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Schimmelpilze

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Als Schimmelpilze fasst man in der Mikrobiologie eine systematisch heterogene Gruppe von Pilzen (Fungi) zusammen, die aufgrund ihrer Lebensweise in bestimmten ökologischen Nischen für den Menschen besondere Bedeutung gewonnen haben.

Kennzeichen, Verbreitung und Arten

Schimmelpilze finden sich als faseriger, flockiger oder staubiger, weißlicher, grauer, bläulichgrüner, gelblicher, rötlicher, bräunlicher oder schwärzlicher Überzug auf meistens leblosen Körpern der verschiedensten Art. Feuchtigkeit der befallenen Substanz bzw. der Raumluft ist für Bildung und Ausbreitung eines Schimmelpilzbefalls wesentlich. Oft beginnen Schimmelpilze auf organischen Substanzen zu wuchern, wenn diese einer Fäulnis unterliegen. Zuerst bildet sich aus einer zufällig auf die Unterlage gefallenen Schimmelpilz-Spore eine fädige Struktur, das Myzel. Dieses besteht aus mikroskopisch kleinen, langen, dünnen, vielfach verzweigten Pilzfäden (Hyphen), die sich von einzelnen Punkten aus allseitig kreisförmig ausbreiten. An ihrer Spitze wachsen diese Hyphen mit großer Geschwindigkeit weiter, so dass der Schimmel nicht selten rasch große Flächen überwuchert.

Bekannte Schimmelpilz-Gattungen sind Mucor (Köpfchenschimmel), Rhizopus (gemeiner Brotschimmel), Aspergillus (Gießkannenschimmel), Cladosporium, Penicillium (Pinselschimmel) und Alternaria.

Alle Schimmelpilze ernähren sich von organischem Material. Sie zählen zu den heterotrophen Organismen. Als Ernährungsgrundlage dienen alle möglichen organischen Stoffe, wie sie zum Beispiel in verfaulenden Früchten, in der Marmelade, in altem Brot, im Getreide, in Nüssen, im Erdboden, im Holz, im Kot, in Staubkörnern oder sogar in Kunststoffen vorkommen. Einige Schimmelpilze wachsen auch auf Leder.

Fortpflanzung

Die Vermehrung erfolgt meistens auf ungeschlechtlichem Wege über Sporen, die überall in der Luft vorhanden sind und bei schimmelbildenden Schlauchpilzen – wie etwa Aspergillus oder Penicillium – Konidien genannt werden. Dazu erzeugen die Myzelfäden nach einiger Zeit zahlreiche sich vertikal von der Oberfläche erhebende Sonderhyphen, die Konidienträger. Diese sind bei den einzelnen Arten unterschiedlich gestaltet und bestehen aus oft dicht verzweigten Hyphen, die bei schwacher Vergrößerung wie ein kleiner Wald aussehen. An den äußeren Verästelungen dieses „Waldes“, den Sterigmen, werden reichlich Sporen (Konidien) gebildet, die kettenförmig aneinandergereiht nach außen ragen. Der Schimmel nimmt in diesem Stadium eine eher staubige Beschaffenheit an.

Bei den schimmelbildenden Mucorales, die zu den Zygomyceten gehören, erfolgt die Bildung oft tausender von Sporen in den Sporangien, kugeligen Anschwellungen am Ende von Sporangienträgern.

Schimmelpilze benötigen zum Wachstum vor allemNährstoffe und Feuchtigkeit. Daneben beeinflussen das Sauerstoffangebot, die Temperaturen, der pH-Wert (saures bzw. basisches Milieu hemmt) und weitere Faktoren das Wachstum von Schimmelpilzen.

„Schimmel“: „Schaden“ oder „Zutat“?

Edelschimmel-Kolonien im Roquefortkäse
Schadschimmel auf Frischkäse
Salami mit Schadschimmel
Salami mit Edelschimmel

Schimmel“ bezeichnet im Zusammenhang von Schimmelpilzen vor allem deren oberflächlich sichtbare Auswüchse, also meistens die Konidien- oder Sporangienträger; seltener auch deren Mycel. Nutzen und Schaden von Schimmel können eng beieinander liegen:

  • Aspergillus niger ruft beim Menschen vielerlei Krankheiten hervor und gedeiht selbst bei extremen pH-Werten, wird andererseits zur Herstellung von Zitronensäure verwendet.
  • Bei Schimmel in Gebäuden (an Wänden u. ä.) stehen hingegen typische Gefahren ganz im Vordergrund:

Primär schädlich sind Schimmelpilze, die Mykotoxine produzieren, insbesondere leberschädigende und kanzerogene Aflatoxine. Mittelbar können fast alle Pilze aufgrund der Sporenausschüttung allergen wirken. Schimmelpilze können daher auf unterschiedliche Weise dem menschlichen Befinden schaden:

Schädlicher Schimmel auf Lebensmitteln: alles weg?

Übersprungverhalten“ von Schimmel auf Nektarinen: Welche ist zu retten?

In der Regel (im Zweifel) sind von schädlichem Schimmelpilz befallene Lebensmittel als Ganzes zu entsorgen. Es genügt i. a. nicht, die sichtbar betroffenen Stellen wegzuschneiden oder obere Schichten von Lebensmitteln abzutragen. Fürs bloße Auge unsichtbar hat sich typischerweise das Mycel des Pilzes bereits im gesamten Behälter, in der gesamten Portion, in der gesamten Frucht etc. ausgebreitet und dort Mykotoxine bzw. Glukane erzeugt. Andernfalls haben sich die Mykotoxine um so weiter verteilt (Diffusion), je höher der Wassergehalt des Lebensmittels ist.

Ausnahmen sind etwa:

  • Marmelade mit einem Zuckergehalt über 60 Prozent – Zucker in diesen Konzentrationen wirkt konservierend; die verschimmelten Stellen können großzügig abgehoben werden.
  • Auch in Hartkäse kann sich Schimmel wenig ausbreiten – man kann den Schimmel großzügig abschneiden und den Rest des Käses verzehren.
  • Ähnliches gilt für ganze Brotlaibe bzw. Schnittbrot.

(Vgl. etwa quarks.de/Buchwalsky und Gesundheits-Kompass/Word@rt.)

Schimmel in Gebäuden

Ursachen

Feuchtigkeit ist die Hauptursache für Schimmelbildung in Gebäuden. Schimmelpilze finden hier ein reiches Nahrungsangebot: Zellulose (Tapeten, Kleister, Holz und Holzwerkstoffe, Gipskartonplatten) oder auch Kunststoffe (Wandbeschichtungen, Teppichböden, Bodenbeläge usw.). Die Feuchtigkeit kann folgende Ursachen haben:

  • defekte Wasserleitungen (Heizung, Dachentwässerung, etc.);
  • Eindringen von Schmelz- oder Regenwasser wegen schadhafter Dachabdichtung, undichtem Mauerwerk etc.;
  • (Unglücksfälle: Waschmaschinenablauf, Löschwasser [WTC Deutsche Bank], Hochwasser etc.;)
  • Kondenswasser („Tauwasser“) – tatsächlich das Hauptproblem, das besonders in den jüngeren Zeiten des Energiesparens viel (juristischen) Streit zwischen Mietern und Vermietern ausgelöst hat:
    • Raumluftfeuchtigkeit schlägt sich auf kühlen Bereichen von Zimmerwänden (oder an Fenstern etc.) nieder – dort (oder an anderer Stelle, wohin das Wasser eventuell abfließt) entsteht bei vorhandenem Nahrungsangebot Schimmel. Die Luftfeuchtigkeit rührt nicht nur vom Baden und Kochen her, sondern schon vom Atem der Bewohner. Schimmelpilzbelag bildet sich im wesentlichen bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von 70% bis 80% (Sedlbauer/Krus, 2003, S. 5).
    • Früher waren Fugen an Fensterrahmen derart undicht, dass sie unbemerkt Entfeuchten der Raumluft gewährleisteten und so Schimmelbildung vermieden. Zum Energiesparen (Wärmedämmung) wurden derart undichte Fensterrahmen inzwischen so durch dichtere ersetzt, dass der Austausch zwischen (relativ) feuchter Innenluft und (relativ) trockener Außenluft nunmehr gezielt durch Lüften herbeigeführt werden muss. Wetterabhängig kann jedoch Lüften auch die Feuchtigkeit der Raumluft erhöhen; dann ist eher heizen angebracht:
    • Niederschlag von Raumluftfeuchtigkeit (also Kondenswasser) nimmt mit der relativen Feuchtigkeit der Innenluft zu. Bei gleichem Wassereintrag ist diese um so höher, je geringer die (Innen-)Temperatur ist. Daher soll auch bei Abwesenheit geheizt werden, und das Lüften soll rechtzeitig so beendet werden, dass Innenraumwände und Mobiliar nicht auskühlen (Stoßlüften statt Fensterkippen). – Die Temperatur der Innenluft differiert i. a. zwischen verschiedenen Stellen eines Innenraums, insbesondere mit der Nähe zu einer Wärmebrücke (unzureichende Wärmeisolierung), auch zwischen verschiedenen Bereichen einer Wohnung oder eines Hauses abhängig von Nutzung/Heizung. Damit schwankt die relative Luftfeuchtigkeit innerhalb eines Raums oder – bei offenen Durchgängen (Türen) – zwischen Bereichen der Wohnung/des Hauses. Relevant für Schimmelwachstum ist die relative Luftfeuchtigkeit an der Oberfläche der bedrohten Nährsubstanz.
    • Feuchtegefahr besteht auch, wo Mobiliar zu dicht an der Wand ist.
    • Vermieter/Bauherren können nach neuen Wärmedämmungsmaßnahmen Streit mit Bewohnern zu vermeiden versuchen, indem sie auf das veränderte erforderliche Lüftungsverhalten hinweisen (zum Beispiel Merkblatt). Verantwortung bleibt noch in folgendem Sinne bei Vermietern/Bauherren:
      • Wird etwa ein einfach verglastes Fenster durch ein modernes gut isolierendes ersetzt, die Wärmedämmung anderer Grenzbereiche einer Wohnung nicht („Wärmebrücken"; etwa Fensterlaibung), so wird sich Niederschlag derselben Wassermenge in der Raumluft auf verbleibende Wärmebrücken konzentrieren; dort wird Schimmel mit größerer Wahrscheinlichkeit auftreten.
      • Kaltwasserleitungen können ebenfalls Kondenswasser anziehen und müssten dann isoliert werden.
      • Resumee: Die Temperaturen an den Oberflächen eines Zimmers sollten wenig schwanken.
      • Aus der Rechtspraxis: Einbau isolierverglaster Fenster in auch sonst schlecht gedämmtem Mietshaus. Vermieter händigt besagtes Merkblatt den Mietern aus. Feuchtigkeitsschäden nehmen zu, im Erdgeschoss wächst Schimmel. Klage des Vermieters gegen entsprechende Mietminderung wird abgewiesen. In der Begründung: Wenn eine Wohnung derartige Mängel aufweise, dass diese nur noch durch übersteigertes Heizen und Lüften zu bekämpfen seien, sei das Maß des Zumutbaren überschritten. (Hervorhebung durch Wiki-Verfasser).[1] (Man beachte hier die Gewährablehnung zu Rechtsthemen!)
    • Präzisere Angaben finden sich schon im Wikipedia-Artikel über Luftfeuchtigkeit, weit mehr noch in Sedlbauer/Krus (2003).

"Entfernen" von Schimmelpilz

Chemikalien können Schimmelpilz kurzfristig und i.a. nur an der Oberfläche entfernen. Sie sollten in der Regel nur von Fachleuten im Rahmen einer ursächlichen und umfassenden Sanierung verwendet werden. Pilztötend oder fungizid wirken u.a. folgende Substanzen und Methoden:

Für kleine Flächen und bis ca. 2 cm Materialtiefe

Siehe auch

  • Der Hausschwamm überwindet trockene Stellen (Gemäuer), um Wasser zum Nährstoff (Holz) zu transportieren. Er kann Gebäude zerstören. Den Schimmelpilzen wird er nicht zugerechnet.

Literatur

Allgemein

  • Jürgen Reiß: Schimmelpilze. Lebensweise, Nutzen, Schaden, Bekämpfung. 2. Auflage. Springer, Berlin, 1998. ISBN 3-540-63019-8.

Bauschimmel

K. Sedlbauer, M. Krus: Schimmelpilz aus bauphysikalischer Sicht. Fraunhofer-Institut für Bauphysik, Holzkirchen, 2003. (PDF-Datei, 392 KB. Quantitative Analyse physikalischer Voraussetzungen für Schimmelbildung mit Tabellen und graphischen Darstellungen.)

Gesundheitliche Aspekte

  • Jürgen Bünger: Gesundheitsrisiken durch eine inhalative Exposition gegenüber mykotoxinbildenden Schimmelpilzen. In: Gefahrstoffe – Reinhaltung Luft 65(9)/2005, S. 341–343. ISSN 0949-8036
  • Guido Fischer, Nadine Hollbach, Claudia Schmitz, Wofgang Dott: Luftgetragene Schimmelpilze in der Umwelt des Menschen – gesundheitliche Relevanz und Möglichkeiten der Risikobewertung. In: Gefahrstoffe – Reinhaltung Luft 65(9)/2005, S. 335–340. ISSN 0949-8036
  • L. Roth, H. Frank, K. Kormann: Giftpilze. Pilzgifte. Schimmelpilze. Mykotoxine. Vorkommen, Inhaltsstoffe, Pilzallergien. ecomed, Landsberg, 1990. ISBN 3609647302
  • Reinhard Keller, Klaus Senkpiel, Werner Butte: Schimmelpilze und deren Sekundärmetabolite (MVOC) in Luftproben unbelasteter Wohnungen. Gefahrstoffe, Reinhaltung Luft 67(3), S. 77 – 84 (2007), ISSN 0949-8036
Commons: Schimmel – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Landgericht Hamburg, Urteil vom 26. September 1997, 311 S 88/96; Süddeutsche Zeitung vom 02.06.2000, S. V2, Verfasser F. Gritschneder.