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Alte Musik

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Um Alte Musik zu begreifen, hilft es, sich auch auf historische Bilddokumente zu stützen, weil die Musizierpraxis und das Instrumentarium durch die Jahrhunderte hindurch einem zum Teil starken Wandel unterzogen war. Lattanzio Gambara zeigt auf seinem Fresko (um 1560), wie in seiner Zeit Streichinstrumente ausgesehen haben und wie sie, im Unterschied zur heutigen Praxis, gespielt wurden.

Alte Musik bezeichnet europäische Musikstile aus verschiedenen Epochen der klassischen Musik bis etwa zum Jahr 1750.

Aufführung und Aufnahmen Alter Musik sind im Wesentlichen eine Domäne spezialisierter Musiker und Ensembles, da besondere historische Musikinstrumente und viel Fach- und Praxiswissen über Musikgeschichte, Instrumentenkunde, Spielweisen, Stimmungssysteme etc. vorliegen müssen, um herauszufinden, wie die Musik früherer Epochen geklungen haben könnte.

Die Versuche der Rekonstruktion stützen sich auf Bilddokumente und Notentexte (siehe Notationen). Alte Musik wurde in England fast lückenlos von Generation zu Generation weiter überliefert. Dennoch veränderte sich die Musik durch den Vorgang des Weitergebens (Tradierens).

Zeitlicher Ablauf

Alte und teilweise vergessene Instrumententypen und -formen werden in der Alten Musik wieder neu bewertet und in die Musizierpraxis eingebracht
Bereits 1888 begann man in Berlin, das Instrumentarium der Alten Musik zu sammeln; hier ein Serpent aus dem Musikinstrumenten-Museum Berlin

Der Begriff Alte Musik im Mittelalter

Bereits im Mittelalter gab es eine Unterscheidung zwischen „Alter“ und „Neuer Musik“. Ab 1320 wurde der nun überwundene Musikstil als Ars antiqua (‚alte Kunst‘ bzw. ‚Musik‘) bezeichnet und die fortan komponierte neue Musik, die Ars nova als Überwindung dieses alten Stils gefeiert.

Alte Musik und die bürgerliche Musikkultur des 19. Jahrhunderts

Mit dem Entstehen des bürgerlichen Konzertlebens um 1800 begann sich ein Repertoire herauszubilden, das die vorklassische Musik weitgehend außer Acht ließ und sich auf die gerade neu entstehenden Kompositionen konzentrierte.

Die Werke Johann Sebastian Bachs wurden nach seinem Tod 1750 zwar von anderen Komponisten studiert, aber nicht mehr für ein breites Publikum aufgeführt. Die Aufführung der Matthäuspassion durch Felix Mendelssohn Bartholdy 1829 gilt als Beginn einer breit angelegten Bach-Renaissance, und seither werden Bachs Werke wieder von der musikalischen Öffentlichkeit geschätzt.

Die Romantik und der Historismus spielten eine wesentliche Rolle dabei, dass sich die Faszination für Musik vergangener Epochen auch in der Musikpraxis niederschlug. Immer wieder haben sich Komponisten an bedeutenden Vorgängern abgearbeitet. Im Musikleben aber hatten die Aufführungen der Musik vergangener Epochen ansonsten keine Rolle gespielt, da man sie jeweils als überholt ansah.

Alte Musik möglichst mit historisch korrektem Klangbild aufführen zu können, ist – mit Ausnahme von England – in Europa erst wieder ein Anliegen des 20. Jahrhunderts. Der Begriff „Alte Musik“ gewann allgemein seit den Reformbewegungen der 1920er Jahre an Bedeutung, als im Zuge der Belebung der historischen Aufführungspraxis verstärkt Nachbauten von originalen Instrumenten angefertigt und verwendet wurden. Die Altmusik-Bewegung verstand sich als Kontrast und Korrektiv zum herkömmlichen Konzertrepertoire. Die Klanglichkeit der Alten Musik, egal wie sie aufgefasst wurde, stand auf jeden Fall im scharfen Kontrast zur spätromantischen Tonalität und Fülle der Klangfarben.

Wiedergewinnung historischer Instrumente für die Musikpraxis

Eine Laute, Teil eines Ölgemäldes von Hans Holbein dem Jüngeren aus dem Jahre 1533

Einige Musikinstrumente waren im 19. Jahrhundert außer Gebrauch geraten und konnten im 20. Jahrhundert im Zuge der Neubewertung und Neuentdeckung Alter Musik für die Musikpraxis wiedergewonnen werden.

Der Zink war beispielsweise fast unbekannt geworden. Seit den späten 1970er Jahren erfuhr dieses Instrument eine intensive Wiederbelebung im Zuge der Neuentdeckung der Alten Musik. Heute gibt es wieder Zinkenisten und zugleich Instrumentenbauer, die Instrumente herstellen, die denen aus der Blütezeit des Zinken ebenbürtig sind.

Ähnlich liegen die Dinge bei Blasinstrumenten wie Bassetthorn und Serpent. Otto Steinkopf baute als erster im 20. Jahrhundert eine Anzahl von Renaissance- und Barockinstrumenten. Er kopierte Krummhörner, Kortholte, Rankette, Dulziane, Schalmeien und Pommern, und Zinken[1], darüber hinaus auch Barockfagotte und Barockoboen. Er gilt als ein „Nestor der Wiederbelebung historischer Holzblasinstrumente“.[2]

Mit der Wiederentdeckung der Alten Musik erfuhr auch die Laute in ihren verschiedenen Formen während des 20. Jahrhunderts eine Wiederbelebung.

Die Wiederentdeckung des Cembalos im frühen 20. Jahrhundert ist mit der Wiederentdeckung der Barockmusik verbunden. Hierbei ist das Wirken der Pianistinnen und Cembalistinnen Wanda Landowska und Eta Harich-Schneider hervorzuheben, welche durch rege Konzert- und Lehrtätigkeit das Instrument und die dazugehörende Musizierweise einem breiten Publikum bekannt machten.[3][4]

Der Cellist Nikolaus Harnoncourt und die Geigerin Alice Harnoncourt studierten nach der Zeit des Zweiten Weltkrieges sowohl die musikalische Aufführungspraxis der Renaissance als auch des Barocks und erkundeten die Klangmöglichkeiten alter Instrumente.[5]

Museen mit dem Instrumentarium der Alten Musik (Auswahl)

Musikinstrumenten-Museum Berlin Innenansicht; links ein Teil der Cembalosammlung

Einige Musikmuseen in Europa geben die Entwicklung der Alten Musik ab dem 16. Jahrhundert im Blick auf das dazugehörende Instrumentarium – zum Teil museumspädagogisch aufbereitet – wieder. Dazu gehören unter anderem:

Wiederentdeckung und Herausforderungen (Chronologie)

Anfänge der Wiederentdeckung im 19. Jahrhundert

Bach-Renaissance

Die Wiederaufführung von Johann Sebastian Bachs Matthäuspassion durch Felix Mendelssohn Bartholdy im Jahre 1829, rund 100 Jahre nach der Uraufführung in Leipzig, erweckt Interesse an Alter Musik. Eine erste Gesamtausgabe der Werke J. S. Bachs, wird 1851 begonnen, der bereits im 19. Jahrhundert etliche weitere sogenannte Denkmalausgaben folgen.

→ Siehe: Bach-Renaissance im 19. Jahrhundert

Historismus und erwachendes Interesse an Musikhistorie

Das wissenschaftliche Interesse am Notenbestand und Instrumentarium der Alten Musik erwachte im 19. Jahrhundert und fand 1888 seinen Niederschlag in der Gründung eines Staatlichen Institutes für Musikforschung und im Musikinstrumenten-Museum Berlin.

Restitution des Gregorianischen Chorals

Der Gregorianische Choral fand Ende des 19. Jahrhunderts seine Restitution. Es gelang die Wiederherstellung der mittelalterlichen Melodien und Rhythmen in der Neuzeit.

→ Siehe: Restitution des Gregorianischen Chorals

Cäcilianismus

Der Cäcilianismus – benannt nach der frühchristlichen Märtyrin Cäcilia von Rom – war eine katholische kirchenmusikalische Restaurationsbewegung des 19. Jahrhunderts und verlangte die Rückbesinnung auf einen an Palestrina angelehnten A-cappella-Stil, für den die Vertreter des Cäcilianismus den Begriff der altklassischen Vokalpolyphonie prägten. Hermann Bäuerle besorgte eine Neuausgabe von Werken der Vokalpolyphonie in der „Bibliothek altklassischer Kirchenmusik in moderner Notation“ mit Werken von Giovanni Pierluigi da Palestrina, Orlando di Lasso, Tomás Luis de Victoria, Johann Joseph Fux, Hans Leo Hassler, Giovanni Battista Casali, Antonio Lotti, Giovanni Gabrieli, Lodovico Grossi da Viadana u. a. und gleichzeitig die Übertragung des gregorianischen Chorals in einer Reformnotenschrift. Er eröffnete damit vielen Chören den leichteren Zugang zur Alten Musik.

Erste Hälfte des 20. Jahrhunderts

Die Gruppe Ars Musicae de Barcelona 1941 im gotischen „Hospital de la Santa Creu“, der heutigen Biblioteca de Catalunya. Das Ensemble war weltweit eine der Pioniergruppen, die sich dem Thema Alte Musik und historische Aufführungspraxis stellte.
Die Gitarrenlauten (siehe Abbildung) und die Deutsche Basslaute kamen zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Mode und bedienten sich in ihrer Gestalt bewusst wieder der historisch überlieferten Formen, der Lauten des 16. Jahrhunderts und der Barocklauten

Musikwissenschaft

Auch Musikwissenschaftler waren im Auffinden Alter Musik in Europa engagiert. Gian Francesco Malipiero beschäftigte sich seit 1902 mit der älteren italienischen Musik. So entdeckte er in der Biblioteca Marciana die Werke von Claudio Monteverdi, Girolamo Frescobaldi, Claudio Merulo und anderen. Von 1926 bis 1942 gab Malipiero eine Edition sämtlicher Werke Monteverdis heraus und ließ diese auf eigene Kosten drucken.[6] Ab 1947 beteiligte er sich an der Veröffentlichung der Instrumentalwerke Antonio Vivaldis.

Friedrich Ludwig leitete maßgeblich die Erforschung und Neubewertung der Alten Musik ein, indem er die Musik des Mittelalters theoretisch wie praktisch wieder zugänglich gemacht hat. Sein Forschungsgebiet war die Musik vor dem Palestrinastil, das heißt Ars antiqua, Ars nova und die Niederländische Polyphonie. Zu Ludwigs Leistungen zählen die Erforschung des Organums, die Entzifferung der frühen Quadratnotation, die Entdeckung der Modalrhythmik in einstimmigen Liedern des 13. Jahrhunderts, die systematische Darstellung der Notre-Dame-Epoche und der Motettenkompositionen der Ars nova. Er übertrug eine Vielzahl mehrstimmiger Werke bis ins 15. Jahrhundert hinein und publizierte sie in kritischen Editionen. Dabei entdeckte Ludwig das Kompositionsprinzip der Isorhythmie, deren Bezeichnung er auch prägte.

Jugendmusik-, Wandervogel- und Gambenbewegung

Hörbeispiel eines Werkes John Dowlands für Gamben-Consort und Violone, gespielt von Phillip W. Serna
The King of Denmark Galliard à 5 (Lachrimae Nr. 11)

Eine Rückbesinnung auf Musik und Instrumente des 16. und 17. Jahrhunderts im Rahmen der Jugendmusikbewegung erfolgte in den 1920er-Jahren, die ähnlich der Wandervogel-Bewegung eine Form des Protestes gegen das – in diesem Fall künstlerische – Establishment war (sog. Gambenbewegung, auch Fideln, Zinken, Blockflöten u. a. Instrumente). Vor allem durch die historische Aufführungspraxis erlebte die Viola da gamba seit Beginn des 20. Jahrhunderts eine Renaissance.[7]

Moderne Rückgriffe auf Alte Musik

Eine historisierende Kompositionspraxis lässt sich bei Ottorino Respighi beobachten. Er wandte sich vor allem der italienischen Musik des Barock und der Renaissance zu, deren Musik er z. T. in ein neues Klanggewand goss (Orchestersuite Gli Uccelli [Die Vögel]) oder benutzte, um Werke in stile antico wie z. B. Antiche danze ed arie per liuto[8] zu schreiben.

Um 1920 entstanden weitere Bearbeitungen nach „alten Meistern“ im Sinne eines Rückgriffes auf die Komponisten und Stilmittel der Alten Musik, worunter Igor Strawinskis Pulcinella hervorsticht.

Siehe auch: Neobarock#Musik und Neoklassizismus (Musik)

Gesellschaften und frühe Ensembles für Alte Musik

In Frankreich gründeten 1901 Henri Casadesus (Viola d’amore) und Édouard Nanny (Kontrabass) die „Société de concerts des instruments anciens“ (Konzertgesellschaft für historische Instrumente), die unter der Präsidentschaft des Komponisten Camille Saint-Saëns stand. Ziel war die Wiederbelebung der Musik des 17. und 18. Jahrhunderts auf Originalinstrumenten.

Die Nederlandse Bachvereniging wurde am 13. September 1921 offiziell ins Leben gerufen und ist das weltweit älteste Barockorchester, das sich auf die historische Aufführungspraxis von Barockmusik spezialisiert hat[9]

Ars Musicae de Barcelona war ab 1935 ein katalanisches Vokal- und Instrumentalensemble aus Barcelona, das auf mittelalterliche und frühneuzeitliche Musik Kataloniens und Spaniens spezialisiert war.[10] Das Ensemble war bis 1979 aktiv. Es wurde von Josep María Lamaña gegründet und widmete sich der Interpretation der Musik des Mittelalters, der Renaissance und des Frühbarock auf alten Originalinstrumenten oder auf Kopien solcher Instrumente. Das Ensemble war weltweit eine der Pioniergruppen, die sich dem Thema Alte Musik und historische Aufführungspraxis stellte.

Das Deller Consort wurde 1948 als ein englisches Vokal- und Instrumentalensemble von dem Countertenor Alfred Deller gegründet, das sich der frühen englischen Musik widmete. Alfred Deller war der erste wieder solistisch auftretende Counter-Tenor des 20. Jahrhunderts,[11]

Zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts

Der Dirigent und Cembalist Gustav Leonhardt 2009 beim MA Festival Brügge, einem internationalen Festival für Alte Musik
Das Amsterdam Baroque Orchestra unter Leitung seines Gründers Ton Koopman im Jahre 2009. Koopman sitzt vor seinem Tasteninstrument, während Streicher und Sänger um ihn herum stehen. Links eine Oboistin mit einer historischen Oboe d’amore, unter anderem erkennbar am historischen Liebesfuß
Jordi Savall links mit einem Ensemble für Alte Musik. Dazu gehört neben der Gambe Savalls (von links nach rechts) eine Barockvioline, eine Theorbe, eine Traversflöte und eine weitere Gambe. Im Hintergrund ein Cembalo

In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg kam es in vielen europäischen Ländern zu einer Welle von wichtigen Neugründungen von Ensembles und Orchestern, die einerseits durch Einspielungen, andererseits durch Auftritte das neue Klangbild der Alten Musik einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machten:

1950 bis 1969

1970 bis Ende des 20. Jahrhunderts

Bewertung

Alte Musik wird heute oft als wertvolle Bereicherung (oder sogar Korrektiv) des gängigen Repertoires der bürgerlichen Musikkultur, wie sie in den großen Konzertsälen der Welt stattfindet, verstanden. Musiker aus der Altmusik-Szene bringen Impulse mit in das klassisch-romantische Repertoire, soweit sie bereit sind, die Sparten zu wechseln. Durch den Erfahrungshintergrund der Alten Musik werden neue Höreindrücke von längst bekannten Werken möglich.

Weitere Interpreten und Ensembles aus dem Bereich Alte Musik

Organisationen im Dienst der Alten Musik

  • Répertoire International des Sources Musicales; die RISM Serie A/I (Einzeldrucke vor 1800) katalogisiert gedruckte Noten aus der Zeit von ca. 1500 bis 1800, also Alte Musik. In den neun Bänden der Reihe (1971 bis 1981) werden über 78.000 Musikdrucke von 7.616 Komponisten aus 2.178 Bibliotheken nachgewiesen.

Studium und Fortbildung

Schweiz

Ein grundständiger musikpraktischer Vollzeitstudiengang für die Musik des Mittelalters bis zur Romantik wird in der Schweiz an der Schola Cantorum Basiliensis – der Hochschule für Alte Musik in Basel – angeboten.

Deutschland

Diplomstudien für Alte Musik werden in Deutschland an folgenden Universitäten angeboten: Hochschule für Künste Bremen, Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber“ Dresden, Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn-Bartholdy“ Leipzig, Staatliche Hochschule für Musik Trossingen, Hochschule für Musik „Franz Liszt“ Weimar, Hochschule für Musik Würzburg. Eine zweijährige berufs- oder studienbegleitende Fortbildung zur überlieferten Frühen Musik wird an der Akademie Burg Fürsteneck angeboten.

Österreich

In Österreich gibt es Studiengänge für Alte Musik an folgenden universitären Einrichtungen: Anton Bruckner Privatuniversität Linz, Johann-Joseph-Fux-Konservatorium Graz, Universität für Musik und darstellende Kunst Graz, Universität Mozarteum Salzburg (Standort Innsbruck), Konservatorium Wien Privatuniversität.

Werkverzeichnisse

Zur Wiedergewinnung Alter Musik im 20. Jahrhundert trugen maßgeblich Werkverzeichnisse bei, die einen Überblick über das Schaffen der alten Meister erlaubten und zugleich einen Zugang dazu ermöglichten.

Aufgrund von Neufunden und neuen Bewertungen sind manche Werkverzeichnisse auf dem Gebiet der Alten Musik weiterhin im Fluss und müssen modifiziert werden. Ein weiterer Teil wird von Musikwissenschaftlern erst noch erstellt oder komplettiert und gibt erst Zwischenstände der musikhistorischen Forschung wieder.

Zu den ersten Komponisten, deren Kammermusikwerke bis heute mit ihrer originalen Opusnummer benannt werden, gehört Arcangelo Corelli.

Werke Alter Musik als Edition

Grundlage für Alte Musik sind gewissenhaft edierte und publizierte Notenausgaben, die seit Ende des 19. Jahrhunderts als Reihen erschienen sind. Der erste Band der Denkmäler Deutscher Tonkunst erschien 1892
Auch Gesamtausgaben mit den Werken der Komponisten des 15. bis 18. Jahrhunderts sind essentiell für die Neuentdeckung und Wiedergabe Alter Musik. Hier die Werke von Heinrich Schütz aus dem 17. Jahrhundert in einer modernen Edition des Bärenreiter-Verlages ab 1955

Die Rückgewinnung des Instrumentariums der Alten Musik wurde gleichzeitig durch Musikwissenschaftler, Institute und Verlage unterstützt, die eine Vielzahl alter Werke in Form von Notenausgaben für die Spielpraxis der Moderne gesammelt, systematisch aufbereitet oder wenigstens faksimiliert haben.

Sammelausgaben

Beispiele für Sammelausgaben, die sich auf regionale, instrumentale oder zeitliche Aspekte fokussieren, sind:

Komponisten-Gesamtausgaben

Karl Vötterle publizierte im Rahmen des Bärenreiter-Verlages wissenschaftlich-kritische Gesamtausgaben auf dem Gebiet der Alten Musik unter anderem mit den Werken von

Weitere Werkausgaben sind in chronologischer Ordnung:

Auch in weiteren europäischen Ländern und Instituten wurden im 20. und 21. Jahrhundert große Gesamtausgaben im Bereich der Alten Musik erstellt. Beispiele sind:

Urtextausgaben

Weitere führende Musikverlage im Bemühen um einen Urtext im Blick auf Alte Musik sind der G. Henle Verlag, die Universal Edition, der Carus-Verlag oder die Edition Peters. Diese Verlage geben detailliert Rechenschaft über die editorischen Entscheidungen und die verwendeten historischen Quellen.

Weitere Initiativen auf diesem Gebiet sind:

Festivals, Musiktage und Aufführungsreihen für Alte Musik (Auswahl)

Innsbruck gehört zu den Orten, an denen regelmäßig Alte Musik gepflegt und aufgeführt wird, so unter anderem bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik

Gegenwärtige Festivals

An einigen Orten haben sich bereits im 20. Jahrhundert regelmäßig wiederkehrende Tage für Alte Musik oder auch Festivals etabliert, bei denen in Konzertserien Werke der Alten Musik von spezialisierten Instrumentalisten und Ensembles dem Publikum präsentiert werden:

Speziell im Blick auf das Schaffen von Johann Sebastian Bach:

Frühere Festivals

Offene Fragen und Weiterentwicklungen bei der Alte-Musik-Bewegung

Auf manchen dieser Festivals geht es inzwischen um die Grenzen der Alten Musik, um Grenzüberschreitungen hin zu anderen Epochen und Stilen bis hin zu Folk, Pop und Jazz.

Thorsten Preuß stellt im Blick auf die zahlreichen Festivals für Alte Musik fest: „War das zentrale Motiv der Historischen Aufführungspraxis über Jahrzehnte hinweg die möglichst genaue Rekonstruktion der ursprünglichen Aufführungsbedingungen eines Werks, von der Wahl der originalen Partituren und der zeittypischen Instrumente über Besetzungs- und Tempofragen bis hin zur Wiederbelebung der epochenspezifischen Phrasierungen und Verzierungen, so pflegen mehr und mehr Interpreten heute einen kreativen Umgang mit diesen Erkenntnissen – im Wissen um die Unmöglichkeit einer hundertprozentigen Rekonstruktion historischer Spiel- und Rezeptionsweisen und mit Verweis auf den relativ hohen Anteil nicht schriftlich fixierter, improvisatorischer Elemente in der Musik zwischen Mittelalter und Mozart.

Damit einher geht eine Bedeutungsverschiebung beim Begriff der ‚Authentizität‘: ging es früher darum, möglichst „authentisch“ im Sinne der Intentionen des Komponisten zu spielen, steht nun die „Authentizität“ des Interpreten im Vordergrund.

Tatsache ist, dass sich mittlerweile kaum noch ein Alte-Musik-Festival auf Originalklang-Purismus festlegen lässt.“[16]

Produktionsfirmen und Labels mit dem Schwerpunkt Alte Musik

Das Alte Werk, eine Musikaufnahmen ab 1958 mit dem Schwerpunkt Alte Musik

1958 wurde mit dem Schwerpunkt Alte Musik die Produktionsfirma Deutsche Harmonia Mundi in Freiburg im Breisgau gegründet; auch die Harmonia Mundi entstand 1958 und hat ein ähnliches Profil.

Bei der Teldec bildete der Bereich der Alten Musik in historischer Aufführungspraxis einen Schwerpunkt. Ebenfalls ab 1958 kam es zum eigenen Sub-Label Das Alte Werk. Ab 1964 entstanden die ersten Aufnahmen mit Nikolaus Harnoncourt, der mit dem von ihm gegründeten Concentus Musicus Wien und später mit anderen Orchestern zu einem der Schwerpunktkünstler des Labels wurde.

Eines der größten Projekte dieses Bereichs war die mehrfach mit Schallplattenpreisen ausgezeichnete erste Gesamtaufnahme der Bachkantaten, die von 1970 bis 1989 gemeinsam vom Concentus Musicus Wien unter Nikolaus Harnoncourt sowie vom Leonhardt-Consort unter Gustav Leonhardt zusammen mit verschiedenen Solisten und Chören eingespielt wurden. In der Reihe Das Alte Werk erschienen zusätzlich verschiedene Barockopern, darunter die Ersteinspielungen der rekonstruierten Fassungen von Monteverdis Opern L’Orfeo, Il ritorno d’Ulisse in patria und L’incoronazione di Poppea mit dem Concentus Musicus unter Harnoncourt.

Das schwedische Label BIS Records hat seit 1973 immer wieder wichtige Einspielungen Alter Musik produziert. Gleiches gilt ab 1986 für das deutsche Label classic production osnabrück. 2015 gewann letztere Firma auf dem Gebiet der Alten Musik bei der 57. Grammy-Verleihung einen Grammy für die beste Opernaufnahme, La descente d’Orphée aux enfers des französischen Komponisten Marc-Antoine Charpentier.[17] Im gleichen Jahr wurde die cpo-Einspielung zweier Barockopern von Marc-Antoine Charpentier auch mit dem deutschen Musikpreis Echo Klassik ausgezeichnet.

1980 gründete Jérôme Lejeune das Musiklabel „RICERCAR“, welches inzwischen mehr als 400 CD-Einspielungen, fast alle aus dem Bereich Alte Musik nach den Erkenntnissen der historischen Aufführungspraxis aufweisen kann, zu denen er alle Booklets verfasste.

Seit der Gründung von Carpe Diem Records 1995 liegt dort auch ein deutlicher Schwerpunkt bei der Alten Musik.

Das 1998 durch Jordi Savall gegründete Label „Alia Vox“ konnte bis 2010 mehr als 2.000.000 CDs vermarkten, nicht zuletzt durch Savalls starke Präsenz in den Konzertsälen und in den Medien, sowie durch Label-Niederlassungen in 45 Ländern[18].

Grenzen bei der Wiedergabe und Interpretation Alter Musik

Nikolaus Harnoncourt (1980), ein Wegbereiter und Pionier auf dem Gebiet der Alten Musik

Nikolaus Harnoncourt gab im Blick auf die Hermeneutik zu bedenken:

„Wenn einer meint, er kann Monteverdi im Sinne Monteverdis verstehen und aufarbeiten,
ohne in dieser Zeit zu leben,
ohne eine Mutter zu haben, die 1550 geboren ist,
und ohne die Kleidung dieser Zeit zu tragen,
und das Essen dieser Zeit
und das ganze Lebensgefühl,
das ist eine totale Illusion.
Wenn wir das spielen, machen wir dennoch eine reine Aufführung des 20. Jahrhunderts.
Wenn Monteverdi rein käme und das hören würde,
würde er im besten Fall lachen.“[19]

August Wenzinger, einer der ersten Lehrer an der Schola Cantorum Basiliensis, schrieb:

„Es wird uns nie gelingen, so zu singen, zu spielen und zu hören,
wie es ein Zeitgenosse eines vergangenen Jahrhunderts tat.
Jede Aufführung war und ist ein einmaliges Ereignis,
das geprägt ist von so vielen zeitlichen, musikalischen, sozialen, nationalen und persönlichen Einflüssen,
dass es eben keinen allgemeinen ›Kanon der Alten Musik‹ gibt.

Es bleibt der Sensibilität, dem Wissen und Können des Ausführenden vorbehalten,
dem inneren Wesen eines Werkes so nahe als möglich zu kommen und es dem Hörer lebendig darzubieten.“[20]

Neuinterpretationen Alter Musik und Crossover (Auswahl)

Jacques Loussier (* 1934) wurde mit seinen verjazzten Interpretationen von Werken Johann Sebastian Bachs bekannt. Auf diese anfangs ungewöhnliche Kombination war Loussier 1959 während seines Studiums gestoßen und gründete dazu mit dem Bassisten Pierre Michelot und dem Schlagzeuger Christian Garros das Play Bach Trio.

Auf dem Album Officium begleitet Jan Garbarek (* 1947) mit seinem Saxophon als „fünfte Stimme“ das Hilliard Ensemble bei Werken aus der Entstehungszeit des Gregorianischen Gesangs bis zur Renaissance.

Angelo Branduardi (* 1950) verbindet als Cantautore die Alte Musik mit traditioneller Volksmusik.

Musiker und Ensembles, die im historisch informierten Bereich der Alten Musik beheimatet sind, laden sich Interpreten mit anderen Backgrounds zu gemeinsamen Projekten ein. Christina Pluhar (* 1965) und ihr Ensemble „L'Arpeggiata“ zählen zu denen, die sich in diesem Feld des Crossovers bewegen.[21]

Siehe auch

Literatur

  • Dieter Gutknecht: Studien zur Geschichte der Aufführungspraxis Alter Musik. Ein Überblick vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zum Zweiten Weltkrieg. 2. Auflage. Schott, Mainz 1997 (Volltext)
  • Thomas Forrest Kelly: Alte Musik (= Reclams Universal-Bibliothek. Nr. 19173, Reclam-Sachbuch). Reclam, Stuttgart 2014, ISBN 978-3-15-019173-6 (Einführung in das Thema, die auch die Aufführungspraxis mit einbezieht).
Commons: Alte Musik – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Lorenz Welker: Zink. In: Ludwig Finscher (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Zweite Ausgabe, Sachteil, Band 9 (Sydney – Zypern). Bärenreiter/Metzler, Kassel u. a. 1998, ISBN 3-7618-1128-4, Sp. 2383–2390, hier Sp. 2388 (Online-Ausgabe, für Vollzugriff Abonnement erforderlich)
  2. Hermann Moeck: Otto Steinkopf †. In: Tibia, 2/1980, S. 117 f.
  3. Martin Elste (Hrsg.): Die Dame mit dem Cembalo. Wanda Landowska und die Alte Musik. Schott, Mainz 2010, ISBN 978-3-7957-0710-1.
  4. Edward L. Kottick: A History of the Harpsichord. Indiana University Press, Bloomington (Indiana) 2003, S. 425–429.
  5. Das Original des Originalklangs: Nikolaus Harnoncourt, Homepage der Deutschen Welle vom 6. März 2016, abgerufen am 1. August 2022
  6. Reinhard Brembeck: Jubel und Duft der Töne. Zwei neue Bücher über Claudio Monteverdi, der vor 450 Jahren getauft wurde. In: Süddeutsche Zeitung vom 15. Mai 2017, S. 12.
  7. Artikel Viola da gamba. In: Ludwig Finscher (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. 2., neubearbeitete Ausgabe. Bärenreiter, Kassel, und J. B. Metzler, Stuttgart 1998, Sachteil, Band 9, Sp. 1572–1597, hier: Sp. 1573 (im Folgenden zitiert als „MGG-S“).
  8. In diesem Werk greift Respighi auf von dem italienischen Musikwissenschaftler Oscar Chilesotti editierte Übertragungen von Lauten- und Gitarrentabulaturen des 16. und 17. Jahrhunderts von u. a. Simone Molinaro, Vincenzo Galilei, Ludovico Roncalli, Giovanni Batista Besardo und anonymen Komponisten der damaligen Zeit zurück. Im Untertitel nennt Respighi das Werk dann auch Trascrizione libera per orchestra (freie Transkription für Orchester).
  9. Playing the Numbers When Putting Voice to Bach In: The New York Times. 15. April 2007.
  10. Enciclopèdia Catalana: Ars Musicae.
  11. Ann-Christine Mecke: Mutantenstadl. Der Stimmwechsel und die deutsche Chorpraxis im 18. und 19. Jahrhundert. Wissenschaftlicher Verlag Berlin, 2007, ISBN 3-86573-289-5, S. 246.
  12. Peter Watchorn: Isolde Ahlgrimm, Vienna and the Early Music Revival. Ashgate Publishing, 2007, ISBN 0-7546-5787-6, S. 18, books.google.co.uk abgerufen 6. Dezember 2010.
  13. Musica Antiqua Köln. In: KlassikAkzente. Juni 2005, archiviert vom Original am 30. September 2007;.
  14. Das Ensemble für frühe Musik Augsburg auf der Seite von discogs.com (englisch), abgerufen am 11. April 2013
  15. Frankenpost@1@2Vorlage:Toter Link/www.frankenpost.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2018. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  16. Thorsten Preuss auf den Seiten des Goethe-Institutes www.goethe.de zum Thema Alte Musik 2016. GRENZGÄNGER IN EINER SICH WANDELNDEN WELT, abgerufen am 11. August 2022
  17. Osnabrücker Zeitung - Klassiklabel aus GMHütte gewinnt Grammy in Los Angeles
  18. Beschreibung des Labels Alia Vox
  19. Das Original des Originalklangs: Nikolaus Harnoncourt, Homepage der Deutschen Welle vom 6. März 2016, abgerufen am 2. August 2022.
  20. Dieter Gutknecht: Studien zur Geschichte der Aufführungspraxis Alter Musik. Ein Überblick vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zum Zweiten Weltkrieg. 2. bearb. und erweit. Auflage, Köln 1997 (1993) im Verlag Schott Campus, ISBN 3-9803578-9-9 (Vorwort PDF), abgerufen am 2. August 2022
  21. Homepage https://www.br-klassik.de zum Crossover, abgerufen am 17. August 2022