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Lesebühne

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Michael Stein (Reformbühne Heim & Welt 1998)

Eine Lesebühne ist eine Veranstaltungsform, bei der ein festes Autorenensemble (ggf. ergänzt durch Gäste) regelmäßig - z. B. wöchentlich oder monatlich - am gleichen Ort selbst verfasste, oft unterhaltsame Texte vor Publikum vorträgt. Die Beiträge der einzelnen Autoren dauern im Allgemeinen 5 bis 10 Minuten und werden üblicherweise im Stehen gehalten. Durch den Vorsatz der Autoren, wöchentlich oder monatlich neue Texte zu schreiben, erwartet die Besucher mit jeder Veranstaltung ein neues Programm, was auch zu wiederholten Besuchen motiviert und bei vielen Lesebühnen einen hohen Anteil an Stammhörern mit sich bringt. Einige Lesebühnen geben neben den Auftritten auf ihrer Stammbühne auch Gastspiele.

Inhaltlich sind die vorgelesenen Texte grundsätzlich an nichts gebunden; häufig werden auf humorvolle Weise Begebenheiten des Alltags dargestellt, Kindheitserinnerungen erzählt oder soziale Probleme angeschnitten. Oft werden die Geschichten aus der Ich-Perspektive erzählt, da dabei der Vortragende auf seine Bühnenpersönlichkeit, mit der er dem Publikum gegenüber steht, zurückgreifen kann.

Neben den reinen Textvorträgen sind auf vielen Lesebühnen auch musikalische Beiträge anzutreffen, bei denen meist aber der Text im Vordergrund steht.

Obschon in dieser Form in Berlin entstanden, gibt es mittlerweile auch in anderen deutschen Städten Veranstaltungen, die sich "Lesebühne" nennen.

Geschichte

Die Entstehung der Lesebühnen kann man im Berlin der Wendezeit verorten (1988: Höhnende Wochenschau, 1989: Das Mittwochsfazit, 1990: Dr. Seltsams Frühschoppen).

Der Boom der Lesebühnen ist ca. 10 Jahre später zu verorten, als sich die Berliner Lesebühnen im Jahrestakt vermehrten, dann auch die überregionale Presse auf dieses subkulturelle Phänomen aufmerksam wurde und schließlich einige Autoren auch kommerziell bei Verlagen erfolgreich wurden, z.B. Wladimir Kaminer, Jochen Schmidt und Jakob Hein.

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts griff das Phänomen auch auf andere deutsche Städte über. Die Abgrenzung zur Autorenlesung oder zum literarischen Kabarett wird schwieriger, da die Szene sich nicht nur personell und räumlich, sondern auch formal immer weiter ausdifferenziert.

Übersicht (chronologisch)

  • 1988: Höhnende Wochenschau (Berlin-Kreuzberg), Urmutter aller Vorlesebühnen, Gründer: Klaus Nothnagel, Wiglaf Droste, Cluse Krings, Michael Stein und Dr. Seltsam
  • Sommer 1989: Salbader. (Berlin), Zentrales Publikationsorgan der Lesebühnen, Gründer: Hans Duschke, Andreas Scheffler, Horst Evers und Bov Bjerg
  • Herbst 1989: Das Mittwochsfazit (Berlin, FU Berlin), Gründer: Horst Evers, Hans Duschke, Andreas Scheffler, Hinark Husen und Bov Bjerg
  • 29. August 1990: Dr. Seltsams Frühschoppen (Berlin-Mitte, Cafe Paz), Gründer: Hinark Husen, Bov Bjerg, Dr. Seltsam, Hans Duschke, Horst Evers, Andreas Scheffler
  • 1. Januar 1995: Reformbühne Heim und Welt (Berlin, Schokoladen), Gründer: Bov Bjerg und Hans Duschke
  • 1996: Auf hoher See (Berlin, Bergwerk), Gründer: Falko Hennig, Ahne
  • 1. Mai 1996: Mittwochsfazit (Berlin, Schlot), neugegründet von Bov Bjerg, Horst Evers und Manfred Maurenbrecher
  • 4. Juli 1996: LSD - Liebe statt Drogen (Berlin, Zosch), Gründungsname war 'Ein Keller Buntes', Gründer: Tube, Spider, Uwe Beneke, Sabine Mylius, Andre Lange, Klaus Schwarz, Gunar Klemm, Volker Strübing
  • Frühling 1997: Die Surfpoeten (Berlin, Pavillon), Gründer: Ahne, Robert Weber, Michael Stein, Lt. Surf, Hans Duschke
  • November 1998: O-Ton-Ute (Berlin), Gründer: Jan Kettner, Elis, Robert Rescue, Wello Rausch
  • 26. Oktober 1999: Chaussee der Enthusiasten (Berlin-Friedrichshain, Die Tagung), Gründer: Dan Richter, Andreas Gläser, Jochen Schmidt, Robert Naumann, Andreas Rüttenauer
  • 1. Mai 2000: Lokalrunde (Berlin), Gründer: Gunar Klemm, Sascha, Ivo, Michael Ebeling, Mike
  • 9. September 2000: Kantinenlesen (Berlin, Die Kantine), Gründer: Dan Richter, Volker Strübing
  • 2001: visch & ferse (Berlin), Gründer: Timo Berger, Nikola Richter
  • 20. März 2003: Die Brauseboys (Berlin), Gründer: Nils Heinrich, Robert Rescue, Frank Sorge, Volker Surmann, Heiko Werning
  • Januar 2004: Bumsdorfer Gerüchteküche (Braunschweig), Gründer: Axel Klingenberg, Marco Nolte, Adolf Mobmann
  • Oktober 2004: Westend ist Kiez (München), Gründer: Friederike Trudzinski, Felix Bonke, Volker Keidel und Sacha Storz
  • November 2004: Der Frühschoppen (Berlin), Ausgründung des Dr. Seltsams Frühschoppen, Gründer: Hans Duschke, Horst Evers, Hinark Husen, Andreas Scheffler, Sarah Schmidt und Jürgen Witte
  • Dezember 2004: Die Papierpiloten (Potsdam, Waschhaus), Gründer: Konrad Endler, Mira Jones. Später dazu: Marc-Uwe Kling
  • März 2005: Lesebühne am Brüsseler Platz (Köln), Gründer: Adrian Kasnitz, Enno Stahl, Achim Wagner
  • 7. März 2006: Die Lesershow (Berlin, BAIZ), Gründer: Thilo Bock, Robert Rescue, Frank Sorge, Stephan Steckling, Udo Tiffert
  • 1999-2006: Weitere Lesebühnengründungen: Der blaue Drache (aufgelöst), Erfolgsschriftsteller im Schacht (aufgelöst), Marabühne, Dr. Seltsams Club Existenzialiste, Die Sonntagsshow, Lesedüne - alle in Berlin, Zirkeltraining (aufgelöst), Wortpalast, Sitzen 73 - Bielefeld, Mundpropaganda - Nürnberg, Die Hildesheimer Lesebühne

Publikationen

Literatur