Russische Befreiungsarmee
Die Russische Befreiungsamee (russisch Русская Освободительная Армия - РОА, Russkaja Oswoboditel'naja Armija - ROA, auch Wlassow-Armee) war ein Freiwilligenverband, der an der Seite der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg kämpfte. Die ROA wurde von dem früheren Generalleutnant der Roten Armee Andrei Andrejewitsch Wlassow organisiert, der alle Russen im Kampf gegen die stalinistische Sowjetunion vereinen wollte. Unter den Freiwilligen waren Kriegsgefangene, Ostarbeiter und russische Emigranten.
Geschichte
Bereits im Frühjahr 1944 stellte die Waffen-SS verschiedene russische Einheiten auf. Dazu zählte das am 28. April gegründete XV. Freiwilligen-Kosaken-Kavallerie-Korps. Der SS-Chef und Oberbefehlshaber des Ersatzheeres Heinrich Himmler überzeugte den zunächst zögerlichen Adolf Hitler davon, eine Russische Befreiungsarmee mit zehn Grenadier-Divisionen, einem Panzer-Verband und eigenen Luftstreitkräften zu gründen. Die neue Armee sollte schließlich rund eine Million Soldaten umfassen.
Die Rekrutierung begann im Herbst 1944. Es wurden sowjetische Kriegsgefangene und Hilfswillige verschiedener deutscher Militäreinheiten angesprochen. Dabei kam den Werbern die lebensbedrohlichen Bedingungen in den deutschen Kriegsgefangenenlagern entgegen. Viele russische Gefangene wählten lieber die ROA als das Risiko, in den Lagern an Hunger oder Krankheit zu sterben.
Ab dem 10. November 1944 wurde als erste ROA-Division die 600. Infanterie-Division auf dem Truppenübungsplatz Münsingen aufgestellt. Am 17. Januar 1945 eine zweite Division, die 650. Infanterie-Division auf dem Truppenübungsplatz Heuberg. Außerdem wurden eine Reservebrigade und eine Panzerjäger-Brigade aufgestellt. Am 19. Dezember 1944 befahl Göring die Aufstellung von ROA-Luftstreitkräften. Sie umfassten eine Jagdstaffel (16 Messerschmitt Me 109 G), eine Nachtschlachtstaffel (zwölf Junkers Ju 88), eine Bomberstaffel (fünf Heinkel He 111) und eine Verbindungsstaffel sowie eine Luftnachrichten-Abteilung und ein Fallschirmjäger-Bataillon.
Am 10. Februar 1945 übergab der General der Freiwilligenverbände im OKH, General der Kavallerie Ernst August Köstring, Generalleutnant Wlassow die erste ROA-Division auf dem Truppenübungsplatz Münsingen. Insgesamt kämpften 71 ROA-Bataillone an der Ostfront und 42 Bataillone dienten in Belgien, Frankreich, Italien und in Finnland.
Am Ende des Krieges bestand nur noch die 600. Infanterie-Division unter dem Kommando General Sergei Bunjatschenkos. Sie focht am 13. April 1945 erfolgreich gegen einen sowjetischen Brückenkopf an der Oder-Front. Dabei fielen über 150 russische Soldaten. Danach wechselte die ROA-Infanteriedivision die Seiten und kämpfte am 6. Mai 1945, beim Aufstand in Prag, gegen die Reste der deutschen Besatzungstruppen.
Nach Kriegsende wurden die Angehörigen der Russischen Befreiungsarmee wie auch andere frühere Bürger Russlands von den Vereinigten Staaten - gemäß der in Jalta im Februar 1945 getroffenen Übereinkunft zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion über die befreiten Kriegsgefangenen und Zivilpersonen - an die Sowjetunion übergeben.[1] Nach Auffassung Michael A. Ledeens und anderer war dies völkerrechtswidrig.[2] Bruce Cronin legt jedoch dar, dass die Verpflichtung gegenüber dem Prinzip der Staatssouveränität und dem internationalen Recht dies unabdingbar machten. [3]
Teile der ROA sollen vor ihrem Abtransport nach Torgau im ehemaligen KZ Lichtenburg in Prettin untergebracht worden sein.
In Moskau wurden Wlassow und neun seiner Generäle am 1. August 1946 nach einem kurzen Prozess hingerichtet. Die übrigen Soldaten wurden, zum Teil ohne Gerichtsverfahren, in sibirische Zwangsarbeitslager (Gulag), deportiert. Über das Schicksal der Männer ist nichts bekannt, möglicherweise sind sie im Gulag umgekommen.
Politische Debatte
Nach Ansicht einiger russischer Militärhistoriker war es Wlassow mit Hilfe deutscher Freunde gelungen, sich an der Spitze einer unabhängigen Russischen Nationalarmee gegen Stalins Regime zu erheben. Die Armeeangehörigen hätten mehrheitlich weniger mit dem nationalsozialistischen Deutschland sympathisiert, sondern ausschließlich gegen Stalin kämpfen wollten, um ihr Land vom Bolschewismus zu befreien.
Nach Auffassung der Sowjetunion dagegen handelte es sich bei den Angehörigen der ROA um Kollaborateure, die den Naziterror unterstützten. Auch im heutigen Russland halten viele, meist ältere Bürger die Angehörigen der Befreiungsarmee für Verräter. Bis heute wehren sich ROA-Angehörige gegen die Behauptung, ihre Armee sei, wie der ROA-Ziehvater, SS-Chef Heinrich Himmler, antisemitisch gewesen.
Kommandeure
- Andrei Andrejewitsch Wlassow, Generalleutnant und Oberbefehlshaber
- Sergei Bunjatschenko, Generalmajor und Befehlshaber der 600. Division
- Georgi Zwerew, Generalmajor und Befehlshaber der 650. Division
- Viktor Malzew, Generalmajor und zuständig für die Luftstreitkräfte
Quellen
- ↑ Agreement Between the United States and the Soviet Union Concerning Liberated Prisoners of War and Civilians. In: United States Department of State. Foreign relations of the United States. Conferences at Malta and Yalta, 1945. U.S. Government Printing Office, Washington, D.C. 1945, S. 985-7.
- ↑ [http://www.aei.org/publications/pubID.11598/pub_detail.asp It Didn't Start with Elian, oder: Wall Street Journal on May 11, 2000.
- ↑ vgl. Bruce Cronin: Institutions for the Common Good: International Protection Regimes in International Society. Cambrige University Press, Cambridge 2003, ISBN 052153187X, S. 166.
Literatur
- K. M. Aleksandrov: Oficerskij korpus armii general-lejtenanta A. A. Vlasova 1944 – 1945. Russko-Baltijskij Informacionnyj Centr Blic, Sankt-Peterburg 2001, ISBN 5-86789-096-1.
- Vjaceslav Pavlovic Artem'ev: Pervaja divizija ROA. Antario, London 1974.
- K. M. Aleksandrov: Protiv Stalina: vlasovcy i vostocnye dobrovol'cy vo Vtoroj mirovoj vojne. Sbornik statej i materialov. Juventa, Sankt-Peterburg 2003.
- S. Drobjazko, Chudoznik A. Karascuk: Vtoraja mirovaja vojna, 1939 - 1945. Russkaja Osvoboditel'naja Armija. Ast, Moskva 1998, ISBN 5-237-00585-3.
- Joachim Hoffmann: Die Tragödie der Russischen Befreiungsarmee 1944/45. Wlassow gegen Stalin, Herbig, München 2003, ISBN 3-7766-2330-6.
- Matthias Schröder: Deutschbaltische SS-Führer und Andrej Vlasov 1942-1945. „Russland kann nur von Russen besiegt werden“. Erhard Kroeger, Friedrich Buchardt und die „Russische Befreiungsarmee“. 2. Auflage. Schöningh Verlag, Paderborn 2003, ISBN 3-506-77520-0.
- Jürgen Thorwald: Die Illusion: Rotarmisten gegen Stalin. Die Tragödie der Wlassow-Armee. Knaur Taschenbuchverlag, 1976, ISBN 3-426-80066-7.
- Materialy po istorii Russkogo Osvoboditel'nogo Dvizenija: 1941 - 1945 gg. Graal', Moskva 1997-
- The United States and Forced Repatriation of Soviet Citizens, 1944-47 by Mark Elliott Political Science Quarterly, Vol. 88, No. 2 (Jun., 1973), pp. 253-275
Weblinks
- Deutschlandfunk zur Russischen Befreiungsarmee, 2001
- Gedenkkreuz und Gedenksteine für die Wlassow-Armee auf dem Prager Friedhof Olsany II
- In der bibliographischen Datenbank RussGUS werden zu diesem Thema ca. 50 Publikationen nachgewiesen (unter Formularsuche / Sachnotationen: 12.3.4.5.3.4.8.1 )