Marienkirche (Dortmund)

Die Marienkirche ist eine Kirche in der Dortmunder Innenstadt aus dem 12. Jahrhundert. Sie liegt direkt gegenüber, südlich der Reinoldikirche am Ostenhellweg.
Als Kirche der Königspfalz, Rats- und Gerichtskirche der ehemaligen freien Reichstadt Dortmund hat sie historische Bedeutung. Die Marienkirche beherbergt bedeutende mittelalterliche Kunstschätze, darunter der Marienaltar von Konrad von Soest und der Berswordtaltar.
Geschichte
Entstehung in der Stauferzeit


Historiker vermuten, dass die Besuche der Kaiser Friedrich I. Barbarossa und seines Nachfolgers und Sohnes Heinrich VI. in der Kaiserpfalz Dortmund zum Bau der Marienkirche führten. Friedrich I. Barbarossa (1152-1190) hat Dortmund nachweislich zweimal besucht. Vermutlich hat er anlässlich eines Besuchs 1152 der Stadt den offiziellen Namen "Tremonia" gegeben.[1] Auch unter seinem Sohn Heinrich VI. (König von 1169-1197) entwickelte sich die Bedeutung der Königspfalz und der Reichsgüter in Dortmund.
Über die Gründung der Kirche ist wenig bekannt. Es ist jedoch anzunehmen, dass sie nach der Reinoldikirche im 12 Jahrhundert erbaut wurde und dass es möglicherweise einen Vorgängerbau gab. In den ersten urkundlichen Erwähnungen und in den Chroniken wird der Bau bis ins 14. Jahrhundert als „Capella Regis“ bezeichnet, was den besonderen Bezug zur Königspfalz herausstellt.[2].
Das älteste literarische Zeugnis für die Dortmunder Marienkirche ist ein im Anfang des 13. Jahrhunderts entstandenes altfranzösisches Gedicht von den vier Haimonskindern.
Der historische Baukörper der Kirche wurde im 12. Jahrhundert als spätromanische, dreischiffige Pfeilerbasilika mit einem Zwillingsturmpaar im Westen errichtet. Die Bauhütte der Marienkirche soll aus dem Rheinland stammen und nach der Marienkirche die Ludgerikirche in Münster errichtet haben[3]. Das architektonische Konzept der Kirche als Basilika ohne Querschiff und mit dem Turmpaar findet in Westfalen keine Parallele. Vergleichbare Baukonzepte finden sich in kaiserlichen Kirchenstiftungen in Goslar und den Kaiserdomen in Königslutter und in Speyer. Norbert Reimann kommt aufgrund dieser Indizien zu dem Schluss,
„... daß der heutige Bau der Marienkirche bzw. Marienkapelle in der Stauferzeit vom König - in Betracht kommt hier eigentlich nur Friedrich Barbarossa - errichtet worden ist, um sie als Pfalzkapelle zu nutzen.“
Im 13. Jahrhundert hat der Rat der Stadt weitgehend die Rechte des Königs übernommen. So wurde die Marienkirche zur Ratskirche. Dabei rekrutierten sich die Mitglieder des Rates zunächst vor allem aus der königlichen "familia", d.h. den führenden Familien der Reichsgutverwaltung. Erst im Laufe der Stadtgeschichte etablierten sich besonders erfolgreiche Bürgerfamilien im Rat der Stadt.
„Die Marienkirche war offenbar zunächst die Gerichtskirche der "nobiles" innerhalb der Stadt, denn hier - gegenüber dem Richthaus - hing die Gerichtsglocke; so repräsentierte die Marienkirche den Führungsanspruch der schöffenbaren Schicht in einer Zeit des sozialen Umbruchs innerhalb der Stadt. Dem entspricht der an königliche Sakralarchitektur erinnernde Bau der Marienkirche. Die wahrscheinliche Nutzung zu Gerichtsgottesdiensten nimmt die spätere Tradition des Ratsgottesdienstes in der Marienkirche vorweg - nur aus diesem Grund wird plausibel, warum der Ratsgottesdienst nicht in der Hauptkirche St. Reinoldi, sondern in der Filialkirche St. Marien gefeiert wurde.“
Mitte des 14. Jahrhunderts wurden die drei halbrunden, romanischen Apsiden durch einen größeren gotischen Chorbau ersetzt. Auch andere Teile der Kirche wurden im gotischen Stil umgestaltet, etwa das nördliche Seitenschiff. Im südlichen Seitenschiff kann man auch heute noch romanische Stilelemente erkennen. Links und rechts vom Chor erbauten städtische Kaufleute zwei kleine Sonderkapellen. Die südliche lag im heutigen Eingangsbereich der Sakristei und wurde nach ihrem Stifter Berswordtkapelle genannt.
Zu den beiden Kapellen wurden in der Kirche Familienaltäre erbaut. Der bekannteste Altar ist der bis heute erhaltene Marienaltar von Konrad von Soest aus dem Jahre 1420.
Niedergang und Restauration

Die Reformation fand in Dortmund starke Unterstützung, führte die Stadt aber auch in Konflikte. Vor allem der Einfluss Brandenburg-Preußens verschaffte den reformatorischen Bestrebungen Rückhalt. In einem langen Prozess setzte sich die Reformation bis 1648 in Dortmund durch. Mit dem Dreißigjährigen Krieg begann aber auch der Niedergang der Reichsstadt Dortmund.
Dortmund bemühte sich als protestantische Reichsstadt des katholischen Kaisers lange um Neutralität. 1632 wurde Dortmund dennoch von der katholischen Seite durch General Pappenheim erobert und besetzt. 1633 folgte die Besetzung durch den evangelischen Landgrafen Wilhelm von Hessen, es folgte 1636 die Besetzung durch kaiserliche Truppen. Bis nach Friedensschluss blieben die kaiserlichen Truppen inb der Stadt, die zudem durch die schwedischen Reiterkompanien in der Grafschaft Dortmund belastet war. Am Ende des Krieges war nur noch ein Drittel der Bürger in der Stadt, zahlreiche Häuser waren zerstört und die Stadt hoch verschuldet.
„Gleichsam als Symbol für den Zerfall der Stadt mag uns heute der jahrelang vorauszusehene Einsturz des Reinoldikirchturms im Jahre 1661 erscheinen ...“
Beim Einsturz wurde auch die naheliegende Marienkirche teilweise zerstört. Eine Wiederherstellung konnte aufgrund fehlender Finanzmittel zunächst nicht realisiert werden. Die Kirche galt als Bauruine und wurde zeitweise für die Öffentlichkeit gesperrt. 1805 musste der nördliche Turm abgetragen werden. 1828 dann sollte die Ruine der Kirche abgerissen und als Steinbruch freigegeben werden.
„In Folge höherer Anordnungen soll die hiesige Evangelische Marien-Kirche nebst Thurm, wegen anerkannter Baufälligkeit, auf Abbruch an den Meistbietenden verkauft werden. Das Gebäude, welches noch sehr brauchbare Materialien enthält, nemlich Steine, worunter kantige, zum Theil carrirte Hausteine, gute Bruchsteine und gute Belegplatten, Holz, worunter scharf kantiges schönes trockenes Eichenbauholz, Bretter und starke Latten befindlich, ferner aus Glas, Eisen, Blei, Schiefer und Pfannen bestehend, soll erst im einzelnen und nächstdem im Ganzen ausgeboten werden. Es ist hierzu Termin auf Montag, den 30. September Nachmittags 2 Uhr auf dem hiesigen Rathhause angesetzt, und werden Lusttragende und cautions fähige Unternehmer hierzu mit dem Bemerken eingeladen, daß die Verkaufs-Vorwarden 3 Wochen vor dem anstehenden Termine hier offen gelegt werden sollen.“
Erst nach der öffentlichen Ausschreibung der Kirche als Steinbruch regte sich erster Protest, unter anderem setzte sich Karl Friedrich Schinkel für den Erhalt des kulturhistorisch bedeutsamen Baus ein. Den Ausschlag gab das Engagement des preußischen Kronprinzen, des späteren Friedrich Wilhelm IV., nach einem Besuch in Dortmund 1833. Die Kirche wurde zunächst notdürftig wiederhergestellt. Seit 1837 wurde die Marienkirche restauriert und ab 1839 konnte sie wieder genutzt werden. Nach umfangreichen Wiederaufbauarbeiten wurde im Mai 1839 der erste Gottesdienst nach der Wiederherstellung gefeiert. Den ersten Gottesdienst in der wiederhergestellten Kirche hielt Pfarrer Nonne aus Schwelm, der Dichter des Freiheitsliedes "Flamme empor". Die ausgelagerten Kunstwerke wurden zurückgebracht und zum Teil an anderer Stelle wieder aufgestellt.
Am 26. Dezember 1839 stürzte beim Läuten der Kirchenglocken ein Teil des Turmes, ohne Schaden anzurichten, ein. Der Kirchturm wurde für 5.500 Reichstaler erneuert. 1843 erneuerte man die Turmspitze, 1859 folgten einige Fenster, darunter das große Westfenster[4].
Die Restauration der alten Orgel erfolgte 1856 und 1859 wurden schließlich drei neue Glocken gegossen. Trotz dieser bauliche Investitionen war die Bausubstanz der Kirche noch immer mangelhaft. Die Gemeinde St. Marien überlegte die Kirche umfassend zu restaurieren oder an gleicher Stelle einen Neubau zu errichten. In einem Gutachten empfahl der westfälische Kunsthistoriker Wilhelm Lübke die Kirche "unter Berücksichtigung der vorhandenen stilistischen Differenzen des alten Baues und den lebendigen Bedürfnissen des kirchlichen Lebens der Gegenwart" abzureißen und einen Neubau zu errichten.
Die Mariengemeinde folgt diesem Gutachten nicht, sondern beauftragte den Dortmunder Baurat Genzmer als Architekten einer umfassenden Restauration. In der anschließenden Restaurierung wurden die im Langschiff als Stützen dienende Querbalken entfernt. Ebenso wurden Vorsprünge und Vermauerungen an den Pfeilern beseitigt. Es wurde neue Fenster eingebrochen und das Kircheninnere mit neuer Malerei versehen. Das bereits 1274 erwähnte Portal "Porticus S. Marie" unter dem Westfenster wurde bei diese Restaurierung zugemauert. Am 2. Juli 1882 wurde die Kirche mit einem Dank- und Festgottesdienst wieder eröffnete.
Das Gemeindeleben im Nationalsozialismus
Mit der nationalsozialistischen Gleichschaltung gerieten auch die Kirchen zunehmend unter Druck. Die evangelische Kirche organisierte sich im Juli 1933 in der Deutschen Evangelischen Kirche. Reichsbischof wurde der Nationalsozialist Ludwig Müller. Starken Einfluss gewannen die faschistischen und rassistischen Deutschen Christen. Eine Gegenbewegung entwickelte sich 1934 mit der Bekennenden Kirche.
Das Presbyterium der Marienkirche unterstützte diese Gegenbewegung früh und geriet damit zunehmend unter Druck. 1936 wurde von der Kanzel gegen die Verbrechen der Konzentrationslager unter Nennung der Namen gepredigt, für Beamte galt es als gefährlich, an den Gottesdiensten der Marienkirche teilzunehmen[5]. Nach der Verhaftung von Martin Niemöller wurde ein Protesttelegramm an die Regierung geschickt, während der Haft Niemöllers wurden symbolisch die Altarkerzen nicht angezündet, täglich wurde um 15 Uhr eine Trauerglocke geläutet[6].
Aufgrund der oppositionellen Haltung wurden Pfarrer und Kirchenpersonal wiederholt in Haft genommen. Bei der Wahl des Nachfolgers für den pensionierten Pfarrer Dr. Haberkamp wurde gegen den heftigen Druck der Nationalsozialisten Prof. Hans Joachim Iwand als Nachfolger gewählt. Auf Intervention des Reichskirchenministeriums wurde Iwand zunächst vom Konsistorium in Münster nicht bestätigt, er selbst für 11 Wochen in der Steinwache inhaftiert. Aufgrund der Standhaftigkeit der Presbyter wurde Iwand dann doch noch ins Amt eingeführt[7].
Zerstörung und Wiederaufbau
Am Ende des zweiten Weltkriegs wurde die Marienkirche teilweise zerstört, vor allem beim schweren Angriff von 6. Oktober 1944. Eine Brandbombe durchschlug das Gewölbe und setzte den Innenraum in Brand. Dabei gingen die hölzerne Kanzel, die alte Orgel, der Barockaltar, die kunstvollen gotischen Fenster und die Deckenbemalung unwiderbringlich verloren. Weitere Schäden entstanden durch Witterungsschäden aufgrund der fehlenden Dächer. Die heute gezeigten Kunstschätze waren durch Auslagerung gerettet worden.
Erst nach der Währungsreform, im Herbst 1948, konnte mit dem Wiederaufbau begonnen werden. Neben Reparatur- und Stabilisierungsarbeiten wurden auch einige bauliche Veränderungen vorgenommen. Der Architekt Hermann Kessemeier berichtet:
„1954: Im Februar begannen wir mit den Ausschachtungsarbeiten zur Tieferlegung des Fußbodens im Haupt- und nördlichen Seitenschiff, um die Pfeiler- und Säulenbasen, wie in der romanischen Zeit, in ihrer vollen Schönheit wieder sichtbar zu machen. Hierbei wurden Teile des Fußbodens aus der romanischen Zeit gefunden. Die Höherlegung des Fußbodens um 25-30 cm war zu Beginn des 14. Jh. geschehen, wie an den gotischen Teilen der Außenmauern des nördlichen Seitenschiffes festzustellen war.“
Bei der Restauration wurde vor allem die Qualität des romanischen Mauerwerkes festgestellt, das selbst heutigen Normen genügen könnte und die Qualität der gotischen Maurerarbeiten weit übertraf.
Nach dem 2. Weltkrieg wurde zudem das im Nordosten liegende Baudenkmal Vehoff-Haus dem Stil der Marienkirche angepasst und über einen Torbogen mit der Marienkirche verbunden.
Neuverglasung von Johannes Schreiter 1970-72
Die 1972 abgeschlossene Neuverglasung von Johannes Schreiter gestaltete Fenster mit einer sehr einfachen, zurückhaltenden Ornamentik, die vor allem die Altäre zur Geltung bringen wollte. Die informelle Gestaltung vermittelt dennoch auch eine theologische Symbolik.
„Der Baumeister hat den Weg der Kirche als Weg des wandernden Gottesvolkes von der Taufe beim Durchzug durchs Rote Meer bis zum Einzug ins „gelobte Land“ durch die Prozession zum Altarraum in der West - Ostorientierung des Baukörpers horizontal dargestellt. Der Glasmaler stellt dieselbe Aussage in der vertikalen Dimension dar und nutzt dabei die religiöse Wertigkeit der Begriffe von „unten“ und „oben“. Damit wird jede aufstrebende Linie zum Hinweis auf den Schöpfergott, der alles gut geschaffen und wohl geordnet hat. Die irdische Gemeinde, symbolisiert in der liturgischen Farbe Rot in den unteren Feldern, hat schon auf Erden ihr Gegenstück in den obersten Feldern unter dem Spitzbogen der Fenster. Diese Beziehung der irdischen Gemeinde zu der schon vollendeten, droben bei Gott weilenden Schar ist zerstört und durchbrochen durch die vielen Risse und chaotischen Deformationen.“
Der Dreipass der Fenster symbolisiert die Trinität. Die Hoffnung auf die Verbindung zum Göttlichen wird durch durchgehende Lichtbänder zum Ausdruck gebracht.
Altäre
Berswordt-Altar
- siehe auch den Hauptartikel zum Berswordt-Altar
Die Marienkirche beherbergt zwei kunsthistorisch bedeutende Altäre. Der ältere steht im nördlichen Seitenschiff und wird nach seinem Stifter Berswordt-Altar genannt. Die Gemälde werden auf etwa 1395 datiert und zeigen in einer Szenenfolge die Kreuzigung Christi. Der Maler ist unbekannt, es gibt aber Spekulationen, dass es sich um ein Frühwerk von Konrad von Soest handeln könne[8], was die neuere Forschung wiederum bestreitet.
Die linke Tafel zeigt Jesus auf dem Kreuzweg nach Golgatha. Simon von Cyrene wird gezwungen, ihm beim Tragen des schweren Kreuzes zu helfen. Während Knechte der römischen Soldaten ihn vorwärtsprügeln, beweinen ihn einige Frauen.
Die mittlere Tafel fasst verschiedene Episoden der Kreuzigung zusammen. Sie zeigt den Zusammenbruch von Maria, die von Johannes gestützt wird. Johannes blickt zum Gekreuzigten, der nach dem Johannes-Evangelium die beiden zu Mutter und Sohn erklärt. Zu Füßen des Kreuzes schachern dämonische Gestalten um das Gewand Jesu. Ein römischer Hauptmann erkennt aber im sterbenden Jesus den wahren Sohn Gottes. Sein Bekenntnis ist als Spruchband ausgeführt. Im Zentrum der mittleren Tafel steht das Kreuz mit dem sterbenden Jesus, auch der Stich mit der Lanze in die Seite ist dargestellt. Rechts und links hinter Jesus hängen die mit ihm gekreuzigten Schächer. Die Seele dessen, der bereute, wird von einem Engel, die des Verstockten von einem Teufel geholt.
Die rechte Tafel zeigt die Kreuzabnahme. Auch auf diesem Bild steht das Kreuz im Zentrum. Das Geschehen ist auf wenige Personen begrenzt, anders als in der Szenenfülle des Zentralbildes. Vor dem goldenen Hintergrund leuchten die Gewänder der agierenden Personen rot, golden und grün. Josef von Arimathia hält den Leichnam Jesu im Arm, während andere die blutenden Nägel mit einer Zange aus den Füßen entfernen und den linken Arm vom Kreuz lösen. Die Gestalt Jesu wirkt nicht nur im Bereich des weißen Tuches, das seine Scham bedeckt, verschleiert.
Vorlage:Highlight1 colspan="3" |Berswordt-Altar (~1395) | ||
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Marienaltar des Konrad von Soest
- siehe auch den eigenen Artikel Marienaltar
Auf dem Haupaltar finden sich die Tafeln des Marienaltars (~1420) von Konrad von Soest, die ursprünglich Teil eines 1720 zerstörten, gotischen Altars waren. Um die Tafeln in einen barocken Altaraufbau einzufügen, wurden sie beschnitten, ein angesichts der Qualität des Kunstwerks aus heutiger Sicht unvorstellbarer Vorgang. Die Tafeln sind heute in moderne Metallrahmen gefasst.
Die Gemälde auf der Vorderseite zeigen Motive aus dem Leben Marias. Auf der linken Tafel dominieren die Farben Gold, Blau und Rot. Dargestellt ist die Geburt Jesu. Die mittlere Tafel zeigt den Tod Marias. Die Figur leuchtet kräftig aus einem blauen Umfeld von Engeln, die ihr die Augen schließen. In der Hand hält die liegende Maria als Symbol des Todes eine Sterbekerze. Drei rot gewandete Figuren umgeben die Sterbende. Johannes reicht ihr die Sterbekerze, oben rechts im goldenen Hintergrund eröffnet sich ein Blick in den Himmel, das Motiv der geöffneten Hand zeigt, dass Maria der Weg ins Paradies offen steht. Die rechte Tafel zeigt die Anbetung der heiligen drei Könige. Die Tafeln auf der Rückseite des Altars sind stark verwittert.
Die Faszination des Gemäldes beruht auf verschiedenen Momenten. Die leuchtenden Farben, die für die Zeit ungewöhnliche Größe der Figuren und die Harmonie der Komposition spielen dabei eine Rolle. Das Gemälde zeigt mittelalterliche Stilelemente, etwa die flächigen goldenen Hintergründe, die Größengestaltung der Figuren nach ihrer religiösen Bedeutung oder das Erzählen biblischer Geschichte. Gleichzeitig fasziniert die Entwicklung der Renaissancemalerei, die Gestaltung von Perspektive, von Gesichtern der Zeit und die Anatomie der Körper.
Die Signatur des Konrad von Soest versteckt sich so in einem Bilddetail, dass sie erst 1950 entdeckt wurde.
Vorlage:Highlight1 colspan="3"|Marienaltar des Konrad von Soest 1420 (Vorderseite) | ||
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Kunstschätze



Marienfiguren
In der Kirche finden sich zwei bedeutsame Marienfiguren.
Die gotische Sandsteinmadonna im rechten Seitenschiff der Marienkirche wurde von R. Fritz auf das Jahr 1420 datiert. Die 75 Zentimeter hohe Sitzmadonna zeigt Reste der ursprünglich farbigen Fassung. Dem Christuskind auf dem Schoß Marias fehlt der Kopf. Ein Ölanstrich wurde vor der Wiederaufstellung im Jahre 1957 vom Museum für Kunst und Kulturgeschichte entfernt.
Die Skulptur steht in der Tradion des Weichen Stils der "schönen Madonnen", etwa durch den weichen, fließenden Charakter des Gewandes. Die auf einer Steinbank sitzende Marienfigur hält auf dem Schoß das halbaufgerichtete Christuskind. Ihre Hände umfassen sanft Schulter und Fuß des Kindes. Unter dem weich fließenden Mantel wird ein Kleid mit Gürtel sichtbar. Ihr leicht nach rechts geneigter Kopf trägt eine goldene Krone, langes rötliches Haar fällt ihr bis auf die Schultern.
„Das Jesuskind hält in der rechten Hand einen Apfel, Sinnbild der durch Christus besiegten Erbsünde, zugleich Hinweis auf Maria als der "neuen Eva"; mit der linken Hand spielt es am Gürtel des mütterlichen Kleides.“
Die "Goldene Muttergottes von Dortmund" ist eine spätromanische Marienfigur, etwa aus dem Jahre 1230 (Datierung R. Fritz). Die aus Nussbaumholz gefertigte, 91 Zentimeter hohe Figur mit Thronpfosten aus Birke befindet sich an der Südwand des Altarraumes. Von innen ist die Skulptur zum Teil ausgehöhlt, wohl zur Aufnahme von Reliquien. Die heute sichtbare Fassung (=Bemalung) stammt aus dem 15. Jahrhundert und wurde nach der Originalfassung gestaltet. Die Fassung war zeitweilig übermalt und wurde verschiedentlich restauriert, zuletzt 1976 im Landesamt für Denkmalpflege Münster.
Auffällig ist der in die Ferne gerichtete Blick von Mutter und Kind. Diese in der Romanik häufige Anordnung der Figuren deutet darauf hin, dass Christus schon als Kind nicht in normale menschliche Beziehungen eingeordnet werden darf. Nicht mehr streng romanisch ist die Handhaltung der Figuren. Das Jesuskind hält ein Gefäß in der Hand, das an einen kleinen Krug erinnert.
„Das Gefäß, das das Kind in seinen Händen hält, bezieht sich auf den jungfräulichen Schoß der Mutter, aus dem es, vom Heiligen Geist gezeugt, hervorgegangen ist.“
Die fehlenden Hände der Figuren müssen nach Ausrichtung der Armfragmente dem Betrachter zugestreckt gewesen sein. Auf einer älteren Abbildung sieht man, dass die Hand Marias 1894 noch erhalten war[9].
Das spätgotische Bild auf der Rückseite (Eichenholztafel) zeigt die Begegnung Joachims mit Anna, den Eltern von Maria, an der Goldenen Pforte. Rinke datiert das Werk auf 1470/80[10]. Beide Figuren sind wie wohlhabende Bürger des Mittelalters gekleidet. Im Hintergrund sieht man ein Tor und eine zinnenbewehrte Stadtmauer. Marias Vater trägt einen Geldbeutel am Gürtel, im Vordergrund weiden seine Schafe. Das Gemälde wurde erst nachträglich um 1470 angebracht. Die Bemalung der Rückseite belegt, dass die Madonna bei Prozessionen verwendet wurde.
Weitere Sehenswürdigkeiten


Das Chorgestühl aus dem 16. Jahrhundert wurde im Stil der niederrheinischen Spätgotik aus Eichenholz geschnitzt. Es entstand wahrscheinlich 1523 und weist eine große Ähnlichkeit mit dem Gestühl in der früheren Stiftskirche in Cappenberg auf. Man nimmt deshalb an, dass beide Werke aus der gleichen Werkstatt stammen, die vermutlich am Niederrhein lag. Unter den Sitzen waren sogenannte Miserikordien angebracht, kleine Sitzflächen zur Entlastung beim Stehen. Geschnitzten Symbolfiguren unter den Miserkordien zeigen die Laster der Menschen. Auf den Trennwänden zwischen den Sitzen befinden sich Drôlerien.
Oberhalb der Sitzflächen finden sich dann Heiligendarstellungen und reiche Verzierungen. Ins Auge fallen vor allem die Figuren an den seitlichen Begrenzungen (Wangen) mit fein geschnitzten Säulen [11].
Beim Adlerpult handelt es sich um ein Lesepult aus dem Jahre 1450. Das auf einer Sandsteinsäule angebrachte gotische Pult aus Messing stellt den Adler weitgehend naturalistisch dar. Die Beschaffung des Pults interpretieren einige Autoren aus der damaligen Konkurrenz zur benachbarten Reinoldikirche, die ein vergleichbares Pult besitzt. Der Adler kann als Symbol des Evangelisten Johannes oder für die Auferstehung Jesu gedeutet werden. Die auf der Brust angebrachte Darstellung Jesu deutet hier auf letztere Bedeutung hin. Vom Adlerpult wurde früher die heilige Schrift verlesen. Seit dem Verlust der hölzernen Barockkanzel durch ein Feuer wird dort auch die Predigt gehalten. Zu diesem Zwecke wurde auf dem Rücken des Adlers eine Buchauflage aus Plexiglas angebracht.
Der spätromanische Taufstein stammt aus der Stauferzeit. Das große Taufbecken lässt vermuten, dass hier auch Erwachsene getauft werden sollten. Zeitweise wurde der Taufstein außerhalb der Kirche verwendet, aufgrund der starken Gebrauchsspuren vermutlich als Pferdetränke.
Ein Kunstschatz jüngeren Datums ist das Wandrelief Christuskopf mit Dornenkrone aus dem Jahre 1905. Der Kopf wurde vom jüdischen Bildhauer Benno Elkan ursprünglich für das Grab der Familie Feuerbaum gestaltet.
Hinter dem Chorgestühls im nördlichen Chorraum findet sich ein Sakramentshaus aus Sandstein (um 1450) im Stil einer hochgotischen Kathedralenfassade, das vermutlich von der Bauhütte der benachbarten Reinoldikirche stammt. Das 7,50 Meter hohe Sakramentshaus im Stil der Parlernachfolge diente ursprünglich der Aufbewahrung von liturgischem Gerät, vielleicht auch von Reliquien. Es ersetzte eine ältere, in die Chorwand eingelassene Sakramentnische, die neben dem Sakramentshaus noch zu sehen ist.
Rinke nimmt an, dass das Sakramentshaus ursprüngliche farbig gefasst war[12]. Beim Wiederaufbau der Kirche wurde die Verzierung leicht ergänzt und restauriert.
Ebenfalls im Chorraum auf der südlichen Seite findet sich eine Skulptur von Jesus. Christus ist hier als Weltenherrscher im Stil eines Kaiserbildes dargestellt, ausgestattet mit den Reichsinsignien weltlicher Macht, der Bügelkrone und dem Reichsapfel. Das Szepter in der rechten Hand ging zu einem unbekannten Zeitpunkt verloren. Den rechten Fuß stützt die Figur auf die Weltkugel. Die Figur ist zum Teil nicht mehr im Originalzustand. Rinke vermutet eine früher farbige Fassung, die laut Dr. Fritz im 19 Jh. durch den heutigen, braunen Ölanstrich ersetzt wurde[13].
Im Übergang zwischen Schiff und Chor, dem sogenannten Triumphbogen, hängt hoch im Kirchenraum ein Triumphkreuz aus dem 16. Jahrhundert. Das 3,84 Meter hohe und 2,81 breite Kreuz zeigt über der Figur des sterbenden Christus eine geschwungene INRI-Inschrift und an den Balkenenden die Symbole der vier Evangelisten.
Die Kirche enthält eine Reihe alter Grabplatten, die in die Wände eingelassen sind. Bis 1809 wurden die Toten der Gemeinde auf dem Kirchhof, Pastoren und Patrizier im Kircheninneren bestattet. Danach wurde dies verboten und die Stadt richtete außerhalb der Stadtmauern den "Westentotenhof" ein, den heutigen Westpark. Auch dort sind heute noch alte Grabplatten zu besichtigen.
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Das Adlerpult
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Christus als Weltherrscher
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Christusfigur im südlichen Seitenschiff
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Der spätromanische Taufstein
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Grabplatte in der Berswordt-Kapelle
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Nordwestliche Fensterwange des Chorgestühls
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Das hochgotische Sakramentshaus
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Kirchenfenster im nördlichen Seitenschiff
Die Glocken
Die ersten Glocken der Marienkirche wurden 1442 vom Meister Johann Windenbroech gegossen.
St. Marien hatte trotz der Dominanz der Reinoldikirche ein besonderes Glockenrecht. Hoch in einem der Türme hing eine kleinere Glocke, die sogenannte Gerichtsglocke. Ihr Läuten gab das Zeichen für die Sitzungen im Richthaus oder Tribunal, das an einer Ecke Ostenhellweg der Marienkirche gegenüber lag. Außer ihr befanden sich noch weitere vier Glocken in den beiden Marientürmen. Eine von ihnen hieß die Ratsglocke, weil sie die Ratsherren zu ihren Versammlungen im Rathaus zusammenrief. 1857 schmolz man die alten Glocken ein.
Anschließend wurden wiederum drei Glocken beschafft, die bis zum Ersten Weltkrieg läuteten („Maria“, „Magdalena“, „Salome“). Heute hängt nur noch eine Glocke im Turm („Salome“). 1906 beschloss der Rat, neben dem Glockenturm den zweiten Turm wieder aufzubauen. Dieser Plan wurde aber ebensowenig umgesetzt wie neuere Pläne aus den 80er-Jahren.
Die Orgel
Die mittelalterliche Orgel wurde bei einem Bombenangriff im 2. Weltkrieg zerstört.
Die jetzige Orgel der Marienkirche stammt aus dem 1967 und wurde von der Firma Gustav Steinmann Orgelbau aus Vlotho gefertigt.
Quellen und Anmerkungen
- ↑ Norbert Reimann, Das Werden der Stadt, in: Gustav Luntovski, Günther Högl, Thomas Schilp, Norbert Reimann, Geschichte der Stadt Dortmund, a.a.O., 45ff.
- ↑ vgl. Klaus Lange, „Capella Regis“, Zum Bauprogramm der Dortmunder Marienkirche, a.a.O.
- ↑ Hermann Kessemeier, Ein Beitrag zur Baugeschichte und ein Bericht über den Wiederaufbau der Marienkirche, in: Konrad Lorenz, Die Ev. St. Marienkirche zu Dortmund, Dortmund (Eigenverlag der Mariengemeinde) 1981, S. 54
- ↑ Hermann Kessemeier, Ein Beitrag zur Baugeschichte ..., a.a.O., S.54
- ↑ Fritz Heuner, Der Anteil der Mariengemeinde am Kampf der Bekennenden Kirche, in: Die Ev. St. Marienkirche zu Dortmund, a.a.O., S. 48
- ↑ Fritz Heuner, a.a.o., S. 50
- ↑ Heuner, a.a.O., S. 51f
- ↑ Horst Appuhn, St. Marien in Dortmund, in: Konrad Lorenz, Die Ev. St. Marienkirche zu Dortmund, a.a.O., S. 24
- ↑ Albert Ludorff, Die Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Dortmund-Stadt, Münster 1894, Tafel 18
- ↑ Rinke, Dortmunder Kirchen des Mittelalters, a.a.O., S. 102
- ↑ Horst Appuhn, St. Marien in Dortmund, in: Konrad Lorenz, Die Ev. St. Marienkirche zu Dortmund, a.a.O., S. 28
- ↑ a.a.O., S. 105
- ↑ Rinke, Dortmunder Kirchen im Mittelalter, a.a.O., S.104
Literatur
- Wolfgang Rinke, Dortmunder Kirchen des Mittelalters, St. Reinoldi, St. Marien, St. Johannes Bapt. Propstei, St. Petri, Dortmund 1991, ISBN 3-7932-5032-6
- Konrad Lorenz, Die Ev. St. Marienkirche zu Dortmund, Eigenverlag der Mariengemeinde, zahlreiche Abbildungen, Dortmund 1981
- Andrea Zupancic, Thomas Schilp (Hg.), Der Berswordt-Meister und die Dortmunder Malerei um 1400, Stadtkultur im Spätmittelalter, Bielefeld (Verlag für Regionalgeschichte) 2002, ISSN 1610-403X, ISBN 3-89534-488-5
- Gustav Luntovski, Günther Högl, Thomas Schilp, Norbert Reimann, Geschichte der Stadt Dortmund, hrsg. vom Stadtarchiv Dortmund, Dortmund (Harenberg) 1994, ISBN 36113972
- Klaus Lange, „Capella Regis“, Zum Bauprogramm der Dortmunder Marienkirche, in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Markt, 83/84, 1992/1993
- Martin Blindow, Orgelgeschichte der Marienkirche Dortmund. 2001. In: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark. S. 246-254.
Weblinks
- Bilder auf den Wikimedia-Commons
- Stiftung St. Marien
- Webseite der St. Marien-Gemeinde
- Wie im Märchen: Vom Prinz gerettet! – Die Marienkirche in der Dortmunder Innenstadt, Bauordnungsamt Dortmund