Landreform

Als Landreform oder Bodenreform (manchmal auch Agrarreform) wird eine Änderung der Eigentums- oder Nutzungsrechte an Grundstücken oder allgemein der Rechtsordnung in diesem Bereich bezeichnet, die meist zum Ziel hat, eine gleichmäßigere („gerechtere“) Verteilung des Landbesitzes zu erreichen. Hierbei soll der Boden von Großgrundbesitzern zu Kleinbauern und landlosen Landarbeitern umverteilt werden.
Es gibt sowohl politisch-ideologische als auch sozial- und wirtschaftspolitische Motive für Landreformen. Die historische Bedeutung von Landreformen reicht von den Reformen der Gracchen im alten Rom bis hin zu den heutigen Landreformbewegungen vorwiegend in Entwicklungsländern.
Motive für Landreformen
Landreformen haben meist zum Ziel, eine gleichmäßigere Verteilung des Landbesitzes zu erreichen und den Boden von Großgrundbesitzern zu Kleinbauern und landlosen Landarbeitern umzuverteilen.
Zudem wird oft eine „optimale Betriebsgröße“, das heißt eine nicht „zu große“ und nicht „zu kleine“ Größe landwirtschaftlicher Betriebe angestrebt, wobei diese je nach Zeit, Land, Nutzungsart und Bodenqualität unterschiedlich definiert wird.
Politisch-ideologische Motive
Für die obigen Ziele werden unter anderem ethisch-philosophische Argumente wie die „soziale Gerechtigkeit“ angeführt. Im Sozialismus und Kommunismus sind Landreformen Bestandteil der Überführung der Produktionsmittel unter die Kontrolle der Arbeiter- und Bauernschaft. Auch politische, ideologische und religiöse Strömungen, die das (Privat-)Eigentum an Boden grundsätzlich in Frage stellen, zählen zu den Sympathisanten von Landreformen.
Wirtschafts- und sozialpolitische Motive
Auch sozialpolitische und wirtschaftliche Überlegungen werden für Landreformen angeführt. So schafft eine kleinbäuerliche Landwirtschaft generell mehr Arbeitsplätze als eine industriell betriebene großflächige Landwirtschaft; in Brasilien bietet der Großgrundbesitz beispielsweise Arbeit für 420.000 Menschen, wohingegen Kleinbetriebe mehr als 14 Millionen beschäftigen[1]. Landreformen dienen daher oft dem Zweck, Arbeit und Existenzgrundlagen für die – zumeist armen – Begünstigten zu schaffen wie auch die Landflucht einzudämmen.
Darüber hinaus kann eine Landreform eine Maßnahme zur Förderung von Ernährungssicherheit und Ernährungssouveränität eines Landes oder Gebietes sein, da Großgrundbesitzer zu einem großen Teil exportorientiert wirtschaften oder ihr Land brachliegen lassen, während Kleinbauern eher Grundnahrungsmittel zur Subsistenzwirtschaft und für lokale Märkte anbauen. Brasilien gehört durch die Produktion der riesigen Fazendas zu den führenden Exporteuren von Cash Crops wie Soja, Orangensaftkonzentrat, Kaffee, Rindfleisch etc., aber Bohnen und Maniok – wichtige Grundnahrungsmittel der brasilianischen Bevölkerung – werden zu 70 bzw. 84 % von Kleinbauern produziert[1].
Auch der Rentenkapitalismus, der als investitionshemmend und daher schädlich gilt, soll teilweise durch Landreformen beschränkt werden.
Die Welternährungsorganisation FAO widmete der Bedeutung von Landreformen für die ländliche Entwicklung und die Bekämpfung des Welthungers 2006 eine Konferenz im brasilianischen Porto Alegre.
Andere Motive
Andere Beweggründe für Landreformen können rassistische Motive – so in Simbabwe teilweise anti-weißer Rassismus von Seiten Schwarzer – oder die Schwächung von politischen Gegnern zugunsten der Stärkung politischer Anhänger sein.
Motive und Argumente der Gegner von Landreformen
Die Gegner – namentlich die Landbesitzer, welche ihr Land im Zuge einer Landreform abgeben müssen – machen geltend, dass eine Landreform den Diebstahl von legitimem Besitz darstelle. Vertreter politischer Anschauungen, die grundsätzlich skeptisch gegenüber staatlichen Eingriffen in Markt und Wirtschaft sind, lehnen Landreformen tendenziell ab.
Großgrundbesitzer argumentieren auch, dass eine großflächige Landbewirtschaftung effizienter und produktiver als der Anbau auf kleineren Parzellen sei.
Geschichte
Historisch spielte die Thematik der Landreform mehrfach eine bedeutende Rolle, so im 2. Jahrhundert v. Chr. im alten Rom, als die Brüder Tiberius Gracchus und Gaius Gracchus im Rahmen der Gracchischen Reformen erfolglos eine Landreform durchzusetzen versuchten und damit ein Jahrhundert der Römischen Bürgerkriege auslösten.
Auch in den diversen Bauernkriegen in Europa gehörten u. a. Landreformen und ähnliche Belange zu den Zielen der Aufständischen. Landreformen bzw. Forderungen danach waren Bestandteil verschiedener sozialistisch bis kommunistisch ausgerichteter Revolutionen auf der ganzen Welt sowie vieler Dekolonisationskämpfe in Entwicklungsländern[2].
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts spielten Bauernparteien insbesondere in Mittel- und in Osteuropa eine wichtige Rolle bei der Artikulation und Durchsetzung bäuerlicher Interessen. Nach 1945 kam es in mehreren ostasiatischen Ländern zu Landreformen, die als einer der Gründe für deren darauffolgenden wirtschaftlichen Aufstieg angesehen werden. Heute existieren Landreformbewegungen hauptsächlich in Entwicklungsländern, insbesondere in Lateinamerika. Die modernen Landreformbewegungen bilden teilweise Synergien mit der Dritte Welt-Bewegung in Industrieländern und der Globalisierungskritik. Auf weltweiter Ebene setzt sich das Kleinbauernnetzwerk Via Campesina für Landreformen ein.
Hauptartikel: Bodenreformbewegung
Formen der Landreform
Landreformen können auf unterschiedliche Weise durchgeführt werden. Das Spektrum reicht von der „Marktgestützen Landreform“ (siehe unten) über staatliche Subventionen oder Darlehen für Bauern und Landarbeiter, die das von ihnen bearbeitete Land kaufen möchten, bis hin zu Erwerb und Verteilung des Landes durch den Staat selbst. In den einen Fällen kauft der Staat hierbei das Land von Großgrundbesitzern, welche es freiwillig verkaufen („willing seller – willing buyer“), in anderen Fällen greift er zum Mittel der Enteignung, welche vollumfänglich, teilweise oder auch nicht entschädigt werden kann und bisweilen mit Gewalt geschieht. Manchmal wird im Rahmen einer Landreform privates Land verstaatlicht, in anderen Fällen wiederum Staatsland in den Privatbesitz von Kleinbauern überführt. Privatbesitz kann zum Gemeinschaftsbesitz umgewandelt werden (Kollektivierung) oder auch Gemeinschaftsbesitz unter den Mitgliedern der Gemeinschaft aufgeteilt werden.
Marktgestützte Landreform
Die Marktgestützte Landreform (market-based agrarian reform) ist eine Variante der Landreform, die von der Weltbank gefördert wird. Hierbei muss der Kleinbauer, der provisorisch Land erhalten hat, dieses dem vorherigen Besitzer zum vollen Marktpreis abkaufen. Vermag er dies nicht, verliert er das Land wieder. Verteilt wird ausschließlich Land, das von den Besitzern freiwillig auf den Markt geworfen wurde. Dieses Modell wurde in den 1990er Jahren in Brasilien, Kolumbien und Südafrika angewendet, wobei die Resultate als bescheiden bewertet wurden.
Von Organisationen wie Via Campesina und FIAN wird die Marktgestützte Landreform als ineffektiv kritisiert, da sie sich nicht ausreichend auf die Bedürfnisse der ärmsten Bauern ausrichte und zudem vorwiegend Land von minderer Qualität von kleinen und mittleren Betrieben auf dem Markt angeboten werde, während Großgrundbesitzer ihre Ländereien von besserer Qualität kaum freiwillig anböten.[3]
Freiwirtschaftliche Bodenreform
Gemäß dem „Freiland“-Konzept der Freiwirtschaft sollen Landeigentümer einen Teil des Gewinnes, den sie aus ihrem Land ziehen, in Form einer Abgabe an die Allgemeinheit überführen, da der Boden Allgemeingut sei. Bedeutendster Vertreter dieser Form der Landreform war der US-Amerikaner Henry George.
Einzelaspekte
Landreform und Menschenrechte
Organisationen wie FIAN fassen das Recht auf Nahrung in erster Linie als Recht, sich zu ernähren auf, was entweder durch ein existenzsicherndes Einkommen aus Lohnarbeit oder durch den Zugang zu produktiven Ressourcen wie Land, um selbst Nahrung zu produzieren, gewährleistet werden müsse. Gemäß dieser Auffassung kann eine ungleiche Verteilung von Landbesitz einer Verletzung des Menschenrechts auf Nahrung gleichkommen und eine Landreform ein notwendiges Mittel zur Umsetzung dieses Rechts sein.
Gegner von Landreformen sehen hingegen das Menschenrecht auf Eigentum der jeweils zu enteignenden Landbesitzer gefährdet, es sei denn, es handle sich um illegal erworbenes Eigentum (etwa durch die Fälschung von Dokumenten oder die gewaltsame Verdrängung der ursprünglichen Landbesitzer). Im Kontext von Landreformen kommt es teilweise zu Menschenrechtsverletzungen, beispielsweise bei gewaltsamen Enteignungen.
Landreform und Frauenanliegen
Eine manchmal von Befürwortern von Landreformen geäußerte Kritik ist, dass zumindest in früheren Landreformen die spezifische Situation und die Anliegen von Frauen wenig berücksichtigt worden seien. So waren von den Begünstigten der Landreform in Honduras von 1962 –1991 gerade 4% Frauen[4]. Da Frauen in vielen Entwicklungsländern einen Großteil der Haus- und Feldarbeit leisten, aber das meiste Land sich im Besitz von Männern befindet, treten manche Feministinnen für eine Umverteilung des Landbesitzes nicht nur von Großgrundbesitzern zu Kleinbauern, sondern auch innerhalb der Bauernfamilien ein.
Landreformen in der Entwicklungspolitik
Private Entwicklungsorganisationen arbeiten teils mit NGOs in Entwicklungsländern zusammen, welche sich für Landreformen einsetzen; insgesamt spielt diese Thematik jedoch in der Entwicklungshilfe/Entwicklungszusammenarbeit der Industrieländer eine geringe Rolle. Dieser Umstand wird von entwicklungspolitischen Organisationen wie FIAN, die eine stärkere Berücksichtigung dieses Aspekts befürworten, kritisiert.
An einer Sondersitzung der Welternährungsorganisation FAO im November 2006 sprachen sich Brasilien, Argentinien, die Philippinen und weitere Entwicklungsländer für ein stärkeres Engagement der FAO in diesem Bereich aus, was von den USA, Kanada, der EU und Japan abgelehnt wurde[5].
Das deutsche BMZ strich 2001 die Budgetlinie für „strukturelle Ernährungssicherung“, um den hierfür aufgewendeten Betrag stattdessen für Nothilfe zu verwenden. 2003 beendete das BMZ ein Projekt im Zusammenhang mit Landreformen auf den Philippinen, was nach Angaben lokaler NGOs vermehrte Repressionen von Seiten der Großgrundbesitzer in der Region begünstigte. Weiterhin unterstützt das BMZ Landreformprogramme nach dem willing seller – willing buyer-Prinzip, etwa in Namibia.[6]
Folgen von Landreformen
Die Folgen von Landreformen fielen im Laufe der Geschichte sehr unterschiedlich aus. Beispielsweise werden die Mitte des 20. Jahrhunderts in den heutigen „Tigerstaaten“ Asiens durchgeführten Landreformen als erfolgreich und als ein Mitgrund für den wirtschaftlichen Aufstieg dieser Länder gewertet. Andere Reformen wurden beschlossen, aber unvollständig umgesetzt, blieben weitgehend folgenlos oder zeigten negative Folgen. So trugen die Zwangskollektivierungen in kommunistischen Systemen mehrfach zu Hungersnöten bei (in der Sowjetunion in den 1930ern, in China 1959–62 und in den 1990ern in Nordkorea), und in Simbabwe hat die „beschleunigte Landreform“ ab 2000 die gegenwärtige Krise im Land mitverursacht.
Für weitere Beispiele siehe die untenstehende Liste.
Landreformen nach Regionen
Afrika
Die Thematik der Landreform spielt vor allem im südlichen Afrika eine Rolle, wo sich als Erbe von Kolonialismus und Apartheid ein großer Teil insbesondere der fruchtbarsten Böden im Besitz weißer Farmer befindet, während die meisten schwarzen Bauern auf wenig Land Subsistenzwirtschaft betreiben. Bedeutende Teile der schwarzen Bevölkerungsmehrheit betrachten die Landnahme weißer Siedler in der Kolonialzeit als Diebstahl und die Rückgabe von Land daher als notwendige Wiedergutmachung historischen Unrechts.
Simbabwe
In Simbabwe wurde entsprechend dem Lancaster-House-Abkommen 1979, welches die Unabhängigkeit Simbabwes und das Ende der Apartheid im Land besiegelte, ein Fonds gegründet, der nach dem willing seller – willing buyer-Prinzip Land von weißen Farmern kaufte, um es zu verteilen. Dieser Fonds wurde von der ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien mitfinanziert und bewirkte 1980–1990 die Umverteilung von mehr als 20.000 km² Land an etwa 70.000 Begünstigte. Insgesamt ging die Landreform jedoch nur langsam voran, sodass Präsident Mugabe 2000 die kontroverse „beschleunigte Landreform“ (fast-track land reform) initiierte.
Seither wurden praktisch alle weißen Farmer ohne Entschädigung gewaltsam vertrieben. Das enteignete Land wurde vielfach nicht wie ursprünglich vorgesehen an landlose schwarze Bauern oder an die vormaligen Farmarbeiter vergeben, sondern an Anhänger Mugabes. Aufgrund mangelnder landwirtschaftlicher Erfahrung oder weil die Lieferung von Saatgut und landwirtschaftlichen Hilfsmitteln von der Regierung versprochen, aber nicht eingehalten wurde, ließen viele der neuen Landbesitzer ihren Boden brachliegen. In der Folge waren die vertriebenen ehemaligen Farmarbeiter von Arbeitslosigkeit und das Land von Nahrungsmittelknappheit betroffen.[7]
Weitere Länder
- Angola: Nach dem Abzug der portugiesischen Kolonialmacht 1975 wurden Farmen aus ehemals portugiesischem Besitz in Staatsfarmen umgewandelt. Diese rentierten jedoch nicht und wurden schließlich an private Bauern oder Kooperativen übertragen.[8]
2004 wurde in Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen ein neues Landgesetz ausgearbeitet, das Nutzungs-, Gewohnheits- und Vererbungsrechte, Entschädigungsrechte im Fall von Enteignungen und die Einführung von Nutzungsgebühren für Großgrundbesitz regelt. In der Praxis wurde dieses Gesetz aber nicht vollständig umgesetzt, was zu Rechtsunsicherheit führt. Korrupte Akteure – tubarões („Haie“) genannt – eignen sich zuweilen illegal große Ländereien an und vertreiben die darauf ansässige Bevölkerung.[9] - Äthiopien: Die traditionellen Landbesitzsysteme in Äthiopien sind vielfältig. Während der Bodenbesitz im Norden des Landes relativ gleichmäßig verteilt war, war die Ungleichheit im Süden größer. Ab Mitte der 1960er waren Teile der äthiopischen Bevölkerung für Landreformen. Die Landreform des kommunistischen Derg 1975 wurde im Süden begrüßt, im Norden hingegen teilweise abgelehnt. Hierbei wurde das Land verstaatlicht, wobei die Bauern Nutzungsrechte für Landstücke von weniger als zehn Hektaren erhielten. Infolge des Bevölkerungswachstums und des Mangels an alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten hält die Tendenz der Aufteilung in immer kleinere Parzellen, welche kaum zur Selbstversorgung ausreichen, an.[10]
- Burkina Faso: In Burkina Faso führte Thomas Sankara in den 1980er Jahren Landreformen durch, indem das Land, das bisher von den Dorfvorstehern nach Gutdünken verteilt worden war, umverteilt wurde gemäß den Bedürfnissen der Bauernfamilien.[11]
- Kenia: In den 1960er Jahren lancierte Kenyatta eine Landreform auf Basis der willing seller – willing buyer-Prinzips, die von der ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien finanziert wurde. 2006 kündigte Mwai Kibaki die Neuverteilung von Land in der Küstenregion, welches sich im Besitz abwesender Landeigentümer befindet, an Menschen, die sich auf diesem Land niedergelassen haben, an[12].
- Mauretanien: Es stellt sich die Frage nach der Übergabe von Land aus dem Besitz der Elite der „weißen Mauren“ an (ehemalige) Sklaven (Haratin, „schwarze Mauren“); viele Sklaven bewirtschaften seit Generationen Land für ihre Herren und glauben, Anspruch darauf zu haben. Da landwirtschaftlich nutzbares Land in Mauretanien insgesamt knapp ist, wollen die heutigen Landbesitzer und Sklavenhalter dies keinesfalls. Dies ist einer der Gründe, weshalb die Bekämpfung der Sklaverei in Mauretanien langsam vorankommt.[13]
- Namibia: Wie im gesamten südlichen Afrika befindet sich als Erbe von Kolonialismus und Apartheid ein großer Teil insbesondere der fruchtbarsten Böden im Besitz weißer Farmer. Unter Sam Nujoma fand eine begrenzte Landreform zugunsten schwarzer Kleinbauern statt.
- Südafrika: Die Rückgabe von Land (Land restitution) war eines der Versprechen des ANC, als dieser 1994 an die Macht kam. Zunächst wurde dies mit Hilfe eines willing seller – willing buyer-Programms umgesetzt, in dessen Rahmen die Regierung Land von weißen Großgrundbesitzern aufkaufte und verteilte. Auch wurde Land von Schwarzen, das die Regierung in der Apartheid-Ära enteignet hatte, wieder zurückgegeben[14]. Da die südafrikanische Landreform jedoch insgesamt langsam vorankommt, kündigte die Regierung Anfang 2006 an, künftig auch zum Instrument der Enteignung – mit Entschädigung der Grundbesitzer – zu greifen[15].
- Tansania: Als bedeutender Teil des Ujamaa-Sozialismus unter Nyerere wurden Millionen Dorfbewohner – teils unter Zwang – in Gemeinschaftsdörfer umgesiedelt, wo ihnen landwirtschaftliche Technologie, Bildungseinrichtungen etc. zur Verfügung gestellt wurden und sie das Land gemeinsam bearbeiten sollten. Nach dem Ende des Ujamaa-Programms kehrten viele Bauern wieder in ihre ursprünglichen Dörfer zurück.
Asien
Die Situation in Asien ist von Land zu Land sehr unterschiedlich. Die Landreformen in den heutigen „Tigerstaaten“ nach dem 2. Weltkrieg werden als einer der Gründe für deren wirtschaftlichen Aufstieg gewertet. Besonders ist die Situation auf den Philippinen, wo die Landbesitzstrukturen aus historischen Gründen denjenigen in Lateinamerika ähneln, und in Indien. Landreformen von unterschiedlicher Intensität wurden in kommunistisch regierten Ländern wie China durchgeführt.
China
Durch die 1946 – drei Jahre vor Gründung der Volksrepublik China – begonnene Landreform gewann die Kommunistische Partei die Unterstützung von Millionen armen bis mittleren Bauern. Land und sonstiger Besitz von „Grundherren“ wurde enteignet und unter den Bauern umverteilt, sodass jeder ländliche Haushalt etwa gleich viel besaß. Damit wurden zugleich die früheren „Dorf-Eliten“ beseitigt, welche in dem Verdacht standen, dass sie sich ansonsten möglicherweise der Partei und deren Programm entgegengestellt hätten[16].
Ab 1958 wurden die bäuerlichen Haushalte in Kollektive und Volkskommunen zusammengefasst, welche zentral kontrolliert wurden. Eine Volkskommune umfasste etwa 5.000 Haushalte oder 22.000 Personen, welche auf mehrere Dörfer verteilt waren[17]. Dies führte auch dazu, dass der einzelne Bauer keinen direkten persönlichen Vorteil daraus zog, wenn er seine Produktivität erhöhte, und folglich auch keinen Anreiz hierzu hatte. Zusätzlich wurden im Laufe des „Großen Sprungs nach vorn“ zahlreiche Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft abgezogen, um eine Schwerindustrie aufzubauen. In der Folge sank die landwirtschaftliche Produktion. Diese Politik war mitverantwortlich für die massive Hungersnot Anfang der 1960er Jahre und wurde danach teilweise rückgängig gemacht.
Ende der 1970er Jahre wurden im Rahmen des household responsibility system und familienbasiertem Kontraktsystem wieder individuelle Rechte und Verantwortung der Bauern gestärkt. Diese mussten nun eine bestimmte Quote ihrer Produktion zu einem festgesetzten Preis an das Kollektiv abliefern, konnten ansonsten aber ihre Arbeit frei organisieren und Überschüsse frei verkaufen[18]. Dieses Programm verzeichnete zunächst großen Erfolg in der Produktivitätssteigerung, später stagnierte es, wohl weil das System der periodischen Neuverteilung des Bodens eher dessen kurzfristig angelegte Ausbeutung als längerfristige Investitionen förderte.
Indes bleibt Armut im ländlichen China verbreitet. So sind viele Bauern stark durch – teils illegale – Steuern und Abgaben belastet und erhalten im Falle von erzwungenen Umsiedlungen etwa für den Bau von Staudämmen oder Industrieanlagen oft nicht die ihnen gesetzlich zustehende Entschädigung.[19]
Weitere Länder
- Indien: Als Erbe der britischen Kolonialzeit hatte Indien ein semi-feudales Landbesitzsystem, in dem der Landbesitz auf wenige Eigentümer (Zamindars) konzentriert war. Seit der Unabhängigkeit gab es daher in mehreren Bundesstaaten Landreform(-bestrebung-)en. Am konsequentesten wurden diese im von der Kommunistischen Partei regierten Westbengalen durchgeführt; 7,5 Millionen Landlose haben seit 1977 Land erhalten, und die Rechte der Pächter wurden gestärkt[20]. Ähnlich geschah es im ebenfalls kommunistisch regierten Kerala[21]. Ein weiteres Landreformprogramm wurde nach 1947 in Jammu und Kashmir lanciert.
In Andhra und Madhya Pradesh kämpfen die Naxaliten mit Gewalt für Landreformen. In Bihar kommt es im Kontext der Auseinandersetzungen zwischen Privatmilizen von Landeigentümern, Dorfbewohnern und Maoisten bisweilen zu Massakern. - Indonesien: Das Agrargesetz von 1960 hatte eine Modernisierung der Landbesitzverhältnisse wie auch teilweise Landumverteilungen zum Ziel, wurde allerdings unvollständig umgesetzt[22]. Es gibt diverse Fälle, in denen Kleinbauern willkürlich und illegal durch den Staat oder durch private Unternehmen von ihrem Land vertrieben wurden[23][24].
- Japan: Nach dem 2. Weltkrieg führte die US-amerikanische Besatzungsmacht eine Landreform durch. Pächtern wurde das Land, das sie bestellten, als Privatbesitz übertragen, wobei die vormaligen Grundherren eine geringe Entschädigung erhielten. Die japanische Landreform wird allgemein als „Erfolg“ und als einer der Gründe für Japans wirtschaftlichen Aufstieg gewertet, doch ist teils umstritten, inwiefern sie tatsächlich wirtschaftlich und inwiefern eher politisch erfolgreich war[25].
- Kambodscha: Unter den Roten Khmer sollte das Land in einen „Bauernstaat“ umgewandelt werden. Hierzu wurden Stadtbewohner aufs Land gezwungen und alle Reisfelder in Parzellen von einheitlicher Größe aufgeteilt, unabhängig davon, ob dies geografisch sinnvoll war.
- Korea:
- In Südkorea führten koreanische und US-amerikanische Behörden 1945–1950 eine Landreform durch: Land im Besitz der ehemaligen japanischen Kolonialregierung, japanischer Unternehmen und Kolonisten wurde konfisziert und umverteilt. Die koreanische Regierung führte eine Landreform durch, in deren Rahmen koreanische Großgrundbesitzer das meiste Land abgeben mussten. So entstand eine neue Klasse unabhängiger Landeigentümer-Familien.[26]
- Im kommunistisch regierten Nordkorea wurde nach 1946 eine Landreform durchgeführt. Bis heute gelten ehemalige „Großbauern“ als „feindlich gesinnte Personen“[27].
- Laos: Nach der Machtübernahme der kommunistisch geprägten Pathet Lao 1975 wurde das Land zu Staatseigentum erklärt, und die Kleinbauern wurden in Kooperativen zusammengefasst. Dieses Programm erfreute sich allerdings keiner großen Beliebtheit unter den Bauern, da diese zuvor nicht von Großgrundbesitzern unterdrückt worden waren und die Kollektivierung nicht als „Befreiung“, sondern als Einengung empfanden. Im Zuge der wirtschaftlichen Öffnung des Landes in den 1980ern wurde den Kleinbauern der Austritt aus den Kooperativen erlaubt, was die meisten daraufhin taten.[28]
- Nepal: Durch Landreformgesetze in den 1950er und 1960er Jahren wurden die vormals feudalistisch geprägten Landbesitzstrukturen reformiert und ein Teil des Bodens umverteilt[29]. Nach der Befreiung der Kamaiya aus der Schuldknechtschaft wurde diesen Land als Entschädigung und Existenzgrundlage versprochen, was jedoch noch nicht umgesetzt wurde.
- Philippinen: Im Rahmen des Comprehensive Agrarian Reform Law existiert ein umfassendes Programm zur Umverteilung von Staats- und teilweise Privatland an landlose Bauern, das allerdings insbesondere im Bereich der Ländereien einflussreicher Großgrundbesitzer unvollständig umgesetzt ist. Zuweilen kommt es zu Attentaten auf Landreformaktivisten.[30]
- Taiwan: In den Jahren nach dem 2. Weltkrieg führte Chiang Kai-shek auf Insistieren der USA eine Landreform durch. Dies wurde auch dadurch ermöglicht, dass viele Großgrundbesitzer Japaner waren, die nach dem Kriegsende geflohen waren, und dass die meisten Kuomintang vom chinesischen Festland stammten und daher den einheimischen Grundbesitzern nicht verbunden waren.
- Thailand: Premierminister Chuan Leekpai trat für Landreformen ein, stieß jedoch auf Widerstand und konnte diese daher nicht umsetzen.
- Türkei: Historisch waren die türkischen Bauern unabhängig von Grundherren. In seiner Anfangszeit hielt der Osmanische Staat den meisten Boden im Staatsbesitz und verpachtete ihn zu relativ günstigen Bedingungen an die Bauern; er sorgte dafür, dass Landstücke stets groß genug blieben, um eine Familie und zwei Ochsen zu ernähren, und unterband die Entstehung einer „Landeigentümer-Klasse“. Später wich er von dieser Politik ab, sodass bis 1923 der Landbesitz auf wenige Personen mit großen Ländereien übergegangen war. Seit der Ära Atatürks wurden verschiedentlich Landumverteilungen zwecks Förderung der ländlichen Entwicklung propagiert, was aber kaum zur Umsetzung gelangte.[31]
- Vietnam: Nach dem 2. Weltkrieg und noch vor der formellen Teilung des Landes wurde in Nordvietnam eine Landreform initiiert. Diese führte zur Verteilung von Land an zwei Millionen arme Bauern, aber auch zu Zehn- bis Hunderttausenden Toten und war ein Grund für den Exodus von einer Million Menschen nach Südvietnam nach 1954. In Südvietnam gab es in der Zeit nach Diệm mehrere Bestrebungen, wovon die ehrgeizigste das 1970 von Nguyễn Văn Thiệu begonnene „Das Land dem, der es bebaut“-Programm war. Dieses beschränkte den Landbesitz von Individuen auf 15 Hektaren, beinhaltete Kompensationen für enteignete Landstücke und vergab legale Landtitel an Bauern in von der südvietnamesischen Regierung kontrollierten Gebieten, die zuvor von der Vietcong Land erhalten hatten. Die Landreform wurde nicht in allen Landesteilen wirksam umgesetzt; im Mekongdelta und in den Provinzen um Saigon konnte innerhalb dreier Jahre der Anteil des von Pächtern bestellten Bodens von 60 auf 10 % gesenkt werden[32].
Europa
Die im 20. Jahrhundert in den Ostblockstaaten durchgeführten Enteignungen und Kollektivierungen sind weitgehend rückgängig gemacht. Da die Bedeutung der Landwirtschaft gegenüber dem Industrie- und Dienstleistungssektor allgemein stark zurückgegangen ist, ist auch die Bedeutung von Landreformfragen heute gering.
Irland (19. Jahrhundert)
Bis in das 20. Jahrhundert gab es hingegen auch in Westeuropa Landreformbewegungen, beispielsweise in Irland. Nach der Großen Hungersnot 1845–1849 – welche u. a. darauf zurückzuführen war, dass sich der irische Boden damals größtenteils im Besitz englischer, teilweise auch irischer Landlords befand, während die irischen Bauern als Pächter zumeist in großer Armut lebten – nahm die „Landfrage“ einen beherrschenden Platz in der irischen Politik ein. Die Irish Land League, geführt von Michael Davitt und Charles Stewart Parnell, kämpfte ab den 1870ern im „Land War“ für Landreformen. Durch mehrere Landreformgesetze ging der Boden im Laufe der folgenden Jahrzehnte allmählich wieder in den Besitz der irischen Bauern über.
Weitere Länder
- Bulgarien: 1880 erhielt jeder Bauer, Teilpächter oder Landarbeiter, der 10 Jahre lang ohne Unterbrechung ein Landstück bearbeitet hatte, dieses zugeteilt.[33]
- Deutschland: siehe Bodenreform in Deutschland.
- Estland und Lettland: Bei ihrer Staatsgründung 1918 wurde der Großgrundbesitz deutscher Grundbesitzer enteignet und zu einem großen Teil in kleinbäuerliche Einheiten umgewandelt.
- Finnland: Nach dem Finnischen Bürgerkrieg kam es 1918 zu einer Reihe von Landreformen. Diese beinhalteten die Übertragung von gepachtetem Land (torppa) an die Pächter – bei Entschädigung der Grundbesitzer – und ein Verbot der Landaneignung durch Holzunternehmen. Nach dem 2. Weltkrieg erhielten aus russisch gewordenen Gebieten evakuierte Karelier Staats- und Privatland. Auch Kriegsveteranen profitierten von solchen Zuteilungen.
- Frankreich: Eine umfassende und dauerhafte Landreform fand unter der Herrschaft des Direktoriums gegen Ende der Französischen Revolution statt.
- ehemaliges Jugoslawien: Unter Tito wurde das Land zu einem erheblichen Teil in Genossenschaften zusammengefasst, ein Teil wurde armen Bauern zugeteilt.[34]
- Österreich: siehe Bodenreform in Österreich.
- Polen: Es gab mehrere Landreformen in Polen; die bedeutendsten sind diejenigen in der Zeit zwischen 1. und 2. Weltkrieg (1919, 1921, 1923, 1925 und 1928) und in der Volksrepublik Polen (1944).
- Portugal: Nach der Nelkenrevolution 1974 kam es unter dem sozialistischen Flügel der putschenden Streitkräfte MFA zu Verstaatlichungen und Landreformen[35]
- Rumänien: Nach gescheiterten Landreformversuchen durch Mihail Kogălniceanu nach 1863 (deren Scheitern u. a. den Bauernaufstand in Rumänien 1907 zur Folge hatte) wurde 1921 eine umfassende Reform durchgeführt.
- Russland / Sowjetunion: Nachdem 1861 im Russischen Reich die Bauernbefreiung durchgesetzt worden war, waren die russischen Bauern nicht mehr an Großgrundbesitzer gebunden, aber an die Mir-Dorfgemeinschaften. Premierminister Stolypin führte eine Agrarreform durch, die den Bauern das Dorfgemeinschaftsland als Privateigentum übertrug.
Nach der Oktoberrevolution 1917 verbot Lenin in seinem Land-Dekret jegliches Privateigentum an Boden. Landbesitz wurde ohne Entschädigung enteignet und kollektiviert. In den 1930er Jahren unter Stalin führte der Einsatz von Hunger als Waffe gegen angebliche oder tatsächliche „Großbauern“ (Kulaken), um den Widerstand gegen die Zwangskollektierung zu brechen, zur Hungersnot in Teilen Russlands, im Kaukasus, Kasachstan und der Ukraine (Holodomor). - Schottland: Der Land Reform (Scotland) Act 2003 beendet das historische Erbe feudaler Gesetze und stellt einen Rahmen dar, in dem ländliche Gemeinden Land auf ihrem Gebiet kaufen können.
- Schweden: 1827 wurde das Land, das von den Dorfbewohnern bislang gemeinschaftlich bearbeitet worden war, als Privatbesitz aufgeteilt.[36]
- Türkei: siehe unter Asien#Weitere Länder.
- Ungarn: 1945 wurden sämtliche mehr als 142 Acres umfassenden Grundstücke entschädigungslos enteignet und unter den Bauern verteilt. In den 1950er Jahren wurde der Kollektivbesitz nach sowjetischem Vorbild eingeführt. Nach 1990 wurden die Kooperativen aufgelöst und der Boden auf private Kleinbauern verteilt.
Lateinamerika
Die Agrarstrukturen in Lateinamerika sind von großen Gegensätzen zwischen wenigen Großgrundbesitzern und ihren riesigen haciendas oder fazendas einerseits und den vielen Kleinbauern und Landlosen andererseits geprägt. Deswegen ist hier der Druck für Landreformen gegenwärtig am stärksten ausgeprägt.
Brasilien
Ab den 1930er Jahren schränkte Getúlio Dornelles Vargas die traditionelle Macht der Großgrundbesitzer ein und versprach eine Landreform, wobei letzteres Versprechen nicht wirklich eingelöst wurde. Dies liegt daran, dass der politische Einfluss der Großgrundbesitzer nach wie vor bedeutend ist; zudem lassen sich die entsprechenden Gesetze in abgelegenen Gebieten, wo Korruption in der Polizei verbreitet ist und manche Großgrundbesitzer Privatmilizen (pistoleiros) unterhalten, bisweilen schwer durchsetzen.
Während der Militärdiktaturen 1974–1985 waren auch Personen und Organisationen, die sich für Landreformen einsetzten, Repressionen ausgesetzt. Teilweise wurde versucht, die „Landfrage“ durch die Ansiedlung von Landlosen im Amazonien zu lösen, was umstritten ist, da sich dadurch der Druck auf den dortigen Regenwald erhöhte. Die Landlosenbewegung MST setzt sich für Landreformen ein, weitere Akteure der Landreformbewegung sind befreiungstheologische kirchliche Kreise wie die CPT. Der seit 2003 regierende Luiz Inácio Lula da Silva versucht gegenwärtig die Landreform umzusetzen.
Weitere Länder
- Argentinien: Das Land gehört zu den größten Exporteuren von Rindfleisch, – teils gentechnisch verändertem – Soja und Getreide, die bedeutende Einnahmen bringen. Doch profitieren hauptsächlich wenige Großgrundbesitzer und Unternehmen von den Exporterlösen, während unter der übrigen Bevölkerung Armut bis hin zu Hunger verbreitet ist. In den letzten Jahren mussten an die 160.000 Kleinbauern der Expansion des Sojaanbaus weichen[37]. Die Frage der Landreform ist daher Gegenstand gesellschaftlicher Debatten. Hierbei tritt namentlich die einflussreiche Katholische Kirche für Landreformen ein, da die starke Konzentration des Landbesitzes den Kleinbauern schade; Vertreter der Agrarwirtschaft argumentieren dagegen, dass die Landkonzentration eine effiziente Bewirtschaftung ermögliche[38].
- Bolivien: Nach der Revolution 1952 wurde ein Landreformgesetz verabschiedet, in dessen Rahmen bis 1970 aber nur 45 % der Bauernfamilien tatsächlich Landtitel erhalten hatten. Weitere Reformprogramme erfolgten in den 1970er und 1980er Jahren. Der neue Präsident Evo Morales plant bis 2011 die Umverteilung von einem Fünftel des bolivianischen Landes[39]; 2,5 Mio. Hektaren Staats- und 20 Mio. Hektaren ungenutztes Privatland sollen umverteilt werden[40].
- Chile: Landreformen wurden unter Jorge Alessandri 1960 begonnen und unter Eduardo Frei Montalva weitergeführt. Ihren Höhepunkt erreichte die Landreform in Chile unter Allende 1970–1973; über 80 Hektar große Farmen wurden enteignet. Nach der Machtübernahme Pinochets wurde sie gestoppt und teilweise durch die Kräfte des Marktes wieder rückgängig gemacht.
- Ecuador: Landreformen gehören zu den Forderungen der Bewegung der Indigenen in Ecuador.
- Guatemala: Landreformen geschahen von 1944–1954 unter den Präsidenten Juan José Arévalo und Jacobo Arbenz, wurden jedoch nach dem Sturz von Arbenz durch die CIA (Operation PBSUCCESS) weitgehend rückgängig gemacht. Die „Landfrage“ in Guatemala bleibt Anlass für Menschenrechtsverletzungen v. a. an indigenen Kleinbauern[41].
- Haiti: Nach dem Sklavenaufstand unter Toussaint Louverture 1791 wurden die Großplantagen unter den ehemaligen schwarzen Sklaven aufgeteilt und in kleinbäuerliche Parzellen umgewandelt. In der Folge kam die Produktion von Agrarexportgütern zum Erliegen; nach Ansicht mancher ist diese Landreform einer der Gründe für die heutige Armut Haitis.
- Kolumbien: 1936 erließ Alfonso López Pumarejo ein Gesetz, das es ermöglicht, Privatbesitz im „sozialen Interesse“ zu enteignen. Danach sank das Interesse zunächst, bis 1958–1974 die Partei „Nationale Front“ an die Macht kam. Unter Carlos Lleras Restrepo wurde das Kolumbianische Institut für Agrarreform (INCORA) gegründet, das allein 1968 und 1969 60.000 Landtitel an Bauern und Arbeiter vergab. Danach kam der Landreformprozess zum Erliegen und begann sich von selbst rückgängig zu machen, da der bewaffnete Konflikt in Kolumbien zur Vertreibung von Millionen Kleinbauern und zu einer erneuten Konzentration des Landbesitzes in den Händen von Großgrundbesitzern führte. Pläne der kolumbianischen Regierung zu Beginn des 21. Jahrhunderts, legal enteignetes Land von Drogenbaronen und von demobilisierten paramilitärischen Gruppierungen zurückgegebenes Land zu nutzen, haben noch zu keinen praktischen Ergebnissen geführt.
- Kuba: Die Landreform war ein zentrales Anliegen der Revolution 1959. Große Landgüter wurden durch das Nationale Agrarreforminstitut (INRA) beschlagnahmt; hiervon war auch Fidel Castros Vater, seinerseits Großgrundbesitzer, betroffen. Für die Größe von Grundbesitz wurde eine Obergrenze von 67 Hektaren festgesetzt, und Pächter erhielten die vollen Eigentumsrechte.
- Mexiko: Ein gewisses Maß an Landreformen fand im Rahmen der Mexikanischen Revolution statt, aus der die bekannte Parole Tierra y Libertad („Land und Freiheit“) stammt. Heute kämpfen die nach dem Revolutionsführer und Landreformer Emiliano Zapata benannten Zapatistas für Landreformen.
- Nicaragua: Durch die Landreform unter den Sandinistas wurde Großgrundbesitz verstaatlicht oder an Kleinbauern vergeben. Nach dem Contra-Krieg wurde dies weitgehend rückgängig gemacht.
- Paraguay: Ein Gesetz von 1963 ermöglicht die Umverteilung von Landbesitz, der die Obergrenze von 10.000 Hektaren im Osten des Landes bzw. 20.000 Hektaren im Chaco im Westen überschreitet. In der Praxis wurde dies kaum umgesetzt. Größere Auswirkungen hatte ein Programm zur Vergabe von Landtiteln im früher weitgehend unberührten östlichen Landesteil. Dadurch wurde die Gründung von Kolonien und die Erschließung dieses Gebietes gefördert.[42]
- Peru: Die Landreform in den 1950er Jahren führte zur weitgehenden Beendigung des jahrhundertealten Systems der peonaje (Schuldknechtschaft). Weitere Landreformen wurden nach 1968 durchgeführt, und nochmals 1988–1995 – als Maßnahme gegen den „Leuchtenden Pfad“ – unter Hernando de Soto und in den frühen Jahren der Regierung Alberto Fujimoris.
- Venezuela: Als Teil der „Bolivarischen Revolution“ des Präsidenten Hugo Chávez wird im Rahmen der Mission Zamora Staatsland und ungenutztes Privatland an arme Campesinos verteilt.
Mittlerer Osten und Nordafrika
Landreformen sind ein Element des arabischen Sozialismus.
- Ägypten: Nach der Revolution 1952 wurde unter Nasser eine Landreform durchgeführt. Diese beinhaltete die Festlegung von Obergrenzen für die Größe von Landbesitz, die Enteignung von Landbesitz, der diese Grenze überschritt und dessen Verteilung an Bauern und Landarbeiter. Bauernkooperativen wurden gegründet, Mindestlöhne für Landarbeiter und eine Mindestlänge für Pachtverträge festgelegt. Heute wird diese Landreform allmählich rückgängig gemacht[43].
- Syrien: (1963, seither weitgehend rückgängig gemacht)[44]
- Irak: Landreformen mit beschränktem Erfolg geschahen unter Abd al-Karim Qasim und wurden unter dem Baath-Regime von Saddam Hussein erneut aufgenommen. Diese Reformen führten zur Bildung einer großen Zahl kleinbäuerlicher Einheiten und reduzierten, zusammen mit der Abwanderung aus dem ländlichen Raum, die Zahl der Landlosen. 1971 waren über 98.2 % der etwa 5,7 Mio. Hektaren bebaubaren Landes im Besitz von „Zivilpersonen“, wovon 30 % im Rahmen der Landreform verteilt worden waren. Bis 1985 waren schätzungsweise 2,271,250 Hektaren umverteilt worden.[45]
- Iran: Eine signifikante Landreform wurde ab 1962 sowie als Teil der „Weißen Revolution“ unter Mohammad Reza Pahlavi 1963 durchgeführt. Etwa 90 % der iranischen Teilpächter wurden Landeigentümer.
Nordamerika
- Kanada: Als die Prinz-Edward-Insel 1873 Teil Kanadas wurde, gehörte das meiste Land der Insel englischen absentee landlords; Kanada kaufte dieses Land und übertrug es den Bauern.
- USA: In den USA wurden die ursprünglichen Einwohner des Landes, die Indianer, im Laufe der Landnahme weißer europäischer Siedler immer mehr von ihrem ursprünglichen Land abgedrängt. Seit 1871 wurden sie von der Regierung in die Indianerreservationen gezwungen, welche meist auf kargem und daher für die Siedler unbedeutendem Boden lagen. 1887 wurde durch den General Allotment Act (Dawes Act) das Land in den Reservationen parzelliert und privatisiert. Den Indianern war Privateigentum an Boden jedoch unbekannt. Aus Unkenntnis oder wirtschaftlicher Not verkauften viele ihr Land an Siedler oder Spekulanten, sodass sich als Auswirkung des Dawes Act die Fläche der Reservationen von 138 Mio. auf 48 Mio. Acres verringerte. 1934 erlaubte der Indian Reorganization Act den Indianerstämmen wieder den gemeinschaftlichen Landbesitz.
Zuweilen stellt sich die Frage nach der Rückgabe von ehemaligem Indianerland bzw. Entschädigungen an die Indianer[46].
Nach dem Sezessionskrieg und der darauf folgenden Befreiung der schwarzen Sklaven in den USA wollten radikale Republikaner (siehe auch: Free Soil Party) jedem ehemaligen Sklaven vierzig Morgen Land und ein Maultier zuteilen, um eine wirtschaftliche Grundlage nach der Befreiung zu schaffen. Dieses Ansinnen wurde jedoch von moderateren Kräften als „sozialistisch“ zurückgewiesen und nie verwirklicht, was nach Ansicht mancher ein Grund für die noch lange andauernde Segregation in der US-amerikanischen Gesellschaft ist.
Weblinks
- Südwind-Magazin 03/2005 mit Schwerpunktthema Landreform
- FAO-Konferenz zu Landreform und Ländlicher Entwicklung (englisch)
- Der britische Aktivist George Monbiot über Landreformen (engl.)
- Die Weltbank über Landpolitik und Landreform (engl., PDF)
Quellen
- ↑ a b WTO transparent, Dokumentation der Erklärung von Bern, 2005
- ↑ vergleiche z. B. den Aufstand der Herero und Nama in Namibia, den Mau-Mau-Aufstand in Kenia oder den Maji-Maji-Aufstand in Tansania, wo jeweils die Landnahme durch weiße Siedler und der damit verbundene Landverlust für die einheimische Bevölkerung eine entscheidende Bedeutung innehatte.
- ↑ FIAN: Landreformen: zwischen Markt und Menschenrechten (PDF)
- ↑ FIAN: Honduras: Repressalien gegen Bäuerinnen in Kampf um Land zum Leben
- ↑ FIAN: Rich Countries block Land Reform Initiative
- ↑ Forum Umwelt und Entwicklung: Magere Bilanz – Deutsche Hungerpolitik zehn Jahre nach dem Welternährungsgipfel (PDF)
- ↑ Ein Land der Narben, National Geographic August 2003
- ↑ Countrystudies.us: Angola – Agriculture
- ↑ Studien zur länderbezogenen Konfliktanalyse: Angola#Landkonflikte
- ↑ Countrystudies.us: Ethiopia – Land Reform
- ↑ Jean Ziegler: Wie kommt der Hunger in die Welt?, ISBN 3570300595
- ↑ BBC News: Pledge to redistribute Kenya Land
- ↑ Kevin Bales, Die neue Sklaverei, ISBN 3888972647 (S. 150–156)
- ↑ siehe z. B. FIAN: Die Gemeinschaft der Gumbu-Mutale bekommt Land zurück, das sie während des Apartheidsregimes verlor
- ↑ IRINnews.org: South Africa: Deadline for land transfer negotiations set
- ↑ Countrystudies.us: China – Rural Society
- ↑ Countrystudies.us: China – The Great Leap Forward, 1958-60
- ↑ Countrystudies.us: China – Reform of the Economic System, Beginning in 1979
- ↑ vergleiche z. B. Zur Lage der chinesischen Bauern oder den Fall des Bauern Fu Xiancai.
- ↑ Die Zeit online: Freitod oder Landreform
- ↑ Die Erde - Unser Lebensraum, ISBN 3906720500 (S.111)
- ↑ Countrystudies.us: Indonesia – Land Use and Ownership
- ↑ FIAN: Indonesien: Landraub bedroht Recht auf Nahrung
- ↑ FIAN: Indonesien: Kleinbauern fordern Zugang zu ihrem Land, das zu Staatswald erklärt wurde
- ↑ Weltbank: Agricultural Reform in Postwar Japan: Experiences and Issues
- ↑ Countrystudies.us: South Korea – The Emergence of a Modern Society
- ↑ Nordkorea#Bevölkerung
- ↑ en:History of Laos since 1945#Communist Laos
- ↑ Countrystudies.us: Nepal – Land Reform
- ↑ FIAN: Philippinen: Kleinbauernführer wird Opfer eines Attentats in Panabo City, Davao del Norte, Mindanao
- ↑ Countrystudies.us: Turkey – Land Tenure
- ↑ Villager Attitudes durig the Final Decade of the Vietnam War
- ↑ Encyclopaedia Britannica Online: Land reform
- ↑ Geschichte Jugoslawiens#Titos Jugoslawien
- ↑ .Portugal#Nelkenrevolution bis EU-Beitritt
- ↑ The Emigrants from Småland, Sweden. The American Dream (PDF) (S. 3–4)
- ↑ Das Reiskorn im Schafspelz, Dokumentation der Erklärung von Bern, Greenpeace und SWISSAID (PDF)
- ↑ Yahoo News: Argentine farming riches spark land reform debate
- ↑ BBC News: Bolivia head starts land handout
- ↑ Lateinamerika Nachrichten Online: Bolivien: Morales gibt bei Reformen Vollgas
- ↑ Amnesty International: Guatemala: Deaths in land disputes continue
- ↑ Countrystudies.us: Paraguay – Land Reform and Land Policy
- ↑ z. B. Human Rights Watch: Egypt: Attacks by Security Forces in Sarando
- ↑ Countrystudies.us: Syria – Agriculture#Land Reform
- ↑ Countrystudies.us: Iraq – Impact of Agrarian Reform
- ↑ z. B. Tages-Anzeiger Online: Indianer blitzen vor Oberstem Gericht ab