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Diffusion (Begriffsklärung)

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Diffusion (v. lat.: diffundere = ausgießen, verstreuen, ausbreiten) ist der Nettostofftransport als Folge des Übergangs von einer Nichtgleichgewichtsverteilung von Teilchen zu einer Gleichgewichtsverteilung infolge der molekularen Teilchenbewegung. Im weiteren Sinne sind darunter auch Vorgänge außerhalb des physikalisch-chemischen Bereichs zu verstehen, die sich durch das mathematische Modell der eigentlichen Diffusion beschreiben lassen.

Unter Diffusion im engeren Sinne versteht man den Ausgleich von Konzentrationsunterschieden bis hin zum praktisch vollständigen Durchmischen, der durch die Bewegung von kleinsten Teilchen, insbesondere von Atomen, Molekülen oder Ionen, entsteht. Diese Teilchenbewegung erfolgt aufgrund der Energie der Teilchen. In Flüssigkeiten und Gasen wechseln Teilchen ständig den Ort, in Festkörpern erfolgen gelegentliche Ortswechsel, z. B. durch den Platztausch zweier benachbarter Teilchen oder das "Wandern" von Leerstellen. Der Stoffaustausch geschieht vom Ort der höheren zum Ort der niedrigeren Konzentration. Diffusion erfolgt im Gegensatz zur Konvektion ohne Strömung des Mediums, in dem sich die Teilchen befinden.

Im weiteren Sinne versteht man jede thermische Fortbewegung und jeden damit verbundenen Transport als Diffusion, auch wenn dieser zum Entmischen führen kann.

In Flüssigkeiten und Gasen wird die Diffusion durch die Brownsche Molekularbewegung ermöglicht. Sie kann auch durch eine poröse Wand oder Membran hindurch erfolgen. Im Falle einer semipermeablen Membran kann die konzentrationsausgleichende Wirkung der Diffusion zu einem Druck führen, siehe Osmose.

Veranschaulichung

Ein einfach nachvollziehbares Experiment zur Veranschaulichung der Ausbreitung durch Diffusion ist die allmähliche Einfärbung eines Glases lauwarmen Wassers durch einen Tropfen Tinte, den man hineintropft, das Wasser aber weder umrührt noch den Behälter schüttelt. Nach einiger Zeit hat sich die Tintenfarbe im ganzen Wasserglas gleichmäßig verteilt.

Ein weiteres Experiment ist die Ausbreitung von Duftstoffen in der Raumluft, z. B. beim Zerreiben von frischen Pfefferminzblättern. Nach einer gewissen Zeit kann man überall im Raum den Pfefferminzduft riechen, auch wenn im geschlossenen Raum keine Luftbewegung stattfindet.

Physikalische Grundlagen

Die Diffusion bei einer bestimmten konstanten Temperatur erfolgt ohne weitere Energiezufuhr und ist in diesem Sinne passiv; vor allem in der Biologie wird die Diffusion vom aktiven Transport unterschieden.

Theoretisch ist Diffusion ein unendlich dauernder Vorgang. Im Rahmen der Messbarkeit kann sie jedoch häufig als in endlicher Zeit abgeschlossen betrachtet werden.

Wahrscheinlichkeit und Entropie

Die Bewegungsrichtung eines einzelnen Teilchens ist vollkommen zufällig. Aufgrund der Wechselwirkung mit anderen Teilchen erfolgen ständige Richtungsänderungen. Über einen längeren Zeitraum bzw. über viele Teilchen gemittelt kann sich dennoch ein Transport in eine bestimmte Richtung ergeben, z. B. wenn ein Sprung in eine bestimmte Richtung eine - vielleicht nur geringfügig - größere Wahrscheinlichkeit hat. Dies ist der Fall, wenn ein Konzentrationsunterschied (auch Konzentrationsgradient) vorhanden ist. Es entsteht dann ein Nettofluss an Teilchen bis sich ein stationärer Zustand, das thermodynamische Gleichgewicht, einstellt. Zumeist ist der Gleichgewichtszustand die Gleichverteilung, bei der die Konzentration aller Teilchen an jedem Punkt im Raum gleich hoch ist.

Wahrscheinlichkeit und Diffusion - ein Erklärungsversuch: Angenommen 1000 Teilchen eines Stoffes wären nur in der rechten Hälfte eines Gefäßes, und 10 Teilchen in der linken Hälfte, außerdem bewegt sich jedes Teilchen durch die Brownsche Molekularbewegung eine bestimmte Strecke in eine völlig zufällige Richtung. Dann folgt: Die Wahrscheinlichkeit, dass sich eines der 1000 Teilchen zufälligerweise von der rechten in die linke Hälfte bewegt ist 100mal größer als die Wahrscheinlichkeit, dass sich eines der nur 10 Teilchen von links nach rechts bewegt. Also werden nach einer gewissen Zeit mit hoher Wahrscheinlichkeit netto Teilchen von rechts nach links wandern. Sobald die Wahrscheinlichkeit der Wanderns auf beiden Seiten gleich groß ist, sich also rechts und links je 505 Teilchen befinden, wird netto kein Massenfluss mehr stattfinden
Datei:Entropy diffusion.png
und die Konzentration bleibt überall (im Rahmen statistischer Schwankungen) gleich groß. Wenn man sich jetzt "rechts" und "links" als besonders kleine Teilräume z. B. des Tintenversuches vorstellt und alle diese Teilräume irgendwann alle die gleiche Tintenkonzentration aufweisen, hat sich die Tinte gleichmäßig verteilt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Grund, aus dem Diffusion stattfindet, die dadurch entstehende Zunahme der Entropie eines Systems ist.

Analogie zur Wärmeleitung

Der Physiologe Adolf Fick konnte bereits im 19. Jahrhundert zeigen, dass Diffusion Gesetzmäßigkeiten folgt, die denen der Wärmeleitung äquivalent sind. Daher kann man Gleichungen, die den einen Prozess beschreiben, für den anderen übernehmen.

Diffusion gelöster Teilchen

Bei festgelegtem Druck und festgelegter Temperatur ist streng genommen der Gradient des chemischen Potenzials µ die treibende Ursache des Stoffstroms. Der Fluss ergibt sich somit zu:

Hieraus ergeben sich die Gesetze der Maxwell-Stefan-Diffusion. Die Maxwell-Stefan-Diffusion ist das heute vorrangig eingesetzte Modell zur Beschreibung von Stofftransporten.

Für einfache Anwendungsfälle kann anstelle des chemischen Potenzials die Konzentration c verwendet werden. Diese ist einfacher zugänglich als das chemische Potenzial eines Stoffes. Problematisch wird der Übergang auf die Konzentration bei sehr geringen Konzentrationen, denn das chemische Potenzial ist logarithmisch von der Konzentration abhängig.

1. Ficksches Gesetz

Die Teilchenstromdichte (Flux) J (mol m-2 s-1) ist proportional zum Diffusionskoeffizienten D (m2 s-1) und dem Konzentrationsgradienten ∂c/∂x (mol·m-4).

Es macht eine quantitative Aussage über die (im statistischen Mittel) gerichtete Bewegung von Teilchen, d. h. wie viele Teilchen einer Stoffmenge sich pro Zeiteinheit durch eine Flächeneinheit, die senkrecht zur Diffusionsrichtung liegt, netto bewegen.

2. Ficksches Gesetz (Diffusionsgleichung)

Mit Hilfe der Kontinuitätsgleichung:

ergibt sich die Diffusionsgleichung
bzw., für konstante Diffusionskoeffizienten, .

Sie stellt eine Beziehung zwischen zeitlichen und örtlichen Konzentrationsunterschieden dar. Es eignet sich somit zur Darstellung instationärer Diffusion, im Gegensatz zum 1. Fickschen Gesetz, das einen zeitlich konstanten Diffusionsfluss beschreibt.

Es existieren für diese Differentialgleichung zahlreiche analytische und numerische Lösungsansätze, die jedoch stark von den Anfangs- und Randbedingungen abhängen.

Differentialgleichung für den dreidimensionalen Fall

Der Fall der dreidimensionalen Diffusion lässt sich mit dem zweiten Fickschen Gesetz in seiner allgemeinsten Form beschreiben:

mit dem Nabla-Operator . Die Form dieser parabolischen partiellen Differentialgleichung ist die der Wärmeleitungsgleichung. Die Lösung dieser Gleichung ist in der Regel aufwändig und je nach betrachtetem Gebiet nur numerisch möglich. Im stationären Fall ergibt sich eine elliptische partielle Differentialgleichung. Wenn zusätzlich die Diffusionskoeffizienten alle identisch sind, erhält man eine Differentialgleichung vom Laplace-Typ.

Arten von Diffusion

Es ist üblich, vier Arten der Diffusion zu unterscheiden. Die Diffusionskoeffizienten unterscheiden sich bei unterschiedlichen Diffusionsarten, auch wenn gleiche Teilchen unter Standardbedingungen diffundieren.

Selbstdiffusion (engl.: self diffusion)

Wenn in einem Gas oder einer Lösung kein (makroskopischer) Gradient existiert, findet echte Selbstdiffusion statt. Selbstdiffusion ist die vollständig zufällige Bewegung eines Teilchens in einer Lösung der selben Substanz, z. B. eines Natriumteilchens in einer NaCl-Lösung. Da dies so nicht beobachtet werden kann, nähert man Selbstdiffusion mit isotopischen Tracern des selben Stoffes an, z.B.

22Na+ für Natrium. Dabei geht man davon aus, dass der Gradient, der durch Zugabe des Tracers entsteht, vernachlässigbar klein ist.
Beispiel für Selbstdiffusion
Beispiel für Selbstdiffusion

Tracerdiffusion

Tracerdiffusion unterscheidet sich von der Selbstdiffusion dahingehend, dass ein markiertes Teilchen eines anderen Stoffes als Tracer benutzt wird, z.B. 42K+ in NaCl-Lösung. Bei unendlicher Verdünnung sind die Diffusionskoeffizienten von Selbst- und Tracerdiffusion identisch.
Beispiel für Tracerdiffusion
Beispiel für Tracerdiffusion

Klassische Ficksche Diffusion

Dies bezeichnet die Diffusion entlang eines relativ starken Gradienten. Bei dieser Art der Diffusion ist eine Approximation des Diffusionskoeffizienten am besten möglich.
Beispiel für klassische Ficksche Diffusion
Beispiel für klassische Ficksche Diffusion

Gegendiffusion (engl.: counter diffusion)

Gegendiffusion tritt auf, wenn entgegengesetzte Gradienten vorhanden sind, so dass Teilchen in entgegengesetzte Richtungen diffundieren.
Beispiel für Gegendiffusion
Beispiel für Gegendiffusion

Diffusion von Gasen

Prinzipiell unterscheidet sich die Diffusion von Gasen in Gasen hinsichtlich ihrer Gesetzmäßigkeiten nicht von der Diffusion gelöster Teilchen in Flüssigkeiten. Allerdings ist die Geschwindigkeit der Diffusion (bei vergleichbaren Gradienten) hier um Größenordnungen größer, da auch die Bewegung einzelner Teilchen in Gasen erheblich schneller ist.

Diffusion in kristallinen Festkörpern

Die Diffusion in Kristallen erfolgt zumeist über Leerstellen, also über nicht mit Atomen besetzte Plätze des Kristallgitters. Dass die Selbstdiffusion über Leerstellen erfolgen muss und nicht mittels direktem Platztausch oder über einen Ringtausch wurde zuerst von Kirkendall mit dem nach ihm benannten Effekt nachgewiesen. Außerdem können Eigenzwischengitteratome und Fremdatome ab einer bestimmten Temperatur sowohl aufgrund von Gitterfehlern als auch aufgrund ihrer geringeren Größe durch das Kristallgitter diffundieren.

Fokker-Planck-Gleichung

Eine zusätzliche Kraft durch ein vorhandenes Potenzial führt dazu, dass die Gleichverteilung nicht mehr dem stationären Zustand entspricht. Die Theorie dazu liefert die Fokker-Planck-Gleichung.

Anwendungen

Siehe auch: Diffusionspumpe, Agardiffusionstest, Higuchi-Gleichung

Beim Sintern spielt die Diffusion eine sehr wichtige Rolle beim Zusammenwachsen der Pulverbestandteile. Auch kann man Stahl durch Eindiffundieren von Kohlenstoff und/oder Stickstoff randschichthärten, ähnlich dem Dotieren von Halbleiterelementen (Wafer).

In sogenannten Diffusionsöfen werden bei hohen Temperaturen Dotanden in das Halbleitermaterial eingebracht, um dort gezielt die elektrische Leitfähigkeit oder mechanische Eigenschaften für Bauelemente der Mikrosystemtechnik zu beeinflussen.

Die Diffusion spielt in der Technischen Chemie eine zentrale Rolle. Häufig tritt sie hier gekoppelt mit Konvektion und chemischen Reaktionen auf. Typische Anwendungen sind Reaktor- und Katalysatordesign. Siehe auch: Makrokinetik, Hatta-Zahl, Thiele-Modul

Literatur

  • Peter W. Atkins: Physikalische Chemie. Wiley-VCH, ISBN 3527302360
  • E. L. Cussler: Diffusion - Mass Transfer in Fluid Systems. Cambridge University Press, Cambridge, New York, 1997, ISBN 0-521-56477-8
  • J. Crank: The Mathematics of Diffusion. Oxford University Press, 1980, ISBN 0-198-53411-6

Siehe auch

Wiktionary: Diffusion – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen