Reichskrone
Die Reichskrone ist die Krone der deutschen Könige und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches seit dem Hochmittelalter. Die meisten deutschen Könige seit Konrad II. wurden mit ihr gekrönt.
Neben dem Reichskreuz, dem Reichsschwert und der Heiligen Lanze ist sie die wichtigste Reichskleinodie gewesen. Bei der Krönung wurde sie zusammen mit dem Zepter und dem Reichsapfel an den neuen König übergeben.
Geschichte der Krone
Entstehung
Neuere Datierungen (siehe Literatur (1)) gehen davon aus, dass die Reichkrone aus der Zeit Otto I. um das Jahr 965/967 stammt. Andere Datierungen gehen aber von einer Entstehungszeit um das Jahr 1027, dem Jahr der Krönung Konrad II. zum Kaiser, aus.
Sie wurde wahrscheinlich in einer niederrheinischen Werkstatt in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts hergestellt. Stil- und Materialvergleich lassen auf eine Kölner oder Essener Werkstatt schließen. Andere Hersteller lassen sich aber auf Grund der handwerklichen Einzigartigkeit nicht ausschließen. Dafür in Betracht gezogen werden u.a. das Benediktinerkloster auf der Reichenau, da es dort neben der Reichskanzlei eine Malerschule und Goldschmiede gab, die handwerklich dazu in der Lage gewesen wäre. Weitere in der wissenschaftlichen Literatur diskutierte Orte der Herstellung sind u.a.: Konstantinopel, Sizilien, Burgund, Lothringen, Mainz, Regensburg.
Für die Kölner These spricht, dass der Kölner Erzbischof Bruno, ein einflussreicher Bruder Ottos I., als der Auftraggeber gilt. So bettet sich nach (1) die Krone mit ihrem Bildprogramm (siehe unten Aussehen) in eine Trias aus Ottos II. Mitkaiserkrönung Weihnachten 967, dem byzantinischen Heiratsprojekt und der Insignie selbst als imperialer Demonstration ein. Deshalb soll die Krone für diesen Zweck 965 in der Umgebung des Erzbischofs Bruno von Köln konzipiert worden und auch vor Ort im Verlauf der nächsten anderthalb Jahre hergestellt worden sein.
Erste Erwähnungen
Die erste Erwähnung der Krone findet man bei Walther von der Vogelweide. In zwei Sangspruchstrophen wird die Reichskrone thematisiert. Im Zusammenhang mit der Krönung Philipp von Schwaben am 8. September 1198 in Mainz durch den burgundischen Erzbischof Aimon von Tarentaise zum König schrieb er (dt. Übersetzung),
- Die Krone ist älter als der König Philipp ist.
- Daran könnt Ihr alle gewiss ein Wunder erkennen,
- wie sie ihm der Schmied so passend gemacht hat.
- Sein kaiserliches Haupt passt so gut zu ihr,
- dass sie von rechts wegen niemand Edler trennen soll.
- Keines von beiden schwächt hier das andere
- Sie strahlen beide einander an,
- das edle Gestein gegen den jungen angenehmen (herrlichen) Mann.
- Die Augenweide sehen die Fürsten gerne.
- Wer nun auch immer in Reichsfragen unschlüssig ist,
- der achte darauf, wem der Waise
- über seinem Nacken steht:
- der Stein ist aller Fürsten Leitstern.
(Zitat nach L 18,29 "Der Kronenspruch" : L steht für Lachmann, den Ersteditor der Texte Walthers in einer kritischen Edition von 1827. Die Zahl vor dem Komma gibt die Seite an, auf der der Text in der Erstausgabe stand, die Zahl nach dem Komma die Zeile.)
Dabei ergriff Walther propagandistisch Partei für Philipp II., da im gleichen Jahr Otto IV. ebenfalls zum König gewählt und in Aachen durch den Kölner Erzbischof Adolf von Köln gekrönt wurde. Diese Krönung erfolgte zwar am richtigen Ort der Krönung und durch den rechten Koronator, jedoch mit imitierten Reichsinsignien.
Eine erste bildliche Darstellung stammt aus dem 13. Jahrhundert.
Da im Früh- und Hochmittelalter das Königstum eine Reiseherrschaft war, wurde die Krone zunächst in den verschiedenen Pfalzen, Reichsburgen und Klöster verwahrt, in denen sich der König bzw. Kaiser gerade aufhielt. Zu diesem Zweck gab es dort spezielle Räumlichkeiten (z.B. Harzburg, Reichsabtei Hersfeld, Reichsveste Hammerburg u.a.).
Nürnberg
Die Hussiten versuchten sich nach der Verbrennung von Jan Hus im Jahre 1415 in Konstanz während der anschließenden Hussitenkriege der Reichskleinodien zu bemächtigen, die zu dieser Zeit in der Burg Karlstein aufbewahrt wurden. König Sigismund gelang es zwar, den Schatz nach Ungarn zu retten. Ungarn aber war fremdes Land. Es war daher auf Dauer kein sicherer Ort für die Reichskleinodien.
Die reichen Reichstädte, darunter Nürnberg als eine der größten und bedeutendsten, waren eine der wichtigsten Stützen des Reiches im 15. Jahrhundert. Deshalb beauftragte Sigismund die Stadt Nürnberg die Reichskleinodien auf „ewige Zeiten, unwiderruflich und unanfechtbar“ aufzubewahren. Zu diesem Zweck verlieh er der Stadt am 29. September 1423 das Privileg „Hort des Reichsschatzes“. Am 22. März 1424 trafen die Reichskleinodien mit der Reichskrone als Fischtransport getarnt in Nürnberg ein.
Noch im gleichen Jahre wurde das Verwahrungsprivileg Nürnbergs durch Papst Martin V. bestätigt, welcher sein Mitspracherecht in allen Reichsangelegenheiten durch folgende Einschränkungen zur Kenntnis brachte: Die Kleinodien sollten in der Kirche des Heilig Geist Spitals verwahrt werden. Die „ewige Zeit“ der Verwahrung solle enden, wenn die Stadt vom rechten Glauben abfalle.
Die Reichskleinodien wurden in einem „Versperr“ genannten Raum über der Sakristei der Kirche des Heilig Geist Spitals verwahrt, die Reichskrone gesondert in einer schwarzen Truhe. Zusätzlich wurde für die Präsentation der Reichskleinodien in einem würdigen Rahmen die Kirche neu ausgemalt und für die Heilige und das Reichskreuz ein mit Nürnberger Wappen Behälter, der sogenannte Heiltumsschrein angefertigt. Die Schlüssel zum Aufbewahrungsort verwahrten die drei Losunger, die drei höchsten Beamten der Stadt.
Als Höhepunkt im Nürnberer Jahresablauf wurden die sogenannten öffentlichen "Heiltumsweisungen" (siehe Reichskrone#Funktion und Bedeutung der Krone) der Reichskleinodien fortgesetzt. Darauf folgte eine 14tägige für das Wohl der Nürnberger Kaufherren veranstaltete Handelsmesse.

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts gaben die Nürnberger Stadtväter für den Raum im Schopperschen Hause, in welchem die Reichskleinodien zur Zeit der Heiltumsweisungen aufbewahrt wurden, für die sogenannte „Heiltumskammer“, zwei Bilder in Auftrag. Die Darstellungen Kaiser [Sigismunds und Karls des Großen sollten den Rang der Reichsstadt Nürnberg für jedermann anschaubar machen. Der beauftragte Maler Albrecht Dürer versah den damals als Reichsgründer verehrten Kaiser Karl mit Reichsapfel, Reichsschwert und mit der Reichskrone (siehe Abbildung).
Wien
Seit Beginn des 19. Jahrhunderts befindet sie sich in Wien, da die Habsburger Monarchie die letzten Kaiser des Heiligen Römischen Reiches stellten. Heute wird die Reichskrone im Kunsthistorischen Museum in der Wiener Hofburg ausgestellt.
Aussehen
Die Reichskrone hat eine von den meisten (wenn nicht sogar allen) anderen Kronen der Welt abweichende Gestalt. Die Krone ist nicht rund, sondern sie ist achteckig. Statt eines Reifes sind acht oben abgerundete Platten durch Scharniere miteinander verbunden.
Die einzelnen Platten der Krone sind, wie man einst so klangvoll sagte, aus gediegenem Golde, von Perlen und Edelsteinen durchsetzt. Durchsetzt ist wörtlich zu nehmen: Die Perlen und die Steine sind in ausgesägte Öffnungen eingeschoben und mit Filigran befestigt, so dass diese in durchscheinendem Licht wie von innen leuchten.
Die Krone besteht aus 144 Edelsteinen und etwa gleichvielen Perlen. Der Grundstoff ist Gold.
Neben vier, von der Technik her byzantinisch beeinflussten Emailleplatten mit drei Darstellungen des Alten Testaments (dargestellt sind die Könige David, Salomo, Ezechias mit Prophet Jesaja) und einer Darstellung aus dem Neuen Testaments (Jesus von zwei Engeln umrahmt), besteht die Krone noch aus vier sogenannten "Steinplatten" mit programmatischen Darstellungen, die mit den Bildplatten alternierend angeordnet sind.
Die Könige David und Salomo halten Spruchbänder mit lateinischen Aufschriften in ihren Händen. Bei König David heißt es: "Der ehrenhafte König liebt den Rechtsspruch", bei Salomon: "Fürchte Gott und meide Unrecht". Auf dem dritten Bild wird König Ezechias das vom Propheten Jesaja übermittelte Versprechen Gottes zuteil: "Wohlan, ich will deinen Lebensjahren noch 15 hinzufügen". Auf der vierten Platte wird der auferstandene Jesus thronend über dem Weltkreis, von zwei Engeln umrahmt, dargestellt. Dazu heißt es in roten Buchstaben auf goldenem Grund "per me reges regnant"(deutsch: "Durch mich regieren die Könige").
Das aufgesteckte Kronenkreuz ist eine Hinzufügung des frühen 11. Jahrhunderts, der ebenfalls aufgesteckte Bügel ist wohl eine Hinzufügung aus der Zeit Kaiser Konrads II. Der Bügel überspannt den gesamten achteckigen Kronenkörper und verbindet die vergrößerte Strinplatte mit der Nackenplatte. Er trägt acht oben abgerundete Platten.
Die Inschrift aus Perlen zeigt den Grund für die Annahme der Urheberschaft Konrads. Auf der linken Seite heißt es „Chuonradus Dei Gratia“ und auf der rechten Seite „Romanoru(m) Imperator Aug(ustus)“ (dt. „Konrad von Gottes Gnaden Kaiser der Römer (und) Augustus“). Der Bügel soll wohl nicht unabsichtlich an die Helmzier antiker Herrscher und Feldherren erinnern.
Den heutigen Erhaltungszustand der Krone kann man als Fragment der ursprünglichen bezeichnen. Auf der Innenseite der Platten angebrachte Halterungen verweisen auf fehlende Juwelenkettchen (Pendilien) die links und rechts herabhingen. Diese sind so zum Beispiel im Perikopenbuch Heinrichs IV. dargestellt. Weddige (4) schreibt hierzu: „Von den Seitenplatten hingen je 3 Pendilienkettchen wie bei der ungarischen Stephanskrone herunter."
Weiterhin fehlt heute der prominenteste Edelstein des Mittelalters der sogenannte „Waise“ (lat. orphanus). Dieser war vermutlich ein großer Opal, der an der Nackenplatte oder Stirnplatte (hier widerspricht sich die Literatur) befestigt war und bereits seit dem 13. Jahrhundert fehlt. Zu diesem Stein schrieb Albertus Magnus um das Jahr 1250:
- Der Waise ist ein Edelstein in der Krone des Römischen Kaisers. Weil er niemals sonst irgendwo gesehen war, wird er der »Waise« genannt. Er hat eine Farbe wie Wein, wie zartes Weinrot, und es ist, wie wenn das blendende, leuchtende Weiß des Schnees in das helle Weinrot eindringt und dabei doch das Rot beherrschend bleibt. Dieser Edelstein glänzt stark, und es heißt, er habe einst sogar bei Nacht geleuchtet; doch das tut er in unserer Zeit nicht mehr. Wohl aber wird gesagt, dass er die Ehre des Reiches bewahre.
Die rote Samthaube ist aus dem 18. Jahrhundert.
Abmessungen:
- Durchmesser: 22 cm
- Gewicht: 3,5 kg
- Stirnplatte: Höhe 14,9 cm, Breite: 11,2 cm
- Kronenkreuz: Höhe: 9,9 cm
Funktion und Bedeutung der Krone
Die im folgenden aufgeführte Trennung der Funktion und Bedeutung der Reichskrone in eine weltliche und in eine religiöse Komponente ist sicherlich schwierig, da zur Zeit der Entstehung der Krone und in späteren Jahrhunderten diese Funktionen untrennbar miteinander verbunden waren. Sie verkörperte das Gottkaisertum des Heiligen Römischen Reiches.
Für heutiges Denken ist es kaum noch möglich sich das Wesen des Reichsgedankens als weltliches Reich Gottes vorzustellen. Um dennoch die Möglichkeit zu bieten sich dem Thema zu nähern, wurde diese Unterteilung hier gewählt.
Weltliche Bedeutung
Den Reichsinsignien und besonders der Reichskrone kam für das Hochmittelalter besonders die Legitimationsfunktion zu.
Das deutsche Königtum war erstens ein Wahlkönigtum. Das heißt unter anderem, dass es kein durchgehendes Herrschergeschlecht gab, welches das Reich repräsentierte (auch wenn sehr häufig die Söhne oder andere Verwandte der Kaiser bzw. Könige zum deutschen König gewählt wurden). Um zu beweisen das jemand der rechtmäßige Souverän war, musste sich der aktuelle König durch den Besitz der Krone und der dazu gehörenden Reichskleinodien ausweisen können. Durch das öffentliche Präsentieren, der auctoritas, der Reichsinsignien wies sich dieser also als rechtmäßiger Herrscher aus. So wurden z.B. die Reichskleinodien seit dem Jahr 1354 einmal jährlich vom Turm der Heilig-Blut-Kapelle auf dem Karlsplatz in Prag, aber auch in Basel und später in Nürnberg, öffentlich gezeigt. Diese sogenannten Heiltumsweisungen sind seit Karl IV. (1316 - 1378) bekannt und waren das Ziel von Massenwallfahrten.
Zweitens waren die Könige bzw. Kaiser des Mittelalter auf permanenter Reise bzw. auf Feldzügen innerhalb und außerhalb des Reiches, um ihre Macht zu demonstrieren und eventuell zu verteidigen, Krieg zu führen, um Recht zu sprechen und seinen Hofstaat durch die verschiedenen Pfalzen verpflegen zu lassen. Dem Reich fehlte dadurch, aber auch durch seinen überweltlichen Anspruch als Reich Gottes, die ideelle und geografische Mitte. Ihm fehlte eine Hauptstadt oder wenigstens ein Hauptort, an dem die Macht des Reiches präsentiert werden konnte.
Durch den Kaiser bzw. König wurde dem Reich wenigstens eine personelle Mitte gegeben. Zentrum des Reiches, der Gegenstand, in dem es allerdings tatsächliche Sichtbarkeit erlangte, war aber nur die Reichskrone und die anderen Rechskleinodien. Die Krone selbst wurde "daz riche" genannt und so konnte noch 1316 die Burgvögtin der habsburgischen Kyburg schreiben "do daz rich bi mir zu kyburc waz", also als die Krone dort verwahrt wurde.
Wer über die Reichsinsignien verfügte, hatte nach außen die rechtmäßige Herrschergewalt. Deshalb wechselten die Reichsinsignien mindestens zweimal mit Gewalt den Besitzer. Um sich mit dem Reichsschatz das Königsamt zu sichern, überfiel der spätere Heinrich II. den aus Rom heimkehrenden Leichenzug Ottos III., um dem Toten die Reichsinsignien zu entreißen. Weiterhin wurden mit List Heinrich IV. die Zeichen königlicher Würde von seinem eigenen Sohn, dem späteren Heinrich V., entwendet.
Einem Beispiel für den Kampf um die Reichsinsignien begegnet man bei dem bereits erwähnten Kaiser Karl IV. Er wurde am 11. Juli 1346 von fünf Kurfürsten zum König gewählt und in Bonn mit nachgemachten Reichsinsiginien gekrönt. Es ist bekannt, daß die Erhebung des Luxemburgers zum König unter den Zeitgenossen heftige Reaktionen ausgelöst hat. Schließlich wurde Karl als Gegenkönig und Favorit des Papstes Clemens Vl. erhoben, während der Wittelsbacher Ludwig der Bayer die Herrschaft im Reich noch innehatte. Nach jahrelangem Krieg, mit diversen Intrigen, Kampf mit Bischöfen, Herzögen und einem weiteren nach Ludwigs Tod gewählten König gelang es Karl die wittelsbachische Gegenpartei zur Herausgabe der Insignien zu zwingen.
Trotzdem mußte er bei der zweiten Krönung in Aachen (aslo jetzt am rechten Ort), die er genau auf das Ende der vereinbarten Frist zur Herausgabe gelegt hatte, noch immer auf diese Insignien verzichten. Im Februar 1350 schaltete er den Pfalzgraf en Ruprecht in neue Verhandlungen ein. Der Bautzener Vertrag vom 14. Februar 1350 stellte ihm den Erwerb auf den 4. April des gleichen Jahres in Aussicht.
Schon einen Monat vorher schickte Karl Bevollmächtigte nach München. Sie erhielten am 12. März 1350 „das heiligtum des heiligen reichs und die cleynod“, die in einer feierlichen Urkunde einzeln aufgezählt werden. Darunter befand sich auch „besunder gancz und unverruket des egenanten heiligen keiser Karls guldein kröne mit dem pogen und dem crücze, die darauf gehörnet, geworcht von mangem edeln gesteine und golde, darinne ist besunder geworcht ein edel stein, den man nennet den waysen“. Fast einhellig hat die Forschung diese Beschreibung auf die Reichskrone bezogen. Dies im ist übrigen eine der ersten Erwähnungen der Krone als von Karl dem Großen stammend.
Unverzüglich ließ Karl diese Krone mit den übrigen Reichsinsignien nach Prag bringen. In feierlicher Prozession geleitete er sie am Palmsonntag (21. März 1350) auf den Hradschin und wies sie dem Volke vor. Kurz darauf schon führte er sie wieder nach Nürnberg, wohin er auf den 4. April einen Reichstag einberufen hatte. Auch dort stellte er sie feierlich aus. Allen Reichsständen wollte Karl seine königliche Macht demonstrieren.
Wenn die Krone in den Anfangsjahren und in den folgenden Jahrhunderten wie man gesehen hat sinn- und identitätsstiftend war, so wurde sie in späteren Jahrhunderten, insbesondere seit der Zeit der Aufklärung, als fragwürdig ja sogar als lächerlich empfunden. Johann Wolfgang Goethe der am 3. April 1764 Augenzeuge der Krönung Josephs II. zum römisch-deutschen König in Frankfurt war, schrieb dazu in Dichtung und Wahrheit I,5:
- Der junge König (...) schleppte sich in den ungeheuren Gewandstücken mit den Kleinodien Karls des Großen, wie in einer Verkleidung, einher, so daß er selbst, von Zeit zu Zeit seinen Vater ansehend, sich des Lächelns nicht enthalten konnte. Die Krone, welche man sehr hatte füttern müssen, stand wie ein übergreifendes Dach vom Kopf ab.
Religiöse Bedeutung
Im Frühmittelater drückt sich in der Reichskrone die Vorstellung von Christus als König der Könige aus. So sagen es die Bildplatten aber insbesondere die Christusplatte, welche mit dem Spruch "per me reges regnant" (siehe oben) den Kaier zum Gottesgnadentum erhöht. Diesen ewigen König-Priester repräsentiert auf Erden der gekrönte Kaiser, er ist also gleichzeitig König und Priester (siehe auch Offenbarung des Johannes 21, 10-11).
Mit diesem Kunstwerk wollte man also Gott verherrlichen, die kaiserliche Herrschaft religiös legitimieren und den Kaiser und die Gefolgschaft zur Einhaltung der christlichen Herrschertugenden anhalten. Die Bildplatten zeigen sehr deutlich welche dieser Tugenden gefordert waren und formulieren ein Herrscherideal: Salomo steht für Gottesfurcht und Weisheit, König David für Gerechtigkeit, König Ezechias und Prophet Jesajastehen für ein langes Leben durch Gottvertrauen. Ob jedoch alle Träger dieser Krone diesen Idealen und Tugenden gerecht wurden, sei dahingestellt.
Daneben kam der Krone und den anderen Reichskleinodien eine Rolle als Reliquie bei den bereits erwähnten Heiltumsweisungen zu.
Nach dem Investiturstreit im 11. und 12. Jahrhundert zerbrach die ungeteilte Einheit zwischen Kirche und Staat und somit ergab sich auch ein Bedeutungswandel für die Krone. Jedoch erst seit der Reformation spielt die religiöse kaum noch eine Rolle.
Weblinks
Literatur
- (1) Gunter G. Wolf, Die Wiener Reichskrone (Schriften des Kunsthistorischen Museums 1) Wien 1995, ISBN 3-900325-40-5
- (2) Percy Ernst Schramm: Herrschaftszeichen und Staatssymbolik, 3 Bde., Stuttgart 1954-56.
- (3) Johann Wolfgang Goethe, Dichtung und Wahrheit, Erster Teil, Fünftes Buch, Schilderung der Krönung Josephs II. zum römisch-deutschen König
- (4) Weddige, Hilkert: Einführung in die germanistische Mediävistik. München 2/1992, 3/1997, Abschnitt „Mittelalterliche Hermeneutik“.
- (5) Hillenbrand (Hg.): Vita Caroli Quarti. Die Autobiographie Karls IV.