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Nibelungenlied

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Das Nibelungenlied ist ein mittelalterliches Heldenepos. Es entstand im 13. Jahrhundert und wurde in der damaligen Volkssprache Mittelhochdeutsch aufgeschrieben. Der Titel, unter dem es seit seiner Wiederentdeckung Mitte des 18. Jahrhunderts bekannt ist, leitet sich von der Schluss­zeile in einer der beiden Haupttextfassungen ab ' hie hât daz mære ein ende: daz ist der Nibelunge liet ("hier ist die Geschichte zu Ende: das ist das 'Lied von den Nibe­lungen'").

Das Nibelungenlied ist die hochmittelalterliche deutsche Ausformung der Nibelungensage, deren Ursprünge bis in das heroische Zeitalter der germanischen Völkerwanderungen zurückreichen. Ein historischer Kern der Sage ist die Zerschlagung des Burgunderreiches im Raum von Worms in der Spätantike (um 436) durch den römischen Magister militum Aetius mit Hilfe hunnischer Hilfstruppen.

Dieser Artikel handelt nur vom mittelhochdeutschen Nibelungenlied. Mit der Vorgeschichte des Stoffes und den verwandten nordeuropäischen Erzählfassungen befaßt sich der Artikel Nibelungensage.

Verfasser und Entstehung

Der Verfasser des Nibelungenliedes wird im Text nicht genannt. Dies entspricht der Gattungskonvention der Heldenepik, die nicht die literarische Eigenleistung eines Dichters akzentuiert, sondern die Verwurzelung des Erzählstoffes in der münd­lichen Überlieferung (altiu maere, "Sagen") hervorhebt. Genaugenommen ist bis heute nicht geklärt, ob es eine einzige 'Originalfassung' (und damit einen einzigen 'Autor') jemals gegeben hat, oder ob es sich eher um einen Redaktor oder gar nur um einen oder mehrere begnadete Rezitatoren von älteren, mündlich überlieferten Stoffen handelt.

Die Entstehung des Texts lässt sich durch in ihm vor­aus­gesetzte politische Strukturen und durch Bezüge zur zeitgenössischen Dichtung auf die Jahre 1180 bis 1210 (und damit auf die 'Blütezeit' der mittel­hoch­deut­schen Literatur) eingrenzen.

Genauere Ortskenntnis des Verfassers, ein Übergewicht der frühen Überlieferung im südostdeutsch-österreichischen Raum und die augenfällige Hervorhebung des Bischofs von Passau als handelnder Figur machen das Gebiet zwischen Passau und Wien als Entstehungsort wahrscheinlich, insbesondere den Hof des als Mäzen bekannten Bischofs von Passau, Wolfger von Erla (1191-1204). (Wolfger ist für die literaturwissenschaftliche Forschung von großer Bedeutung, weil sich in seinen Akten mit dem Datum 12. November 1203 eine Anweisung befindet, dem Spruchdichter Walther von der Vogelweide Geld für einen Pelzmantel auszuzahlen. Diese Notiz stellt den einzigen sicheren, greifbaren Nachweis für die Existenz dieses Dichters dar und ist damit ein wichtiges Indiz zur zeitlichen Einordnung der mittelhochdeutschen Dichtung, die ja größtenteils ohne Jahres- und Verfasserangaben überliefert ist.) Meist geht man heute davon aus, dass der Dichter des Nibelungenliedes ein sowohl geistlich wie literarisch gebildeter Mann im Umkreis des Passauer Bischofshofs und dass sein Publikum ebenfalls dort unter den Klerikern und adligen Laien zu suchen war.

In einer Art Anhang zum Nibelungenlied, der Nibelungenklage, wird auch von der Entstehung der Dichtung erzählt. Ein "Meister Konrad" wird genannt, den ein Bischof "Pilgrim" von Passau mit der Niederschrift beauftragt habe. Man nimmt an, dass dies einen ehrenden Verweis auf den heiligen Bischof Pilgrim von Passau (971-991) darstellt, der ja ein Amtsvorgänger des mutmaßlichen Förderers, Wolfger, war.

Zu der von Fachgermanisten abgelehnten These des Privatgelehrten Heinz Ritter-Schaumburg, dass dem Nibelungenlied eine Frühform der Thidrekssaga als Vorlage gedient habe, vgl. dort.

Form

Das Nibelungenlied ist in sangbaren vierzeiligen Strophen gedichtet (heute als Nibelungenstrophe bezeichnet), deren Melodie sich jedoch nicht sicher rekonstruieren lässt. Diese metrische Form ist ein Charakteristikum der Heldenepik (vgl. das Kudrun-Epos eines unbekannten Dichters und die Dietrichepik). Gesungene Strophenepik unterscheidet sich aufs deutlichste von der zeitgleichen 'höfischen' Erzählliteratur, die fast ohne Ausnahme in (gesprochenen) Reimpaarversen gehalten ist (v. a. Antiken- und Artusroman).

Die ca. 2400 Strophen des Nibelungenlieds sind in 39 âventiuren untergliedert, kapitelartige Erzähleinheiten von variabler Länge, die in den meisten Handschriften Überschriften tragen.

Ort und Zeit der Handlung

Ein Kernproblem des Nibelungenliedes ist seine Fixierung eines Stoffes, der wohl über lange Zeit in einer sog. Dichtersprache und nur mündlich tradiert worden war. In dieser Hinsicht war das Nibelungenlied "archaischer" als die hochhöfische Artusepik (Hartmann von Aue). Die strophische Form des Liedes mit germanischen Langzeilen scheidet es ebenfalls von der "modernen" Ritterliteratur eines Hartmann von Aue, Gottfried von Straßburg und Wolfram von Eschenbach.

Den Widersprüchen trotzend, höfisiert der Dichter die germanischen Heroen und Walküren und stellt sie in ein christlich-hochadeliges Umfeld.

Die bekannte Eingangsstrophe (wohl erst späterer einleitender Zusatz):

Uns ist in alten mæren wunders vil geseit
von helden lobebæren, von grôzer arebeit,
von fröuden, hôchgezîten, von weinen und von klagen,
von küener recken strîten muget ir nu wunder hœren sagen.

Die Handlung

Das Nibelungenlied besteht aus zwei Teilen: im ersten Teil steht Siegfrieds Tod, im zweiten die Rache seiner Gattin Kriemhild im Mittelpunkt. Das Umfeld ist die Zeit der Könige vom Burgunderreich am Rhein, sowie (im zweiten Teil) Südostdeutschland, wie dem Donaugebiet des heutigen Österreichs und Ungarns.

Am Königshof zu Worms (siehe auch Irminsul) lebt Kriemhild zusammen mit ihren drei Brüdern Gunther, Gernot und Giselher. Siegfried, ein Königssohn aus Xanten, erscheint bei Hof und fordert Gunther heraus.

Die literarische Version des 12. Jahrhunderts thematisiert anhand der Personen unterschiedliche Konzepte feudaler Gesellschaft: Siegfried verkörpert den klassischen Adligen, dessen Herrschaft auf Gewalt beruht. König Gunther repräsentiert einen Herrscher, dessen Macht sich auf Ministeriale stützt und der den Kampf um Herrschaft delegiert. Der zentrale Konflikt ist der zwischen Vasallität, die Unterordnung und Gehorsam verlangt, und einer modernisierten Feudalherrschaft, die nicht mehr oder nur zum Teil auf dem Lehnswesen fußt.

Die Stellung Siegfrieds gegenüber den Wormser Königen bleibt jedoch unklar. Eine Fraktion am Wormser Hof, für die Hagen steht, besteht darauf, dass Siegfried deren "Vasall" sei, sich also unterzuordnen habe. Siegfried heiratet Kriemhild und leistet im Gegenzug klassische Lehnsdienste, indem er für König Gunther erfolgreich in den Krieg zieht.

Außerdem muss Siegfried seinen 'vriunde' (Schwager, das mittelhochdeutsche Wort 'vriunt' ist nicht gleichbedeutend mit dem heutigen 'Freund') Gunther bei der Brautfahrt nach Isenland (möglicherweise Island, Dänemark oder eines der skandinavischen Länder) begleiten, um die Königin Brunhild zu erobern. Brunhild verlangt von den Werbern, sie im Kampf besiegen zu können. Das gelingt Gunther nur mit Hilfe Siegfrieds. Siegfried hilft ihm unter einer Tarnkappe versteckt, er gibt sich auch noch, mit dem Wissen der Begleiter (Gunther, Hagen und Dankwart), als ein Lehnsmann Gunthers aus. Um diese Täuschung zu vervollkommnen, leistet Siegfried für Gunther den Stratordienst, er führt Gunthers Pferd vor aller Augen wie ein Knecht am Zügel.

In der Hochzeitsnacht (in Worms) fesselt Brunhild Gunther an einen Haken an der Wand. Erst Siegfried bezwingt Brunhild in der zweiten Nacht - wieder mit Hilfe der Tarnkappe. Dabei entwendet er ihren Ring und ihren Gürtel, die klassischen Zeichen für eine erfolgreiche Defloration, obwohl ausdrücklich betont wird, dass Gunther seine Frau selber entjungfert hat. Dabei bewegt Brunhild immer wieder die Frage nach einer eventuellen Vasallität Siegfrieds. Seine Vermählung mit ihrer Schwägerin Kriemhild erscheint ihr als eine Mesalliance (franz. Missheirat).

Lange Jahre später (wobei zu berücksichtigen ist, dass Zeitangaben in mittelhochdeutschen Epen nur als Anhaltspunkte zu verstehen sind) lädt Gunther auf Bitten seiner Frau Siegfried und Kriemhild nach Worms ein. Dabei geraten die Frauen über die Frage nach dem Rang ihrer Männer in Streit: Brunhild erklärt, dass sie mit eigenen Augen beobachtet habe, dass Siegfried Gunther als Vasall und "Knecht" gedient habe. Kriemhild hingegen kann Ring und Gürtel von Brunhild vorweisen (die ihr Siegfried geschenkt hatte) und nennt sie die Kebse (Mätresse) ihres Mannes. Der Streit (Senna) endet in einem harten Wortwechsel.

Hagen von Tronje interpretiert die Situation wie ein treuer Vasall: Siegfried weigert sich, sich dem König Gunther unterzuordnen. Hagen muss Siegfried daher töten, weil der eine ständige Bedrohung für die Herrschaft des Königs ist. Da für die Könige Gunther, Giselher und Gernot ein hierarchisches Verhältnis zwischen ihnen und Siegfried nicht besteht, können sie auf eine direkte Auseinandersetzung mit dem scheinbar rebellischen "Lehnsmann" Siegfried verzichten. Sie erfahren von Hagens Plan nichts. Der heimtückische Mord findet im Odenwald statt. Hagen, der durch Kriemhild von Siegfrieds einziger verwundbarer Stelle erfahren hat, tötet den Held mit dessen eigener Lanze. Anschließend beraubt er Kriemhild noch des Nibelungenschatzes.

Kriemhild versinkt in unstillbarem Leid; sie schwört bitterste Rache, doch erst das Heiratsangebot des Hunnenkönigs Etzel verschafft ihr die notwendige Macht, ihre Vergeltungspläne in die Tat umzusetzen. Kriemhild zieht mit großem Gefolge ins Land der Hunnen und wird dort zu einer mächtigen Monarchin.

Nach langen Jahren lädt sie ihre Brüder und Hagen, dem sie den Mord an Siegfried und den Raub des Nibelungenschatzes niemals verziehen hat, ins Land der Hunnen (Ungarn) zu einem Hoffest ein. Während der Reise an Etzels Hof wird Hagen von Meerjungfrauen gewarnt, allen stehe der Untergang bevor. Die Burgunder weigern sich, am Hof Etzels die Waffen abzulegen: im Feudalismus eine offene Kampfansage und schwere Beleidigung des Gastgebers.

Als Hagen ein Kind, den gemeinsamen Sohn von Kriemhild und Etzel, tötet, kommt es zum Blutbad. Im Laufe der Kämpfe gehen die Helden beider Seiten zugrunde; auch Kriemhild wird erschlagen. Allein Dietrich von Bern, sein Waffenmeister Hildebrand und Etzel überleben das Schlachten. Am Ende steht der Erzähler trauernd vor der Bilanz unsagbaren Elends.

Erster Teil

Siegfried, der Held, beim Schmieden seines Schwertes

Der erste Teil stellt den Helden Siegfried vor, der mit der unsichtbar machenden Tarnkappe, seinem Schwert Balmung, seiner fast gänzlichen Unverwundbarkeit und seinem legendären Nibelungenschatz (=Hildesheimer Silberfund?) des Zwergenkönigs Alberich, dem sogenannten Hort, die Hauptrolle einnimmt. Er ist nur zwischen den Schulterblättern verwundbar, weil beim Bad im Drachenblut auf diese Stelle ein Lindenblatt gefallen ist. Doch als er, um Kriemhild zur Gattin zu gewinnen, deren Bruder und Burgundenkönig Gunther bei dessen Werben um Brunhild wie auch in dessen Hochzeitsnacht mit einem Rollentausch behilflich ist, legt er den Grundstein seines Unterganges.

Der ungeklärte gesellschaftliche Status Siegfrieds, symbolisiert durch Neid und Eifersucht der Frauen, führen zu seiner Ermordung durch Hagen von Tronje. Kernstück ist der Streit zwischen Kriemhild und Brunhild in Worms, als Brunhild offenbart, dass Siegfried als Vasall Gunthers vorgestellt worden ist, Siegfried und sein Königreich demnach Gunther tributpflichtig und untertan seien. Kriemhild kontert, dass nicht Gunther sondern Siegfried Brunhild in der Hochzeitsnacht zur Frau gemacht habe. Die Beweise - Brunhilds Ring und Gürtel - seien in Siegfrieds Besitz.

Das darauf folgende Mordkomplott gegen Siegfried wird von Hagen von Tronje in die Tat umgesetzt: Er lässt Siegfrieds verwundbare Stelle von Kriemhild auf der Kleidung markieren; als List gebraucht er ihr gegenüber den Vorwand, gerade diese Stelle besonders beschützen zu wollen.

Der Schatz der Nibelungen wird im Lauf der Geschichte bei Loche im Rhein versenkt. (Hierzu gibt es mittlerweile zahlreiche Theorien und Interpretationen, die noch mehr Schatzsucher inspiriert und animiert haben.)

Zweiter Teil

Im zweiten Teil sinnt die jetzt mit dem Hunnenkönig Etzel verheiratete Kriemhild auf Rache. Eine Einladung der Burgunder um Hagen zu Etzels Hof bietet ihr die Gelegenheit, eine "Schlacht" auszulösen, in deren Verlauf beide Seiten große Verluste hinnehmen müssen. Sie enthauptet Hagen eigenhändig, um dann selbst von Hildebrands Hand umzukommen.

Interpretation

Die literarische Vorlage lässt keine psychologische Interpretation der Personen zu. Alle Personen werden mit identischen Attributen beschrieben, die einen feudalen Adligen auszeichnen: Ehre, Treue, Gewaltbereitschaft, Reichtum. Alle handeln folgerichtig.

Das Nibelungenlied steht für einen gesellschaftlichen Umbruch: die Macht des klassischen Feudaladels wird im 12. Jahrhundert brüchig. Die Könige partizipieren von den aufblühenden Städten, der Kleinadel geht zugrunde. Im Gegensatz zur klassischen Artusepik wie etwa Hartmann von Aue und Wolfram von Eschenbach interpretiert der Autor des Nibelungenliedes den Konflikt zwischen Lehnswesen und Herrschaft der Ministerialen pessimistisch: er wird nicht gelöst und endet daher in einer Katastrophe.

1966 hat Joachim Fernau in seinem Bestseller "Disteln für Hagen" die These aufgestellt, dass das Nibelungenlied für den Wandel vom Vorrang der Familienbande (in den nordischen Sagas tötet Atli die Burgunder, und Gudrun-Kriemhilt rächt ihren Tod an ihm) zum Vorrang der Gattenliebe (Kriemhilt tötet ihre Brüder, weil sie ihren Mann umgebracht haben) stehe, was "typisch deutsch" sei. Diese These hält jedoch einer kritischen Textanalyse schwerlich stand; diese ergibt vielmehr, dass Kriemhilt den Verlust des Nibelungenschatzes weit mehr bedauert als den Tod Siegfrieds und ihre Brüder letztlich nur deshalb töten lässt, weil sie nicht bereit sind, ihn wieder herauszugeben.


Wichtige Personen im Nibelungenlied und verwandten Werken

Die folgenden Personen finden sich teilweise auch in anderen Werken wie der Edda und Richard Wagners Opern (in alphabethischer Ordnung).


Überlieferung

Es existieren derzeit ca. 36 deutsche Handschriften, eine niederländische Umarbeitung und zwei Handschriften, die nur die "Klage" enthalten. Die Handschriften wurden vorwiegend in Süddeutschland, Österreich und der Schweiz gefunden. Die drei Haupthandschriften sind von Karl Lachmann mit Buchstaben (Siglen) folgendermaßen kategorisiert worden:

  • A = Hohenems-Münchener Handschrift (letztes Viertel 13. Jh.)
  • B = St. Galler Handschrift (13. Jh.)
  • C = Hohenems-Laßbergische / Donaueschinger Handschrift (1. Hälfte 13. Jh.) liegt jetzt im Landesmuseum Karlsruhe

Diesen drei Schriften wird eine nicht mehr erhaltene Urschrift als Quelle unterstellt. Neben drei Hauptüberlieferungssträngen (A, B und C) muss man auch von einer breiten mündlichen Tradition ausgehen. Alle Pergamenthandschriften sind mit großen Buchstaben bezeichnet, Papierhandschriften immer mit kleinen Buchstaben.

Forschungs- und Rezeptionsgeschichte

Viele berühmte Szenen der Sage, wie der Drachenkampf Jung-Siegfrieds etwa, tauchen im Lied selber nur in Form von Erwähnungen auf; die ganze Vorgeschichte wird als bekannt vorausgesetzt. Das Lied ist stilistisch von den Ansprüchen des mündlichen Vortrags geprägt, denn Alltagssprache und Hochsprache mischen sich ebenso, wie bereits damals schon historisches Vokabular und zeitgenössische Begriffe des frühen dreizehnten Jahrhunderts. Kunstvollen literarischen Ton und komplizierte Konstruktionen sucht man vergebens. Viel eher finden wir lange Aufzählungen, wiederkehrende Formulierungen und einfache, fast distanzierte Schilderungen durch den Erzähler, der sich selbst nur an wenigen Stellen des Werks erwähnt.

Am 22. Februar 1784 schrieb Friedrich II. von Preußen, der Alte Fritz, an den ersten Herausgeber des Epos, Christian Heinrich Müller, der das Werk dem König gewidmet hatte, folgendes:

Hochgelahrter, lieber Getreuer!
Ihr urtheilt viel zu vorteilhafft von denen Gedichten aus dem 12., 13. und 14. Seculo, deren Druck Ihr befördert habet, und zur Bereicherung der Teutschen Sprache so brauchbar haltet. Meiner Einsicht nach sind solche nicht einen Schuß Pulver werth; und verdienten nicht aus dem Staube der Vergessenheit gezogen zu werden. In meiner Bücher-Sammlung wenigstens würde Ich dergleichen elendes Zeug nicht dulten; sondern herausschmeißen. Das Mir davon eingesandte Exemplar mag dahero sein Schicksal in der dortigen großen Bibliothek abwarten. Viele Nachfrage verspricht aber solchem nicht,
Euer sonst gnädiger König Frch.

Heinrich Heine (1797-1856) schrieb über den Ton des Nibelungenlieds: "Es ist eine Sprache von Stein, und die Verse sind gleichsam gereimte Quadern. Hie und da, aus den Spalten, quellen rote Blumen hervor wie Blutstropfen oder zieht sich der lange Epheu herunter wie grüne Tränen."

Das Nibelungenlied wurde im 18. Jahrhundert von Bodmer und Breitinger wieder in den Blickpunkt der literarischen Öffentlichkeit gerückt.

Im 19. Jahrhundert erlangte es den Rang eines deutschen Nationalepos; es existieren viele z. T. illustrierte Ausgaben (z. B. von Alfred Rethel, 1840, und von Julius Schnorr von Carolsfeld, 1843) und mehrere Bearbeitungen für das Theater (Wagner, Der Ring des Nibelungen, 1840-1876, der nur sehr frei an das Epos anknüpfend ist; Friedrich Hebbel, Die Nibelungen, 1860/61). Selbst in Tolkiens Werken (Herr der Ringe) lassen sich etliche Elemente der Nibelungensaga wiederfinden.

2003/2004 ist es Gegenstand einer Ausstellung im Badischen Landesmuseum Karlsruhe, anschließend ist es in der Landesvertretung Baden-Württemberg in Berlin zu sehen, zusammen mit der einzigen, durchgehend bebilderten vollständig erhaltenen Handschrift B aus der Staatsbibliothek Berlin.

Literatur

  • Ursula Schulze: Das Nibelungenlied, Stuttgart: Reclam 1997 (336 S. mit 27 S. Bibliographie), ISBN 3150176042
  • Otfrid Ehrismann: Nibelungenlied. Epoche - Werk - Wirkung, 2. Aufl. München 2002, ISBN 340648719X
  • Werner Hoffmann: Das Nibelungenlied, 6. Aufl. Stuttgart, Weimar 1992 (= Sammlung Metzler 7), ISBN 3476160076
  • Peter Jörg Becker: Helden- und Dietrichepik, in: Peter Jörg Becker und Eef Overgaauw (Hgg.): Aderlass und Seelentrost. Die Überlieferung deutscher Texte im Spiegel Berliner Handschriften und Inkunabeln, Mainz 2003, S.40ff., ISBN 380533155X

Ausgaben

  • Nach der Ausgabe von Karl Bartsch hrsg. von Helmut de Boor: Das Nibelungenlied, 22. revidierte und von Roswitha Wisniewski ergänzte Aufl. Wiesbaden 1988 (Deutsche Klassiker des Mittelalters), ISBN 3765303739 (Mittelhochdeutscher Text mit reichhaltigem Anmerkungsapparat)
  • Das Nibelungenlied. Mhd./Nhd, Nach dem Text von Karl Bartsch und Helmut de Boor ins Neuhochdeutsche übersetzt und kommentiert von Siegfried Grosse, Stuttgart 1997 (= Reclam Universal-Bibliothek 644), ISBN 3150006449

Forschungsgeschichtlich wichtige Ausgaben (Reprints)

  • Karl Lachmann: Der Nibelunge Noth und die Klage - Nach der ältesten Überlieferung, mit Bezeichnung des unechten und mit den Abweichungen der gemeinen Lesart, Walter de Gruyter & Co., Berlin 1960


Siehe auch