürgerlichen Parteien angewiesen. Die USPD erhielt nur 7, 6% und verlor rasch an Bedeutung. Die ab dem 6. Februar tagende Nationalversammlung wählte Ebert am 11. Februar 1919 zum Reichspräsidenten. In dieser Eigenschaft verkörperte er nun die staatstragende Rolle der SPD, die mit wechselnden Koalitionen versuchte, ihre Regierungsmacht zu erhalten und dabei immer mehr faule Kompromisse mit bürgerlichen und rechten Parteien einging.
Am 27. Oktober 1922 verlängerte der Reichstag Eberts Amtszeit mit verfassungsändernder Mehrheit bis 1925, ohne die eigentlich von der Verfassung vorgesehene Wahl durch das Volk.
1923 versuchte Adolf Hitler bereits in München die Macht an sich zu reißen. Die preußisch-bayerische Justiz reagierte mit Milde; ein Verbot der verfassungsfeindlichen NSDAP und ihrer Hilfsorganisationen, vor allem der SA blieb aus. Danach griff die von Erich Ludendorff und von Paul von Hindenburg in Umlauf gesetzte Dolchstoßlegende immer weiter um sich. Eine hemmungslose Hetze rechtsextremer Journalisten erzwang den legendären "Dolchstoßprozess". Dort sagte Exgeneral Wilhelm Groener freimütig aus, er habe mit Ebert die Kanalisierung der Novemberrevolution verabredet. Ebert selbst verteidigte sich eben damit. Die kaiserlich geprägte Justiz verurteilte die persönliche Herabwürdigung des Staatsoberhauptes mit Nachsicht.
Bald darauf, am 28. Februar 1925 starb Friedrich Ebert im Alter von nur 54 Jahren an einer verschleppten Blinddarmentzündung. Er wurde in seiner Geburtsstadt Heidelberg beerdigt. Für seinen Tod machte man in der Presse die vorherigen Anfeindungen und Demütigungen verantwortlich.
Eberts Rolle in der deutschen Revolution 1918/19 und die Folgen
Nach Eberts eigenen Bekunden hasste er die soziale Revolution "wie die Sünde". Er misstraute im November 1918 nur seinen eigenen sozialdemokratischen Anhängern - nicht jedoch dem kaiserlichen Offizierskorps bis hin zu den Generälen der Obersten Heeresleitung, die die Millionen Toten des 1. Weltkrieges, die Menschen wie Material verheizenden Schlachten für "Volk", "Kaiser" und "Vaterland" maßgeblich zu verantworten hatten.
Zur Niederschlagung der Revolution versuchte Ebert die aus dem Krieg zurückkehrende Reichswehr zu benutzen. Er plante zusammen mit General Groener die Entmachtung der arbeiterfreundlichen Truppen und des Reichsrätekongresses, die ihm aber zunächst nicht gelang. Erst im Januar 1919 konnte er Gustav Noske, der sich selbst als Bluthund bezeichnete, damit beauftragen, kampfbereite Freiwilligenverbände, die sogenannten Freikorps, zusammenzustellen. Diese schlugen auf Eberts Befehl dann die Revolution blutig nieder: zunächst in Berlin und schließlich im gesamten deutschen Reich. 1923 - im Jahr der Hyperinflation - verfügte Ebert nochmals die Reichsexekution gegen die Volksfrontregierungen (gebildet aus SPD und KPD) in Sachsen und Thüringen. Dabei wurden insgesamt Tausende ehemaliger Sozialdemokraten sowie Kommunisten meist ohne jede militärischen Grund erschossen.
Dies rechtfertigte Ebert genauso wie die bürgerliche Presse und Geschichtsschreibung mit der angeblichen Gefahr einer "bolschewistischen" Rätediktatur nach russischem Vorbild. Allerdings gab es in Deutschland damals keine ernstzunehmende Organisation, die ein solches Ziel verfolgte, geschweige denn eine Truppe, die den leninischen Bolschewiki und ihrer "Roten Armee" vergleichbar gewesen wäre. Auf der anderen Seite bildete jedoch Eberts "Verrat" an den eigenen Leuten und die ohne ihn undenkbare schnelle Rehabilitation der kaiserlichen Militärs die Grundlagen für die Fragilität der Weimarer Republik und letztlich für ihren Untergang. Denn unleugbar ist, dass die Freikorps und andere Reichswehrtruppen die größte Gefahr für die erste deutsche Demokratie bildeten. Aus ihnen rekrutierten sich später die Mitglieder der SA und SS, die Adolf Hitler zur Macht verhalfen.
Zusammenfassende Beurteilung
Ebert war seit seinem Amtsantritt als SPD-Vorsitzender stark umstritten: Auf der einen Seite standen Bewunderung und Verehrung für den Vertreter der "kleinen Leute", der sich aus einfachen Verhältnissen zum Führer der größten und fortschrittlichsten Partei emporgearbeitet hatte. Seinen Ruf als einheitsstiftender "roter Kaiser" bewahrte Ebert noch bis weit in die Novemberrevolution hinein. Auf der anderen Seite stand heftigste Ablehnung auf der Linken ("Verräter der Arbeiterklasse", "reaktionärer Militarist", "Agent der Bourgeoisie") wie auf der Rechten ("Novemberverbrecher", "Landesverräter"). Besonders umstritten war auf der Linken sein Entschluss, Freikorps einzusetzen, um die Revolten der frühen Weimarer Republik niederzuschlagen. Auf der Rechten galt Ebert wiederum als der "Verzichtspolitiker", der die Kapitulation des Deutschen Reiches und die Unterzeichnung des Versailler Vertrages maßgeblich zu verantworten hatte.
Ebert war trotz tiefer sozialdemokratischer Verwurzelung nie Befürworter von Klassenkampf oder Revolution, sondern verkörperte den Typus des "Realpolitikers", der die gegebenen legalen Spielräume nutzte, um kleine schrittweise Verbesserungen für die Masse der lohnabhängigen Bevölkerung zu erreichen. Damit gab er aus der Sicht seiner linken Gegner die ursprünglichen Parteiziele auf, verzerrte sie bis zur Unkenntlichkeit und verkehrte sie in wesentlichen Teilen in ihr Gegenteil, um seine Partei und sich an die Regierung zu bringen. Der Pakt, den er dafür mit den alten kaisertreuen und republikfeindlichen Militärs einging, trug schließlich mit dazu bei, dass die SPD ihre führende Position in der Weimarer Republik sehr bald wieder verlor. Kritiker wie der Autor und Zeitzeuge Sebastian Haffner sehen darin sogar eine entscheidene Voraussetzung für den Aufstieg Adolf Hitlers: Demnach wäre das 3. Reich ohne Eberts reaktionäre Politik undenkbar gewesen.
Gleichwohl sieht die heutige SPD in Ebert eines ihrer größten Vorbilder. Die 1925 gegründete sozialdemokratische Friedrich-Ebert-Stiftung ist nach ihm benannt. Sie stellt die Parteigeschichte meist so dar, dass sie Eberts fragwürdige Rolle in der Novemberrevolution herunterspielt und den angeblich zwangsläufigen Umständen zuschreibt. Damit werden Verklärung und Legendenbildung fortgesetzt und eine realistische Einschätzung der Person und ihrer Lebensleistung erschwert.
Die 12 Jahre des "Dritten Reiches" von 1933-1945 mögen weitgehend im deutschen Geschichtsbewusstsein angekommen sein. Doch ihre nähere und weitere Vorgeschichte, die das Aufkommen des Nationalsozialismus überhaupt erst ermöglichte und begünstigte, wird offenbar bis heute nicht angemessen berücksichtigt. Eine weithin verdrängte Sicht kritischer Geschichtswissenschaftler rückt die ungebrochene Kontinuität des deutschen Militarismus, des autoritären Obrigkeitsstaates und des Einflusses von Industrieverbänden auf die politische Führungsschicht vor und nach beiden Weltkriegen ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Auch moderat-kritische Historiker wie Heinrich August Winkler stellen heute fest: Die Entmachtung des kaiserlichen Verwaltungsapparates, der Militärs und der Industriekonzerne unterblieb. Einen großen Anteil daran hatten die Entscheidungen der SPD-Parteiführer Ebert, Scheidemann und Noske in den Wirren der letzten Kriegsmonate und in der Novemberrevolution. Sie stellten die Weichen für die Beibehaltung eines Großteils alter Strukturen, obwohl eine durchgreifende Gesellschaftsreform seit dem November 1918 in Deutschland eine breite demokratische Legitimationsbasis gehabt hätte. Damit wurden die Bedingungen für den Übergang der ersten deutschen Republik in die faschistische Diktatur geschaffen.
Dies hat die SPD unter Ebert nicht gewollt: Sie wurde selbst nach 1933 eins der ersten prominenten Opfer der Hitlerdiktatur. Doch die Chance einer konsequenten Trennung von den Kräften, die den 1. Weltkrieg zu verantworten hatten, wurde vertan. Die dafür bestimmenden politischen Fehleinschätzungen und Fehlorientierungen sind bis heute nicht zureichend aufgearbeitet.
Darum muss sich eine "Realpolitik" im Gefolge Friedrich Eberts die Frage gefallen lassen, ob sie den gegenwärtigen Herausforderungen gewachsen ist oder ob sie, so die Befürchtung dieser Kritiker, eines Tages ähnlich verheerende Folgen wie 1933 hervorbringen könnte.
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