Zum Inhalt springen

Präventivkriegsthese

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 26. Oktober 2006 um 22:12 Uhr durch König Rhampsinitos (Diskussion | Beiträge) (Sachlichkeit / Neutralität). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Vertreter der von Viktor Suworow eingeführten Präventivschlagthese (auch Präventivkriegsthese) teilen die Ansicht, der Angriff auf die Sowjetunion durch Hitler-Deutschland am 22. Juni 1941 sei in der Absicht erfolgt, einem drohenden Angriff der Roten Armee zuvor zu kommen. Zur Unterstützung für diese These verweisen sie auf die offensive Aufstellung der Roten Armee und ein grundsätzliches aggressives Expansionsstreben der Sowjetunion. Trotz einer erheblichen Verbesserung der Quellenlage konnte bislang kein letztlicher Beweis für die Richtigkeit der These erbracht werden. Die These, dass der Angriff vom 22. Juni 1941 nur ein Präventivschlag gewesen sei, wird dem rechtsextremistischen Geschichtsrevisionismus zugeordnet. [1]. In Osteuropa, vor allem in Russland, wurde die Präventivschlagthese seit Anfang der 1990er Jahre von einigen Historikern aufgegriffen und wird seither laut den neuveröffentlichten Archivmaterialen diskutiert. Etliche Historiker, wie z.B. M.Meltjuchow[2], V.Nevezhin[3], V.Danilov[4] und B.Sokolov[5] sind der Meinung, dass Stalin wirklich eine Offensive vorbereitet hatte.

Hintergründe der Debatte

Die Präventivschlagthese wurde bereits von der nationalsozialistischen Propaganda verbreitet, die den Angriff als „Vorsichtsmaßnahme“ bzw. als Reaktion auf einen sowjetischen Aufmarsch rechtfertigte[6]. Diese Propaganda diente im wesentlichen zur Rechtfertigung des Angriffs im eigenen Land bzw. bei Verbündeten und Neutralen. Dies wird z.B. in Feldpostbriefen aus der Anfangsphase des Feldzuges deutlich. Die NS-Propaganda bediente sich daher eines grundsätzlichen Antibolschewismus, der typischerweise mit Antisemitismus und Rassismus zu einer Verschwörungstheorie vermischt wurde, wonach der „jüdische Bolschewismus“ die Ausrottung oder Versklavung der ganzen Welt plane und der deutsche Krieg der Abwehr dieser Gefahr diente. Auf dieser Grundlage wurde auch in den besetzten Gebieten massiv für den Eintritt in die Freiwilligenverbände der Wehrmacht und Waffen-SS geworben.

Nach dem Krieg wurde der Mythos der Abwehr der asiatischen Bedrohung von Alt-Nazis und ehemaligen Angehörigen der SS (z.B. Paul Karl Schmidt, bekannt als Paul Carell) weiter gepflegt und konnte sich im Klima des Antikommunismus des Kalten Krieges in rechten Kreisen lange Zeit unhinterfragt halten.

Erst im Zuge des Historikerstreits wurde auch die Präventivschlagthese in einer breiteren Öffentlichkeit diskutiert.

„Von den meisten Historikern wurde die Präventivkriegthese abgelehnt. Ursächlich hierfür dürfte gewesen sein, dass das vorgebrachte Material der Protagonisten dieser These einfach „zu schwach“ bzw. durch langjährige Forschung bereits eindeutig widerlegt war. So basierten diese „Quellen“ vielfach auf Vermutungen und Hörensagen, beispielsweise existieren von einer an zentraler Stelle genannten Rede von Stalin mindestens vier verschiedene Abschriften, die zudem allesamt nur aus zweiter Hand sind. Andererseits war aus der Forschung bekannt, dass sich Stalin der Schwäche seiner Armee infolge der „Säuberungsaktionen“ durchaus bewusst war. Zugleich wussten aber auch Hitler und seine Generäle darüber Bescheid und rechneten bei den Kriegsvorbereitungen mit keiner ernsthaften Gegenwehr[7]. Im Zentrum der Kritik der Befürworter der Präventivkriegthese steht der schuldhafte Begriff „Überfall“. Würde man deren Interpretation folgen, wäre dessen Benutzung nicht mehr zulässig, da dem Überfallenen selbst aggressive Absichten unterstellt werden könnten. Die Kriegschuldfrage würde so neu gestellt, wobei die deutsche Seite von der alleinigen Verantwortung entlastet wäre[8]. Gerd Ueberschär kommt in seiner Untersuchung zur „Präventivkriegthese“ zum Ergebnis, dass diese „nichts mit Geschichtswissenschaft zu tun (hätte), vielmehr gehöre sie zu den ‚jüngsten Verdrehungen unserer historischen Sichtweise’, die aus politischen Gründen“ erfolgten.[9] Für den Berliner Historiker Wolfgang Wippermann hat diese These eine „klar erkennbare rechte und rechtsradikale Motivation“ und ist im Bereich „des Rechtsradikalismus und des Revisionismus“ angesiedelt.[10]

Nicolas Ziegler Der Historikerstreit. Die Debatte über eine Revision des Bilds vom Nationalsozialismus. Eine Darstellung der zentralen Akteure und Themenfelder August 2004, S.11.

In dieser Zeit, Mitte der 1980er Jahre trat in Großbritannien auch erstmalig der sowjetische ÜberläuferViktor Suworow (auch Suvorov, Pseudonym für Wladimir Resun) in Erscheinung, der die provokante These aufstellte, der deutsche Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 sei einem sowjetischen Angriff tatsächlich nur um wenige Tage zuvorgekommen. In seinem Buch Der Eisbrecher schließt Suworow vor allem aus seiner Erfahrung als Offizier der Sowjetarmee bei der Besetzung der Tschechoslowakei 1968 darauf, dass Stalin mit dem Aufmarsch der Roten Armee an der Westgrenze nur das Ziel haben konnte, ganz Europa zu erobern. Suworows These, für die er außer seinen eigenen Erfahrungen auch auf die Memoirenliteratur sowjetischer Militärs zurückgreift, stießen vor allem in Deutschland und in den 1990er Jahren dann zunehmend in Russland auf Widerhall, zumal dort nach erstmaligen Veröffentlichung des Geheimen Zusatzprotokolls des Deutsch-Sowjetischen Nichtangriffspaktes vom 23. August 1939 das offizielle Geschichtsbild ins Wanken geraten war.

Durch den zwischenzeitlich freieren Zugang zu sowjetischen, dann russischen Archiven wurde eine Vielzahl von Dokumenten über die Vorgeschichte des Zweiten Weltkrieges und des Deutsch-Sowjetischen Krieges bekannt, die zu neuen Erkenntnissen über diese Vorgänge führten. In dieser Zeit erfuhr die Präventivschlagthese kurzzeitig neuen Auftrieb, als Historiker wie Werner Maser diese bis dahin unbekannte Dokumente aus sowjetischen Archiven veröffentlichten. Aber auch diese Dokumente haben die Existenz eines konkreten sowjetischen Angriffsplans für den Sommer 1941 nicht schlüssig belegen können. Nach weitgehend anerkanntem Forschungsstand scheute Stalin seit 1940, nach den raschen Siegen Hitler-Deutschlands in Westeuropa, vor einem Kriegseintritt auf Seiten Grossbritanniens zurück. Da sich an der militärisch ungünstigen Lage seines Landes bis Sommer 1941 nichts Wesentliches geändert hatte, halten die meisten Historiker einen sowjetischen Angriffsplan zumindest für diesen Zeitpunkt für äußerst unwahrscheinlich.

Nachdem die Präventivkriegthese auch den Bundestag beschäftigt hatte [11] wird sie nunmehr nur noch von einigen wenigen Autoren ernsthaft vertreten.

Befürworter und Kritiker

Vertreter der Präventivschlagthese

Zu den Hauptvertretern der Präventivschlagsthese gehören in Deutschland Joachim Hoffmann, Werner Maser, Walter Post, Heinz Magenheimer, Stefan Scheil und Ernst Topitsch, in Russland vor allem Viktor Suworow.

Kritiker

Als Kritiker der Präventivschlagthese treten in Deutschland vor allem Bianka Pietrow-Ennker und Gerd R. Ueberschär in Erscheinung. Auf internationaler Ebene haben sich Gabriel Gorodetsky und David M. Glantz kritisch mit der These beschäftigt.

Ein weiterer Einwand gegen die Präventivschlagthese ist, dass Hitler bereits in seinem Buch „Mein Kampf“ einen Krieg gegen Russland als Ziel seiner Politik dargestellt hatte, neuen „Lebensraum im Osten“ zu erobern. Darüber hinaus hat er vor und nach 1941 mehrfach geäußert, dass der Krieg gegen die Sowjetunion und den Bolschewismus zu seinen ureigenen Zielen gehörte. Gegen die These, Hitler sei Stalin nur im letzten Moment zuvorgekommen, spricht auch, dass die Entscheidung für den Überfall auf die UdSSR schon im Sommer des Vorjahres fiel und der geplante Angriff vom Herbst 1940 auf das Frühjahr und schließlich noch einmal auf den Sommer 1941 verschoben wurde. [12]. Michail Meltjuchow meint jedoch, dass beide Diktatoren unabhängig voneinander den Entschluss zum Angriff gefasst hätten. Besymenski weist die These von Viktor Suworow zurück, dass Hitler Stalin mit dem Angriff am 22. Juni 1941 nur um wenige Tage zuvor gekommen sei. Er räumt allerdings durchaus ein, dass der Schukow-Plan existierte und die Absichten Stalins nicht etwa auf Frieden, sondern auf Zeitgewinn abzielten, und, so spekuliert er: ..."und damit letztendlich auf mögliche Aggression abzielten.." Es wird behauptet, dass der Hitler-Stalin-Pakt von beiden Diktatoren geschlossen wurde, um Zeit zu gewinnen. Beide seien gewillt gewesen, den Nichtangriffspakt bei einer sich bietenden günstigen Gelegenheit zu brechen. Im Sommer 1941 sei die Situation für Hitler-Deutschland, nicht jedoch für die Sowjetunion günstig gewesen. Stalin hatte angeblich alles getan, um Hitler keinen Vorwand für einen Angriff zu bieten und darauf geachtet, dass die UdSSR ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber Deutschland exakt einhielt. Diese Lesart steht jedoch im Gegensatz zu den Erkenntnissen mancher Historiker über die sowjetische Außenpolitik der Zwischenkriegszeit, die, wie z.B. Jonathan Haslam, Teddy Uldrick oder Dietrich Geyer darauf abheben, dass die Sicherheit der Sowjetunion bis 1941 das entscheidende Kriterium gewesen sei.

Weitere Argumente Pro und Contra

Von den Befürwortern der Präventivschlagthese, wie z.B. Werner Maser, der feststellte :

"Dass Stalin nicht nur einmal einen Krieg gegen Hitler führen wollte, ist zweifelsfrei belegbar. Nachgewiesen werden kann aber auch, dass er die sowjetischen Vorbereitungen für den Krieg gegen Deutschland zumindest seit Ende Dezember 1940 als notwendige Massnahme zur Auslösung eines Präventivkrieges bezeichnen konnte, wie es auf deutscher Seite 1941 ebenfalls eindeutig der Fall war." [13],

werden im wesentlichen drei Argumente für die Richtigkeit ihrer Ansicht eines unmittelbar bevorstehenden sowjetischen Angriffs vorgebracht:

  1. Seien zu Beginn des Krieges sowjetische Kampfflugzeuge für den Offensivaufmarsch der Sowjetarmee dicht an dicht aufgereiht "wie zum Appell" in Grenznähe vorgefunden worden, und nicht, wie es für den Verteidigungsfall für notwendig erachtet wird, viel weiter im Hinterland der UdSSR, desgleichen Munition, Waffen und Treibstoff.
  2. Minenfelder, Stacheldrahtverhaue und Sprengvorrichtungen, die vorher von den sowjetischen Truppen zu Verteidigungszwecken in Grenznähe angelegt worden waren, seien von ihnen demontiert worden, um die eigene geplante Offensive nicht zu behindern.
  3. Der schnelle Vorstoß der deutschen Truppen in den ersten Wochen des Unternehmens Barbarossa und die hohen Zahlen an Gefangenen zeige, dass sich die sowjetischen Truppen in den Vorbereitungen zu einer Offensive befunden hätten und somit nicht defensiv hätten agieren können.

Dieser Ansicht wird, nicht zuletzt von deutschen Militärs wie Erich von Manstein widersprochen:

  1. Manstein bewertet die sowjetische Truppenaufstellung als einen „Aufmarsch für alle Fälle“.
  2. Die Wehrmacht musste beim Durchbruch durch die sogenannte Stalinlinie Mitte Juli 1941 erheblichen Widerstand brechen, was den Vormarsch bedenklich ins Stocken geraten ließ[14]. Obwohl der sowjetische Nachrichtendienst umfassend über die deutschen Pläne informiert war, hielt Stalin diese Informationen für gefälscht, was ihn dazu veranlasste die Truppe nur friedensmäßig zu organisieren, die deshalb vom Alarm völlig überrascht wurde. Gleichzeitig wollte Stalin seinen Gegner nicht provozieren, weshalb die Verteidiger keine vorgeschobenen Verteidigungspositionen, zum Beispiel am Bug einnehmen konnten.
  3. Der Blitzkrieg setzte auf ein schnelles Vorstoßen motorisierter und gepanzerter Verbände in den Rücken des Gegners, was den Gegner schockiert und dadurch verteidigungsunfähig macht. Eine Gegenmaßnahme gegen die Panzerverbände sind massierte Panzergegenstöße. Zu dieser Zeit wurden die sowjetischen Panzer jedoch als Infanterie-Unterstützungswaffe angesehen und entsprechend einzeln oder in kleinen Gruppen eingesetzt. Die Säuberungen des Offizierskorps 1937 beraubten die Armee um Marschall Tuchatschewski fast seines gesamten Führungsstabes bis hinunter zu den Brigadekommandeuren. Derartig führungslos, war die Kampfkraft entscheidend geschwächt, was sich schon im Winterkrieg dramatisch zeigte. In der entscheidenden Phase der Operation, vor Moskau, wurden die überlebenden Militärs aus den Straflagern geholt und auf Bewährung eingesetzt. Dies steigerte im entschiedenen Moment die Kampfkraft gegen einen geschwächten Gegner. Hinzukommt, dass wie z.B. David M. Glantz in seinem Buch Stumbling Colossus argumentiert , dass die Rote Armee im Sommer 1941 weder vom Ausbildungs- noch vom Ausrüstungsstand her einsatzbereit und sowohl Führung als auch Nachrichtenwesen völlig unzureichend gewesen seien[15].

Bedeutung heute

Die Vertreter der Präventivschlagthese sind mit ihrer Interpretation weitgehend isoliert. Historiker wie etwa Hoffmann oder Maser, welche die These unterstützen, setzten sich damit in Gegensatz zur überwiegenden Forschungsmeinung. Jedoch wurde die bis Ende der 1980er Jahre vor allem in der Sowjetunion vorherrschende Meinung revidiert, die Sowjetunion sei auf den deutschen Angriff völlig unvorbereitet gewesen. Weiterhin gab die Beschäftigung mit der These Anlass zur genaueren Untersuchung des Charakters des Unternehmens „Barbarossa“ in der deutschen Geschichtswissenschaft, die nun nachweisen konnte, dass der Krieg gegen die Sowjetunion von Beginn an als Vernichtungskrieg geplant war[16].

Debatte in Russland

Der Schwerpunkt der Debatte hat sich seit Mitte der 1990er Jahre nach Osten, vor allem nach Russland verlagert, wo die Bücher Suworows große Popularität erfuhren. Hier steht weniger die Frage nach dem Charakter und den Motiven des deutschen Angriffs im Mittelpunkt des Interesses, sondern die operativen Planungen des sowjetischen Generalstabs 1940/41. Hier erfährt die Präventivschlagthese eine Wandlung dahingehend, dass nunmehr die Vorbereitung eines sowjetischen Präventivschlags gegen den deutschen Ostaufmarsch angenommen wurde, folglich also beide - Hitler und Stalin - einen Angriff gegeneinander planten.[17] 1993 veröffentlichten die russischen Militärhistoriker W. D. Danilow[18] und Juri Gorkow[19] dazu ein Dokument, das sie als "Überlegungen zum Plan eines strategischen Aufmarschs der Streitkräfte der UdSSR für den Fall eines Krieges gegen Deutschland und seine Verbündete"[20] betitelten. Dieses Dokument wurde im Generalstab der Roten Armee (RKKA) vorbereitet und gegen Mitte Mai 1941 fertiggestellt. In diesem Dokument hieß es:

„Wenn man in Betracht zieht, daß Deutschland sein gesamtes Heer einschließlich rückwärtiger Dienste mobilisiert hat, so besteht die Möglichkeit, daß es uns beim Aufmarsch zuvorkommt und einen Überraschungsschlag führt. Um das zu verhindern und die deutsche Armee zu zerschlagen, halte ich es für notwendig, dem deutschen Oberkommando unter keinen Umständen die Initiative zu überlassen, dem Gegner beim Aufmarsch zuvorzukommen und das deutsche Heer schon dann anzugreifen, wenn es sich im Aufmarschstadium befindet und noch keine Front aufbauen sowie den Kampf der verbundenen Waffen noch nicht organisieren kann“ [21].

Während die Mehrheit der westlichen Historiker, die dieses Dokument untersucht haben, es für einen Entwurf halten, der in aller Eile und ohne Ermächtigung durch Stalin aufgestellt wurde, gibt es manche russische Historiker, die dies nicht so sehen. Danilov und Nevežin halten es für völlig unglaubhaft, dass die sowjetischen Militärführer heimlich und unabhängig von Stalin einen Entwurf hätten vorbereiten können. Es wird behauptet, dass die allgemeine strategische Konzeption, die die Angriffsplanung enthielt, eine Entwicklung durchmachte und in allen Stadien von Stalin persönlich kontrolliert wurde. Zum entscheidenden Argument dafür, dass der genaue Plan vom 15. Mai 1941 von Stalin genehmigt wurde, werten die Vertreter dieser Position die Tatsache, dass die strategische Konzentration und der Aufmarsch der Roten Armee in voller Übereinstimmung mit den Richtlinien des Plans vor sich ging, so Nevežin.[22]

Eines der bedeutendsten Beispiele dieses Gedankens ist Die verlorene Chance Stalins, ein Buch von Michail Meltjuchow.[23]. Meltjuchow argumentiert, dass der Plan, Deutschland anzugreifen vor Mai 1941 gefasst worden war und die Grundlage der sowjetischen Militärplanung von 1940 bis 1941 war. Meltjuchow behauptet, dass fast keine echten bedeutenden sowjetischen Verteidigungspläne gefunden wurden, während es jedoch verschiedene Versionen des Angriffsplanes gibt. [24]. Laut Meltjuchow wurde die erste Version bald nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges 1939 aufgesetzt, die letzte Version um den 1. Mai 1941 [25]. Laut dieses Angriffsplans wurde auch die Aufstellung der Truppen gewählt, so Meltjuchow.

Bei Boris Sokolow ist Ähnliches zu finden. Beispielsweise erläutert Sokolow, dass das sowjetische Politbüro im Juni 1941 beschloss, in der UdSSR polnische Truppen zu formieren. Diesen Truppen sollten auch „andere polnischsprachige Menschen der Sowjetunion“ angehören; ähnliche 'finnische Truppen' wurden vor dem sowjetischen Angriff auf Finnland (Winterkrieg) formiert. Auch vergleicht Sokolow die behaupteten 'Gegenschlagpläne' der Sowjetunion mit dem sowjetischen Aggressionplan gegen Finnland 1939, der auch offiziell als ein Entwurf zur Sicherung der Staatgrenze und eines Gegenschlags im Falle einer finnischen Aggression vorbereitet wurde, obwohl kaum jemand vermuten konnte, dass Finnland in der Lage gewesen wäre, die Sowjetunion anzugreifen. [26]

In Gabriel Gorodetsky hat die Präventivkriegthese einen vehementen Kritiker gefunden. Als erster westlicher Historiker trat er 1986 den Thesen Suworows, die dieser in der Zeitschrift des Royal United Services Institute for Defence Studies (RUSI) geäußert hatte, entgegen[27] Die Kritik des Oxford-Doktors und Leiter des Cummings-Center for Russian and Eastern European Studies an der Universität Tel Aviv richtet sich vor allem gegen den Versuch Suworows u.a. die militärischen Vorbereitungen der Sowjetunion losgelöst vom politischen Kontext zu betrachten. Diesen Kontext hat der Schüler Edward Hallett Carrs in seinem Buch „Die Große Illusion“[28], das auch als "Anti-Suworow" verstanden werden kann, eingehend untersucht.

Literatur

  • Wigbert Benz, „Die Lüge vom deutschen Präventivkrieg 1941.“ In: Geschichte lernen: Legenden – Mythen – Lügen. H.52 (1996). Friedrich-Verlag in Zusammenarbeit mit Klett, S.54-59
  • Wigbert Benz, Die Präventivkriegsthese. Zu Ursachen und Charakter des "Unternehmens Barbarossa" 1941
  • Lew Besymenski Stalin und Hitler. Das Pokerspiel der Diktatoren. ISBN 3351025394
  • David M. Glantz, Stumbling Colossus. The Red Army on the Eve of World War. University Press of Kansas, Lawrence 1998.
  • Gabriel Gorodetsky, Die große Täuschung. Hitler, Stalin und das Unternehmen „Barbarossa“. Siedler, Berlin 2001.
  • Joachim Hoffmann, Die Sowjetunion bis zum Vorabend des deutschen Angriffs, in: Horst Boog et. al. Der Angriff auf die Sowjetunion, Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1987, S.38-97 („Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg“, Band 4, Hrsg. vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt)
  • Joachim Hoffmann: Stalins Vernichtungskrieg 1941-1945. Planung, Ausführung und Dokumentation. 6. Auflage, Herbig, München 2000. ISBN 3-7766-2079-X
  • Werner Maser: Der Wortbruch. Hitler, Stalin und der Zweite Weltkrieg. Olzog, München 1994. ISBN 3-7892-8260-X
  • Werner Maser Fälschung, Dichtung und Wahrheit über Hitler und Stalin, Olzog, München 2004. ISBN 3789281344
  • Andreas A. Naumann: Freispruch für die Wehrmacht, Grabert-Verlag, Tübingen 2005.
  • Bianka Pietrow-Ennker (Hrsg.): Präventivkrieg? Der deutsche Angriff auf die Sowjetunion. Fischer Taschenbuchverlag, Frankfurt 2000
  • Constantine Pleshakov: Stalin's Folly: The Tragic First Ten Days of World War Two on the Eastern Front, 2005 ISBN 0618367012
  • Walter Post: Unternehmen Barbarossa. Deutsche und sowjetische Angriffspläne 1940/41, Mittler E.S. + Sohn 1995, ISBN 3813204812
  • R.C.Raack, „Stalin's Role in the Coming of World War II“ in World Affairs(Vol. 158, No. 4)
  • Stefan Scheil: Fünf plus Zwei, Duncker & Humblot, Berlin 2003.
  • Stefan Scheil: Die Eskalation des Zweiten Weltkriegs Olzog, München 2005, ISBN 3789281514
  • Viktor Suworow: Der Eisbrecher. Hitler in Stalins Kalkül. Klett-Cotta, Stuttgart 1989, ISBN 3608915117
  • B.Sokolow, Собирался ли Сталин напасть на Гитлера?
  • Ernst Topitsch: Stalins Krieg. Moskaus Griff nach der Weltherrschaft. Strategie und Scheitern. Herford 1993. ISBN 3-512-03112-9
  • Gerd R. Ueberschär, Lev A. Bezymenskij (Hrsg.): Der deutsche Angriff auf die Sowjetunion 1941. Die Kontroverse um die Präventivkriegsthese Wissenschaftliche Buchgemeinschaft, Darmstadt 1998 (der Band enthält alle wichtigen Dokumente)
  • Oleg Wischljow: „Zu militärischen Absichten und Plänen der UdSSR im Sommer 1941.“ In: Babette Quinkert (Hrsg.): „Wir sind die Herren dieses Landes“. Ursachen, Verlauf und Folgen des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion. VSA-Verlag, Hamburg 2002, S.44-54

Anmerkungen

  1. [1] Verfassungsschutzbericht 2001., S. 120
  2. Mel'tjuchov, M.I.: Ideologičeskie dokumenty maja-ijunja 1941 goda o sobytijach Vtoroj mirovoj vojny.- In: Otečestvennaja istorija (1995), H. 2, S. 70-85.
  3. # Nevezhin, V.A.: The Pact with Germany and the Idea of an "Offensive War (1939-1941)".- In: The Journal of Slavic Military Studies 8 (1995), H. 4, S. 809-843. Nevežin, V.A.: Reč' Stalina 5 maja 1941 goda i apologija nastupatel'noj vojny.- In: Otečestvennaja istorija (1995), H. 2, S. 54-69. Nevežin, V.A.: Sindrom nastupatel'noj vojny. Sovetskaja propaganda v preddverii "svjaščennych boev" 1939-1941 gg. Posleslovie B. Bonveča.- Moskva 1997. Nevežin, V.A.: Stalinskij vybor 1941 goda: oborona ili..."lozung nastupatel'noj vojny"? (Po povodu knigi G. Gorodeckogo "Mif Ledokola").- In: Otečestvennaja istorija (1996), H. 3, S. 55-73.
  4. Danilow, Walerian D.: Hat der Generalstab der Roten Armee einen Präventivschlag gegen Deutschland vorbereitet?- In: Österreichische Militärische Zeitschrift 31 (1993), S. 3-41.
  5. Sokolov, B.V.: World War II Revisited: Did Stalin Intend to Attack Hitler?- In: Journal of Slavic Military Studies 11 (1998), H. 2, S. 113-141, Б.В. Соколов Правда о Великой Отечественной войне (Сборник статей). — СПб.: Алетейя, 1999 (der Text im Russischen)
  6. Barton Whaley, Codeword Barbarossa Cambridge, Massachusetts 1974 ISBN 0-262-73038-3, S. 174.
  7. Richard J. Evans Im Schatten Hitlers? Historikerstreit und Vergangenheitsbewältigung in der Bundesrepublik Frankfurt am Main 1991, S. 66-69; Wolfgang Wippermann Umstrittene Vergangenheit. Fakten und Kontroversen zum Nationalsozialismus Berlin 1998, S. 111-112 und 123
  8. vgl. Gerd Wiegel Die Zukunft der Vergangenheit. Konservativer Geschichtsdiskurs und kulturelle Hegemonie Köln 2001, S. 96; vgl. Richard J. Evans Im Schatten Hitlers? Historikerstreit und Vergangenheitsbewältigung in der Bundesrepublik Frankfurt am Main 1991, S. 66-67.
  9. Gerd R. Ueberschär „Der deutsche Angriff auf die Sowjetunion 1941. Ein neuer Streit über die alte Präventivkriegthese?“ in Johannes Klotz, Ulrich Schneider (Hg.) Die selbstbewußte Nation und ihr Geschichtsbild. Geschichtslegenden der Neuen Rechten - Faschismus/Holocaust/Wehrmacht Köln 1997, S. 146
  10. Wolfgang Wippermann Umstrittene Vergangenheit. Fakten und Kontroversen zum Nationalsozialismus Berlin 1998, S. 111-112.
  11. Deutscher Bundestag Drucksache 13/5773, vom 11. Oktober 1996. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Annelie Buntenbach, Volker Beck (Köln), Winfried Nachtwei und der Fraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN - Drucksache 13/5559
  12. Gerhard L. Weinberg, Eine Welt in Waffen. Die Geschichte des zweiten Weltkriegs Darmstadt 1995 S. 211 ff.
  13. Werner Maser Der Wortbruch. Hitler, Stalin und der Zweite Weltkrieg Heyne 1997
  14. vgl. Kriegstagebuch des OKW, 15. Juli 1941
  15. David M. Glantz, Stumbling Colossus. The Red Army on the Eve of World War. Lawrence: University Press of Kansas 1998.
  16. [2] Prof. Dr. Wolfram Wette im Gespräch mit Jochen Kölsch, Alpha-Forum, 12. September 2005
  17. Невежин В.А. Синдром наступательной войны. Советская пропаганда в преддверии "священных боев", 1939-1941 гг. М., 1997 und Соколов Б.В. Неизвестный Жуков: портрет без ретуши в зеркале эпохи. — Мн.: Родиола-плюс, 2000. http://militera.lib.ru/research/sokolov2/index.html
  18. Данилов.В.Д. Сталинская стратегия начала войны: планы и реальность -- Другая война. 1939-1945 гг; oder Danilоv V. „Hat der Generalsstab der Roten Armee einen Praventiveschlag gegen Deutschland vorbereitet?“ Österreichische Militarische Zeitschrift 1/1993, S. 41-51
  19. Iu. A. Gor'kov Gotovil li Stalin uprezhaiushchi udar protiv Gitlera v 1941 g., Novaia i noveishaia istoriia, 3/1993, S. 29-45. Englisch: Was Stalin Preparing a Preemptive Strike Against Hitler in 1941? in Russian Studies in Histor, XXXVI, Nr.3, 1997/98, S. 22-46.
  20. kommentierter Text auf Deutsch
  21. Rev. Übersetzung hier nach: Ueberschär, G. R., [Bezymenskij] Besymenski, L. (Hg.), Der deutsche Angriff auf die Sowjetunion 1941. Die Kontroverse um die Präventivkriegsthese, Darmstadt 1998, S. 186-193. [3]
  22. Einführung von Vladimir Nevežin
  23. Мельтюхов М.И. Упущенный шанс Сталина [4]
  24. Мельтюхов М.И. Упущенный шанс Сталина, S. 375
  25. Мельтюхов М.И. Упущенный шанс Сталина, S. 370-372
  26. Sokolov, B.V.: World War II Revisited: Did Stalin Intend to Attack Hitler?- In: Journal of Slavic Military Studies 11 (1998), H. 2, S. 113-141, Б.В. Соколов Правда о Великой Отечественной войне (Сборник статей). — СПб.: Алетейя, 1999 (der Text im Russischen)
  27. Gabriel Gorodetsky „Was Stalin Planning to Attack Hitler in June 1941?“ RUSI Journal Vol 131, No. 2, June 1986.
  28. Gabriel Gorodetsky Die Große Täuschung. Hitler, Stalin und das Unternehmen „Barbarossa“ Siedler, Berlin 2001.