Judentum
Das Judentum bezeichnet die Gesamtheit aus Kultur, Geschichte und religiöser Tradition eines Volkes Israel, das der einzige Träger des jüdischen Glaubens ist und seine Herkunft mythisch, legendär und geschichtlich im Tanach und anderen Schriften festhält und vielfach religiös, zeitlos, kulturell, philosophisch und ethisch deutet und ausformt. Das Judentum ist die älteste schriftlich ausgeführte monotheistische Religion der Welt.
Volk, Kultur
Der jüdischen Überlieferung nach hatte Jakob, der seit dem Ringkampf am Jabbok (1.Mose 32) Israel genannt wurde, zwölf Söhne, die zu den Stammvätern der zwölf Stämme Israels wurden: Ruben, Simeon, Levi, Juda, Isaschar, Sebulon, Benjamin, Dan, Naphtali, Gad, Asser und Joseph.
Diese Volksstämme hatten sich ursprünglich im heutigen Palästina und Israel angesiedelt. Ursprünglich bezog sich der Begriff "Judentum" nur auf einen dieser Stämme, den Stamm Juda, der das Königreich Juda in Palästina bildete.
Bereits in hellenistischer Zeit fanden Auswanderungsbewegungen aus Palästina statt, spätestens seit der Zerstörung des jüdischen Staates im 2. Jhd. nach Christus zerstreuten sich die Juden als regional greifbares und geschlossenes Volk endgültig, wobei jedoch die große Mehrheit im Römischen Reich siedelte. Die Anhänger des Judentums verteilten sich dann im Mittelalter auch in andere Teile Europas, besonders auch nach Osteuropa, sowie in die islamischen Welt und im Anschluss (Vertreibung aus Spanien 1492) wieder ins heutige Palästina sowie auch in die neue Welt. Die Angehörigen wurden oft verfolgt und ghettoisiert, stellenweise etablierten sie sich aber unter Beibehaltung von Glaube und Tradition als integraler Bestandteil der lokalen Gesellschaften.
Seitdem bezeichnet der Begriff Jude im Wesentlichen all jene, die ihre Herkunft auf den Ahn Israel zurückführen, insbesondere diejenigen, die von einer jüdischen Mutter geboren wurden; er schließt aber auch die ein, die aus welchen Gründen auch immer zum jüdischen Glauben übergetreten sind (Gijur).
Im Jahr 1934 wurden statistisch 17 Millionen jüdische Menschen auf der Welt angegeben. Nach der Katastrophe der Schoa, während der sechs Millionen Juden (und sechs Millionen weitere Opfer verschiedener Religionen) von den Nationalsozialisten ermordet wurden, kam es zur Gründung des heutigen demokratischen Staates Israel, in dem das Judentum im laizistischen Staat eine wichtige Rolle spielt (siehe hierzu: Portal Israel/Palästina. Heute leben mehr als 13 Millionen Juden in fast allen Ländern der Erde, davon etwa 5,8 Millionen in den USA und etwa 4,9 Millionen in Israel. Die Mehrzahl der übrigen verteilt sich auf Kanada, Ungarn, der Ukraine, Frankreich, Argentinien und Russland, seit der Wiedervereinigung auch wieder in Deutschland. Israel ist dabei das einzige Land der Erde, dessen Kultur primär jüdisch geprägt ist.
Aufgrund der besonderen Geschichte und religiöser Tradition sind die Begriffe Judentum und Volk Israel schwer auseinander zu halten. Dennoch wird die Volkszugehörigkeit nur selten als "ausschließlich jüdisch" gesehen. So ist es im Selbstverständnis der meisten Juden nicht verwunderlich, sich auch als Mitglied des Staates zu betrachten, in dem sie leben, Die Bundesrepublik Deutschland stellt dabei eine Ausnahme dar.
Das Judentum ist seit Jahrtausenden häufig Gegenstand religiöser, ideologischer und politischer Auseinandersetzungen, in der Neuzeit teilweise auch zur Rechtfertigung oder Widerlegung antisemitischer Ressentiments. Strömungen innerhalb des Zionismus stützen sich auf einen jüdischen Volksbegriff und leiten daraus Gebietsansprüche auf das alttestamentarische Israel ab; diese Auffassung wird nicht von allen Juden geteilt; die stärkste innerjüdische Ablehnung des Zionismus kommt von ultraorthodoxen Juden. Die heutige Politik des Staates Israel stellt ihre Fundamente nicht mehr aud den religiösen Boden des Judentums, Gebietsansprüche und Kriege werden laizistisch-staatlich begründet.
Jüdischer Glaube
Der Glaube ist im Judentum keineswegs von so zentraler Bedeutung wie er es im Christentum und Islam ist, den beiden Schwesterreligionen. Dies ist verständlich, wenn man weiss, dass ein Nihilist oder ein Atheist vollwertig ein Jude sein kann und die Synagoge regelmässig besucht. Auch wandelten sich die religiösen Vorstellungen in der Geschichte und in der Vorgeschichte des Judentums. Niedergelegt in der Tora (=hebräische Bibel), beschreibt der jüdische Glaube, insbesondere die Gottesvorstellung und Gotteserkenntnis eine Wandlung. Näheres will der Artikel jüdischer Glaube liefern!
Die religiösen Strömungen des Judentums der Gegenwart
In der Gegenwart können verschiedene kategorisierende Gruppierungen der Strömungen des religiösen Judentums vorgenommen werden. Beginnen wir mit der Einteilung in orthodoxe und nicht-orthodoxe jüdische Strömungen. Hierbei ist wichtig, dass für das adj. nicht-orthodox synonym auch progressiv, reform oder liberal in einem weiteren Sinne genommen wird; wohingegen konservativ mit dem Begriff konservatives Judentum belegt ist, einer der nicht-orthodoxen Strömungen!
Genau ist der grundlegende Unterschied zwischen orthodoxem Judentum und den nicht-orthodoxen Strömungen das Verständnis der Offenbarung am Berg Sinai (Mosche empfängt die Tora). Das nicht-orthodoxe Judentum versteht diese Offenbarung nicht als absolut, sondern als einen progressiven (= fortschreitenden) Prozess des Dialogs Gottes mit seinem Volk, in der Zeit und in den Kulturen. Im Kontext dieser historisch-kritischen Auslegung der Offenbarung entstanden alle nicht-orthodoxen Strömungen des Judentums. Da sie alle die Entwicklung betonen, gehören diese alle zum progressiven Judentum im weitesten Sinne. Im engeren Sinne bestimmt der Begriff progressives Judentum jedoch alle Gruppen des Reform-Judentums, die sich im Verband Weltunion für progressives Judentum zusammengeschlossen haben.
Etwa 13 Millionen Juden leben auf der Erde. Zwei Drittel des religiös geprägten Judentums sind nicht zur Orthodoxie gehörend, ein Drittel zählt sich zum orthodoxen Judentum mit seinen verschiedenen Unterströmungen.
Alle religiösen jüdischen Strömungen der Gegenwart haben ihren Ausgang in den Impulsen der Geistesgeschichte vor allem Deutschlands und Europas ab Ende des 18. Jahrhunderts. - Der Fokus der Entwicklung des Judentums liegt seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in den USA. - Aus Deutschland sind die Beiträge zur Entwicklung jüdischen Denkens und Geistesleben nach der Schoa unbedeutend. Langsam entwickelt sich dieses aber zunehmend unter der Zuwanderung jüdischer Menschen aus der ehemaligen UdSSR, aus der Diaspora Osteuropas und Asiens.
Hauptströmungen des Judentums der Gegenwart:
Andere, kleinere religiöse Strömungen des Judentums der Gegenwart:
- Ultraorthodoxes Judentum
- Neoorthodoxes Judentum
- Jüdische Mystik (siehe: mittelalterliche Kabbala)
- Chassidismus
- Jewish Renewal, oder neo-Chassidismus
Andere laizistische Strömungen des Judentums der Gegenwart:
Siehe auch: Strömungen des Judentums, Säkularismus
Jüdische Geschichte
Siehe: Jüdische Geschichte
Aufsplittung in ethnische Gruppen
In der Geschichte wurden Juden in vier größere Gruppen eingeteilt:
- die Aschkenasim, die vorwiegend in Deutschland oder Frankreich lebten, bevor sie nach Osteuropa auswanderten.
- Die Sephardim, die auf der Iberische Halbinsel (Spanien, Portugal) lebten. .
- Orientalische Juden, die im Nahen Osten und in Nordafrika lebten, in der Folge aber auch nach Mittel- und Südasien wanderten. Orientalische Juden werden oft auch als sephardisch bezeichent, da ihre Traditionen weitgehend übereinstimmen.
- Die jemenitischen Juden (Teimanim), die lange von den übrigen Juden isoliert waren, und dadurch eigene Riten entwickelten.
Die Sephardischen Juden flohen 1492 vor der spanischen Inquisition, und siedelten sich überwiegend im Mittelmeerraum, teilweise aber auch in Mittel- und Westeuropa an (z.B. in Hamburg und Altona). Ihre gemeinsame Sprache ist das Ladino, das unterschiedliche regionale Ausprägungen hat.
Kleinere Gruppen sind
- die äthiopischen Juden (Eigenbezeichnung Beita Israel, andere Bezeichnung Falascha oder Falasha)
- die Misrachim (Juden aus islamischen Ländern),
- die Bene Israel aus Bombay in Indien, und
- die Bnei Israel (auch Shinlung in Nordostindien und Burma, sie stammen angeblich vom jüdischen Stamm der Menaseh (Manasse?) ab)
- die Romanioten, griechisch sprechende Juden des Balkan
- die Tat sprechenden Bergjuden des Kaukasus (Dagestan, Aserbaidschan)
- die turksprachigen Krimtschaken auf der Krim
- die Religionsgemeinschaft der Karaiten, die eine wesentliche Rolle bei der Bekehrung der Chasaren gehabt haben soll
Umstritten ist die Stellung
- einer afghanischen Gruppe, die auf den antiken Stamm Ephraim zurückgehen soll,
- der Lemba in Simbabwe, sowie
- der messianischen Juden (Eigenbezeichnung) oder modernen Judenchristen – zum Christentum konvertierte Juden, die an ihrer jüdischen Identität festhalten sowie ein paar jüdische Traditionen pflegen und die hauptsächlich in den USA zu finden sind. "Messianische" Juden sind nach dem Verständnis aller anderen Strömungen des Judentums (orthodox, konservativ, liberal, reform) im religiösen Sinn keine Juden, da ihre Interpretation der Tradition christlich ist. Hier unterscheiden sich Selbstwahrnehmung und Außenwahrnehmung.
Die Samaritaner sind eine frühzeitige Abspaltung von den Juden im engeren Sinne, die dennoch gewollt oder ungewollt lange deren Schicksal teilten: Aufstände der Juden zogen oft auch die Samaritaner in das Geschehen ein, da die Römer Probleme hatten, diese zu unterscheiden. Wie es in Rom jüdische Synagogen gab, so gab es auch samaritanische. Heute gibt es nur noch sehr wenige Samaritaner.
Sprache
Im Laufe der Zeit sind eine Reihe von Sprachen entstanden, die einen besonders engen Bezug zu jüdischen Gemeinschaften hatten.
- Aramäisch
- Hebräisch hatte lange Zeit nur religiöse Funktionen, bis es in seiner modernen Form als Ivrith wiederbelebt wurde.
- Jiddisch ist traditionell die Sprache der Aschkenasim
- Ladino (auch Sephardisch) ist traditionell die Sprache der Sephardim
- Judeo-Berberisch ist die Sprache jüdischer Berber in Marokko
- Tat (auch: Judeo-Tat) ist die Sprache der Bergjuden des Kaukasus (Dagestan, Aserbaidschan)
Im Alltag sprechen Juden die Sprache des Landes, in dem sie leben.
Jüdische Kultur
Die jüdische Kultur steht in starker Wechselwirkung zu den Kulturen, in denen die jeweilige jüdische Gemeinschaft ihr kulturelles Leben entfaltet, so dass sie kaum isoliert betrachtet werden kann. Dabei spielt die Religion eine unterschiedlich große Rolle.
Durch die Aufsplittung des Europäischen Judentums in die Aschkenasim und Sephardim, haben sich hier zwei auch durch die Sprache unterschiedene Kulturräume entwickelt.
Siehe auch: Jüdisches Brauchtum, Jüdische Feste, Jüdischer Kalender
Jüdischer Humanismus
Die Verarbeitung von Pogromerfahrungen geben den jüdischen Einflüssen in der Kultur nicht selten eine stark humanistische und egalitäre Prägung (bzw. wird hier der jüdische Einfluss am ehesten offensichtlich). Viele Künstler bekennen sich zum (Völkischem) Judentum, begreifen sich aber gleichzeitig als Atheisten. Dies ist nach jüdischem Selbstverständnis kein Widerspruch.
Siehe auch
- Portal Judentum
- Haskala, Haggada, Kabbalah, Schma Israel
- Israel, Zentralrat der Juden in Deutschland, Zionismus
- Jewish Encyclopedia,
- Kawwana, Tachles
- Proselyt, Judenmission
- Zarathustrismus, Christentum, Islam, Hinduismus, Buddhismus, Konfuzianismus, Taoismus, Judenchristen
Literatur
- Paul Spiegel: "Was ist Koscher?", Ullstein 2003, ISBN 3-550-07575-8
- Arthur Herzberg: Wer ist Jude? Hanser 2000, ISBN 3-446-19760-5
Weblinks
- www.hagalil.com - deutschsprachiges jüdisches Internetportal
- www.talmud.de - Jüdisches Leben in Deutschland -heute
- Bedeutende jüdische Persönlichkeiten aus Naturwissenschaft, Philosophie, Musik etc.
- "jüdisch oder was?"
- www.juden.de - Eine umfangreiche Informationsquelle
- Union Progressiver Juden Informationen zu Religion, Gebet, Festen, Hintergründen und Gemeinden
- Das Museum Judengasse in Frankfurt: umfangreiche Informationen über Personen, Familien, Häuser, Berufe und Ereignisse im Frankfurter Ghetto
- deutschsprachige jüdische Medien: Jüdische Allgemeine Zeitung, Aufbau (amerikanisch-deutsche jüdische Zeitung)
- Dossier Jüdisches Leben in Deutschland des Auswärtigen Amtes
- Jewpedia - Wiki über Judentum (englisch)
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