Sinologie
Die Sinologie ( „Chinakunde“; vereinfacht 汉学; traditionell 漢學; Pinyin: Hànxué - Erforschung der chinesischen Kultur mit philologischen Mitteln) ist ein wissenschaftliches Fachgebiet, zählt zu den Sprach- und Literaturwissenschaften wie beispielsweise die Germanistik und beschäftigt sich seit dem 16. Jahrhundert mit der chinesischen Sprache, Schrift, Philosophie und Geschichte. In China nennt man Sinologen gelegentlich „China-Experten“ (中国通/中國通; Pinyin: Zhōngguótōng). Die japanische Bezeichnung ist Shinagaku (支那学).
Am Anfang der Sinologie standen christliche Missionare, die für ihre Arbeit in China die chinesische Sprache und Kultur studierten. Die ersten Übersetzungen chinesischer Klassiker erschienen demnach auch auf Lateinisch. Umgekehrt übersetzten sie die Bibel ins Chinesische und schrieben Berichte über das bis dahin unbekannte China, die in Europa mit großem Interesse aufgenommen wurden.
Geschichte der Sinologie
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde erstmals in Paris ein Lehrstuhl für dieses Fach eingerichtet. Heute existieren auch an 19 Hochschulen im deutschsprachigen Raum Einrichtungen zur Sinologie. Die Geschichte der deutschsprachigen Sinologie beleuchtet Professor Helmut Martin in seinem Sammelband „Chinawissenschaften“. Im Mittelpunkt stehen dabei Untersuchungen zur Chinaforschung während der Nazizeit, in der DDR und während der Studentenbewegung der 1960er und 1970er Jahre.
- Helmut Martin, Christiane Hammer (Hg.): „Chinawissenschaften. Deutschsprachige Entwicklungen. Geschichte. Personen. Perspektiven.“ (=Mitteilungen des Instituts für Asienkunde Hamburg 303). Hamburg 1999. ISBN 3-88910-214-X
Die Sinologie ist in Deutschland eine noch recht junge Disziplin. Erst Anfang des 19. Jahrhunderts begann man überhaupt, sich wissenschaftlich mit China zu beschäftigen. 1887 wurden die ersten sinologischen Seminare eingerichtet („Sina“, abgeleitet von der Qín-Dynastie 221 v. Chr. ist das lateinische Wort für China). 1889 wurde der erste deutsche Lehrstuhl für Sinologie an der Universität Leipzig eingerichtet, erster ordentlicher Professor war Hans Georg Conon von der Gabelentz. Während der Kolonialzeit wuchs aus naheliegenden Gründen das Interesse an der chinesischen Kultur. Das Exil vieler Chinawissenschaftler in der Zeit des Nationalsozialismus schadete der Sinologie nachhaltig. Wenig bekannt ist, dass fast ein Viertel aller deutschen Sinologen in der Deutschen Demokratischen Republik ausgebildet wurden und dann nach Westdeutschland übergesiedelt sind.
Aktuelle Lage der Sinologie
Seit der Öffnungspolitik der Volksrepublik China in den 1980er Jahren zählt die Sinologie eigentlich nicht mehr zu den Orchideenfächern. Damals wurden den Studienanfängern im Fach Sinologie gute Berufsaussichten prophezeit. Heute schließen jährlich etwas weniger als 200 Personen (davon mehr als 70 Prozent Frauen) das Studium ab und sehen sich vor einer ungewissen beruflichen Zukunft, denn sie wurden nicht zu einem konkreten Beruf ausgebildet. Sie sind weder Dolmetscher noch Wirtschaftsfachleute, deshalb bieten sich kombinierte Studiengänge an, bei denen aber keine Sinologen ausgebildet werden, sondern Chinesisch eher eine Zusatzqualifikation ist. In der Folge werden anstelle von Sinologen meist Kaufleute und Techniker ohne ausreichende Kenntnisse der landesspezifischen Kultur und Mentalität nach China gesandt, was allerdings viele Unternehmungen von vornherein zum Scheitern verurteilt. Zur Zeit sind in Deutschland etwa 1.900 deutsche und 440 ausländische Studierende im Fach Sinologie (inkl. Koreanistik) immatrikuliert. (Quelle: Statistisches Bundesamt, 2002). Weniger als 500 Studienanfänger/innen nehmen jährlich das Studium neu auf. Zum Vergleich: In Anglistik sind dies jährlich 10.000 Studenten und Studentinnen. Anders als in Anglistik müssen angehende Sinologen keine Vorkenntnisse ihres Studienfachs mitbringen. Gute Englischkenntnisse sind aber empfehlenswert, da viele Lehrbücher nur auf englisch verfügbar sind. Vor der Öffnungspolitik konnten selbst Sinologie-Professoren oft nicht besonders gut Chinesisch sprechen und waren zum Teil nie in China. Heute ist es unerlässlich, spätestens nach dem Grundstudium einen Teil des Studiums in China oder Taiwan zu verbringen. Die offizielle und etwas utopische Regelstudienzeit (ohne Auslandssemester) liegt bei neun Semestern, wobei der Durchschnitt in Göttingen und Würzburg bei 10 Semestern, in Tübingen aber bei 15 Semestern liegt. Dabei stellt das Erlernen des Chinesischen die größte Herausforderung dar, weitere Schwierigkeiten erklären sich durch die große historische Tiefe und geographische Breite der Chinaforschung.
Durch die Einführung des Bachelor-Studiengangs an mehreren deutschen Universitäten, wie zum Beispiel Würzburg, konnte die Regelstudienzeit zwar auf 3 Jahre deutlich gesenkt werden, allerdings geht diese Verkürzung mit schlechteren Sprachkenntnissen und einer deutlich geringeren "Chinabildung" einher. Vor allem in den Bereichen der Geschichts- und Literaturausbildung wird häufig stark gekürzt. Aus diesem Grunde wird sich langfristig ein anschließender Master-Abschluss wohl zum Usus entwickeln.
Die aktuelle Lage Chinas und die sehr häufige Erwähnung des Landes in den deutschen Medien tragen einen Teil dazu bei, dass die Studentenzahlen von Jahr zu Jahr gerade in den verkürzten Studiengängen steigen.
Hochschulen mit Chinesischunterricht in Deutschland

- Freie Universität Berlin, Ostasiatisches Seminar - Bachelorstudiengang, Magisterstudiengang (Masterstudiengang in Vorbereitung)
- Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Asien- und Afrikawissenschaften - Magisterstudiengang mit sprachwissenschaftlicher Ausrichtung
- Landesspracheninstitut Nordrhein-Westfalen - Intensiv-Sprachkurs
- Ruhr-Universität Bochum, Fakultät für Ostasienwissenschaften - Bachelor-Studiengang
- Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Seminar für orientalische Sprachen
- Hochschule Bremen, Wirtschaftssinologie
- Technische Universität Dresden, Ostasienzentrum
- Universität Duisburg-Essen, Standort Duisburg, Institut für Ostasienwissenschaften, Sprachkurs „Modernes Chinesisch Intensiv“
- Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Institut für außereuropäische Sprachen und Kulturen - Magisterstudiengang
- Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt, China-Institut Magisterstudiengang
- Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Orientalisches Seminar - Magisterstudiengang
- Georg-August-Universität Göttingen, Ostasiatisches Seminar (auslaufend)
- Universität Hamburg, Asien-Afrika-Institut, Abteilung für Sprache und Kultur Chinas - Magisterstudiengang (Umstellung auf BA zum WS 2007)
- Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Sinologisches Seminar - Magisterstudiengang mit klassischem Chinesisch und Propädeutikum modernes Chinesisch
- Universität Innsbruck, Institut für Sprachwissenschaft - Sprachkurs
- Johannes-Kepler-Universität Linz, Institut für internationale Managementstudien Fachsprachen - Sprachkurs
- Friedrich-Schiller-Universität Jena, Fachbereich Interkulturelle Kommunikation FSU Jena/IWK - Sprachkurs
- Universität Kiel, Sinologisches Seminar - Magisterstudiengang (auslaufend)
- Universität zu Köln, Ostasiatisches Seminar, Ältere Sinologie (Magister), Moderne Sinologie (Magister), Regionalwissenschaften China (Diplom) (Umstellung auf BA/MA in näherer Zukunft)
- Fachhochschule Konstanz, Angewandte Weltwirtschaftssprachen, Wirtschaftssinologie
- Universität Leipzig, Ostasiatisches Institut
- Ostasieninstitut der Fachhochschule Ludwigshafen am Rhein - Studium der Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt China
- Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Campus Germersheim, Fachbereich angewandte Sprachwissenschaft (FASK), Institut für chinesische Sprache und Kultur - Diplomübersetzerstudiengang, ab 2006 vsl. MA-Studiengang
- Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Institut für allgemeine und vergleichende Sprachwissenschaft - Sprachkurs
- Philipps-Universität Marburg, Fachgebiet Sinologie - Magisterstudiengang (auslaufend)
- Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Sinologie - Magisterstudiengang mit philosophisch-kulturwissenschaftlichem Schwerpunkt
- Reisehochschule Zürich, RHZ Sprachen, Abteilung für Sinologie
- Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Institut für Sinologie und Ostasienkunde - Magisterstudiengang mit Schwerpunkt klassisches China vor der Zeitenwende
- Universität Passau, Sprachenzentrum - Sprachkurs
- Universität Trier, Fachbereich Sinologie - Magisterstudiengang
- Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Seminar für Sinologie und Koreanistik - Magisterstudiengang
- Universität Wien, Institut für Ostasienwissenschaften - Magisterstudiengang, Bakkalaureat, Sprachkurs
- Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Institut für Kulturwissenschaften Ost- und Südasiens Sinologie - Bachelorstudiengang 'Modern China (B.A.)', Masterstudiengang 'Transformation and Particularity in China (M.A.)'
- Universität Zürich, Ostasiatisches Seminar;
- Westsächsische Hochschule Zwickau (FH), Wirtschaftssinologie
Bedeutende Sinologen international
- Vasilij Michajlovic Alekseev (Rußland)
- Jean François Billeter (Schweiz)
- Édouard Chavannes (Frankreich)
- Séraphin Couvreur
- Herlee G. Creel
- Rafe de Crespigny
- John DeFrancis
- Paul Demiéville
- J.J.L. Duyvendak
- Eric Zürcher
- John K. Fairbank
- Lothar von Falkenhausen
- Jacques Gernet (Frankreich), Standardwerk zur chinesischen Geschichte (Die chinesische Welt)
- Marcel Granet (Frankreich), Werke zur chinesischen Kultur
- Herbert Giles (Großbritannien), Erforscher gesprochener chinesischer Dialekte, Herausgeber eines wichtigen Wörterbuchs
- Arthur Hummel
- Pjotr Iwanowitsch Kafarow (= Palladius; Russland)
- Bernhard Karlgren (Schweden), Begründer der historischen chinesischen Sprachwissenschaft
- François Julien
- Stanislas Julien
- Kuwabara Jitsuzo (Japan)
- Knechtges
- James Legge (Großbritannien), bedeutender Übersetzer chinesischer Klassiker
- Simon Leys (Pierre Ryckmans)
- Paul Linebarger
- Perry Link
- Michael Loewe
- Henri Maspéro (Frankreich), Standardwerke zu chinesischer Sprache, Geschichte und Philosophie
- Robert H. Mathews (Großbritannien), Herausgeber des Mathews' Chinese-English Dictionary
- Ralf Moritz
- Naito Konan
- Joseph Needham (Großbritannien), Biochemiker und Spezialist für chinesische Wissenschaftsgeschichte
- Nienhauser
- Jean-Pierre-Abel Rémusat
- Shaughnessy
- Shinoda Osamu Forschungen zur chinesischen Eß- und Trinkkultur
- Jeffrey Riegel
- Jonathan Spence (USA), Spezialist für chinesische Geschichte vom 1. Opiumkrieg bis heute
- V.S. Starikov
- Denis Twitchett
- Léon Vandermeersch
- Thomas Francis Wade (Großbritannien), Diplomat und Spezialist für chinesische Sprache (Kantonesisch), später Professor in Cambridge
- Arthur Waley (Großbritannien), Übersetzer der Analekten des Konfuzius und des Xiyouji
- Endymion Wilkinson
- Erwin Ritter von Zach (Österreich)
- Zhao Yuanren 赵元任, Begründer der modernen chinesischen Sprachwissenschaft
Bedeutende deutsche Sinologen
- Wolfgang Bauer,
- Günther Debon,
- Wolfram Eberhard,
- Eduard Erkes,
- Alfred Forke,
- Otto Franke,
- Wolfgang Franke,
- Hans Georg Conon von der Gabelentz,
- Martin Gimm,
- Wilhelm Grube,
- Robert Heuser, Spezialist für chinesische Rechtskultur
- Emil Krebs,
- Wolfgang Kubin,
- Franz Kuhn,
- Helmut Martin,
- Ralf Moritz
- Helwig Schmidt-Glintzer,
- Hans Steininger,
- Ulrich Unger,
- Richard Wilhelm,
- Karl August Wittfogel
Schulen mit Chinesischunterricht in Deutschland
(Die folgende Liste stammt von 1998. Auf den Websites des Fachverband Chinesisch e.V. (www.fachverband-chinesisch.de) findet sich eine aktuellere Liste mit über 80 Schulen.)
- Baden-Württemberg: Max Planck Gymnasium Schorndorf, Friedrich Schiller-Gymnasium Marbach am Neckar, Christoph-Schrempf-Gymnasium Besigheim, Ellentalgymnasium Bietigheim-Bissingen(nach Schulleiterentscheidung dagegen nicht mehr), Hebel-Gymnasium Lörrach, Kolleg St. Blasien
- Bayern: Gymnasium Weikersheim, Städtisches St. Anna-Gymnasium, Gymnasium München/Moosach München, Klenzegymnasium München, A. B. v. Stettensches Institut Augsburg, Willibald-Gluck-Gymnasium Neumarkt, Gymnasium Marktbreit, Simpert-Kraemer-Gymnasium Krumbach
- Berlin: Lily Braun-Oberschule Spandau
- Bremen: Schulzentrum an der Hamburger Straße
- Hamburg: Jahnschule, Gymnasium Marienthal, Walddörfer-Gymnasium, Christianeum,
- Hessen: Herderschule Gießen
- Niedersachsen: Herschelschule Hannover, Wilhelm-Raabe-Schule Hannover, Hainberg-Gymnasium Göttingen, Graf-Stauffenberg-Gymnasium Osnabrück, Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium Osnabrück, Gymnasium Oesede Georgsmarienhütte,
- Nordrhein Westfalen: Röntgen-Gymnasium und Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium Remscheid, Engelbert-von-Berg-Gymnasium Wipperfürth, Burggymnasium Essen, Arndt-Gymnasium Krefeld, Dreikönigsgymnasium Köln, Landrat-Lucas-Schule Leverkusen, Geschwister-Scholl-Gesamtschule Moers, Bertha-von-Suttner-Gymnasium Oberhausen
- Rheinland Pfalz: Gymnasium Mainz-Gonsenheim, Hilda-Gymnasium Koblenz, Johann-Wolfgang-Goethe-Gymnasium Germersheim