Zum Inhalt springen

Wannseekonferenz

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 24. August 2004 um 08:23 Uhr durch ErikDunsing (Diskussion | Beiträge) (typo). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Auf der am 20. Januar 1942 in einer Villa, der Dienststelle der Interpol, am Berliner Wannsee streng geheim abgehaltenen Konferenz besprachen fünfzehn hochrangige Vertreter der SS, des Reichssicherheitshauptamtes, der NSDAP und verschiedener Ministerien die Kooperation bei der geplanten Deportation und Ermordung der europäischen Juden ("Endlösung der Judenfrage").

Die heute als Wannseekonferenz bezeichnete Besprechung wurde von Reinhard Heydrich, dem Chef des Reichssicherheitshauptamtes geleitet. Dieser wurde bereits am 31. Juli 1941 auf Anregung Adolf Hitlers von Hermann Göring in dieser Angelegenheit mit der Ausarbeitung eines "Gesamtentwurfes" beauftragt. Adolf Eichmann schrieb als Leiter des Gestapo-Referats IV B 4 "Judenangelegenheiten, Räumungsangelegenheiten" alle Einladungen, lieferte Heydrich die Vorlagen und fertigte schließlich das Protokoll an, das 1947 in den Akten des Auswärtigen Amtes gefunden wurde. Es dokumentiert mit erschreckender Deutlichkeit den Plan zur rationalisierten Ermordung aller europäischen Juden und die effektive Beteiligung des nationalsozialistischen Staatsapparates an diesem industrialisierten Völkermord. Die Wannseekonferenz war allerdings nur ein bürokratischer Beschluss, da die "Endlösung" längst in Angriff genommen wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten Heydrichs Einsatzgruppen bereits an die 370.000 Juden durch Erschießungsaktionen in den deutsch besetzten Ostgebieten exekutiert.

Dr. Josef Bühler drängte Heydrich auf der Wannseekonferenz, die Aktionen im Generalgouvernement zu beginnen, weil er hier keine Transportprobleme sähe und »die Judenfrage in diesem Gebiete so schnell wie möglich zu lösen« wünschte.

Der "Endlösung", dem größten Völkermord der Geschichte, fielen bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges rund sechs Millionen Juden - Jude hier im Sinne der nationalsozialistischen Rassenideologie verstanden - zum Opfer.

Teilnehmer

SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich (Reichssicherheitshauptamt, Stellvertretender Reichsprotektor in Böhmen und Mähren),
Gauleiter Dr. Alfred Meyer (Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete),
Reichsamtsleiter Dr. Georg Leibbrandt (Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete),
Dr. Wilhelm Stuckart (Reichsministerium des Innern),
Dr. Erich Neumann (Beauftragter für den Vierjahresplan),
Dr. Roland Freisler (Reichsjustizministerium),
Dr. Josef Bühler (Amt des Generalgouverneurs in Krakau),
Dr. Martin Luther (Auswärtiges Amt),
SS-Oberführer Gerhard Klopfer (Parteikanzlei der NSDAP),
Ministerialdirektor Friedrich Wilhelm Kritzinger (Reichskanzlei),
SS-Gruppenführer Otto Hofmann (Rasse- und Siedlungshauptamt),
SS-Gruppenführer Heinrich Müller (Reichssicherheitshauptamt),
SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann (Reichssicherheitshauptamt),
SS-Oberführer Dr. Karl Eberhard Schöngarth (Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD im Generalgouvernemt),
SS-Sturmbannführer Dr. Rudolf Lange (Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für Lettland in Vertretung seines Befehlshabers).

Inhalte

In der Konferenz wurden detailliert folgende Inhalte erörtert:

  • Übertragung der Abwicklung auf die SS
  • mögliche Sterilisation von "Mischlingen 1. Grades", die als Juden zu behandeln wären
  • Gleichstellung von "Mischlingen 2. Grades" mit "Deutschblütigen", die bei auffälligem jüdischem Benehmen wie Juden zu behandeln wären
  • Deportation der Juden als Zwangsarbeiter zu Arbeitseinsätzen im Osten (insb. Straßenbau), wobei "ein Großteil durch natürliche Verminderung ausfallen wird"
  • "entsprechende Behandlung" des "widerstandsfähigsten Teils", um die "Keimzelle eines neuen jüdischen Aufbaus" zu verhindern
  • Zwangsauflösung von Ehen zwischen Juden und Nichtjuden
  • sofortige "Überstellung" von über 65jährigen Juden, jüdischen Schwerkriegsbeschädigten und Trägern militärischer Auszeichnungen ab dem Eisernen Kreuz I. Klasse nach Theresienstadt, das allerdings nur eine Durchgangsstation in die späteren Vernichtungslager darstellte
  • Auswahl von Vernichtungslagern mit dem Ausbau von Gaskammern

Gedenk- und Bildungsstätte

In den Räumen der Villa wurde 1992 die Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz eröffnet. Im Erdgeschoss des Hauses informiert die Dauerausstellung "Die Wannsee-Konferenz und der Völkermord an den europäischen Juden" über den Prozess der Ausgrenzung, Verfolgung und Vertreibung der Juden zwischen 1933 und 1945 sowie über die während des Zweiten Weltkriegs von den Nationalsozialisten durchgeführte Ghettoisierung, Deportation und Ermordung der europäischen Juden im deutschen Einflussbereich.

Literatur

  • Mark Roseman: Die Wannsee-Konferenz. Wie die Bürokratie den Holocaust organisierte, München/Berlin 2002, ISBN 3548364039.
  • Christian Gerlach: Die Wannsee-Konferenz, das Schicksal der deutschen Juden und Hitlers politische Grundsatzentscheidung, alle Juden Europas zu ermorden. In: Christian Gerlach: Krieg, Ernährung Völkermord. Deutsche Vernichtungspolitik im Zweiten Weltkrieg, S. 79-152. Pendo, Zürich/München 2001, ISBN 358424048. (Erweiterte Fassung eines bahnbrechenden Aufsatzes, in dem Gerlach die endgültige Entscheidung zur Vernichtung aller europäischen Juden anhand einer internen Rede Hitlers auf den 12. Dezember 1941 datiert. Siehe dazu etwa diese Rezension von Götz Aly.)
  • Kurt Pätzold/Erika Schwarz: Tagesordnung: Judenmord. Die Wannsee-Konferenz am 20. Januar 1942, Berlin 1992, ISBN 3926893125.

Siehe auch