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Kapitalertragsteuer (Deutschland)

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Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 3. Juni 2007 um 19:03 Uhr durch Karsten11 (Diskussion | Beiträge) (Das ist falsch. Arbeitseinkommen stellen zu 100 % einen Zuwachs an Leistungsfähigkeit dar. Bei Kapitaleinkommen stellt der Inflationsausgleich keinen Zuwachs an Leistungsfähigkeit dar). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Die Abgeltungsteuer ist eine Form der Einkommensteuer, die laut Beschluß des Bundestages ab 2009 von Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) erhoben wird. Ihr unterliegen Zinsen, Dividenden, Erträge aus Investmentfonds und Zertifikaten sowie private Veräußerungsgewinne (§ 23 EStG). Der Abgeltungsteuersatz beträgt 25 % zuzüglich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer (in der Summe 28% Abgeltungssteuer). Das Kreditinstitut, bei dem die Wertpapiere gehalten werden, ist verpflichtet, den Steuerabzug vorzunehmen und die Steuer an die Finanzverwaltung abzuführen.

Der Steuersatz ist grundsätzlich unabhängig vom persönlichen Einkommensteuersatz des Gläubigers der Kapitalerträge. Dies ist der wesentliche Unterschied zur derzeit (2007) in Deutschland erhobenen Kapitalertragsteuer bzw. zum Zinsabschlag. Diese Steuern werden zwar auch vom Kreditinstitut einbehalten, aber die Kapitalerträge unterliegen dennoch der individuellen Einkommensteuer des Empfängers, wobei die einbehaltene Steuer angerechnet wird. Bei der Abgeltungsteuer besteht ein Veranlagungswahlrecht; bei der Veranlagung können die Erträge mit dem persönlichen Steuersatz versteuert werden. Dadurch soll vermieden werden, dass Steuerpflichtige mit niedrigem Einkommen überproportional hoch besteuert werden. Die Abgeltungsteuer ist vorteilhaft für Personen mit einem individuellen Einkommensteuersatz von mehr als 25 %.

Neu bei der Abgeltungsteuer ist die generelle Besteuerung von Veräußerungsgewinnen. Diese ersetzt die bisherige Regelung der zwölfmonatigen Spekulationsfrist. Das gilt allerdings nur für Neuanlagen ab 1. Januar 2009, d.h. alle Wertpapiere, die bis 31. Dezember 2008 gekauft werden, unterliegen der alten Regelung und sind bei Veräußerung nach zwölf Monaten steuerfrei. Für Investmentzertifikate wurde die Regelung verschärft, für Erwerbe nach dem 14. März 2007 gilt die Abgeltungsteuer unabhängig von der Besitzdauer ab dem 1. Juli 2009.

Abgeltungsteuer im deutschen Steuerrecht

In Deutschland wurde bereits 1990 eine 10%ige Quellensteuer auf Kapitalerträge eingeführt, die aber keine Abgeltungsteuer war. Die Folge war jedoch ein massiver Abzug von Kapital in das Ausland, so dass diese Steuer bereits wenig später wieder abgeschafft wurde.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hat am 2. November 2006 „Eckpunkte der Abgeltungsteuer“[1] veröffentlicht. Seit der Veröffentlichung der „Eckpunkte“ gibt es eine intensive politische Diskussion um steuerrechtliche Details und deren mögliche Auswirkungen. Am 25. Mai 2007 hat der Bundestag das Unternehmensteuerreformgesetz verabschiedet; dieses Gesetz beinhaltet auch die Abgeltungsteuer.

Abgeltungsteuer und Kirchensteuer

Anleger können per Antrag bei der Bank auch die Kirchensteuer abgelten lassen. Dazu müssen sie dem Kreditinstitut ihre Religionszugehörigkeit und den für sie zutreffenden Kirchensteuersatz mitteilen. Die Bank ermittelt die Kirchensteuer und führt diese über das Bundesamt für Finanzen in Berlin an die Religionsgemeinschaften ab.

Da die pauschalierte Kirchensteuer nicht als Sonderausgabe geltend gemacht werden kann, wird bei Kirchensteuerpflichtigen der Abgeltungsteuersatz als 100/(4+k) berechnet, wobei k der persönliche Kirchensteuersatz (9%, in Bayern und Baden-Württemberg 8%) ist. Dieser Abgeltungsteuersatz wird auch zur Bemessungsgrundlage der Zuschlagsteuern (Solidaitätszuschlag, Kirchensteuer). Insgesamt ergibt sich eine Belastung von 28,00% (bzw. 27,82%).

Stellt der Anleger keinen Antrag bei der Bank, wird von dieser auch keine Kirchensteuer einbehalten. Ist er jedoch grundsätzlich steuerpflichtig, muss er diese Einkünfte im Rahmen der Einkommensteuererklärung angeben und die von der Bank auszustellenden Bescheinigungen über den Abzug von Abgeltungsteuer beizufügen. Juristisch gesehen ist die Kirchensteuer keine Steuer, sondern als Art Mitgliedsbeitrag zu sehen. Banken und Kirchenmitglieder machen sich nach Meinung von Experten nicht der Steuerhinterziehung schuldig, wenn die Kirchensteuer nicht korrekt abgeführt wird.

Das Fernziel der Reform ist, ab 2011 auch bei der Erhebung der auf die Kapitalerträge anfallenden Kirchensteuer den Steuerabzug grundsätzlich an der Quelle vorzunehmen zu können. Diesem Ziel soll die Errichtung einer Datenbank beim Bundeszentralamt für Steuern in Berlin dienen, die die konfessionsrelevanten Daten wie Kirchenmitgliedschaft und den geltenden Kirchensteuersatz enthält. Die Geldinstitute rufen ihrerseits von dieser Datei alle Daten ab, um die Kirchensteuer automatisch abgelten zu können.

Die Argumente der Regierung für die Reform sind die ´elektronische Machbarkeit´, der ´geringe Verwaltungsaufwand´ z.B. für die Banken, die ´Einfachheit´ des Verfahrens insgesamt und seine ´Effizienz´. Ferner: „Damit wird den Kirchen das Aufkommen der Kirchensteuer dauerhaft gesichert“[2].

Anwendung der Abgeltungsteuer

Mit der Neufassung der Einkommensteuer ab 2009 werden Veräußerungsgewinne nach §23 nicht nur für Privat-Personen erfasst, sondern auch für juristische Personen als Abgeltungssteuer als neu gefasster §20 angewendet. Folgende Bankprodukte werden in der Abgeltungsteuer berücksichtigt:

Erträge

  1. Zinsen
  2. Dividenden
  3. Stillhalterpositionen
  4. Leihe und Repo-Geschäfte

Veräußerungsgewinne aus

  1. Wertpapieren (Kauf ab 1.1.2009)
  2. Zertifikate (Kauf ab 14.03.2007)
  3. Derivaten (Kauf ab 1.1.2009)
  4. Finanzinnovationen (Verkauf ab 1.1.2009)
  5. Schuldscheine (Verkauf ab 1.1.2009)

→ Aufzählung ist nicht vollständig!

Steuerpflichtig sind noch weitere Erträge, die aber nicht per Abgeltungsteuer erhoben werden. Dazu zählt weiterin die Fremdwährung, die nach §23 als privates Veräußerungsgeschäft nicht in die Abgeltungssteuer integriert ist.

Kritik

Verschiedene Aspekte der Abgeltungssteuer sind Gegenstand der wissenschaftlichen und politischen Auseinandersetzung:

Steuerprogression

Der Steuersatz der Abgeltungsteuer unterliegt (naturgemäß) nicht dem individuellen Progressionssatz des Steuerpflichtigen. Kritiker sehen hierdurch das Leistungsfähigkeitsprinzip berührt.

Gleichbehandlung unterschiedlicher Einkommensarten

Mit der Abgeltungssteuer werden Einkommen aus Kapitalanlage gegenüber anderen Einkommensarten unterschiedlich behandelt. Kritiker reklamieren daher, dass z. B. Arbeitseinkommen gegenüber Kapitaleinkommen benachteiligt würden.

Für eine abweichende Behandlung von Kapitalerträgen bestünden laut Befürwortern jedoch gute Gründe: Ein Teil der Kapitalrendite ist lediglich ein Ausgleich der Inflation und führt nicht zu einer Erhöhung der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen. Aus diesem Grund müsse dieser Teil der Kapitaleträge steuerfrei gestellt werden. Durch die Abgeltungssteuer erfolgt dies zumindest für Anleger mit einem Spitzensteuersatz größer dem Steuersatz der Abgeltungssteuer teilweise.

Finanzierungsneutralität

Die Abgeltungssteuer benachteiligt Eigenkapitalfinanzierung gegenüber Fremdkapitalfinanzierung. Während Fremdkapitalzinsen im Unternehmen steuerlich geltend gemacht werden können und so ausschliesslich beim Anleger mit dem Steuersatz der Abgeltungssteuer belastet werden, erfolgt die Besteuerung des Eigenkapitals beim Unternehmen (über die Körperschaftssteuer) und erneut beim Anleger über die Abgeltungssteuer. Während diese Doppelbesteuerung früher über das Anrechnungsverfahren vermieden oder über das Halbeinkünfteverfahren reduziert wurde, erfolgt mit der Einführung der Abgeltungssteuer eine echte Doppelbelastung.

Dadurch besteht ein Anreiz, Gewinne des Unternehmens über Zinsen auf Gesellschafterdarlehen auszuschütten, statt diese als Gewinn auszuweisen.

Steuersatz

Der weltweit höchste Steuersatz für eine Abgeltungssteuer in Deutschland (siehe Vergleich weiter unten) bei gleichzeitig weltweit einmaliger Belastung von Kursgewinnen mit der Abgeltungssteuer, fördere nach Ansicht von Kritikern die Kapitalflucht.

Datenschutz

Nach Auffassung des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) verstößt vor allem die für ab 2011 geplante Praxis, den Geldinstituten den Konfessionsstatus offenbaren zu müssen, gegen das verfassungsmäßig garantierte Recht, die Religionszugehörigkeit nicht offenbaren zu müssen. Laut BVerfG [3] schließt die in Art. 4 Abs. 1 GG gewährte Bekenntnisfreiheit grundsätzlich auch das Recht ein, „auszusprechen und auch zu verschweigen, dass und was man glaubt oder nicht glaubt“.

Dieses Recht werde zwar bereits heute in der Praxis des Kirchensteuereinzugs für nachrangig geachtet. Arbeitnehmer müssen ihren Konfessionsstatus dem Arbeitgeber und dem Finanzamt offenbaren. Das ändere aber nichts daran, dass dieses Grundrecht durch die geplante Regelung erneut verletzt werde.

Der IBKA erblickt in der angestrebten Konfessionsdatensammlung beim Bundeszentralamt für Steuern in Berlin und im ungehinderten Zugriff von Geldinstituten auf diese Daten auch einen Verstoß gegen das Recht auf Informationelle Selbstbestimmung.

Abgeltungsteuer im österreichischen Steuerrecht

In Österreich gilt seit 1996 eine 25%ige Abgeltungsteuer auf bestimmte Kapitalerträge, insbesondere auf Zinsen und Dividenden, nicht jedoch auf Spekulationsgewinne (also Kursgewinne) - diese werden mit dem individuellen Tarifsatz versteuert. Ausnahme endbesteuerte KSt-pflichtige Zertfikate.

Mit der Abgeltungsteuer ist in Österreich auch die Erbschaftssteuer abgegolten.

Abgeltungsteuer im luxemburgischen Steuerrecht

In Luxemburg gilt seit 2006 eine 10%ige Abgeltungsteuer auf bestimmte Zinserträge, zum Beispiel bei Sparkonten, Festgeld, Zinszahlung von Anleihen und Callgeldern.

Europäischer Vergleich von Abgeltungsteuern

Im europäischen Vergleich zeigt sich, dass die Mehrzahl der Staaten bereits Abgeltungsteuersysteme eingeführt haben. Mit dem vorgesehenen Steuersatz läge Deutschland nach Schweden an der Spitze der europäischen Staaten.

Land Zinsen Dividenden Art
Belgien 15 25 Abgeltungsteuer mit Optionsmöglichkeit
Dänemark x 28 Abgeltungsteuer mit Optionsmöglichkeit
Finnland 28 28 Definitive Abgeltungsteuer für Zinsen
Griechenland 10 x Definitive Abgeltungsteuer für Zinsen
Irland 20 20 Definitive Abgeltungsteuer
Italien 27 12,5 Definitive Abgeltungsteuer
Litauen x 15 Definitive Abgeltungsteuer für Dividenden
Luxemburg 10 10 Definitive Abgeltungsteuer
Malta 15 x Abgeltungsteuer mit Optionsmöglichkeit zur Einkommensteuerveranlagung für Zinsen
Österreich 25 25 Abgeltungsteuer mit Optionsmöglichkeit zur Einkommensteuerveranlagung
Polen 19 19 Definitive Abgeltungsteuer
Portugal 20 15 Abgeltungsteuer mit Optionsmöglichkeit zur Einkommensteuerveranlagung
Schweden 30 30 Definitive Abgeltungsteuer
Tschechien 15 15 Definitive Abgeltungsteuer

Stand 2005[4]

Literatur

  • Paul Kirchhof: Die Kirchensteuer im System des deutschen Staatsrechts. In: Friedrich Fahr (Hrsg.): Kirchensteuer, Notwendigkeit und Problematik. Pustet, Regensburg 1996, ISBN 3-7917-1524-0, S. 53–82
  • Felix Hammer: Rechtsfragen der Kirchensteuer. Mohr Siebeck, Tübingen 2002, ISBN 3-16-147537-2, S. 396ff

Quellen

  1. Finanzministerium der Bundesrepublik Deutschland: „Eckpunkte der Abgeltungsteuer“ (PDF)
  2. Refentenentwurf S. 99
  3. BVerfGE 12 S.1-5, Az. BvR 59/56 v. 08.11.1960
  4. Fokus Online: Quellensteuervergleich