Emmaus (Organisation)
Emmaus ist eine Bewegung, die 1949 von Abbé Pierre (bürgerlich: Henri Grouès) in Frankreich ins Leben gerufen wurde. Sie ist weltweit seit 1969 in der Dachorganisation Emmaus International organisiert. Dieser NGO gehören heute 310 Gruppen und Gemeinschaften in 36 Ländern auf vier Kontinenten an. Allein in Frankreich verwaltet die Bewegung neuntausend Sozialwohnungen.[1]
Ziel der Emmaus-Bewegung ist Armutsbekämpfung, sie setzt auf Hilfe zur Selbsthilfe. Im Mittelpunkt stehen Menschen, die ohne Wohnung, ohne Arbeit und ohne Hoffnung sind. Die einzelnen Gruppen sind autonom und arbeiten dezentralisiert.
Von Emmaus International anerkannte Gruppen müssen finanziell autonom agieren und erhalten sich durch Spenden und den Verkauf von Produkten sowie Dienstleistungen, die von den Gästen[2] in internen "Betrieben" hergestellt bzw. unter Anleitung von Mitarbeitern durchgeführt werden. Die Unabhängigkeit von staatlichen Subventionen ist dabei oberste Direktive, da durch den Verzicht auf derartige Fördergelder keinerlei Kontrolle durch die öffentliche Hand auf die Arbeitsweise innerhalb der Vereine ausgeübt werden kann.
Durch die Arbeit in den Betrieben innerhalb der Organisationen werden den Gästen verschiedene – zumeist handwerkliche – Fähigkeiten vermittelt, um die spätere Integration in den Arbeitsmarkt und somit in ein selbstständiges Leben zu erleichtern. Positiver Nebeneffekt dieser – je nach Einrichtung verpflichtenden – Tätigkeiten ist ein geregelter Tagesablauf und das Vorhandensein einer Aufgabe, wodurch die sozialen Kompetenzen der Gäste gefördert und dem Gefühl der "Sinnlosigkeit" vorgebeugt wird.
Grundsätzliches Ziel aller Emmausgemeinschaften ist die erfolgreiche Integration der betreuten Personen in ein selbstständiges und finanziell gesichertes Leben durch die Vermittlung von Arbeitsstellen und Wohnungen.
Vorgehensweise
Schwellen
Je nach Gemeinschaft bzw. Gruppe werden verschiedene "Schwellen" angeboten, um neuen Gästen ein langsames Einleben in die Struktur von Emmaus und schließlich in die Gesellschaft zu ermöglichen.
Damit die zu betreuenden Personen nicht plötzlich mit Regeln, Verpflichtungen und Aufgaben überfordert werden, die sie teilweise zu Beginn aus langjährig anders eingeprägten Verhaltensmustern heraus nicht bewältigen könnten, unterteilt sich der Integrationsprozess abhängig von der Einrichtung in zumeist 3 Stufen ("Schwelligkeiten"):
Niederschwelligkeit
- Niederschwellige Einrichtungen verlangen von den Gästen beinahe keine Integration und bieten die Notversorgung durch zeitlich begrenzte, jedoch nicht zugesicherte Schlaf- und Aufenthaltsmöglichkeiten sowie eine Versorgung mit Nahrungsmitteln und Kleidung. Einzige Auflage zur Nutzung dieser Angebote ist meist nur das Einhalten eines Drogen- und Alkoholverbotes innerhalb der Einrichtung sowie das Betrachten der Einrichtung als gewaltfreie Zone.
Mittelschwelligkeit
- Mittelschwellige Einrichtungen beinhalten einen zugesicherten Schlafplatz, die Versorgung durch Nahrungsmittel und Kleidung, sowie die Betreuung durch Sozialarbeiter. Auflage zur Nutzung mittelschwelliger Angebote ist die Einhaltung von Terminen sowie das Erfüllen von Tätigkeiten innerhalb der Einrichtung, wie bspw. Koch-, Putz und Instandhaltungsdienste. Anders als in der Niederschwelligkeit ist hier auch der Konsum von Alkohol und Drogen außerhalb der Einrichtung verboten und wird nach mehrmaliger Missachtung durch die Rückstufung in das niederschwellige Angebot geahndet.
Höherschwelligkeit
- Höherschwellige Einrichtungen bieten neben der Grundversorgung und zugesicherten Schlaf- und Aufenthaltsplätzen außerdem noch einen Arbeitsplatz in einem (wenn vorhanden einrichtungsinternen) Produktions- oder Dienstleistungsbetrieb. Ein Teil des dem Gast zustehenden Lohns wird als Rücklage von der Einrichtung verwahrt und bei Verlassen der Einrichtung ausbezahlt, den Rest erhält der Gast als frei verwendbares Taschengeld. Höherschwellige Einrichtungen befassen sich besonders mit der Vermittlung der Gäste in die freie Wirtschaft durch von den Sozialarbeitern begleitete Praktika in der Privatwirtschaft. Je nach finanzieller und persönlicher Situation des Gastes wohnt dieser während der höherschwelligen Betreuung bereits in einer eigenen oder durch den Verein gestützten Unterkunft. Zusätzlich zu den Auflagen durch mittelschwellige Angebote ist das Einhalten von Arbeitszeiten und die selbstständige Regelung der finanziellen Situation (durch Schuldnerberatung udgl.) sowie die regelmäßige Durchführung von Bewerbungen aus eigener Initiative erforderlich. Der Konsum von Drogen und/oder Alkohol sowie schwere Gewaltbereitschaft kann eine Rückstufung bis zurück in die Niederschwelligkeit bedeuten.
Internationale Repräsentation
Österreich
Die Emmaus-Bewegung wird in Österreich durch Vereine in Lilienfeld, Innsbruck und Salzburg vertreten. Des Weiteren befindet sich in Niederösterreich mit der "Emmausgemeinschaft St. Pölten" ein assoziierter, jedoch nicht durch Emmaüs International anerkannter Verein zur Integration von sozial benachteiligten Personen – der Grund für die Ablehnung durch das französische Vorbild begründet sich durch die nicht autonome Organisation und den Bezug staatlicher Subventionen.
Deutschland
In Deutschland gibt es Emmaus-Gemeinschaften in Köln, Krefeld, Sonsbeck und Stuttgart.
Schweiz
Emmaus ist in der Schweiz im Tessin und in der Westschweiz vertreten. Es gibt Gemeinschaften in Genf, Fribourg (FR), Etagnières (VD), La Chaux-de-Fonds (NE), Sion (VS) und Rivera (TI). Sie sind zusammengeschlossen im Schweizer Emmausverband ARCE.
Quellen / Bemerkungen
- ↑ Radio Vatikan: Penner und Huren erzählten ihm von Gott 24. Januar 2007
- ↑ Innerhalb der Emmaus-Projekte werden die Hilfesuchenden als "Gäste" bezeichnet, da dies laut Abbé Pierre eine der wohl am wenigsten erniedrigenden Bezeichnungen für aus welchen Gründen auch immer bei Emmaus gestrandete Personen ist.