Judentum
Das Judentum bezeichnet die Gesamtheit aus Kultur, Geschichte und Glaube eines Volkes, das der einzige Träger des jüdischen Glaubens ist und seine Herkunft auf zwölf Stämme zurückführt, die auf einen gemeinsamen Urahn, Jakob, zurückgehen.
Volk, Kultur und Glaube
Der jüdischen Überlieferung nach hatte Jakob, der seit dem Ringkampf am Jabbok (1.Mose 32) Israel genannt wurde, zwölf Söhne, die zu den Stammvätern der zwölf Stämme Israels wurden: Ruben, Simeon, Levi, Juda, Isaschar, Sebulon, Benjamin, Dan, Naphtali, Gad, Asser und Joseph.
Diese Volksstämme hatten sich ursprünglich im heutigen Palästina und Israel angesiedelt. Ursprünglich bezog sich der Begriff "Judentum" nur auf einen dieser Stämme, den Stamm Juda, der das Königreich Juda in Palästina bildete
Seit der Zerstörung des jüdischen Staates im 2. Jhd. nach Christus zerstreuten sich die Juden als geschlossenes Volk. Seitdem bezeichnet der Begriff Jude im Wesentlichen all jene, die ihre Herkunft auf den Ahn Israel zurückführen, insbesondere diejenigen, die von einer jüdischen Mutter geboren wurden; er schließt aber auch die ein, die aus welchen Gründen auch immer zum jüdischen Glauben übergetreten sind.
Aus dem ursprünglichen Israel zerstreuten sich die Juden in Wanderungsbewegungen zunächst in Form kleinerer Volksgruppen im Mittelalter über Europa (besonders Spanien und Osteuropa) und im Anschluss (Vertreibung aus Spanien 1492) wieder ins heutige Palästina und auch in die neue Welt. Die Angehörigen wurden oft verfolgt und ghettoisiert, stellenweise etablierten sie sich aber unter Beibehaltung von Glaube und Tradition als integraler Bestandteil der lokalen Gesellschaften.
Nach der Katastrophe der Schoa, während der sechs Millionen Juden von den Nationalsozialisten ermordet wurden, hat das Judentum im heutigen Israel wieder eine - wenngleich umkämpfte - Heimstatt gefunden. Heute leben mehr als 13 Millionen Juden in fast allen Ländern der Erde, davon etwa 5,8 Million in den USA und etwa 4,9 Million in Israel. Die Mehrzahl der übrigen verteilt sich auf Kanada, Ungarn, der Ukraine, Frankreich, Argentinien und Russland. Israel ist dabei das einzige Land der Erde, dessen Kultur primär jüdisch geprägt ist.
Aufgrund der besonderen Geschichte und Tradition der durch den jüdischen Glauben verbundenen Menschen ist bei vielen Juden das Verständnis einer gemeinsamen jüdischen Volkszugehörigkeit ausgeprägt. Dennoch wird die Volkszugehörigkeit nur selten als "ausschließlich jüdisch" gesehen. So stellt es im Selbstverständnis der meisten eine Selbtverständlichkeit dar, sich als Träger jüdischer Kultur und jüdischen Glaubens, auch als Mitglied des jüdischen Volkes zu betrachten, sich dennoch gleichzeitig als Deutscher oder Amerikaner zu sehen.
Das Judentum ist seit Jahrtausenden häufig Gegenstand religiöser, ideologischer und politischer Auseinandersetzungen, in der Neuzeit teilweise auch zur Rechtfertigung oder Widerlegung antisemitischer Ressentiments. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde vielfach versucht, das Judentum primär als Rasse zu definieren. Strömungen innerhalb des Zionismus stützen sich auf einen jüdischen Volksbegriff und leiten daraus Gebietsansprüche auf das alttestamentarische Israel ab; diese Auffassung wird nicht von allen Juden geteilt; die stärkste innerjüdische Ablehnung des Zionismus kommt von ultraorthodoxen Juden.
Geschichte
Die Geschichte des Judentums lässt sich grob in zwei Perioden unterteilen:
- Das tempelorientierte Judentum im Nahen Osten, insbesondere in Israel.
- Das rabbinische Judentum in vielen Ländern Asiens, Afrikas und Europas.
Heute gibt es verschiedene Strömungen im Judentum, die als
- Ultraorthodoxes Judentum,
- Orthodoxes Judentum,
- Neo-orthodoxes Judentum,
- Konservatives Judentum,
- Reformjudentum,
- Liberales/Progressives Judentum,
- Rekonstuktionismus,
- Säkulares Judentum und
- Humanistisches Judentum
bezeichnet werden.
Juden fanden sich erstmals (zusammen mit vielen anderen Völkern ihrer Zeit) zwischen den Hochkulturen Ägypten und Mesopotamiens im damals Kanaan genannten Landstrich, das später Judaea, Palästina oder Israel genannt wurde.
Als kleines Land von geringer wirtschaftlicher Bedeutung, an Handelsstraßen gelegen, hing das Geschick der Juden oft von der politischen Lage der umgebenden Reiche ab.
Die traditionelle jüdische Geschichte, wie sie im alten Testament der Bibel aufgezeichent ist, sieht die Juden als Nachkommen der alten Israeliten, die sich letztendlich auf die Stammväter Abraham, Isaak und Jakob zurückführen.
Historisch bedeutsam war das unter König Saul errichtete Reich, das unter König David und Salomon weiter aufblühte, mit der Hauptstadt Jerusalem.
Das Reich zerfiel nach Salomon in ein Nordreich (Israel) und ein Südreich (Judaea).
Ersteres fiel im 8. Jahrhundert v. Chr. an die Assyrer unter Salmanassar V., letzteres wurde im 6. Jahrhundert v. Chr. von Babylonien erobert.
Die Elite Judäas musste ins Exil nach Babylon, das mit dem Sieg der Perser über Babylon endete.
Der Siegeszug Alexander des Großen brachte den Orient und somit die Juden in engen Kontakt mit dem Hellenismus. Ein Versuch unter Antiochus IV. Epiphanes, den jüdischen Tempel Zeus zu weihen, führte zum Aufstand der Makkabäer und zu einem unabhängigen jüdischen Königreich, das von 165 v. Chr. bis 63 v. Chr. bestand, und durch das expandierende römische Reich beendet wurde. Ein im Jahr 66 n. Chr. begonnene Aufstand gegen das römische Reich scheiterte im Jahr 70, und endete mit dem Fall Jerusalems und der Zerstörung des jüdischen Tempels (Flavius Josephus: Der jüdische Krieg). Juden konnten weiter in ihrem Land leben, bis der Aufstand unter Simon Bar Kochba und der folgende Gegenschlag viele Juden um Leben oder Freiheit brachte.
Schon zu dieser Zeit lebten Juden im gesamten Mittelmeerraum (insbesondere in Alexandria und Kleinasien), sowohl Emigranten als auch Konvertierte. Zusammen mit den durch die Aufstände vertriebenen und verschleppten Juden bildeten diese Juden die Diaspora ohne Heimatland oder religiöses Zentrum.
Im Zuge der Expansion des Islam, der den monotheistischen Juden gegenüber relativ tolerant war, gelangten Juden bis in den Mittleren Osten, nach Nordafrika und nach Südwesteuropa.
Aufsplittung in ethnische Gruppen
In der Geschichte wurden Juden in vier größere Gruppen eingeteilt:
- die Aschkenasim, die vorwiegend in Deutschland oder Frankreich lebten, bevor sie nach Osteuropa auswanderten.
- Die Sephardim, die auf der Iberische Halbinsel (Spanien, Portugal) lebten. .
- Orientalische Juden, die im mittleren Osten und in Nordafrika lebten, in der Folge aber auch nach Mittel- und Südasien wanderten. Orientalische Juden werden oft auch als sephardisch bezeichent, da ihre Traditionen weitgehend übereinstimmen.
- Die jemenitischen Juden (Teimanim), die lange von den übrigen Juden isoliert waren, und dadurch eigene Riten entwickelten.
Die Sephardischen Juden flohen 1492 vor der spanischen Inquisition, und siedelten sich überwiegend im Mittelmeerraum, teilweise aber auch in Mittel- und Westeuropa an. Ihre gemeinsame Sprache ist das Ladino, das unterschiedliche regionale Ausprägungen hat.
Kleinere Gruppen sind
- die äthiopischen Juden (Eigenbezeichnung Beita Israel, andere Bezeichnung Falascha oder Falasha)
- die Misrachim (Juden aus islamischen Ländern),
- die Bene Israel aus Bombay in Indien, und
- die Bnei Israel (auch Shinlung in Nordostindien und Burma, sie stammen angeblich vom jüdischen Stamm der Menaseh (Manasse?) ab)
- die Romanioten, griechisch sprechende Juden des Balkan
- die Tat sprechenden Bergjuden des Kaukasus (Dagestan, Aserbaidschan)
- die turksprachigen Krimtschaken auf der Krim
- die Religionsgemeinschaft der Karaiten, die eine wesentliche Rolle bei der Bekehrung der Chasaren gehabt haben soll
Umstritten ist die Stellung
- einer afghanischen Gruppe, die auf den antiken Stamm Ephraim zurückgehen soll,
- der Lemba in Simbabwe, sowie
- der messianischen Juden (Eigenbezeichnung) oder modernen Judenchristen – zum Christentum konvertierte Juden, die an ihrer jüdischen Identität festhalten sowie ein paar jüdische Traditionen pflegen und die hauptsächlich in den USA zu finden sind. "Messianische" Juden sind nach dem Verständnis aller anderen Strömungen des Judentums (orthodox, konservativ, liberal, reform) im religiösen Sinn keine Juden, da ihre Interpretation der Tradition christlich ist. Hier unterscheiden sich Selbstwahrnehmung und Außenwahrnehmung.
Die Samaritaner sind eine frühzeitige Abspaltung von den Juden im engeren Sinne, die dennoch gewollt oder ungewollt lange deren Schicksal teilten: Aufstände der Juden zogen oft auch die Samaritaner in das Geschehen ein, da die Römer Probleme hatten, diese zu unterscheiden. Wie es in Rom jüdische Synagogen gab, so gab es auch samaritanische. Heute sind die Samaritaner fast verschwunden.
Sprache
Im Laufe der Zeit sind eine Reihe von Sprachen entstanden, die einen besonders engen Bezug zu jüdischen Gemeinschaften hatten.
- Aramäisch
- Hebräisch hatte lange Zeit nur religiöse Funktionen, bis es in seiner modernen Form als Ivrith wiederbelebt wurde.
- Jiddisch ist traditionell die Sprache der Aschkenasim
- Ladino (auch Sephardisch) ist traditionell die Sprache der Sephardim
- Judeo-Berberisch ist die Sprache jüdischer Berber in Marokko
- Tat (Sprache) (auch: Judeo-Tat) ist die Sprache der Bergjuden des Kaukasus (Dagestan, Aserbaidschan)
Im Alltag sprechen Juden die Sprache des Landes, in dem sie leben.
Jüdische Kultur
Die jüdische Kultur steht in starker Wechselwirkung zu den Kulturen, in denen die jeweilige jüdische Gemeinschaft ihr kulturelles Leben entfaltet, so dass sie kaum isoliert betrachtet werden kann. Dabei spielt die Religion eine unterschiedlich große Rolle.
Durch die Aufsplittung des Europäischen Judentums in die Aschkenasim und Sephardim, haben sich hier zwei auch durch die Sprache unterschiedene Kulturräume entwickelt.
- Siehe auch: Jüdisches Brauchtum, Jüdische Feste
Jüdischer Humanismus
Die Verarbeitung von Pogromerfahrungen geben den jüdischen Einflüssen in der Kultur nicht selten eine stark humanistische und egalitäre Prägung (bzw. wird hier der jüdische Einfluss am ehesten offensichtlich). Viele Künstler bekennen sich zum Judentum, begreifen sich aber gleichzeitig als Atheisten. Dies ist nach jüdischem Selbstverständnis kein Widerspruch.
Bedeutende jüdische Persönlichkeiten
Madeleine Albright - Charles-Valentin Alkan - Peter Altenburg - Günther Anders - Hannah Arendt - Leo Baeck - Max Baer - Daniel Barenboim - Walter Benjamin - Saul Bellow - Leonard Bernstein - Wolf Biermann - Ernst Bloch - Franz Boas - Ludwig Börne - Marc Bolan - Max Born - Louis Brandeis - Georg Brandes - Thomas Brasch - Arik Brauer - Hermann Broch -Max Brod - Harold Brodkey - Joseph Brodsky - Jerry Bruckheimer - Martin Buber - Elias Canetti - Ernst Cassirer - Paul Cassirer - Paul Celan - Marc Chagall - Noam Chomsky - Hermann Cohen - Leonard Cohen - Daniel Cohn-Bendit - Mosche Dayan - Benjamin Disraeli - Bob Dylan - Ilja Ehrenburg - Paul Ehrlich - Albert Einstein - Norbert Elias - Bernt Engelmann - Giora Feidman - Konrad Feilchenfeldt - Lionel Feininger - Moshe Feldenkrais - Richard Feynman - Lion Feuchtwanger - Norman Finkelstein - Bobby Fischer - Samuel Fischer - Flavius Josephus - Vilem Flusser - Anne Frank - Viktor Frankl - Anna Freud - Sigmund Freud - Michel Friedman - Milton Friedman - Erich Fromm - Mordecai Gebirtig - Abraham Geiger - Murray Gell-Mann - George Gershwin - Ralph Giordano - Ernst Gombrich - Heinrich Gomperz - Theodor Gomperz - Friedrich Gundolf - Fritz Haber - Jascha Heifetz - Heinrich Heine - André Heller - Fanny Hensel - Theodor Herzl - Jakob van Hoddis - Max Horkheimer - Wladimir Horowitz - Friedensreich Hundertwasser - Josua - Joseph Joachim - Franz Kafka - Garri Kasparow - Hans Kelsen - John Kerry - Imre Kertesz - Ephraim Kishon - Henry Kissinger - Jerzy Kosinski - Karl Kraus - Georg Kreisler -Gideon Kremer - Stanley Kubrick - Edmund Landau - Lev Landau - Gustav Landauer - Else Lasker-Schüler - Emanuel Lasker - Ferdinand Lasalle - Stanislaw Lem - Stanislaw Jerzy Lec - Annie Leibovitz - Yeshayahu Leibovitz - Theodor Lessing - Claude Lévi-Strauss - Emmanuel Levinas - Max Liebermann - Gabriel Lippmann - Isaak Luria - Jean-Marie Lustiger - Rosa Luxemburg - Gustav Mahler - Maimonides - Siegfried Marcus - Herbert Marcuse - Ludwig Marcuse - André Maurois - Fritz Mauthner - Lise Meitner - Erich Mendelsohn - Felix Mendelssohn-Bartholdy - Moses Mendelssohn - Daniel Mendoza - Giacomo Meyerbeer - Inge Meysel - Albert Abraham Michelson - Arthur Miller - Hermann Minkowski - Oskar Minkowski - Marvin Minsky - Ludwig von Mises - Amedeo Modigliani - Jakob Mölln - Rita Levi Montalcini - Erich Mühsam - Jacques Offenbach - David Oistrach - Franz Oppenheimer - Robert Oppenheimer - Samuel Oppenheimer - Apostel Paulus - Boris Pasternak - Roman Polanski - Josef Popper - Karl Popper - Ayn Rand - Emil Rathenau - Walther Rathenau - Marcel Reich-Ranicki -Wilhelm Reich - Marcel Reif - Max Reinhardt - Viola Roggenkamp - Moses Rosenkranz - Hans Rosenthal - Franz Rosenzweig - Josel von Rosheim - Philip Roth - Mayer Amschel Rothschild - Arthur Rubinstein - Nelly Sachs -Jonas Salk - Felix Salten - Arnold Schönberg - Gershom Scholem - Eduard von Simson - Manès Sperber - Paul Spiegel - Chana Senesz - Susan Sontag - Steven Spielberg - Mark Spitz - Edith Stein - Gertrude Stein - Wilhelm Steinitz - William Stern - Leo Strauss - Levi Strauss - Barbara Streisand - George Tabori - Leo Trotzki - Kurt Tucholsky - Else Ury - Rahel Varnhagen - Mordechai Vanunu - Helene Weigel - Kurt Weill - Otto Weininger - Friedrich Weinreb - Ruth Weiss - Franz Werfel - Norbert Wiener - Elie Wiesel - Billy Wilder - Ludwig Wittgenstein - Peter Zadek - Fred Zinnemann - Johannes Zukertort - Arnold Zweig - Stefan Zweig
Weiterführende Angaben
Siehe auch: Zentralrat der Juden in Deutschland, Proselyt, Jewish Encyclopedia, Christentum, Islam, Hinduismus, Buddhismus, Konfuzianismus, Taoismus, Kabbalah, Kawwana, Schma Israel, Haskala
Weblinks
- www.hagalil.com - deutschsprachiges jüdisches Internetportal
- [1] - Bedeutende jüdische Persönlichkeiten
- www.juden.de - Eine umfangreiche Informationsquelle
- Union Progressiver Juden Informationen zu Religion, Gebet, Festen, Hintergründen und Gemeinden
- Das Museum Judengasse in Frankfurt: umfangreiche Informationen über Personen, Familien, Häuser, Berufe und Ereignisse im Frankfurter Ghetto
- deutschsprachige jüdische Medien: Jüdische Allgemeine Zeitung, Aufbau (amerikanisch-deutsche jüdische Zeitung)
- Dossier Jüdisches Leben in Deutschland des Auswärtigen Amtes