Seide




Seide ist eine feine Textilfaser, die aus den Kokons der Seidenraupe, der Larve des Seidenspinners, gewonnen wird. Sie ist die einzige in der Natur vorkommende textile Endlos-Faser. Sie kommt ursprünglich wohl aus China und war eine wichtige Handelsware, die über die Seidenstraße nach Europa transportiert wurde; auch heute wird der Hauptanteil in China produziert, Japan und Indien sind weitere wichtige Erzeugerländer.
Das zugehörige Adjektiv ist seiden.
Geschichte
Schon das alte China kannte die Seide. Ihr Ursprung liegt etwa im 3. Jahrtausend v. Chr. und ist eher von Legenden umrankt, als dass es genaue Jahreszahlen gäbe. Der Sage nach soll der legendäre Kaiser Fu Xi als erster auf den Gedanken gekommen sein, Seidenraupen zur Herstellung von Gewändern zu nutzen. Fu Xi gilt auch als Erfinder eines mit Seidenfäden bespannten Saiteninstruments. Die Sage nennt noch einen weiteren berühmten Kaiser: Shennong, den „Gott des Ackerbaus“, der das Volk gelehrt haben soll, Maulbeerbäume und Hanf anzubauen, um Seide und Hanfleinen zu gewinnen. Xiling, die Gattin des Gelben Kaisers Huáng Dì, hat angeblich im 3. Jahrtausend v. Chr. dem Volk die Nutzung von Kokons und Seide zur Herstellung von Kleidungsstücken beigebracht.
Es war bei Todesstrafe verboten, die Raupen oder ihre Eier außer Landes zu bringen. Im Jahre 555 gelang es jedoch zwei Mönchen, einige Eier zum byzantinischen Kaiser zu schmuggeln. Mit diesen Eiern und dem Wissen, welches sie bei ihrem Aufenthalt in China über die Aufzucht von Seidenspinnern erworben hatten, war jetzt auch außerhalb Chinas eine Produktion von Seide möglich. Sämtliche Seidenspinnerraupen in Europa stammen noch heute von diesen geschmuggelten Eiern ab.
Im 17. bis 19. Jahrhundert war die deutsche Stadt Krefeld am Niederrhein die bedeutendste Seidenmetropole der Welt. Zu den berühmtesten Kunden der kostbaren Textilprodukte aus der so getauften „Samt- und Seidenstadt“ gehörten der französische Kaiser Napoleon und der preußische König Friedrich II. 1828 kam es im Rahmen der wachsenden Unzufriedenheit der deutschen Weber auch in Krefeld zu Aufständen der Seidenweber. Sie protestierten gegen die Lohnkürzungen der Firma von der Leyen.
Herstellung
Nach Art der Gewinnung unterscheidet man zwischen Maulbeerseide, die sich aus der Zucht von Raupen ergibt, die sich von den Blättern des Maulbeerbaums ernähren, und Wildseide, für deren Gewinnung die Kokons bereits geschlüpfter Schmetterlinge verwendet werden.
Bei der Gewinnung von Maulbeerseide werden die Raupen durch das Eintauchen des Kokons in kochendes Wasser oder über Wasserdampf getötet, danach kann der Seidenfaden, bestehend aus der Eiweißsubstanz Fibroin, abgewickelt werden. Durch den langen Seidenfaden kann eine glatte Textiloberfläche entstehen. Bei der Tussahseide hingegen lassen sich, da der geschlüpfte Schmetterling ein Loch im Kokon hinterlässt, nur kurze Fäden gewinnen; Wildseidengewebe hat dadurch eine charakteristisch unregelmäßig-noppige Oberfläche, die durch Fadenverdickungen entsteht.
Um in den Besitz von Seide zu gelangen, muss man die Fäden, in die sich der Seidenspinner einwickelt, vom Kokon abhaspeln. Doch um Qualitätsseide zu erlangen, sind bei der Aufzucht der Seidenraupen besondere Bedingungen ausschlaggebend, die früher geheimgehalten wurden. Diese dürften die Ursache für das Mysterium gewesen sein, welches die Seide jahrhundertelang umgab.
Verschiedene Seide-Qualitäten
- Bouretteseide
- Dupionseide
- Haspelseide
- Maulbeerseide
- Noileseide
- Schappeseide
- Tussahseide (Wildseide)
Aufbau und Eigenschaften
Da Seide aus dem Eiweiß Fibroin besteht, kann sie als natürliche Polyamid-Faser bezeichnet werden. Die sich wiederholende Folge der Aminosäuren lautet Gly-Ser-Gly-Ala-Gly-Ala, so dass sich folgende Strukturformel ergibt:
Aufgrund ihrer chemischen Zusammensetzung und des besonderen, nahezu dreieckigen Querschnitts der Faser unterscheiden sich ihre Eigenschaften etwas von denen synthetischer Polyamidfasern.
Seide zeichnet sich durch ihren Glanz und ihre hohe Festigkeit aus und wirkt isolierend gegen Kälte und Wärme. Sie kann bis zu einem Drittel ihres Gewichtes an Wasser einlagern. Seide neigt wenig zum Knittern. Auf Seidenstoffen werden besonders brillante Farben erzielt. Empfindlich ist Seide gegenüber hohen Temperaturen, Abrieb und Wasserflecken. Bei intensiver Lichteinstrahlung verblassen die Farben und die Seide vergilbt.
Aufgrund der Wasserempfindlichkeit müssen Seidenstoffe vorsichtig mit der Hand gewaschen werden; wohl können sie aber chemisch gereinigt werden. Gebügelt wird von links bei mittlerer Temperatur (Stufe 2). Eine Chlorbleiche und eine Tumblertrocknung ist nicht möglich.
Physikalische Daten entbasteter Seide
- Dichte: 1,25g/m³
- Faserdicke: 12-25µm
- Reißlänge: 50km
- Zugfestigkeit: 350MPa
- Dehnung: 24%
- Elastizitätsmodul (Steifigkeit): die höchste aller Naturfaserstoffe
- Feuchtigkeitsaufnahme: <30% des Eigengewichts
- Naßfestigkeit: ca 85% der Trockenfestigkeit
- Hygroskopisch
Quelle: [1]
Redensarten
- „Samt und Seide“ (von Menschen: soviel wie „sanftmütig und kostbar“)
- (ironisch:) „Ein Kerl wie Samt und Seide, nur schade, dass er suff.“
- „Oben Seide, unten meide!“ (Warnspruch vor losen Mädchen)
Sprachgebrauch
Da Seide ein teurer und nur in höheren Ständen gebräuchlicher Kleidungsstoff war, bezeichnete das Adjektiv halbseiden eine Frau, die sich, ohne dazu zu gehören, zum Beispiel als Kokotte in diesen Kreisen bewegte.