Zum Inhalt springen

Veit Harlan

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 31. Mai 2007 um 12:44 Uhr durch 195.93.60.33 (Diskussion) (Vandalenrevert). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Veit Harlan (* 22. September 1899 in Berlin; † 13. April 1964 auf Capri/Italien) war ein Schauspieler und Regisseur.

Leben

Veit Harlan wurde als Sohn des Schriftstellers Walter Harlan und dessen Frau Adele in Berlin als viertes Kind nach seinem Bruder Walter, seiner Schwester Esther (* 1895) und seinem Bruder Peter (* 1898) geboren. Nach ihm folgten noch sein Bruder Fritz Moritz (* 1901) und seine Schwestern Bertha Elise (* 1906) und Nele (* 1908). Nach einer Silberschmiedlehre und Schauspielunterricht am Seminar von Max Reinhardt stand Harlan zum ersten Mal öffentlich 1915 auf einer Theaterbühne.

1916 meldete er sich freiwillig zum Kriegsdienst und wurde an der französischen Front eingesetzt.

Anfänge als Schauspieler

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde er 1919 Schauspiel-Volontär an der Berliner Volksbühne am Bülowplatz, zu dessen festem Ensemble er von 1920 bis 1922 gehörte.

1922 verließ Harlan Berlin, um vorübergehend am Landestheater in Meiningen und während der Theaterferien als Mitglied der norddeutschen Holtorf-Gruppe, einer Wanderbühne, Erfahrungen in der Provinz zu sammeln. Im selben Jahr heiratete er die jüdische Sängerin Dora Gerson, von der er sich bereits nach zwei Jahren scheiden ließ (Dora Gerson wurde 1943 in Auschwitz ermordet). Nach diversen Rollen in den folgenden Jahren heiratete er 1929 ein zweites Mal, diesmal die Schauspielerin Hilde Körber, mit der er bis zur Scheidung neun Jahre später drei Kinder hatte. 1933 bekannte sich Harlan in einem Interview mit dem Völkischen Beobachter nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten zu deren Politik.

NS-Filme

Mitte der dreißiger Jahre drehte Harlan mehrere nationalsozialistische bzw. antisemitische Filme. 1937 wurde Reichspropagandaminister Joseph Goebbels durch den im Propagandastil des NS-Regimes gedrehten Film Der Herrscher auf Harlan aufmerksam und machte ihn zu einem der führenden Regisseure. Für diesen Film erhielt er den "Nationalen Filmpreis". Von Goebbels bekam Harlan auch den Auftrag für den antisemitischen Hetzfilm Jud Süß. Harlan war am Drehbuch beteiligt und führte Regie, seine Frau hatte ebenso wie Heinrich George eine Rolle darin, Werner Krauß war sogar in fünf Rollen zu sehen. Dieser Film, der in Deutschland und Osteuropa während des Zweiten Weltkrieges zur Bestärkung des Antisemitismus und damit zur weltanschaulichen Unterstützung der Deportationen der europäischen Juden gezeigt wurde, ist später als Hauptanklagepunkt gegen ihn verwendet worden.

1939 heiratete er die Schauspielerin Kristina Söderbaum. Aus dieser Ehe gingen zwei Söhne, Christian (geb. 1939, genannt Tian) und Caspar (geb. 1946), hervor. Söderbaum übernahm die Hauptrolle in vielen seiner Filmen und wurde als "Reichswasserleiche" berühmt, da sie oft die Rolle der tragischen Selbstmörderin spielen musste (so auch als Opfer von "Jud Süß"). 1943 erhielt er zum 25-jährigen Jubiläum der Universum Film AG (Ufa) den Professorentitel. Harlans Status zeigt sich auch daran, dass er ab 1942 bis zum politischen Ende des nationalsozialistischen deutschen Reiches alle seine Filme (insgesamt vier) in Agfacolor drehen konnte. Noch Ende Januar 1945 brachte er den bei der Ufa mit Heinrich George und Kristina Söderbaum in den Hauptrollen gedrehten Agfacolor-Farbfilm Kolberg heraus, der mit Produktionskosten von ca. 8 Millionen Reichsmark der teuerste Film im Dritten Reich wurde.

Die Zeit nach Kriegsende

Nach Kriegsende wurde Harlan in einem auf eigenen Antrag vorgezogenen Entnazifizierungsverfahren als „Entlasteter“ eingestuft. Im März 1949 kam es auf Antrag der VVN zu einem Schwurgerichtsverfahren in Hamburg; dabei wurde Harlan nach dem Kontrollratsgesetz No. 10 der „Beihilfe zur Verfolgung“ angeklagt. Harlan wurde freigesprochen, weil ihm eine persönlich zurechenbare Schuld nicht nachzuweisen und eine strafrechtlich relevante Kausalität zwischen Film und Völkermord nicht beweisbar sei. Harlan-Anhänger trugen den Freigesprochenen auf ihren Schultern aus dem Gerichtssaal. Die Staatsanwaltschaft ging in Revision. Der Oberste Gerichtshof für die Britische Besatzungszone in Köln hob das Urteil auf; denn der Film Jud Süß sei „ein nicht unwesentliches Werkzeug“ gewesen. [1] In einem weiteren Prozess von dem Landgericht Hamburg berief sich Harlan auf den Befehlsnotstand. Die Nationalsozialisten hätten seine Kunst missbraucht und ihn zur Regie von Jud Süß gezwungen. Eine Weigerung hätte ihn in eine bedrohliche Lage gebracht. Das Gericht folgte dieser Argumentation und sprach Harlan am 29. April 1950 frei.

Der während der Nazi-Zeit in Deutschland tätige Drehbuchautor und Regisseur Géza von Cziffra schilderte in seiner 1975 erschienenen Autobiografie „Kauf dir einen bunten Luftballon“, dass ursprünglich der Produktionschef der Terra-Film Peter Paul Brauer für die Regie von Jud Süß vorgesehen gewesen sei. Doch habe Harlan u. a. durch Interventionen im Propagandaministerium erfolgreich dafür gekämpft, den Film inszenieren zu können. Diese Angaben sind jedoch nicht andernorts belegt. Joseph Goebbels berichtete in seinen Tagebuchaufzeichnungen mehrfach von Harlan:

„Mit Harlan und Müller den Jud-Süßfilm besprochen. Harlan, der die Regie führen soll, hat da eine Menge neuer Ideen. Er überarbeitet das Drehbuch nochmal.“ [2]
„Besonders der Jud-Süßfilm ist nun von Harlan großartig umgearbeitet worden. Das wird der antisemitische Film werden.“ [3]
„Harlan Film 'Jud-Süß'. Ein ganz großer, genialer Wurf. Ein antisemitischer Film, wie wir ihn uns nur wünschen können. Ich freue mich darüber.“[4]

Im Jahr 1951 forderte der Senatsdirektor Erich Lüth das deutsche Publikum dazu auf, den Harlan-Film Unsterbliche Geliebte zu boykottieren. Carlo Schmid erklärte vor dem Deutschen Bundestag, Harlan habe dazu beigetragen „die massenpsychologischen Voraussetzungen für die Vergasungen von Auschwitz zu schaffen“ und es sei eine Schande, die „Machwerke Harlans“ zu zeigen.[5] In zwei Gerichtsverfahren wurde Lüths Boykottaufruf als „sittenwidrig“ bezeichnet und bei Androhung von Strafe untersagt. Schließlich wies 1958 das Bundesverfassungsgericht jedoch die Klage von Harlans Produktionsgesellschaft gegen diesen Boykottaufruf ab (Lüth-Urteil).

1957 erschien unter Harlans Regie der Spielfilm Anders als du und ich, der unter der wissenschaftlichen Beratung von Hans Giese ursprünglich ein Plädoyer für die Abschaffung des damals immer noch gültigen § 175 sein sollte. Das damals skandalträchtige Thema wurde von einigen der verbotenen KPD nahestehenden Journalisten wie Ralph Giordano als Gelegenheit betrachtet, den Wiederaufstieg Harlans doch noch verhindern zu können. Der Film wurde zunächst verboten, dann umgeschnitten und um nachgedrehte Szenen ergänzt, wobei die Art der Beteiligung Harlans daran immer noch nicht restlos geklärt ist. Diese nun freigegebene endgültige Fassung wurde vielfach als feindlich gegenüber Homosexuellen angesehen. Nach einigen weiteren Filmen starb Harlan 1964 während eines Urlaubs auf Capri.

Der Schriftsteller, Drehbuchautor und Regisseur Thomas Harlan ist ein Sohn von ihm und Hilde Körber. Christiane Kubrick, die Witwe des Regisseurs Stanley Kubrick, ist seine Nichte. Jan Harlan, der Produzent mehrerer Kubrick-Filme, ist sein Neffe.

Auszeichnungen

  • 1937: Staatsfilmpreis für Der Herrscher
  • 1942: Ehrenring des deutschen Films für Der große König
  • 1942: Coppa Mussolini für Der große König als bester ausländischer Film bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig
  • 1942: Preis des Präsidenten der internationalen Filmkammer für Die goldene Stadt wegen besonderer Qualitäten als Farbfilm
  • 1943: Ernennung zum Professor

Filme

  • Die Pompadour (1935)
  • Kater Lampe (1936)
  • Krach im Hinterhaus (1936)
  • Der müde Theodor (1936)
  • Fräulein Veronika (1936)
  • Maria, die Magd (1936)
  • Kreutzersonate (1937) (nach der gleichnamigen Novelle von Leo Tolstoi)
  • Der Herrscher (1937)
  • Mein Sohn, der Herr Minister (1937)
  • Jugend (1938)
  • Verwehte Spuren (1938)
  • Das unsterbliche Herz (1939)
  • Die Reise nach Tilsit (1939)
  • Jud Süß (1940)
  • Pedro soll hängen (1941)
  • Der große König (1942)
  • Die goldene Stadt (1942)
  • Immensee (1943) (nach der gleichnamigen Novelle von Theodor Storm)
  • Opfergang (1944) (nach Rudolf G. Binding)
  • Kolberg (1945)
  • Unsterbliche Geliebte, nach Aquis submersus von Theodor Storm (1951)
  • Hanna Amon (1951)
  • Die blaue Stunde (1953)
  • Sterne über Colombo (1954)
  • Die Gefangene des Maharadscha (1954)
  • Verrat an Deutschland (Der Fall Dr. Sorge) (1955)
  • Anders als du und ich (1957)
  • Das dritte Geschlecht (1957, zensierte Version von Anders als du und ich)
  • Es war die erste Liebe (1958)
  • Liebe kann wie Gift sein (1958)
  • Ich werde dich auf Händen tragen (1958)
  • Die Blonde Frau des Maharadscha (1962)

Fußnoten

  1. Zu den Verfahren: Peter Reichel / Harald Schmid: Von der Katastrophe zum Stolperstein. München 2005, ISBN 3-937904-27-1, Zitat S.34
  2. Die Tagebücher des Joseph Goebbels. Sämtliche Fragmente. Teil I, Hrsg. von Elke Fröhlich, München 1987, Bd. 3, S. 657 (5. Dez. 1939)
  3. Die Tagebücher..., Bd. 3, S. 666 (15. Dez. 1939)
  4. Die Tagebücher..., Bd. 4, S.286 (18. Sept. 1940)
  5. Peter Reichel / Harald Schmid: Von der Katastrophe zum Stolperstein. München 2005, ISBN 3-937904-27-1, Zitat S.35

Literatur

  • Veit Harlan: Im Schatten meiner Filme. Selbstbiographie. Herausgegeben von H.C. Opfermann, Gütersloh, Sigbert Mohn Verlag, 1966.
  • Géza von Cziffra: Kauf dir einen bunten Luftballon. Erinnerungen an Götter und Halbgötter. München, Berlin: Herbig 1975. ISBN 3-7766-0708-4
  • Frank Noack: Veit Harlan : "des Teufels Regisseur". - München: Belville, 2000. - ISBN

3-923646-85-2