Novemberrevolution
Die Novemberrevolution von 1918 führte am Ende des 1. Weltkriegs zur Abdankung des letzten Deutschen Kaisers Wilhelm II. und zur Umwandlung des Deutschen Reiches in eine parlamentarisch-demokratische Republik.
Die Vorgeschichte
Das Deutsche Reich und die Sozialdemokratie
Die bürgerliche Märzrevolution von 1848/1849 war vor allem an der Schwierigkeit gescheitert, die nationale Einheit und die Demokratisierung Deutschlands gleichzeitig schaffen zu müssen. In den folgenden Jahrzehnten arrangierte sich der größte Teil des deutschen Bürgertums mit dem Obrigkeitsstaat, insbesondere, nachdem die Politik Otto von Bismarcks 1871 doch noch die kleindeutsche Reichseinigung unter preußischer der Führung zustande gebracht hatte.
Das neu gegründete Deutsche Reich war eine konstitutionelle Monarchie. Für den Reichstag galt das allgemeine, gleiche und geheime Männerwahlrecht. Der Einfluss der Parteien auf die Reichspolitik war jedoch äußerst begrenzt. Die einzig wichtige Befugnis des Parlaments war das Etatbewilligungsrecht. Die Reichsregierung dagegen war alleine dem Deutschen Kaiser und König von Preußen verantwortlich.
Von Beginn an, also seit 1871, war auch die seit 1863 zunächst in mehreren Parteien wie dem ADAV oder der SDAP organisierte Sozialdemokratie, die nach verschiedenen Vereinigungsparteitagen und Namensänderungen bis 1890 schließlich zur SPD fusionierten, im Reichstag vertreten. Die SPD war die einzige Partei, die weiterhin offen für eine republikanische Staatsform eintrat. Trotz ihrer zeitweiligen Verfolgung in der Zeit der Sozialistengesetze von 1878 bis 1890 konnten die Sozialdemokraten ihren Stimmenanteil bei fast jeder Wahl steigern. Im Reichstag von 1912 stellten sie mit 110 Abgeordneten oder 28 Prozent der Stimmen die stärkste Fraktion. In den 40 Jahren seit der Reichsgründung hatte sich die Partei, deren Mitglieder zu den entscheidenden Trägern der Novemberrevolution werden sollten, innerlich stark gewandelt.
Im Revisionismusstreit zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte sich der marxistisch orientierte linke Flügel der Partei noch einmal gegen die so genannten Revisionisten durchgesetzt, die den Begriff Revolution aus dem Parteiprogramm streichen wollten und statt dessen für den Weg der sozialen Reform eintraten. Doch die weiterhin revolutionäre Rhetorik verdeckte nur mühsam die Tatsache, dass die SPD seit der Aufhebung der Sozialistengesetze im Jahr 1890 allmählich zu einem integralen – wenn auch oppositionellen – Bestandteil des Kaiserreichs geworden war. Die früher als „vaterlandslose Gesellen“ diffamierten Sozialdemokraten verstanden sich selbst als deutsche Patrioten. Dies wurde bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs für jedermann offen sichtbar.
Die Sozialdemokratie und der 1. Weltkrieg
Noch während der Julikrise organisierte die SPD - wie auch andere sozialistische Parteien in ganz Europa - große Antikriegsdemonstrationen, und die Reichsregierung plante, die Parteiführer gleich nach Beginn der Kampfhandlungen zu verhaften. Als jedoch am 1. August 1914 die deutsche Kriegserklärung an das zaristische Russland erfolgte, ließ sich auch die Mehrheit der Sozialdemokraten von der allgemeinen Kriegsbegeisterung anstecken – getreu einem Ausspruch des 1913 verstorbenen Parteivorsitzenden August Bebel: „Wenn es gegen Russland geht, werde ich selbst die Flinte nehmen!“
In ihrer Haltung zum Krieg war die Parteiführung unter den beiden Vorsitzenden Friedrich Ebert und Hugo Haase ebenso gespalten wie die Reichtagsfraktion. Mit Ebert befürworteten 96 Abgeordnete die Bewilligung der Kriegskredite an die Reichsregierung; 14 – darunter der frühere Revisionist Haase – waren dagegen. Die Minderheit beugte sich jedoch dem Fraktionszwang, und so stimmte die SPD-Fraktion im Reichstag am 4. August den Kriegskrediten zu - mit einer Ausnahme: Karl Liebknecht, ein bis dahin weitgehend unbekannter Vertreter des linken Parteiflügels blieb bei seinem Nein.
Je länger der Krieg aber dauerte, desto weniger waren die Parteilinken aber auch viele Vertreter der Mitte und ehemalige Revisionisten bereit, den 1914 ausgerufenen „Burgfrieden“ weiter mit zu tragen. Im April 1917 kam es zur Spaltung der Partei: Von nun an existierte neben der Mehrheitssozialdemokratie (MSPD) die Unabhängige Sozialdemokratische Partei (USPD) unter Hugo Haase. Sie war pazifistisch orientiert und verlangte eine sofortige Beendigung des Krieges. Den linken Flügel der USPD bildete der so genannte Spartakusbund um die Anhänger der weiterhin marxistisch-revolutionär ausgerichteten, zu dieser Zeit wegen ihrer Agitation gegen den Krieg inhaftierten Protagonisten Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg.
Auswirkungen der Oktoberrevolution
Im gleichen Jahr 1917 führten Elend und Kriegsmüdigkeit in Russland in der Februarrevolution 1917 zum Sturz des letzten Zaren Nikolaus II.. Die neue russische Regierung der sozialdemokratischen Menschewiki unter Kerenski konnte sich jedoch noch nicht zu einer Beendigung des Krieges mit den Achsenmächten durchringen. Um die revolutionäre Antikriegsstimmung im Land des Kriegsgegners noch zu verstärken, ließ die deutsche Reichsregierung den Führer der russischen Bolschewiki, Wladimir Iljitsch Lenin, von seinem Exil in der Schweiz in einem versiegelten Waggon über Schweden und Finnland nach St. Petersburg schleusen. In der Oktoberrevolution gelang es Lenin und den Bolschewiki tatsächlich, die Macht in Russland an sich zu reißen. Im Frühjahr 1918 schloss die neue russische Regierung unter ihrem Delegierten Leo Trotzki den für Deutschland äußerst vorteilhaften Frieden von Brest-Litowsk. Die im Osten frei gewordenen deutschen Kräfte wurden nun vor allem zur Verstärkung der Westfront eingesetzt.
Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung glaubte, dass nach dem Sieg im Osten nun auch im Westen ein siegreiches Ende des Krieges kurz bevorstünde. Gleichzeitig wuchs in weiten Teilen des Bürgertums die Furcht, dass auch in Deutschland eine Revolution nach russischem Vorbild ausbrechen könnte. Im Frühjahr 1918 kam es auch in deutschen Rüstungsbetrieben zu ersten Streiks.
Bevor die Oktoberrevolution der deutschen Politik noch einmal eine Option auf den Gesamtsieg zu eröffnen schien, im Sommer 1917, hatten die Mehrheitsparteien im Reichstag - SPD, Zentrum und die liberale Fortschrittspartei eine Resolution verabschiedet, die für einen Verständigungsfrieden ohne Annexionen und Kontributionen eintrat. Diese Resolution war von den beiden Generälen zurückgewiesen worden, die Deutschland damals faktisch als Militärdiktatoren regierten. Seit 1916 bestimmten weder die Reichsregierung noch der Kaiser die Richtlinien der deutschen Politik, sondern die Oberste Heeresleitung unter Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff, wobei letzterer die maßgebliche Rolle spielte.
Beide Generäle glaubten noch bis zum Sommer 1918 an die Möglichkeit eines militärischen Sieges und ließen sowohl die Reichsregierung als auch die Reichtagsparteien und die Öffentlichkeit in diesem Glauben. Als sich aber die drohende Niederlage immer klarer abzeichnete, liquidierte Ludendorff den Krieg auf eine Art und Weise, die für die weiteren Ereignisse von entscheidender Bedeutung sein sollte.
Waffenstillstandsgesuch und Verfassungsänderung
Im Sommer 1918 scheiterte die letzte Offensive des deutschen Heeres an der Westfront. Deutschlands letzte Reserven waren verbraucht, während die militärische Stärke der Ententemächte seit dem Kriegseintritt der USA immer weiter zunahm. Ludendorff tat nun alles, um die Verantwortung für die unvermeidbare Niederlage von der Obersten Heeresleitung abzuwälzen.
Am 29. September informierte er Kaiser Wilhelm II. und die Regierung des Reichskanzlers Georg von Hertling über die hoffnungslose militärische Lage und forderte von ihnen die sofortige Abgabe eines Waffenstillstandsgesuchs an die Ententemächte, da er die Aufrechterhaltung der Front nicht mehr gewährleisten könne. Um günstigere Friedensbedingungen zu erlangen, empfahl Ludendorff zugleich, eine der zentralen Forderungen des 14-Punkte-Programms des US-Präsidenten Woodrow Wilson zu erfüllen und dem Reich eine parlamentarische Staatsform zu geben. Dahinter stand aber auch Ludendorffs Absicht, den demokratischen Kräften die Verantwortung für die bevorstehende Kapitulation aufzubürden.
Kaiser, Regierung, Parteien und Bevölkerung waren von Ludendorffs Ankündigung, dass der Krieg verloren sei, überrascht und schockiert. Die Führer der Mehrheitsparteien, insbesondere der SPD, waren dennoch bereit, die Verantwortung, die ihnen in letzter Minute zufiel, zu übernehmen. Kaiser Wilhelm ernannte am 3. Oktober den als liberal geltenden Prinzen Max von Baden zum Reichskanzler, der einen Tag später das von Ludendorff ultimativ geforderte Waffenstillstandsangebot an die Alliierten abgab. Ludendorffs Vorschlägen folgend, wurde am 28. Oktober eine Verfassungsänderung beschlossen, die den Kanzler und die Reichsminister an das Vertrauen der Mehrheit des Reichstages band und den Oberbefehl über die Streitkräfte vom Kaiser auf die Reichsregierung übertrug. Damit war das Deutsche Reich von einer konstitutionellen zu einer parlamentarischen Monarchie geworden.
Störmanöver Ludendorffs und der Marineleitung
Am 5. November stimmten die Alliierten der Aufnahme von Waffenstillstandsverhandlungen zu. Als aber ihre Bedingungen für eine Waffenruhe bekannt wurden, bezeichnete Ludendorff diese als unannehmbar. Er forderte nun die Wiederaufnahme des Krieges, den er einen Monat zuvor noch für verloren erklärt hatte. Diese Forderung war umso unsinniger, da erst das auf sein Verlangen abgegebene Waffenstillstandsersuchen den Kriegsgegnern die militärische Schwäche des Reichs in seinem ganzen Ausmaß verdeutlicht hatte. Auch die Kampfbereitschaft der deutschen Truppen, die sich bereits auf das nahe Ende des Krieges eingestellt hatten und darauf drängten, nach Hause zu kommen, war kaum mehr neu zu wecken. Die Reichsregierung blieb daher auf dem von Ludendorff selbst eingeschlagenen Weg und ersetzte ihn als Chef der Obersten Heeresleitung durch General Wilhelm Groener.
Während die kriegsmüden Truppen und die von der kaiserlichen Regierung enttäuschte Bevölkerung das baldige Ende des Krieges erwarteten, fasste die deutsche Marineleitung unter Admiral Reinhard von Scheer in Kiel den Plan, die Flotte zu einer letzten Schlacht gegen die Royal Navy in den Ärmelkanal zu entsenden. Dieser eigenmächtige Befehl war nicht nur militärisch völlig sinnlos, er stellte im Grunde eine Rebellion der Marineleitung gegen die neue Reichsregierung dar, deren Politik er völlig zuwider lief.
Die Revolution
Der Beschluss der Marineleitung löste zunächst eine Meuterei unter den betroffenen Matrosen und dann eine allgemeine Revolution aus, die in wenigen Tagen die Monarchie in Deutschland beseitigte. Den meuternden Matrosen ging es ursprünglich nur darum, nicht noch im letzten Augenblick des Krieges sinnlos geopfert zu werden. Sie handelten im weiteren Verlauf der Revolution aber auch in dem Bewusstsein, die Beschlüsse und die Existenz der neuen Regierung gegen die Militärs zu verteidigen.
Der Matrosenaufstand
Der Matrosenaufstand begann am 29. Oktober, als in Wilhelmshaven die Besatzungen einiger zum Auslaufen bestimmter Schiffe der deutschen Hochseeflotte meuterten. Die betroffenen Schiffe wurden daraufhin nach Kiel verlegt, wo die Wortführer der Matrosen am 3. November verhaftet wurden. Dieser Versuch, sie zu disziplinieren, führte zum bewaffneten Aufstand auch der bis dahin unbeteiligten Schiffsmannschaften. Am 4. November bildeten sie in Kiel den ersten Arbeiter- und Soldatenrat. An dessen Spitze ließ sich der SPD-Reichstagsabgeordnete Gustav Noske wählen, der - in Absprache mit der SPD-Führung - eine Revolution verhindern und die Kontrolle über die Ereignisse behalten wollte.
Die Revolution erfasst ganz Deutschland
Abordnungen der revolutionären Matrosen schwärmten in alle größeren deutschen Städte aus, und schon am 7. November hatte die Revolution Hannover, Braunschweig und Frankfurt am Main erfasst. Am selben Tag zwang ein Arbeiter- und Soldatenrat in München den letzten bayerischen König Ludwig III. zum Thronverzicht. Kurt Eisner von der USPD rief in Bayern, als erstem Land des Reiches, die Republik aus (vgl. Münchner Räterepublik). Auch in den übrigen deutschen Staaten dankten in den nächsten Tagen alle regierenden Fürsten ab, zuletzt Günther von Schwarzburg-Rudolstadt am 23. November.
Der 9. November 1918
In ganz Deutschland hatten sich Arbeiter- und Soldatenräte gebildet. Überall forderte man die Abschaffung der Monarchie, einen baldigen Friedensschluss und ein Ende der Militärherrschaft. Da Wilhelm II. sich ins Hauptquartier der Obersten Heeresleitung ins belgische Spa begeben hatte, die revolutionäre Lage in Berlin sich aber immer weiter zuspitzte, verkündete Max von Baden am 9. November eigenmächtig die Abdankung des Kaisers und übertrug gleichzeitig dem SPD-Vorsitzenden Friedrich Ebert das Amt des Reichskanzlers. Ebert wollte zu diesem Zeitpunkt noch an der Monarchie festhalten.
Am Nachmittag des 9. November überschlugen sich jedoch die Ereignisse in Berlin. Karl Liebknecht, der erst wenige Tage zuvor aus dem Gefängnis entlassene Vorsitzende des Spartakusbunds - aus dem später die KPD hervorging - plante die Ausrufung der sozialistischen Republik. Der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann erfuhr von diesem Vorhaben. Um den weit links von der SPD stehenden Spartakisten nicht die Initiative zu überlassen, trat Scheidemann selbst kurzentschlossen auf einen Balkon des Reichstagsgebäudes und rief die Republik aus - gegen den ausdrücklichen Willen Eberts. Im Wortlaut der Rede Scheidemanns heißt es:
- Der Kaiser hat abgedankt. Er und seine Freunde sind verschwunden, über sie alle hat das Volk auf der ganzen Linie gesiegt. Prinz Max von Baden hat sein Reichskanzleramt dem Abgeordneten Ebert übergeben. Unser Freund wird eine Arbeiterregierung bilden, der alle sozialistischen Parteien angehören werden. Die neue Regierung darf nicht gestört werden, in ihrer Arbeit für den Frieden und der Sorge um Arbeit und Brot. Arbeiter und Soldaten, seid euch der geschichtlichen Bedeutung dieses Tages bewußt: Unerhörtes ist geschehen. Große und unübersehbare Arbeit steht uns bevor. Alles für das Volk. Alles durch das Volk. Nichts darf geschehen, was der Arbeiterbewegung zur Unehre gereicht. Seid einig, treu und pflichtbewußt. Das alte und morsche, die Monarchie ist zusammengebrochen. Es lebe das Neue. Es lebe die deutsche Republik!
Stunden später erfolgte am Berliner Stadtschloss die Proklamation der Freien Sozialistischen Republik Deutschland - also der Räterepublik - durch Liebknecht.
Den Ausschlag in der Machtfrage gab ein Telefonat, das Friedrich Ebert noch in der Nacht vom 9. auf den 10. November mit General Groener, dem neuen Chef der Obersten Heeresleitung in Spa führte. Groener sicherte Ebert die Unterstützung des Heeres zur Aufrechterhaltung der neuen staatlichen Ordnung zu. Eberts Ziel war es, die Revolution in geordnete Bahnen zu lenken, eine Räterepublik nach russischem Vorbild zu verhindern und eine bürgerliche Demokratie zu etablieren. Dazu war er auch bereit, ein geheimes Bündnis mit den gegenrevolutionär gesinnten Militärs einzugehen. Dieses Bündnis aber sollte sich als verhängnisvoll erweisen, da das Gros der Militärs sich auch in Zukunft - anders als Ebert erwartet hatte - nicht für die neue demokratische Ordnung gewinnen ließ, während die SPD-Führung gleichzeitig immer mehr Vertrauen bei den revolutionären Arbeitern und Soldaten einbüßte. Diese erwarteten ein Ende der Militärherrschaft und die Wiedervereinigung der beiden sozialdemokratischen Parteien. Das Vorgehen der SPD-Führung erschien ihnen zunehmend unverständlich.
Übergang zur Republik
Am 10. November trat als provisorische Regierung unter Eberts Vorsitz der 6-köpfige Rat der Volksbeauftragten zusammen, paritätisch besetzt mit Vertretern der SPD und der USPD. Stellvertreter Eberts im Rat wurde Hugo Haase. Tags darauf, am 11. November, wurden die Kampfhandlungen des Ersten Weltkriegs mit dem Waffenstillstandsabkommen vom Compiègne eingestellt, das der Zentrumsabgeordnete Matthias Erzberger im Auftrag der neuen deutschen Regierung unterzeichnet hatte.
Die Arbeiter- und Soldatenräte im ganzen Reich hatten mittlerweile Abgeordnete nach Berlin geschickt, die am 16. Dezember im Zirkus Busch einen Rätekongress bildeten. Für wenige Tage bestand eine Doppelherrschaft von SPD-geführter Reichsregierung und Räten. Letztere waren aber in ihrer Mehrheit ebenfalls Anhänger der SPD. Daher billigten sie dem Spartakusbund keine Einflussnahme zu und unterstützten den Regierungsbeschluss, so bald wie möglich Wahlen zu einer verfassunggebenden Nationalversammlung durchzuführen.
Aufstände im Gefolge der Revolution
An Weihnachten 1918 und in den ersten Januartagen 1919 kam es in Berlin zum so genannten Spartakusaufstand radikalisierter Arbeiter und Soldaten. Sie standen dem Spartakusbund zwar nahe, die Spartakisten selbst hatten jedoch nur relativ geringen Einfluss auf die Geschehnisse. Erst nach dem Ausbruch der Unruhen, setzte sich Karl Liebknecht an die Spitze der Arbeiter, die aus Enttäuschung über ausbleibende Reformen gehandelt hatten. Sie forderten von der neuen Regierung unter anderem die Verstaatlichung von Teilen der Großindustrie, die Demokratisierung von Verwaltung und Militär und weitere revolutionäre Maßnahmen, um bereits vor dem Zusammentritt der Nationalversammlung Fakten zu schaffen.
Der Aufstand wurde schließlich von regierungstreuen Truppen und republikfeindlichen Freikorpseinheiten unter der politischen Führung von Gustav Noske blutig niedergeschlagen. Aus Protest gegen dieses Vorgehen traten die drei Vertreter der USPD am 29. Dezember aus dem Rat der Volksbeauftragten aus. Am 15. Januar 1919 ermordeten Freikorpssoldaten unter anderen Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, obwohl letztere sich ausdrücklich gegen einen bewaffneten Aufstand ausgesprochen hatte. Liebknecht und Luxemburg hatten am 1. Januar 1919 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) mit begründet.
Auch in anderen Gegenden Deutschlands - beispielsweise im Ruhrgebiet und in Sachsen - kam es in den ersten Monaten des Jahres 1919 zu bewaffneten Aufstandsversuchen. In einigen Regionen wurden vorübergehend Räterepubliken ausgerufen. Am längsten hielt sich die Münchner Räterepublik, der preußische, württembergische und Freikorps-Truppen erst am 2. Mai 1919 ein gewaltsames Ende setzten.
Eine reale Gefahr, dass in Deutschland eine bolschewistische Diktatur nach sowjet-russischem Vorbild hätte installiert werden können, hat nie bestanden. Das Bündnis zwischen der Regierung Ebert und der Obersten Heeresleitung und deren brutales Vorgehen während der verschiedenen Aufstände hat jedoch viele linke Demokraten der SPD entfremdet. Viele von ihnen betrachteten das Verhalten Eberts, Noskes und anderer SPD-Führer während der Revolution als Verrat an ihren eigenen Anhängern. Dies sollte sich für die Entwicklung der Weimarer Republik als schwere Hypothek erweisen.
Die Nationalversammlung
Am 19. Januar 1919 fanden schließlich die Wahlen zur verfassungsgebenden Nationalversammlung statt. Dabei wurde die SPD mit 37,4 % der Stimmen stärkste Partei und ging eine Koalition mit dem Zentrum und der DDP ein. Die Nationalversammlung trat, um den revolutionären Nachwirren in Berlin zu entgehen, am 6. Februar in Weimar zusammen. Dort wurde am 11. August die neue Reichsverfassung verabschiedet, die das Deutsche Reich zu einer demokratischen Republik machte.
Historische Einordnung
Die Revolution war beendet und der Übergang zur demokratischen Republik schien gesichert. Dass die Weimarer Republik sich dann als schwache Demokratie erwies und schon 14 Jahre später unterging, hat auch mit ihren Geburtsfehlern während der Novemberrevolution zu tun.
Von großer Bedeutung war die Tatsache, dass die kaiserliche Regierung und die Oberste Heeresleitung sich frühzeitig der Verantwortung entzogen und die Bewältigung der von ihnen verschuldeten Niederlage im 1. Weltkrieg den Mehrheitsparteien des Reichstags aufbürdeten. Welches Kalkül dahinter steckte, belegt ein Zitat aus der Autobiographie des Ludendorff-Nachfolgers Groener:
- Mir konnte es nur lieb sein, wenn bei diesen unglückseeligen [Waffenstillstands-]Verhandlungen, von denen nichts Gutes zu erwarten war, das Heer und die Heeresleitung so unbelastet wie möglich blieb. (zit. nach Schulze, s.u., S. 149)
So entstand die so genannte Dolchstoßlegende, nach der die Revolutionäre dem "im Felde unbesiegten" Heer in den Rücken gefallen seien und erst damit den fast sicheren Sieg in eine Niederlage verwandelt hätten. Zur Verbreitung dieser Geschichtsfälschung trug wesentlich Erich Ludendorff bei, der sein eigenes Versagen damit kaschieren wollte. In nationalistischen und völkischen Kreisen fiel die Legende auf fruchtbaren Boden. Dort wurden die Revolutionäre und selbst Politiker wie Ebert - der die Revolution gar nicht gewollt und alles getan hatte, um sie zu kanalisieren und einzudämmen - bald als "Novemberverbrecher" diffamiert. Selbst vor politischen Morden, etwa an Matthias Erzberger, schreckte die radikale Rechte nicht zurück, und es war eine bewusste Symbolik, dass Hitler und Ludendorff ihren Putschversuch von 1923 ebenfalls an einem 9. November unternahmen.
Die Republik war vom Zeitpunkt ihrer Geburt an mit dem Stigma der Niederlage behaftet. Ein Großteil des Bürgertums und der alten Eliten aus Militär, Justiz und Verwaltung akzeptierten die neue Staatsform nie, sondern sahen in der demokratischen Republik ein Gebilde, das bei erster Gelegenheit wieder beseitigt werden sollte. Auf der Linken dagegen trieb das Verhalten der SPD-Führung während der Revolution viele ihrer einstigen Anhänger den Kommunisten zu. Die gebremste Novemberrevolution führte dazu, dass Weimar eine "Demokratie ohne Demokraten" wurde.
Literatur
- Harry Graf Kessler, Tagebücher 1918 bis 1937, Frankfurt am Main 1982
- Sebastian Haffner, Die deutsche Revolution 1918/1919, München 1979 (u.a. ISBN 349961622X); auch veröffentlicht unter dem Titel Der Verrat, Berlin 2002 , ISBN 3-930278-006
- Hagen Schulze, Weimar. Deutschland 1917-1933, Berlin 1982
- Heinrich August Winkler, Weimar 1918-1933, München 1993
- Eberhard Kolb, Die Weimarer Republik, München 2002 ISBN 3486497960
- Ottokar Luban, Die ratlose Rosa. Die KPD-Führung im Berliner Januaraufstand 1919. Legende und Wirklichkeit, Hamburg 2001 ISBN 387975960X
- Detlef J.K. Peukert, Die Weimarer Republik. Krisenjahre der klassischen Moderne, Frankfurt am Main 1987, ISBN 3-518-11282-1
- Ulrich Kluge, Soldatenräte und Revolution, Göttingen 1975, ISBN 3-325-35965-9
- Arthur Rosenberg, Geschichte der Weimarer Republik, Frankfurt am Main 1961 (Erstausgabe: Karlsbad 1935), ISBN 3-434-00003-8 [zeitgenössische Deutung]
- Eberhard Kolb und Klaus Schönhoven, Regionale und Lokale Räteorganisationen in Württemberg 1918/19, Düsseldorf 1976 ISBN-3-7700-5084-3
- Günter Cordes, Das Revolutionsjahr 1918/19 in Württemberg und die Ereignisse in Ludwigsburg (Ludwigsburger Geschichtsblätter, Heft 32), Ludwigsburg 1980
- Klaus Schönhoven, Die württembergischen Soldatenräte in der Revolution von 1918/19 (Zeitschrift für Württembergische Landesgeschicte, Jg. 33, 1974), Stuttgart 1976
- Paul Hahn, Der rote Hahn. Eine Revolutionserscheinung, Stuttgart 1922
- Wilhelm Keil, Erlebnisse eines Sozialdemokraten, 2. Bd., Stuttgart 1948
Weblinks
- http://www.dhm.de/lemo/html/weimar/revolution/
- http://www.novemberrevolution.de/
- http://www.dsg.ch/novrev.htm
- http://www.bundestag.de/info/parlhist/g1929_1.html
- http://www.preussen.de/de/geschichte/preussenlexikon/n-z/novemberrevolution_1918.html
- Richard Müller, Räte in Deutschland
- Literatur und Zitate zur geschichtswissenschaftlichen Einschätzung der Revolution
- http://www.fes.de/fulltext/historiker/00186001.htm - Kommentar von Reinhard Rürup: "Die Revolution von 1918/19 in der deutschen Geschichte" - Vortrag für die Friedrich Ebert-Stiftung von 1993 anläßlich des 75. Jahrestags der Novemberrevolution.