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Antisemitismusforschung

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Die Antisemitismusforschung untersucht die komplexen Ursachen und Formen des modernen, völkisch-nationalistisch und rassistisch geprägten Antisemitismus, seiner antiken und mittelalterlichen Wurzeln und seiner gegenwärtigen Fortsetzungen und bietet wissenschaftliche Erklärungsansätze dafür an. Diese nennt man Antisemitismustheorien.

Überblick

Erklärungen für Judenfeindlichkeit werden seit dem 18. Jahrhundert gesucht, haben also die Entstehung des Antisemitismus von Beginn an begleitet. Eine systematische wissenschaftliche Forschung wurde daraus jedoch erst seit dem Holocaust. Die neuere Antisemitismusforschung vieler Länder richtet besondere Aufmerksamkeit auf die Aufhellung seiner unmittelbaren und mittelbaren, kurz- und langfristigen Ursachen.

Sie ist jedoch kein fest umrissenes Fachgebiet, sondern umgreift vielfältige Forschungsansätze und wissenschaftliche Teildisziplinen, die sich dem Phänomen des Antisemitismus von sehr verschiedenen Seiten her nähern. Sie thematisieren sowohl die Einzelepochen wie auch übergreifende Zusammenhänge - etwa zwischen christlichem Antijudaismus und Rassismus -, sowohl die Kontinuitäten in allen Formen von Judenfeindlichkeit wie auch ihre Differenzen und Transformationen im Lauf der Geschichte Europas.

Die heterogenen und multinationalen Forschungsansätze haben eine Institutionalisierung der Antisemitismusforschung lange Zeit erschwert. Erst 1982 kam es unabhängig voneinander zur Einrichtung zweier universitärer Zentren:

Das Jerusalemer Institut vertritt einen weiten Begriff von Antisemitismus als Oberbegriff für alle Formen von Judenfeindlichkeit und untersucht diese von der Antike bis zur Gegenwart in allen möglichen Ländern. Einen Überblick über seine wie auch amerikanische und deutsche Forschungsergebnisse bietet die vierbändige Reihe Current Research on Antisemitism, herausgegeben von Herbert A. Strauss und Werner Bergmann.

Das Berliner Institut dagegen verwendet den Begriff im engeren Sinne für die „moderne“, völkisch-rassistisch geprägte Judenfeindlichkeit, die seit 1789 entstand und sich seit 1871 in Deutschland unter diesem Begriff als politische Bewegung etablierte. Ihr Schwerpunkt liegt daher auf der europäischen, besonders der deutschen Geschichte. Es ist interdisziplinär aufgebaut und bemüht sich um eine Bündelung der in verschiedenen Disziplinen durchgeführten Einzeluntersuchungen. Dazu gibt es das Jahrbuch für Antisemitismusforschung [1] heraus.

Aufklärerische Kritik am religiösen Vorurteil

Die christliche Theologie des Mittelalters projizierte die Lage und das Leiden der jüdischen Minderheit in christlich dominierten Gesellschaften stets als „Strafe“ oder „Fluch Gottes“ auf die Betroffenen zurück und wirkte damit als sich selbst erfüllende Prophezeiung. Die Juden blieben als "Zeugen der Wahrheit Christi" (Papst Paul IV., 1555) aus der christlich- ständischen Gesellschaftsordnung ausgeschlossen und wurden, in der Theorie, nicht als Juden, sondern nur als potentielle Christen toleriert. Die ihnen auferlegten Diskriminierungen sollten sie zum Übertritt zum Christentum animieren und somit zur Erfüllung der christlichen Heilsgeschichte beitragen.

Demgegenüber begann die Aufklärung, diese Deutungsmuster zu durchbrechen und als irrationalen Aberglauben zu kritisieren. Sie wurden nun nicht länger als eine Art Naturgesetz, sondern als zweck- und interessenbestimmte Vorurteile betrachtet, die es durch Menschenbildung und sozialen Fortschritt aufzuheben gelte. Dabei wurden die Juden nicht mehr als heilsgeschichtlicher Gegenpol zur jenseitigen Erlösung im Christentum, sondern als gleichberechtigte und daher zu emanzipierende Staatsbürger eingeordnet. Ihre - auch von der Aufklärung negativ bewerteten - religiösen, sozialen und ökonomischen Eigenschaften wurden fortan auf die Jahrhunderte dauernde Diskriminierung und Verfolgung zurückgeführt.

Die aufgeklärte Kritik am mittelalterlichen Judenhass klammerte die jüdische Religion aus der Erklärung für die christlichen Vorurteilsstrukturen aus. Sie betraf als Kritik an jeder Religion das Judentum indirekt mit und zielte auf seine Aufhebung in einer von einer religionslosen Vernunft bestimmten Humanität. Die klassische Formulierung dieser säkularen Utopie findet man bei Gotthold Ephraim Lessing. Sein Stück Nathan der Weise beschwor die Toleranz der drei monotheistischen Weltreligionen und ließ gerade die jüdische Hauptfigur - eine Hommage an Lessings engen Freund Moses Mendelssohn - diese vertreten. Andererseits propagierte Lessing wenige Jahre später mit der Bildung des Menschengeschlechts die notwendige Aufhebung des „jüdischen Kinderglaubens“ und lehnte damit seinerseits das konkrete Judentum seiner Zeit ab.

Die Ambivalenz der aufklärerischen Kritik an Judenfeindlichkeit zeigte sich vor allem an den Plänen zur Judenemanzipation. Diese war vielfach nicht aus Philosemitismus oder den Menschenrechten heraus begründet, sondern aus politischen Interessen an der Wirtschaftsförderung und Homogenisierung des modernen Staates. Die Assimilation der Juden, d.h. die Aufgabe ihrer ethnischen und religiösen Besonderheiten, wurde als Ergebnis oder sogar Voraussetzung für ihre rechtliche Gleichstellung eingefordert. [2] Im deutschsprachigen Raum war die Schrift Über die bürgerliche Verbesserung der Juden (1781) [3] von Christian Wilhelm Dohm für diese Position maßgebend. Nur in Frankreich wurde die rechtliche Gleichstellung der Juden 1791 bedingungslos in einem Gesetzesakt vollzogen, während sie in Deutschland über gut 100 Jahre hinweg (1812-1918) auf kleine, oft revidierte Teilschritte ausgedehnt wurde. Die Würdigkeit der Juden, Inhaber gleicher Rechte zu sein, wurde am Fortgang ihrer Assimilation gemessen, was in der Folgezeit einen Ansatzpunkt für Judenfeindlichkeit bildete.

Marxistische Ideologiekritik

Mit dem Aufsatz Zur Judenfrage (1843) von Karl Marx begann die Tradition der marxistischen Deutung von Judenemanzipation und Antisemitismus vor dem Hintergrund einer allgemeinen Kapitalismuskritik. Judenemanzipation müsse als Emanzipation vom Judentum begriffen werden, weil die jüdische Religion den zu überwindenden Geist des Kapitalismus repräsentiere.

"Die politische Emanzipation des Juden, des Christen, überhaupt des religiösen Menschen, ist die Emanzipation des Staats vom Judentum, vom Christentum, überhaupt von jeder Religion." [4]

Dies sei aber ausschließlich über den Klassenkampf und nicht über den antisemitischen Rassenkampf erreichbar. Der Antisemitismus sei als manipulative Ablenkung von realen Klassengegensätzen zu begreifen, als eine Ersatzideologie zur Kanalisierung sozialer Unzufriedenheit. Nach Friedrich Engels stellt er eine Abwehrreaktion vorkapitalistischer Gesellschaftsschichten, die mit Erreichen des Kapitalismus eigentlich verschwinden müsste, dar.

"Der Antisemitismus ist also nichts anderes als eine Reaktion mittelalterlicher, untergehender Gesellschaftsschichten gegen die moderne Gesellschaft, die wesentlich aus Kapitalisten und Lohnarbeitern besteht, und dient daher nur reaktionären Zwecken unter scheinbar sozialistischem Deckmantel; ..." [5]

Im Marxismus wurde also das konkrete zeitgenössische Judentum - ebenso wie der Hass dagegen - als zu überwindendes "Problem", Begleiterscheinung und Ausdrucksform des Kapitalismus eingeordnet. Dabei wurde Antisemitismus zwar erstmals als Ausdruck gesellschaftlicher Interessen begreiflich, andererseits wurde er fast ausschließlich als interessengebundene Manipulation des Bewusstseins erklärt. So prägte August Bebel auf dem Kölner Parteitag 1893 die SPD- Parteidoktrin, dass der Antisemitismus eine innerkapitalistische Strategie zur Bekämpfung des Sozialismus sei. Er räume von Proletarisierung bedrohten Mittelschichten eine Möglichkeit systemkonformer Kapitalismuskritik ein, indem er einen Teil der Bourgeoisie (die Juden) preisgebe.

Die Manipulationsthese wurde nach 1945 in der marxistisch-leninistischen Geschichtsschreibung zu einem statischen Erklärungsmuster verfestigt. So schrieb etwa der DDR-Historiker Walter Mohrmann 1972 in Antisemitismus, Ideologie und Geschichte im Kaiserreich und in der Weimarer Republik (S. 11):

:Judenhaß und Judenverfolgungen wurden in der Klassengesellschaft dann verbreitet und praktiziert, wenn die herrschende Ausbeuterklasse sich genötigt sah, die von ihr unterdrückten Volksmassen durch demagogische Politik vom Klassenkampf fernzuhalten. Antisemitismus ist ein spezifisches Mittel, um die gesellschaftlichen Ursachen der Scheidung zwischen Besitzenden und Besitzlosen, der erbarmungslosen Knechtung der Produzenten durch die Besitzer der Produktionsmittel zu verschleiern.:

Außerhalb des Ostblocks ist eine abgeschwächte Version der marxistischen Deutung des Antisemitismus entwickelt worden, so z.B. in der Theorie der "halbierten Kapitalismuskritik" von Moishe Postone und Detlev Claussen.

In den marxistischen Deutungen wird erkannt, dass Antisemitismus überwiegend in reaktionären Interessengruppen verbreitet war, allerdings gleichzeitig ignoriert, dass er gerade kein auf eine "herrschende Klasse" begrenztes Phänomen war. Vielmehr zog er sich durch alle Bevölkerungsschichten. Er war nicht nur instrumentalisierbare Ersatzideologie als Teil einer Manipulationsstrategie der Burgeoisie, sondern wurde von seinen Anhängern tatsächlich geglaubt.

Ethnozentrische und rassistische Theorien

Diese erklären einen irrationalen Judenhass in der Bevölkerung als angeblich unvermeidbaren Dauerkonflikt aus unveränderlichen Volkstums- und Rasse-Eigenschaften. Sie behaupten also einen unaufhebbaren, durch keine Geistesbildung oder soziale Veränderung überwindbaren Gegensatz zwischen Juden und allen übrigen Völkern bzw. „Rassen“. Dies war wesentlicher Bestandteil der antisemitischen Propaganda selber und gab ihr den Schein einer wissenschaftlichen Debatte, die die sogenannte Judenfrage tief im öffentlichen Bewusstsein und Unbewusstsein verankerte.

Deren „Lösung“ war dann nur durch Vertreibung oder Ausrottung aller Juden vorstellbar, wie sie historisch im Gefolge dieses aggressiven Nationalismus und Rassismus dann auch versucht wurde. Ihre Propagierung begann mit unverfänglichen Aufsätzen in relativ unbedeutenden Vereinsblättern um 1860 und endete mit groß angelegten „Forschungen zur Judenfrage“ im Nationalsozialismus.

Erklärungsansätze der Weimarer Zeit

Erst nach dem Ersten Weltkrieg findet man Analysen der Judenfeindschaft, die ansatzweise eine wissenschaftliche Erklärung des Phänomens versuchten.

  • Kurt Wawrzinek bot 1927 eine erste, nur organisationshistorische Darstellung: Die Entstehung der deutschen Antisemitenparteien.
  • Der schwedische Psychoanalytiker Hugo L. Valentin schrieb 1935 - rückblickend auf die Weimarer Republik und die Kaiserzeit - den Aufsatz Anti-Semitism Historically and Critically examined. Darin erklärte er den „Judenhass“ als Variante einer allgemeinen Fremdenfeindlichkeit, die nicht spezifisch deutsch sei. Es gebe weltweit weniger eine „Judenfrage“ als eine „Antisemitenfrage“. Juden könnten Antisemitismus durch ihr Verhalten weder positiv noch negativ beeinflussen, da dieser so gut wie nichts mit ihnen selber als vielmehr mit einer imaginären Vorstellung vom Juden zu tun habe.
  • Fritz Bernstein neigte zu einer objektiven, an jüdische Eigenarten anknüpfenden gruppensoziologischen Erklärung: Antisemitismus diene der Herstellung von Identitätsstiftung und Binnenhomogenität einer in-group durch Abgrenzung von der jüdischen out-group.
  • Arnold Zweig erklärte das Phänomen aus einem sozialpsychologischen Ausgrenzungsmechanismus (vgl. Max Frisch in Andorra).

Die Frage, inwieweit Antisemitismus eher objektiv durch bestimmte historische Umstände oder eher subjektiv durch ideologische Prädispositionen zu erklären ist - und was dann die Besonderheit des deutschen Antisemitismus war -, blieb seitdem bestimmend für dessen Erklärungsversuche.

Psychologische Ansätze

Sigmund Freuds Aufsatz Der Mann Moses und die monotheistische Religion von 1938 [6] versuchte erstmals, Antisemitismus als individual- und kollektivpsychologische Pathologie aus der abendländischen Kulturgeschichte zu erklären. Freud deutete die Entstehung des Judentums wie den christlich-europäischen Judenhass als ödipalen Konflikt:[7]

Ich wage die Behauptung, dass die Eifersucht auf das Volk, welches sich für das erstgeborene, bevorzugte Kind Gottvaters ausgab, bei den anderen heute noch nicht überwunden ist...Das Judentum war eine Vaterreligion gewesen, das Christentum wurde eine Sohnesreligion.

Antisemitismus sei ein Aufbegehren gegen die Triebverzicht verlangende monotheistische Religion:

Unter einer dünnen Tünche von Christentum sind sie geblieben, was ihre Ahnen waren, die einem barbarischen Polytheismus huldigten. Sie haben ihren Groll gegen die neue, ihnen aufgedrängte Religion nicht überwunden, aber sie haben ihn auf die Quelle verschoben, von der das Christentum zu ihnen kam. (...) Ihr Judenhass ist im Grunde Christenhass.

In der vom Unterbewusstsein mit Kastration gleichgesetzten Beschneidung sieht Freud, ebenso wie Wilhelm Reich [8] 1933, die "tiefste unbewusste Wurzel des Antisemitismus".

Freuds Theorien wurde von Otto Fenichel, Ernst Simmel, Rudolph M. Loewenstein, Bela Grunberger und Mortimer Ostow ergänzt und weitergeführt.

Fenichel interpretiert den Antisemitismus als einen doppelten Verschiebungs- und Projetktionsprozess einerseits eigener unbewußter und verdrängter, vornehmlich auf Vatermord, sexuelle Motive, und anale Bedürfnisse gerichteter Triebe, andererseits aber auch als stellvertretende Aggressionsabfuhr am Juden als "vermeintlichem Repräsentant" gesellschaftlicher Unterdrückung. Die Eignung der Juden für diese Projektion sieht Fenichel in den " ... konkreten Eigentümlichkeiten des jüdischen Lebens, der Fremdartigkeit seiner geistigen Kultur, seinen körperlichen (schwarzen) und religösen (Gott des unterdrückten Volkes) Eigenheiten und seinen alten Bräuchen ..." gegeben. [9] Für die Entwicklung antisemitischer Tendenzen zu Massenphänomenen erachtet er eine große Unzufriedenheit der Massen mit den bestehenden Verhältnissen, welche einer psychischen Kanalisierung bedarf, sowie eine jüdische kulturelle Tradition innerhalb des Gastlandes ohne allzu viel Verbindungen zur selbigem als erforderlich. Beide Bedingungen sieht er im zaristischen Russland als idealtypisch gegeben. [10] Trotz seines primär psychoanalytischen Ansatzes ist Fenichel weit davon entfernt, diesen als monokausales Erklärungsmuster zu verabsolutieren. So betont er ausdrücklich:

"Eine Untersuchung der Einflüsse, welche die antisemitische persönlichkeitsstruktur und deren Funktionen bestimmt, läßt die Frage nach der Entstehung dieser Einflüsse und nach der gesellschaftlichen Funktion antisemitischer Reaktionen noch unbeantwortet." [11]

Loewenstein und Grunberger betrachten den Antisemitismus aus psychoanalytischer Sicht als Ausdruck eines Krankheitszustandes, unter dem allerdings nicht der Kranke, welcher sogar einen sekundären Krankheitsgewinn und weder Leidensdruck noch Krankheitseinsicht habe, sondern das Opfer zu leiden habe. Dabei sehen sie das ganze Spektrum zwischen leichtesten Ausprägungsformen, und schwersten pathologischen Wahnsystemen verwirklicht. Charakteristisch ist hierbei eine Regression auf früheste Stadien des Ichs beziehungsweise Über-Ichs [12], sowie nach Loewenstein eine für die Psychose typische Außerkraftsetzung der Realitätsprüfung. [13] In diesem regressiven Stadium können Widersprüche problemlos nebeneinander bestehen, sodass "der Jude" beispielsweise gleichzeitig als der "größte Kapitalist und der "übelste Kommunist" erscheinen kann, ohne dass dieser offensichtliche Widerspruch den Kranken beunruhigt.

Ernst Simmel deutet; darin Loewenstein und Grunberger ähnlich; Antisemitismus als irrationale Handlungsimpulse von Einzelnen und Gruppen zwecks Überwindung pathologischer Störungen. Er sieht darin einen Rückfall in infantile, primär vom Destruktionstrieb beherrschte Entwicklungsstufen unter Verleugnung der äußeren Realität. Er enwickelt das Modell einer Massenpsychose, die es dem Einzelnen dennoch ermögliche eigene psychische Defizite zu kompensieren und im Gegensatz zur isolierten psychotischen Person dennoch psychisch relativ intakt und sozial integriert zu bleiben. Ermöglicht wird dieses durch die Kraft der Gruppe zur Überwindung der Machtlosigkeit des Einzelnen gegenüber der Realität.

"Dieser Umstand ermöglicht es ihm, mit Hilfe einer Massenpsychose zur Realität zurückzukehren, vor der der einzelne Psychotiker fliehen muss." [14]

Als akuten Auslöser dieser Massenpsychose sieht Simmel, wie bei jeder Psychose, einen plötzlichen Bruch mit der Realität durch schwerwiegende, oder bei geschwächten Individuen/Gruppen auch relativ geringe äußere Einflüsse.

"Der Antisemitismus trat immer dann offen in Erscheinung, wenn die Sicherheit des Individuums oder der Gesellschaft durch kathastrophale Ereignisse erschüttert wurde." [15]

Mortimer Ostow sieht in der Enwicklung destruktiver Tendenzen Einzelner und Gruppen, wie sie sich auch im Antisemitismus speziell in imaginierten Bedrohungs- und Weltuntergangszenarien zeige, die Abwehr suizidaler Wünsche, Depressionen, sowie der ihr zugrundeliegenden Schuldgefühle. Das Aufgehen in der Gruppe komme dabei den Bestrebungen zur Regression der Ich-Funktion in Hinsicht auf eine grenzenlose Tendenz zur Synthese und Integration und dem damit verbundenen Individualitätsverlust zusätzlich entgegen. [16]

Kritische Theorie

Die Frankfurter Schule führte psychologische und marxistische Theoriebildung in einer umfassenden gesellschafts- und ideologiekritischen Kritischen Theorie zusammen. Das Frankfurter Institut für Sozialforschung untersuchte schon im Vorfeld der nationalsozialistischen Machtergreifung die Anfälligkeit von Arbeitern und Kleinbürgern für den Antisemitismus und Faschismus empirisch, um diese sozial- und individualpsychologisch zu erklären. Die Studien über Autorität und Familie 1936 von Erich Fromm gehörten zu den ersten Veröffentlichungen zum masochistischen „autoritären Charakter“.

Zu den frühen Studien über Hitler und seine Anhänger gehörte auch das Buch des jüdischen Kommunisten und ehemaligen Mitglieds der Frankfurter Schule Paul Wilhelm Massing: Hitler is no Fool, 1939 in den USA erschienen. Massing veröffentlichte 1949 auch eine der ersten historischen Darstellungen des deutschen Antisemitismus, der zum Nationalsozialismus führte: Rehearsal for Destruction: A Study Of Political Anti-Semitism in Imperial Germany. Es erschien 1959 auf deutsch mit dem irreführenden Untertitel Vorgeschichte des politischen Antisemitismus, behandelte aber dessen zentrale Entwicklung von 1871 bis 1914.

Max Horkheimer und Theodor W. Adorno verbanden und erweiterten diese Ansätze in der „Dialektik der Aufklärung“ zu einer umfassenden Kulturkritik der Neuzeit. Darin erhielt der Aufsatz „Elemente des Antisemitismus“ von 1944 als Abschluss und Höhepunkt dieser Studien besonderen Rang. Den beiden Autoren galt nach 1945 die Tat, für die „Auschwitz“ steht, als Ausgangspunkt einer grundlegenden Neubegründung von Gesellschaftstheorie. Für Horkheimer konnte die kapitalistische Gesellschaft nur durch den Antisemitismus heute noch richtig verstanden werden. Dieser habe in erster Linie gesellschaftliche Ursachen, weil die durch Herrschaftsprinzip und Warentausch vermittelte Gesellschaft sich in der psychologischen Verfassung des Subjekts niederschlage. In den Juden finde das gesellschaftlich deformierte Individuum ein Objekt, dem es alle als negativ wahrgenommenen Anteile dieser Gesellschaft, in die es unauflöslich eingebunden sei und die es selber trage, zuschreibe.

Mit den studies in prejudice („Vorurteilsstudien“) und dem Mittel der Autoritarismusskala bemühte sich die Frankfurter Schule auch um eine, zumeist qualitative, empirische Absicherung ihrer Thesen. Bahnbrechend waren dabei Adornos Aufsätze The Authoritarian Personality und Antisemitism and Emotional Disorder von 1950 (beide 1973 in „Studien zum autoritären Charakter“ auf deutsch erschienen). Hier ging es nicht um die Entstehung des Antisemitismus, sondern um seinen „Resonanzboden", d.h. die individualpsychologische Anfälligkeit für diese Ideologie und die Charakterstruktur des einzelnen Antisemiten. Adorno versuchte anhand von Personen mit besonders starker antisemitischer Einstellung zu zeigen, dass es einen potentiell faschistischen Charakter gibt, in dem sich Unterwürfigkeit, Aggressivität, Neigung zu Projektion, Manipulation zu einer strukturellen Einheit verbinden. Er stellte eine „unabwendbare antidemokratische Konsequenz“ des Antisemitismus fest.

Margarete Mitscherlich knüpfte mit dem Aufsatz Antisemitismus - eine Männerkrankheit? an die Psychoanalyse Freuds an, betonte aber stärker die geschlechtsspezifischen Unterschiede: Projektion des Vaterhasses, Verschiebung der Inzestwünsche auf den Juden ('Rassenschande'), Rivalitätsaggressionen etc. - diese unbewussten psychischen Motive für die Entwicklung des Antisemitismus sind vor allem für die männliche Psyche relevant. Frauen würden dagegen nur selten vatermörderische Wünsche hegen.[17] Diese Thesen ließen sich empirisch bisher nicht verifizieren: Autoritäre Charaktere und sadistische Tendenzen sind unter Männern wie Frauen auch im Verbund mit anderen antidemokratischen Ideologien und in anderen totalitären Systemen anzutreffen.

Die psychologische Antisemitismusforschung konnte bisher den Widerspruch nicht auflösen, dass mit dem Methodenrepertoire der Individualpsychologie ein Kollektivphänomen wie Antisemitismus erklärt werden soll. Dieses methodische Grundsatzproblem hat dazu geführt, dass individual- und sozialpsychologische Deutungen (in ihren vielfältigen Erscheinungsformen von Freud bis zur Kritischen Theorie) nur selten in der soziologisch und historisch orientierten Antisemitismusforschung rezipiert werden. Nur wenige Vetreter wie Moishe Postone versuchen heute, die Kritische Theorie zu aktualisieren und zu erweitern.

Krisentheorie der Moderne

Dieser Erklärungsansatz ist politik- und sozialgeschichtlich ausgerichtet und betrachtet Antisemitismus im Zusammenhang mit krisenhaften Umbrüchen, ökonomisch tiefgreifenden Gesellschaftsveränderungen und politischen Interessen, die mit dem Entstehen der Nationalstaaten Europas einhergingen.

Dabei wird der seit 1870 in Deutschland auftretende „moderne“, zunehmend rassistisch begründete Antisemitismus von früheren und weiterbestehenden Formen der Judenfeindlichkeit deutlich abgesetzt. Die Entstehung einer antisemitischen Bewegung im Kaiserreich wird auf ein Ursachengeflecht politischer, sozialer und ökonomischer Faktoren zurückgeführt. Dazu gehören u.a.

  • die Industrialisierung unter frühkapitalistischen Bedingungen,
  • die Besonderheiten der rechtlichen und politischen Emanzipation jüdischer Deutscher, die sich fast 100 Jahre lang hinzog und zur Verfestigung antijüdischer Klischees und einer problematischen „Judenfrage“ beitrug,
  • die verpasste Chance der Demokratisierung von unten durch das Scheitern der Märzrevolution von 1848,
  • die wirtschaftliche Depression nach dem Gründerkrach von 1873, der darauf folgende Niedergang des Liberalismus und Bismarcks "konservative Wende" von 1878/79,
  • eine nationale und kulturelle „Identitätskrise“, die seit etwa 1879 durch übersteigerten Nationalismus und Antisemitismus als negativem Gegenpol kompensiert worden sei.

Im Gegensatz zur vormodernen Judenfeindlichkeit zeichne sich der moderne Antisemitismus durch folgende Kennzeichen aus:

  • Säkularisierung des christlichen Judenhasses
  • Rassentheoretische Fundierung
  • Amalgamierung mit dem modernen Nationalismus
  • politische Organisation (Parteien, Vereine, Verbände)
  • Instrumentalisierung in politischen Auseinandersetzungen
  • "Judenfrage" als Kern- oder Weltproblem

Nach 1945 hat sich dieses Erklärungsmodell, das auch Impulse von Forschungen der Weimarer Zeit und der Frankfurter Schule aufgriff, in der Bundesrepublik weithin durchgesetzt. Einer seiner Vertreter ist Hans Rosenberg, der in seiner Studie Große Depression und Bismarckzeit 1967 empirisch nachweisen konnte, dass zwischen der Wirtschaftsdynamik und dem Wachstum des Antisemitismus ein enger Wirkungszusammenhang bestand:

Seit 1873 stieg der Antisemitismus, wenn der Aktienkurs fiel. [18]

Er betonte auch, dass nur wenige Zeitgenossen die radikalen Struktur- und Konjunktur-Veränderungen damals durchschauten, so dass irrationale Erklärungen dafür umso leichter Fuß fassen konnten. Diese hatten einen gewissen Schein von Plausibilität, weil traditionell tatsächlich relativ viele Menschen jüdischer Herkunft im Banken- und Kreditgewerbe tätig waren, während die Handwerker, Landarbeiter und Industriearbeiter unter ihnen Absatzkrisen, Pleiten, Inflation und Arbeitslosigkeit ebenso ausgeliefert waren wie andere Deutsche.

Ergänzend wies Reinhard Rürup in seinem Aufsatz Emanzipation und Antisemitismus 1975 [19] auf politische Interessen hin: Reaktionäre feudalistische oder nationalistische Politiker hätten die im Volk verbreitete Bereitschaft zur Suche nach Sündenböcken gezielt instrumentalisiert, um das Kleinbürgertum in das antiliberale Lager einzubinden. So habe die Funktion des Antisemitismus objektiv darin gelegen,

von den tatsächlichen Ursachen sozialer Konflikte und Krisen [abzulenken] und zugleich ein Ventil für kollektive Unzufriedenheit und Aggressionstriebe [zu bieten]. (S. 123)

Englische, amerikanische und kanadische Historiker (insb. Geoff Eley, David Blackbourn, Helmut W. Smith, James Retallack) haben dagegen den antigouvernementalen Charakter des Antisemitismus stärker betont. Der moderne Antisemitismus sei kein Teil einer Ablenkungsstrategie des Obrigkeitsstaats gewesen, sondern habe sich als antimoderne Protestideologie aus dem Bürgertum heraus entwickelt. Daneben haben einige Forscher (v.a. James F. Harris)darauf hingewiesen, dass einige der Kennzeichen des modernen Antisemitismus bereits in voremanzipatorischer Zeit gegeben waren. Der Zusammenhang von Antisemitismus und Gesellschaftskrise (Werner Jochmann) wird aber auch von der anglo- amerikanischen Forschungstradition bestätigt.

Die Krisentheorie hat vor allem in der Forschung zu Parteien, Vereinen, Verbänden und gesellschaftlichen Gruppen, die sich dem Antisemitismus zuwandten, breiten Niederschlag gefunden. Norbert Kampe untersuchte 1988 beispielsweise das Verhältnis von Studenten und 'Judenfrage' im Deutschen Kaiserreich mit dem Ergebnis, dass auch der Ausschluss der jüdischen Kommilitonen aus den meisten Studentenverbindungen um 1890 vor dem Hintergrund tiefer Existenzängste des Bildungsbürgertums zu sehen sei. Der akademische Arbeitsmarkt war damals so stark geschrumpft, dass Abschottung gegenüber Aufsteigern und Außenseitern, zu denen vor allem die gerade erst zur Universitätslaufbahn zugelassenen Juden gehörten, nahezuliegen schien. So ging die ursprünglich liberal gesinnte Akademikerzunft ein Mentalitätsbündnis mit den wilhelminischen Eliten auf Kosten der Juden ein. Besonders in den Burschenschaften, so Kampe, sei diese Allianz von Antisemitismus, Nationalismus und reaktionärer Kaisertreue dann bis weit in die Weimarer Republik hinein wirkungsmächtig geworden.

Kampes Studie ließ jedoch außer Acht, dass gerade unter Theologiestudenten, die keine jüdischen Konkurrenten fürchten mussten, der Judenhass stark verbreitet war. So zeigten sich dann auch christlich-konfessionelle Korporationen anfällig für den Rassenantisemitismus. Dabei kann die schwierige Perspektive für Pfarramtsanwärter, die seit 1885 durchschnittlich fünf Jahre auf eine Anstellung warten mussten, eine Rolle gespielt haben.

In den letzten beiden Jahrzehnten ist vor dem Hintergrund des Booms der "neuen Kulturgeschichte" Kritik an der Konzentration der Krisentheorie auf sozioökonomische Faktoren und strukturfunktionalistische Erklärungen geübt worden. Seitdem ist die Krisentheorie durch mentalitätsgeschichtliche Ansätze erweitert worden. Olaf Blaschke und Wolfgang Heinrichs haben Einstellungen zum Judentum in den christlichen Konfessionen zur Zeit des Kaiserreichs untersucht. Sie haben festgestellt, dass auf Bodenverluste der Kirchen in Staat und Gesellschaft mit einer Reaktivierung und Modernisierung traditioneller christlicher Judenfeindschaft reagiert wurde. Den Aufstieg des modernen Judentums deuteten konservative Christen beider Konfessionen als Mahnung zu innerer Geschlossenheit und zur Abwehr gegen die Moderne durch Rechristianisierung. Daher sei der moderne Antisemitismus nicht mit dem Rassenantisemitismus identisch, vielmehr habe neben und in Mischung mit ihm ein christlich- konservativer Antisemitismus bestanden, der mindestens ebenso wirkungsmächtig gewesen sei.

Der traditionelle und im 19. Jahrhundert keineswegs überwundene, sondern vielfältig weiterwirkende Antijudaismus spielt für die Erklärung des Rasse-Antisemitismus in den sozialgeschichtlich orientierten Forschungen allerdings nach wie vor kaum eine Rolle. Umgekehrt überbewerten kirchengeschichtliche Studien wiederum oft die rein geistesgeschichtliche Kontinuität zwischen beiden Formen der Judenfeindlichkeit. Dass bereits der mittelalterliche Judenhass oft ökonomische Hintergründe hatte und nachaufklärerische „Erlösungsutopien“ religiöse Feindmotive beerbten und transformierten, wurde lange Zeit in beiden Forschungsrichtungen unterbelichtet.

Kirchengeschichtliche Studien

Kirchen- und theologiehistorische Arbeiten gehen seit 1945 vor allem der Frage nach, welchen Anteil das Christentum an der Entstehung des modernen Antisemitismus hatte, wie antijudaistische Stereotypen der Neuzeit überliefert wurden und wie sie in den Volkstums- und Rassentheorien des 19. Jahrhunderts weiterwirkten. Ausgangspunkt dafür waren etwa die Aussagen von Julius Streicher, dem Herausgeber des Stürmer, in den Nürnberger Prozessen. Er berief sich in seiner Verteidigung ausdrücklich auf Martin Luthers Schrift Von den juden und ihren lügen (1543), um ihn als Ahnherrn des Antisemitismus zu vereinnahmen und seiner rassistischen Hetzpropaganda gegenüber den alliierten Anklägern höhere Weihen zu verleihen.

Im protestantischen Bereich wird Luthers später Judenhass daher oft als Bindeglied zwischen mittelalterlichem Antijudaismus und neuzeitlichem Antisemitismus, besonders in seiner spezifisch deutschen Ausprägung angesehen. Man zog eine gerade Traditionslinie von ihm über den lutherischen Hofprediger Adolf Stoecker zu Julius Streicher, ja sogar zu Adolf Hitler selbst, der in „Mein Kampf“ 1923 geschrieben hatte:

Indem ich mich des Juden erwehre, erfülle ich das Werk des Herrn.

Tatsächlich wirken Luthers Forderungen an die Fürsten von 1543 fast wie eine Handlungsanleitung für die „Reichskristallnacht“ von 1938. Dabei wurde jedoch die religiöse Komponente häufig isoliert von soziologischen und psychologischen Entstehungsfaktoren betrachtet. Dies konnte zu dem falschen Bild einer quasi naturgesetzlichen, „ewigen“ Judenfeindschaft, die im Lauf der europäischen Geschichte lediglich ihre äußerliche Gestalt gewechselt habe, beitragen.

Die Arbeit von Stefan Lehr (Antisemitismus - religiöse Motive im sozialen Vorurteil) von 1974 befasste sich gezielt mit den weiterwirkenden religiösen Motiven im Antisemitismus seit 1870. Er stellte zwischen 1870 und 1900 allein etwa 130 Ritualmordanklagen gegen Juden in zahlreichen Ländern Europas fest, die fast immer mit der „Gottesmord“-Anklage begründet wurden und häufig in der Karwoche vor Ostern erfolgten. In ihr sieht er den Hauptfaktor für die Aktivierung von Pogromen und gezielter Judenhetze von meist kirchlichen Agitatoren des 19. Jahrhunderts. Damit erhärtete er die Vermutung, dass keine eindeutige, weder zeitliche noch inhaltliche Abgrenzung zwischen Antijudaismus und Antisemitismus möglich ist, sondern sich christliche und rassistische Vorurteile gegenseitig durchdrangen und verstärkten.

Lehr sprach von einem „Wurzelgeflecht“ zwar verschiedener, aber nie isoliert auftretender, sondern sich vielfältig beeinflussender religiöser, sozialer, politischer und ökonomischer Motive für den Judenhass der modernen, besonders der deutschen und österreichischen Industriegesellschaften Mitteleuropas. Auch konnte er zeigen, dass es gerade bürgerliche, sogar theologisch gebildete Parteipolitiker waren, die mit kampagnenartigen Vortragsreisen gegen das Nachlassen der religiösen Judenfeindlichkeit bei der Landbevölkerung vorgingen und diese am Leben erhielten. Diese Agitatoren seien keineswegs skurrile Außenseiter gewesen, sondern hätten in der Kaiserzeit großen publizistischen Einfluss gehabt, wenn auch ihre direkten politischen Erfolge gering blieben. Antisemitismus sei demnach keine Randerscheinung im Kaiserreich gewesen, sondern fester Bestandteil des öffentlichen Diskurses um das Verhältnis von Nation und Religion, der wiederum eng mit den Interessen der politischen Eliten verbunden gewesen sei.

Die Studie von Claus-E. Bärsch zieht sogar eine direkte Linie von der Apokalyptik, der Satanologie und dem Antijudaismus im Neuen Testament, besonders in der Offenbarung des Johannes, zur nationalsozialistischen Ideologie von Adolf Hitler und Joseph Goebbels. Diese These stieß u.a. bei Christhard Hoffmann auf Ablehnung, weil sie die verwickelte Überlieferung und den Wandel christlicher zu antisemitischen Stereotypen zu stark vereinfache und damit dem Bild eines „Ewigen Juden“ als Hassobjekt der europäischen Gesamtgeschichte Vorschub leiste. Die Rezeption antijudaistischer Motive bei den Nazis sei oft keine lebendige Fortsetzung, sondern künstliche „Erfindung einer Tradition“ zu Propagandazwecken gewesen. So hätten sich Antisemiten der Kaiserzeit gezielt nach judenfeindlichen Aussagen Luthers gesucht und sie in einen neuen, säkular-rassistischen Kontext gestellt, um sie politisch benutzen zu können.

Kulturgeschichtliche Studien

Forschungen verschiedener Fachdisziplinen befassen sich mit den Ideen, Bildmotiven, Mentalitäten und kulturellen Denkmustern, die den Antisemitismus des 19. Jahrhunderts mit früheren Formen von Judenfeindlichkeit verbinden oder ihn davon unterscheiden. Sie betonen jedoch meist eher die Kontinuität als die Diskontinuität. Anders als das sozialgeschichtliche Modernisierungs- und Krisenmodell bezogen sie sich vor den 1960er Jahren kaum auf eine gemeinsame kritische Gesellschaftstheorie.

Heute dagegen berücksichtigen auch kulturgeschichtliche Studien eher sozialpolitische Entstehungsfaktoren und streben eine Synthese von Ideen- und Sozialgeschichte an. Dazu wird zunehmend interdisziplinär geforscht. Beispielhaft dafür ist das Projekt von Herbert A. Strauss am Berliner Zentrum für Antisemitismusforschung von 1983 bis 1987, in dem Kunstgeschichtler, Religions-, Sozial- und Literaturwissenschaftler Bilder von Juden und Judentum in der deutschen populären Kultur 1900 bis 1950 untersuchten und damit einen wesentlichen Beitrag zur Erklärung der Vorgeschichte des Rasseantisemitismus leisteten. Aus diesem Projekt gingen bekannte Arbeiten von Rainer Erb, Werner Bergmann, Stefan Rohrbacher, Michael Schmidt und Peter Dittmar hervor (siehe Literaturverzeichnis).

Ein Ergebnis dieser Studien war, dass religiöse Motive wie der Gottesmordvorwurf und die Ritualmordlegende, aber auch die Ahasver-Legende und das Bild des Wucherjuden nach der Aufklärung nicht verschwanden, sondern tief im kollektiven Bewusstsein besonders der Landbevölkerung verankert blieben. Michael Schmidt erklärt dies als im Mittelalter „erlernte Feindschaft“, die man gerade in Krisenzeiten umso mehr festhielt und besonders in Konfliktsituationen dann aktivierte.

Solche Bilder blieben aber auch im säkularen Rasse-Antisemitismus wirksam, so dass auf der Bild- und Motivebene eine starke Kontinuität zum Antijudaismus besteht. Hier zog Arthur Hertzberg eine Linie vom Judenhass antiker Bildungsbürger wie Sueton und Tacitus, auf die sich französische Aufklärer wie Voltaire beriefen, zum Antisemitismus. In Deutschland sieht Eleonore Sterling eher die Romantik, die auf den Rationalismus der Aufklärer reagierte, als dessen Wurzel an. Im Rahmen der Forschungen zur völkischen Bewegung im Kaiserreich und in der Weimarer Republik (Uwe Puschner u.a.) ist herausgearbeitet worden, dass religiöse Vorstellungen im Rahmen des Rassenantisemitismus nicht an Bedeutung verloren haben. Die Religion wurde in völkischen Zirkeln als Spiegel der Rasseneigenschaften eines Volkes interpretiert. Demnach glaubte man, aus der angeblich minderwertigen Ethik der jüdischen Religionsgesetze (Talmud, Schulchan Aruch) den "schädlichen Rassencharakter" der Juden erweisen zu können. (so u.a. Theodor Fritsch) Religion und Rasse verbindende Theorien erzielten durch auflagenstarke Publikationen und das nationalistische Vereins- und Verbandswesen Verbreitung im konservativen Bürgertum, auch über sektiererische Zirkel hinaus.

Paul Rose vertritt demgegenüber die These vom „revolutionären Antisemitismus“ in Deutschland, den gerade demokratische, auf Veränderung drängende Idealisten seit 1789 vertreten hätten: So seien gerade kirchenfeindliche Philosophen und Intellektuelle von Immanuel Kant über Herder, Hegel und Johann Gottlieb Fichte bis zu Karl Marx, die eine demokratische und gerechte Weltordnung anstrebten, oft essentiell judenfeindlich gewesen. Die „Judenfrage“ sei für sie kein Randthema, sondern die Kehrseite und Voraussetzung ihrer universalistischen Erlösungsutopien gewesen. Dabei wirkten sich sonstige Gegensätze kaum aus, so dass Liberale wie Karl Gutzkow und Sozialisten wie Marx im Blick auf das Judentum sehr ähnlich dachten und redeten wie die Antisemiten Wilhelm Marr und Richard Wagner.

Weshalb gerade Juden in diesen säkularen Utopien als Feinde von Liebe, Freiheit, Gerechtigkeit und Humanität erschienen, erklärt Rose ebenfalls mit weiterwirkenden religiösen Stereotypen. Die Ritualmordlegende sei nach der Damaskusaffäre (1840) zum Vorwurf des „Menschenopfers“ in Form von Ausbeutung oder „Blutsaugerei“ - als Metapher für Kapitalismus - transformiert worden; die Ahasverlegende sei zur ewigen Charaktereigenschaft des Judentums von Egoismus, Materialismus und niedriger Verstocktheit mutiert. Eine besonders radikale Version der Kontinuitätsthese vertritt Michael Ley. Er interpretiert Antisemitismus als Produkt frühchristlicher religiöser Dogmen, die durch das Christentum und späterhin durch diverse Säkularreligionen (Nationalismus, Faschismus, Kommunismus) bis nach Auschwitz weitergetragen wurden.

Mit ihrer Säkularisierung die vormodernen antijüdischen Stereotypen noch wirksamer geworden als im Mittelalter, wo das Judentum religiös abgelehnt, aber teilweise sozial geduldet gewesen sei. Denn die rationale Welterklärung ließ Juden keinen Freiraum mehr, sondern verlangte nach einer Radikallösung: Diese sei dann nur als Totalauslöschung in Form von Assimilation oder Vertreibung und - da diese undurchführbar blieb - Ausrottung vorstellbar gewesen. Daher habe es im deutschen Liberalismus anders als in England oder den Niederlanden kein pluralistisches Konzept gegeben, das Juden eine eigenständige, gleichberechtigte Existenz in der bürgerlichen Gesellschaft zubilligte. Uriel Tal und Uffa Jensen haben dagegen die Grenzen des Liberalismus in der "Judenfrage" nicht auf die Säkularisierung antijüdischer Stereotypen zurückgeführt, sondern im Abgrenzungsbedürfnis von Judentum und Protestantismus erkannt, die eine Unterscheidbarkeit ihrer Ethik und Theologie sicherstellen wollten.

Ein Problem kulturgeschichtlicher Ansätze ist, dass sie die Kontinuität judenfeindlicher Stereotypen und Feindbilder überschätzen und die eklektizistische Nautr des modernen Antisemitismus nicht genügend berücksichtigen. Der moderne Antisemitismus tendierte dazu, propagandistische Wirkung über ideologische Konsistenz zu stellen. So wurden von ihm ältere judenfeindliche Traditionen gezielt aufgegriffen und dem Propagandarepertoire hinzugefügt, ohne dass jemals tatsächliche geistesgeschichtliche Kontinuitäten zur vormodernen Judenfeindschaft bestanden hätten. An ideen- und diskursanalytischen Studien ist kritisiert worden, dass sie sich mit der politischen, philosophischen und theologischen "Höhenkammliteratur" begnügen und dem Antisemitismus der Unter- und Mittelschichten keine eigenständige Entwicklung zubilligen. So wird die Verbreitung von Antisemitismus häufig als Diffusion judenfeindlicher Ideologien der geistigen Eliten in die Gesellschaft gedeutet, während der umgekehrte Weg nicht in Betracht gezogen wird. (vgl. entspr. Rezensionen von Christhard Hoffmann, Till van Rahden und Rainer Hering)

Antisemitismustheorien der Gegenwart

Christhard Hoffmann

Während die sozialgeschichtliche Forschung weiterwirkende religiöse Motive oft unterschätzte, betonten Kirchenhistoriker oft zu einlinig eine Kontinuität und letztlich Identität von Antijudaismus und Antisemitismus, indem sie letzteren Begriff auf alle vormodernen Formen von Judenfeindlichkeit übertrugen. Die These einer Transformation von religiösen in rassistische Denkmuster kann demgegenüber besser erklären,

  • dass religiöse Ausgrenzung und soziale Duldung von Juden im Mittelalter vielerorts und lange Phasen nebeneinander bestanden, ohne dass es notwendig zu Pogromen kam,
  • dass Antisemitismus im 19. Jahrhundert auf die bürgerlichen Emanzipation auch der Juden reagierte, diese begleitete und zu ihrer Abwehr auf religiöse Überlieferung zurückgriff.

Für Christhard Hoffmann lag die Differenz und zugleich Verwandtschaft von mittelalterlich-christlicher und modern-rassistischer Judenfeindlichkeit vor allem in drei Faktoren:

  • Juden konnten durch die Taufe Mitglied der christlichen, durch Assimilation der bürgerlichen Gesellschaft werden. Der Rassismus dagegen verschloss ihnen diesen Ausweg. Dessen Ideologen lehnten darum nicht nur die gesetzliche Gleichstellung, sondern auch und gerade die kirchliche Judenmission als „Eindringen fremden Blutes“ vehement ab.
  • In beiden Fällen glaubte man an einen unaufhebbaren Gegensatz zwischen Judentum und herrschender Weltanschauung. Aber das Mittelalter ertrug die Fortexistenz der Juden trotz ihrer göttlichen „Verwerfung“ eher, weil ein Christ Gottes Geschichtsplan nicht kannte und daher die Lösung von gesellschaftlichen Widersprüchen eher dem „Jenseits“ überließ. In den säkularen Erlösungsutopien dagegen macht der Mensch seine Geschichte selbst, so dass Lösungen im Diesseits politisch errungen werden müssen. Die Auflösung religiöser Gegensätze durch bürgerliche Gleichberechtigung konnte - zumal, wenn die soziale Integration der Juden misslang - leichter zur Zielvorstellung einer Radikallösung durch Vertreibung und Vernichtung umschlagen.
  • Im Christentum und den liberalen oder sozialistischen Zukunftserwartungen galt das Judentum immer als überholte, alte, in seinen schon toten Resten zu überwindende Größe. Juden konnten nur als Christen oder Bürger am allgemeinen „Fortschritt“ teilhaben. Als dieser ausblieb bzw. seine negativen Folgen überhand nahmen, gewann das Zukunftsbild des Rassismus Plausibilität: Nur radikale Ausmerzung des „Anderen“, des „Volksschädlings“, könne die Dekadenz und „Zersetzung“ der eigenen Kultur aufhalten. Eine Lösung wurde nicht mehr quasi automatisch vom Fortschritt erwartet, sondern dieser wurde selbst zur Ausgeburt bösartiger Mächte. Als deren Inbegriff wurde die „jüdische Rasse“ dingfest gemacht, so dass die „Verjudung“ als vereinfachende Erklärung von heterogenen und komplexen Krisenphänomenen dienen konnte: Demokratie, Liberalismus, Sozialismus, Kapitalismus, Kommunismus. Dabei wurde der christliche Dualismus von Gott und Satan, Gut und Böse in neuer Gestalt - als welthistorischer Gegensatz von „Ariern“ und „Semiten“ - reaktiviert.

Die verschiedenen Forschungsansätze konvergieren heute darin, dass diese Transformation sich nicht ungebrochen und einlinig, sondern schubweise vollzog und sich Antijudaismus und Antisemitismus nicht ablösten, sondern überlagerten und gegenseitig beeinflussten und verstärkten. Die Übergangszeit wird schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, nicht erst im Gefolge der Wirtschaftskrisen nach der Reichsgründung von 1871 angesiedelt.

Raul Hilberg

Raul Hilberg hat als Überlebender des Holocaust ein umfangreiches Standardwerk über den Zusammenhang des mittelalterlichen Antijudaismus mit dem nationalsozialistischen Antisemitismus geschrieben, dass die Kontinuität zwischen beiden mit zahlreichen Einzeluntersuchungen eindrucksvoll belegt, ohne sie gleichzusetzen. Er sieht von den Zwangstaufen seit den Goten Spaniens im 6. Jahrhundert bis zu den Vernichtungslagern der Nazis ein logisches Gefälle, das sich rückblickend in drei Hauptperioden einteilen lasse:

Die Kirche errang das Religionsmonopol. Sie bestimmte über die Juden. Diese wurden bald zu den „Ketzern" gerechnet. Die „wahre" Religion gebot die Gewaltmission. Da die Zwangstaufen wenig erfolgreich waren, griff die Kirche zu „Schutz"-Maßnahmen: Juden wurden ghettoisiert. - Diese Periode folgte dem Motto: Ihr habt kein Recht, als Juden unter uns zu leben!

Seit den Kreuzzügen wurden Juden immer öfter vor die Wahl gestellt: Bekehrt euch, oder ihr werdet vertrieben. Vertreibungen und Pogrome von Fall zu Fall, ähnlich wie Hexenverfolgung bei Pest-Epidemien, wurden die Regel. Martin Luther deutete dieses Leiden als Strafe Gottes für Unglauben und Verstocktheit. Er übernahm damit das Judenbild des Mittelalters und überlieferte es der Neuzeit. - In dieser Periode lautete das Motto: Ihr habt kein Recht, unter uns zu leben!

Das Religionsmonopol der Kirche war nun gebrochen. Doch die Emanzipation des Bürgers schloss die Juden weiterhin aus. Ihre Vertreibung blieb das Ziel. Romantik, Idealismus und Nationalismus machten den Antisemitismus ohne Gott zur bürgerlichen Normalität. Rassistische Theorien gewannen an Boden. - Der Nationalsozialismus setzte diese in die Tat um. Vor 1939 ging es den Nazis überwiegend um die Entrechtung und Enteignung der Juden. Der Vernichtungsplan nahm erst während des Krieges Gestalt an. Die „Endlösung" war einfacher und billiger als die Vertreibung. - Diese Periode folgte dem Motto: Ihr habt kein Recht, zu leben!

Die Schoa war für Hilberg also kein absolutes Novum, kein „Betriebsunfall“, keine unbegreifliche „Katastrophe“. Die deutsche Bürokratie habe ihn nur darum so schnell und gründlich durchführen können, weil sie auf jahrhundertelange Erfahrungen mit diesem Vorgehen zurückgreifen konnte. Das kanonische Recht der katholischen Kirche von Justinian bis zu Papst Pius VI. habe sämtliche Maßnahmen enthalten, die die Nationalsozialisten übernahmen:

Die lange Gewöhnung der Bevölkerung an die Isolation, Verachtung und Verfolgung der Juden, so Hilberg, habe die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass der Holocaust fast ohne Widerstand dagegen durchgeführt werden konnte.


Struktureller Antisemitismus

Als strukturell antisemitisch werden Ideologien bezeichnet, die sich nicht ausdrücklich gegen Juden richten, aber dem „klassischen“ Antisemitismus von ihrer Begrifflichkeit und Argumentationsstruktur her ähneln. Gemeint ist vor allem die aus dem Frühsozialismus stammende Unterscheidung von Finanzkapital und Produktivkapital, wobei Ersteres mit seinen Repräsentanten identifiziert wird. Diese werden für die Armut und das Leiden des „kleinen Mannes“ verantwortlich gemacht. Oft kommt der Vorwurf dazu, die „reichen Bonzen“ würden nur von der Arbeit der ehrlichen Arbeiter leben, während sie selbst nicht arbeiteten.

Durch diese Personalisierung und Verkürzung einer marxistischen Gesellschaftskritik ähneln Ideologien, die das Finanzkapital und seine Vertreter ablehnen, strukturell dem Antisemitismus und können in Judenhass übergehen oder diesen fördern. Denn Juden galten schon im Antijudaismus des Mittelalters traditionell als Wucherer und wurden seit 1789 mit der Zirkulationssphäre des Kapitals in Verbindung gebracht. Dabei verwies man stets auf einzelne reiche jüdische Bankiers oder „Spekulanten“, die als typische Vertreter aller Ausbeuter galten. So wurde das Judentum als treibende Kraft des entstehenden Kapitalismus ausgemacht. Auch die Nationalsozialisten stellten „schaffende“ Deutsche den „raffenden“ Juden gegenüber und identifizierten das Finanzkapital mit dem Judentum.

Insofern heutige antikapitalistische Gruppen und Theorien solche Argumente und Bilder übernehmen und einzelne Vertreter, etwa des IWF oder der Weltbank, als Juden darstellen und ihr Judesein hervorheben, weisen sie strukturell antisemitische Züge auf. Auch Ideologien, die von einer Weltverschwörung ausgehen, die im Hintergrund die Fäden der Politik ziehe, bzw. die von einer bestimmten Personengruppe ausgehen, die insgeheim versuche die Weltherrschaft an sich zu reißen (z.B. Antiamerikanismus), werden als struktureller Antisemitismus gedeutet.

Siehe auch

Quellen

  1. Die Jahrbücher von 1992 bis 2005 auf www.zfa.kgw.tu-berlin
  2. Vgl. Rainer Erb/ Werner Bergmann, Die Nachtseite der Judenemanzipation. Der Widerstand gegen die Integration der Juden in Deutschland 1780- 1860, Berlin 1989.
  3. Christian Wilhelm Dohm: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. Olms, 1973, ISBN 3487046318
  4. Karl Marx in Marx-Engels-Werke Band 1, Seite 353
  5. Friedrich Engels in Marx-Engels-Werke Band 22, Seite 49 ff.
  6. Sigmund Freud: Der Mann Moses und die monotheistische Religion. de Lange, Amsterdam 1939, 1975, Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 1990. ISBN 359626300X
  7. [http://www.guenter-schulte.de/materialien/philoreligion/philoreligion_09.html
  8. Wilhelm Reich: Die Massenpsychologie des Faschismus. Kiepenheuer & Witsch, 1986, ISBN 3462017942, Seite 73
  9. Otto Fenichel: Elemente einer psychoanalytischen Theorie des Antisemitismus. In: Ernst Simmel: Antisemitismus. Fischer Taschenbuch, 1993, ISBN 3-596-15530-4, Seite 55
  10. Otto Fenichel: Elemente einer psychoanalytischen Theorie des Antisemitismus. In: Ernst Simmel: Antisemitismus. Fischer Taschenbuch, 1993, ISBN 3-596-15530-4, Seite 56
  11. Otto Fenichel: Elemente einer psychoanalytischen Theorie des Antisemitismus. In: Ernst Simmel: Antisemitismus. Fischer Taschenbuch, 1993, ISBN 3-596-15530-4, Seite 36
  12. Bela Grunberger: Der Antisemit und der Ödipuskomplex. In: Psyche XIV, 1962, Seite 258
  13. Rudolph Maurice Loewenstein: Psychoanalyse des Antisemitismus. Suhrkamp, 1982 (Erstausgabe 1968), ISBN 3518102419, Seite 72 ff. 124 ff.
  14. Ernst Simmel: Antisemitismus und Massen-Psychopathologie In: Ernst Simmel: Antisemitismus. Fischer Taschenbuch, 1993, ISBN 3-596-15530-4, Seite 71
  15. Ernst Simmel: Antisemitismus und Massen-Psychopathologie In: Ernst Simmel: Antisemitismus. Fischer Taschenbuch, 1993, ISBN 3-596-15530-4, Seite 68
  16. Mortimer Ostow: Myth and Madness - The Psychodynamics of Antisemitism Transaction Pub, 1995, ISBN 1560002247, Seite 21, 88 ff. und 126
  17. Peter Pulzer: Die Entstehung des politischen Antisemitismus S. 12
  18. Hans Rosenberg: Große Depression und Bismarckzeit. Wirtschaftsablauf, Gesellschaft und Politik in Mitteleuropa. Berlin 1967, ISBN 3548032397, Seite 88
  19. Reinhard Rürup: Emanzipation und Antisemitismus. Studien zur Judenfrage der bürgerlichen Gesellschaft. Fischer Taschenbuch, 1987, ISBN 3596243858

Literatur

Historische Wurzeln

  • Werner Bergmann, Rainer Erb: Die Nachtseite der Judenemanzipation. Der Widerstand gegen die Integration der Juden in Deutschland 1780-1860. Berlin 1989
  • Arthur Hertzberg: The French Enlightenment and the Jews. The Origins of Modern Antisemitism. New York 1968
  • Nicoline Hortzitz: "Früh-Antisemitismus" in Deutschland (1789-1871/72). Tübingen 1988
  • Robert Jütte: Die Juden blieben eine unsichtbare Sozialgruppe. Der Beginn des modernen Antisemitismus und seine Wurzeln. In: Jüdische Allgemeine Zeitung vom 26. Juli 1990
  • Paul W. Massing: Vorgeschichte des politischen Antisemitismus. Frankfurt am Main 1959
  • George L. Mosse: Die völkische Revolution. Über die geistigen Wurzeln des Nationalsozialismus. Frankfurt am Main 1991
  • Leon Poliakov: Der arische Mythos. Zu den Quellen von Rassismus und Nationalismus. Wien 1977
  • Leon Poliakov: Geschichte des Antisemitismus. Band V: Die Aufklärung und ihre judenfeindliche Tendenz. Worms 1983
  • Eleonore Sterling: Judenhaß. Die Anfänge des politischen Antisemitismus in Deutschland (1815-1850). Frankfurt am Main 1969
  • Paul Lawrence Rose: Revolutionary Antisemitism in Germany. From Lant to Wagner. Princeton 1990

Geschichte

  • Helmut Berding: Moderner Antisemitismus in Deutschland. Frankfurt am Main 1988
  • Werner Bergmann, Rainer Erb, Christhard Hoffmann (Hrsg.): Traditions of Prejudice. The Religious and Intellectual History of Antisemitism.
  • Hermann Greive: Geschichte des modernen Antisemitismus in Deutschland. Darmstadt 1983
  • Jacob Katz: Vom Vorurteil bis zur Vernichtung. Der Antisemitismus 1700-1933. München 1989
  • Jacob Katz: Zur jüdischen Sozialgeschichte: epochale und überepochale Geschichtsschreibung. In: Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte 1991. S. 429-436
  • Walter Mohrmann: Antisemitismus. Ideologie und Geschichte im Kasierreich und der Weimarer Republik. Berlin (Ost) 1972
  • Werner Mosse, Arnold Paucker (Hrsg.): Die Juden im Wilhelminischen Deutschland. Tübingen 1976
  • Thomas Nipperdey/Reinhard Rürup: Antisemitismus. Artikel in: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache. Band 1, Stuttgart 1972, S. 129-153
  • Peter G.J. Pulzer: Die Entstehung des politischen Antisemitismus in Deutschland und Österreich 1867-1914. Gütersloh 1966
  • Herbert A. Strauss, Norbert Kampe (Hrsg.): Antisemitismus. Von der Judenfeindschaft zum Holocaust. Frankfurt am Main 1985
  • Uriel Tal: Christians and Jews in Germany. Religion, Politics and Ideology in the Second Reich, 1870-1914. Ithaka & London 1975

Krisentheorie der Moderne

  • Werner Jochmann: Gesellschaftskrise und Judenfeindschaft in Deutschland 1870-1945. Hamburg 1988
  • Norbert Kampe: Studenten und 'Judenfrage' im Deutschen Kaiserreich. Die Entstehung einer akademischen Trägerschicht des Antisemitismus. Göttingen 1988
  • Moishe Postone: Nationalsozialismus und Antisemitismus – ein theoretischer Versuch. (S. 242–254) In: Dan Diner (Hrsg.): Zivilisationsbruch: Denken nach Auschwitz. Fischer TB-Verlag, Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-596-24398-X
  • Hans Rosenberg: Große Depression und Bismarckzeit. Wirtschaftsablauf, Gesellschaft und Politik in Mitteleuropa. Berlin 1967, S. 94ff
  • Fritz Stern: Kulturpessimismus als politische Gefahr. Eine Analyse nationaler Ideologie in Deutschland. München 1985
  • Herbert A. Strauss (Hrsg.): Hostages of Modern Civilization: Studies on Modern Antisemitism 1870-1933/39. 2 Bände, Berlin-New York 1992/93.

Marxistische Erklärungsansätze

  • Friedrich Engels: Über den Antisemitismus. In: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Dietz, Berlin 1982 (= MEW 22)
  • Ulrich Enderwitz: Antisemitismus und Volksstaat: Zur Pathologie kapitalistischer Krisenbewältigung. Ça ira Verlag, Freiburg im Breisgau 1998, ISBN 3-924627-28-2
  • Abraham Léon: Die jüdische Frage: Eine marxistische Darstellung. Arbeiterpresse-Verlag, Essen 1995, ISBN 3-88634-064-3

Individual- und sozialpsychologische Erklärungsansätze

  • Bela Grunberger und Pierre Dessuant: Narzißmus, Christentum, Antisemitismus. Eine psychoanalytische Untersuchung. Klett-Cotta, 2000, ISBN 3608918329
  • Ernst Simmel (Hrsg.): Antisemitismus. (mit Aufsätzen von Simmel, Horkheimer, Fenichel, Bernhard, Adorno u. a.). Fischer Taschenbuch, 1993, ISBN 3-596-15530-4
  • Rudolph Maurice Loewenstein: Psychoanalyse des Antisemitismus. Suhrkamp, 1982 (Erstausgabe 1968), ISBN 3518102419
  • Yosef H. Yerushalmi: Freuds Moses. Endliches und unendliches Judentum. Fischer Taschenbuch, Frankfurt, Februar 1999, ISBN 3596123364
  • Wolfgang Hegener: Erlösung durch Vernichtung. Psychoanalytische Studien zum christlichen Antisemitismus. Psychosozial-Verlag, 2004, ISBN 3898063550
  • Mortimer Ostow: Myth and Madness - The Psychodynamics of Antisemitism. Transaction Pub, 1995, ISBN 1560002247
  • Theodor W. Adorno /Max Horkheimer: Elemente des Antisemitismus. In: Dialektik der Aufklärung: Philosophische Fragmente. Fischer TB-Verlag, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-596-50519-4
  • Nathan W. Ackermann, Theodor W. Adorno, Bruno Bettelheim, Else Frenkel-Brunswik, Marie Jahoda, Morris Janowitz, Daniel J. Levinson, Nevitt R. Sanford: Der autoritäre Charakter. Band 2: Studien über Autorität und Vorurteil. 1. Auflage 1969, ISBN 3885353415
  • Werner Bergmann: Psychologische und soziologische Theorien zu Vorurteil und Diskriminierung. In: Herbert A. Strauss, Werner Bergmann (Hrsg.): Lerntag über Vorurteilsforschung heute. Berlin (TU) 1987, S. 9-27
  • Wolfgang Benz, Angelika Königseder (Hrsg.): Judenfeindschaft als Paradigma: Studien zur Vorurteilsforschung. Metropol Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-936411-09-3
  • Jean Paul Sartre: Überlegungen zur Judenfrage. Rowohlt, Reinbek 1994, ISBN 3-499-13149-8

Kirchengeschichtliche Erklärungsansätze

  • Claus-E. Bärsch: Antijudaismus, Apokalyptik und Satanologie. Die religiösen Elemente des nationalsozialistischen Antisemitismus. In: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte 40 (1988)., S. 112-133
  • Dietz Bering: Gibt es bei Luther einen antisemitischen Wortschatz? Zur Widerlegung einer politischen Legende. In: Zeitschrift für Germanistische Linguistik (ZGL) 17.2 (1989), S. 137-161
  • Hermann Greive: Theologie und Ideologie. Katholizismus und Judentum in Deutschland und Österreich 1918-1935. Heidelberg 1969
  • Stefan Lehr: Antisemitismus - religiöse Motive im sozialen Vorurteil. Christian Kaiser Verlag, München 1974, ISBN 3-459-00894-6
  • Leonore Siegele-Wenschkewitz (Hersg.): Christlicher Antijudaismus und Antisemitismus. (Arnoldshainer Texte Band 85) Haag & Herchen Verlag, Frankfurt am Main 1994, ISBN 3861371871

Kulturgeschichtliche Erklärungsansätze

  • Peter Dittmar: Die Darstellung der Juden in der populären Kunst zur Zeit der Emanzipation. München 1992
  • Martin Friedrich: Vom christlichen Antijudaismus zum modernen Antisemitismus. Die Auseinandersetzung um Assimilation, Emanzipation und Mission der Juden um die Wende zum 19. Jahrhundert. In: Zeitschrift für Kirchengeschichte 102 (1991)., S. 319-347
  • Christhard Hoffmann: Das Judentum als Antithese. Zur Tradition eines kulturellen Wertungsmusters. In: Werner Bergmann, Rainer Erb (Hrsg.): Antisemitismus in der politischen Kultur nach 1945. Opladen 1990
  • Christhard Hoffmann: Neue Studien zur Ideen- und Mentalitätsgeschichte des Antisemitismus. In: Jahrbuch für Antisemitismusforschung I (1992), S. 274-285
  • Stefan Rohrbacher, Michael Schmidt: Judenbilder. Kulturgeschichte antijüdischer Mythen und antisemitischer Vorurteile. Reinbek 1991
  • Shulamit Volkov: Antisemitismus als kultureller Code. In: Jüdisches Leben und Antisemitismus im 19. und 20. Jahrhundert. Zehn Essays. Beck, München 2000, ISBN 3-406-42149-0
  • Shulamit Volkov: Das geschriebene und das gesprochene Wort. Über Kontinuität und Diskontinuität im deutschen Antisemitismus. In: Jüdisches Leben und Antisemitismus S. 54-75

Statistische Untersuchungen

  • Werner Bergmann, Rainer Erb: Antisemitismus in der Bundesrepublik Deutschland. Ergebnisse der empirischen Forschung 1946-1989. Opladen 1991

Entwicklung der Antisemitismusforschung

  • Gavin I. Langmuir: Towards a Definition of Antisemitism. Berkeley/Los Angeles 1990
  • Reinhard Rürup: Zur Entwicklung der modernen Antisemitismusforschung. In: Emanzipation und Antisemitismus. Studien zur 'Judenfrage' der bürgerlichen Gesellschaft. Göttingen 1975, S. 115-125